VwGH vom 21.11.2011, 2009/18/0213
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des J E in K, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12/I, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom , Zl. KUVS-K8- 1736/12/2008, betreffend Grundversorgung (weitere Partei: Kärntner Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Der Beschwerdeführer stellte am einen Asylantrag in Österreich. In der Zeit vom bis wurde der Beschwerdeführer in der Erstaufnahmestelle Ost des Bundesasylamtes in Traiskirchen betreut, danach wurde er in die Grundversorgung des Landes Niederösterreich übernommen. Nachdem der Beschwerdeführer am bei der "Standeskontrolle" nicht mehr anwesend war, wurde er aus der Grundversorgung des Landes Niederösterreich entlassen. Laut zentralem Melderegister (ZMR) meldete er am selben Tag einen Hauptwohnsitz in Klagenfurt an.
Mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenats vom wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers im Instanzenzug abgewiesen, ihm kein Refoulementschutz gewährt und seine Ausweisung nach Nigeria verfügt. Der dagegen eingebrachten Beschwerde erkannte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom die aufschiebende Wirkung zu, lehnte jedoch in weiterer Folge die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom ab.
Mit Schreiben seines Rechtsvertreters vom beantragte der Beschwerdeführer bei der Kärntner Landesregierung die Erlassung eines schriftlichen Bescheides über die Wiederaufnahme in die Grundversorgung und Unterbringung in einer privaten Unterkunft nach den Bestimmungen des Kärntner Grundversorgungsgesetzes (K-GrvG). Mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom wurden die Anträge zurückgewiesen. Begründet wurde die Zurückweisung im Wesentlichen mit dem Umstand, dass zuletzt das Land Niederösterreich Leistungen aus der Grundversorgung erbracht habe und der Beschwerdeführer seitens der Koordinationsstelle des Bundes nicht "nach Kärnten zugewiesen" worden sei. Das Land Kärnten habe demnach die materiellen Aufnahmebedingungen in die Grundversorgung Kärntens nicht zu prüfen und auf die in der "Stellungnahme des Parteienvertreters" dargelegten Äußerungen (gemeint: nicht) näher einzugehen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Nach Schluss der fortgesetzten öffentlichen mündlichen Verhandlung am wurde der angefochtene Bescheid, mit welchem die Berufung abgewiesen und die Zurückweisung der Anträge des Beschwerdeführers betätigt wurde, mündlich verkündet und am selben Tag schriftlich ausgefertigt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
II.
Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid ebenso wie die erstinstanzliche Behörde davon aus, dass mangels bereits erfolgter Zuweisung des Beschwerdeführers von der Koordinationsstelle iS § 1 Abs. 2 lit. a K-GrvG bzw. zusätzlich auch, dass mangels vorliegenden Beschlusses seitens des Landes Kärnten über die Aufnahme des Beschwerdeführers in die Grundversorgung iS § 1 Abs. 2 lit. b leg.cit., die Anträge des Beschwerdeführers auf (Wieder )Aufnahme in die Grundversorgung durch das Land Kärnten sowie auf Unterbringung in einer privaten Unterkunft ohne materielle Prüfung zurückzuweisen seien.
Dagegen wendet sich die gegenständliche Beschwerde, die zwar nicht den Feststellungen im angefochtenen Bescheid, wohl aber der oben dargestellten Rechtsauffassung der belangten Behörde entgegen tritt und die trotz bestehenden Hauptwohnsitzes des Beschwerdeführers in Kärnten nicht erfolgte (meritorische) Prüfung, ob die in § 2 Abs. 2 und 3 K-GrvG genannten Kriterien erfüllt seien, beanstandet.
Die belangte Behörde weist (erst) in ihrer Gegenschrift darauf hin, dass der Beschwerdeführer sowohl während seines anhängigen Asylverfahrens als auch nach dem Abschluss des Asylverfahrens nicht die Voraussetzungen nach dem K-GrvG für die Gewährung einer Grundversorgung durch das Land Kärnten erfüllt habe (weil das Land Kärnten die Aufnahme des Beschwerdeführers nicht beschlossen habe); der eigenmächtige Umzug des Beschwerdeführers von Niederösterreich nach Kärnten könne keine Leistungspflicht des Landes Kärnten auslösen.
Gemäß § 1 AVG richtet sich die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Behörden nach den Vorschriften über ihren Wirkungsbereich und nach den Verwaltungsvorschriften. Soweit diese über die örtliche Zuständigkeit nichts bestimmen, richtet sich diese gemäß § 3 Z. 3 AVG in Sachen, die sich nicht auf ein unbewegliches Gut oder den Betrieb einer Unternehmung oder sonstigen dauernden Tätigkeit beziehen, zunächst nach dem Hauptwohnsitz (Sitz) des Beteiligten.
Die hier anwendbaren Bestimmungen des Kärntner Grundversorgungsgesetzes (K-GrvG, LGBl. Nr. 43/2006) in der Stammfassung vor der Novelle durch das LGBl. Nr. 13/2010 lauten wie folgt:
"§ 1
Zielsetzung
(1) Ziel dieses Gesetzes ist es, die vorübergehende Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde, die sich in Kärnten aufhalten, zu gewährleisten, regionale Ausgewogenheiten bei der Unterbringung anzustreben und Rechtssicherheit für die betroffenen Fremden zu schaffen.
(2) Die Versorgung der hilfs- und schutzbedürftigen Fremden in Kärnten erfolgt unter Bedachtnahme auf das Verhältnis der Wohnbevölkerung Kärntens (Art. 1 Abs. 4 Grundversorgungsvereinbarung - Art. 15a B-VG, LGBl. Nr. 38/2004) zu den anderen Ländern, wobei die vom Bund zu schaffenden Vorsorgekapazitäten für die Überbrückung von Engpässen zu berücksichtigen sind. In diesem Verhältnis erfolgt die Versorgung
a) von Personen nach § 2 Abs. 3 lit. a, die von der Koordinationsstelle zugewiesen sind, und
b) von Personen nach § 2 Abs. 3 lit. b bis f, soweit Kärnten die Aufnahme dieser Personen beschlossen hat.
(3) Bei der Erreichung der Ziele nach Abs. 1 ist auf die europarechtlichen Normen, insbesondere auf die Richtlinie 2003/9/EG des Rates zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylwerbern in den Mitgliedstaaten und die Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten, Bedacht zu nehmen.
…
§ 9
Verfahren
(...)
(5) Über Berufungen gegen Bescheide der Landesregierung entscheidet der unabhängige Verwaltungssenat."
Nach dieser Rechtslage können Fremde ohne Aufenthaltsrecht, über deren Asylantrag oder Antrag auf internationalen Schutz rechtskräftig negativ abgesprochen wurde, die aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht abschiebbar sind (§ 2 Abs. 3 lit. b K-GrvG) und die ihren Hauptwohnsitz in Kärnten haben oder sich in Kärnten aufhalten (§ 2 Abs. 1 K-GrvG) die Gewährung von Hilfen bzw. bestimmten Maßnahmen bei der Kärntner Landesregierung beantragen (§ 9 Abs. 1 und 4 K-GrvG), worüber die Landesregierung im Falle der Nichtgewährung mit schriftlichem Bescheid abzusprechen hat (§ 9 Abs. 4 K-GrvG). Auch ist für Personen nach § 2 Abs. 3 lit. b bis f leg. cit., also spätestens seit dem endgültigen negativen Abschluss des Asylverfahrens des Beschwerdeführers, ein Beschluss der Kärntner Landesregierung über die Aufnahme (oder Verweigerung der Aufnahme) dieser Personen vorgesehen.
Die belangte Behörde hätte demnach die Berufung gegen den zurückweisenden Bescheid der erstinstanzlichen Behörde nicht abweisen dürfen, sondern vielmehr den Bescheid beheben müssen, weil weder aus § 1 Abs. 2 lit. a noch lit. b K-GrvG ein Zurückweisungsgrund ableitbar ist.
Da die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid sohin mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet hat, war dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 455/2008.
Wien, am