VwGH vom 25.02.2009, 2004/13/0038
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde der R in W, vertreten durch Auditreu Steuerberatungsgesellschaft m.b.H. in 1010 Wien, Gonzagagasse 17, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/0054-W/02, betreffend Einkommen- und Gewerbesteuer 1991 bis 1993, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der ursprüngliche Beschwerdeführer Mag. Klaus R. war Absolvent der Hochschule für angewandte Kunst in Wien und hatte seine Einkünfte als Diplomgraphiker stets als Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit erklärt.
Eine die Streitjahre 1991 bis 1993 betreffende Betriebsprüfung kam zu dem im Bericht vom näher begründeten Ergebnis, bei den Gewinnen aus der Tätigkeit von Mag. Klaus R. handle es sich um Einkünfte aus Gewerbebetrieb, weshalb auch Gewerbesteuerpflicht gegeben sei. Mag. Klaus R. erbringe typische Leistungen der Werbe- und Gebrauchsgraphik, wobei die Vervielfältigung seiner Arbeitskraft durch den Einsatz von Mitarbeitern ein Ausmaß erreiche, das schon für sich genommen der Annahme von Einkünften aus selbständiger Arbeit entgegenstehe. Darüber hinaus wurde eine von Mag. Klaus R. an seine geschiedene (erste) Ehefrau geleistete Zahlung als Abgeltungsbetrag gemäß § 98 ABGB eingestuft und nicht als Betriebsausgabe anerkannt.
Gegen erstinstanzliche Bescheide vom , die in diesen und in weiteren - nicht beschwerdegegenständlichen - Punkten der Auffassung der Betriebsprüfung folgten, erhob Mag. Klaus R. Berufung.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung in den erwähnten beschwerdegegenständlichen Punkten nicht Folge. Nach Einbringung der dagegen gerichteten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof verstarb Mag. Klaus R. Die nunmehrige Beschwerdeführerin, seine rechtskräftig eingeantwortete Erbin, hat mit Schriftsatz vom erklärt, in das verwaltungsgerichtliche Verfahren einzutreten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Die Annahme einer gewerblichen - statt im Sinne des § 22 Z 1 lit. a EStG 1988 künstlerischen - Tätigkeit von Mag. Klaus R. begründet die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen wie folgt:
"Unbestritten ist, dass der Bw aufgrund seines Studiums an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien zum Künstler qualifiziert ist. Dies besagt aber noch nicht, dass alle Arbeiten des Bw deshalb von vorneherein als künstlerisch zu qualifizieren sind.
Insbesondere vermag dem Bw seine Berufung auf Treu und Glauben nichts zu nützen. (...)
Bei den Arbeiten des Bw (Firmenlogos, Werbeinserate, Plakate, Prospekte, Kataloge, Etiketten, Weihnachtskarten etc.) handelt es sich um typische Leistungen der Werbe- und Gebrauchsgraphik (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch 1988, Rz 11.4 zu § 22).
Auch wenn der Bw in der Berufung die Gestaltung von Katalogen in Abrede stellt, so ist dennoch aus den Rechnungen zu erkennen, dass er für die Firmen ... Kataloge gestaltet hat.
Darüber hinaus hat die BP zu Recht festgestellt, dass der Bw seine Arbeitskraft in einer Weise vervielfältigt, die einer Qualifikation der Einkünfte aus selbständiger Arbeit entgegensteht.
Der Bw beschäftigt mehrere freiberuflich tätige Mitarbeiter. Einige dieser Mitarbeiter wurden seitens der BP einvernommen und nach ihrer genauen Tätigkeit befragt.
Mag. A. gestaltet als freie Mitarbeiterin diverse Zeichnungen für die 'G-Zeitung'. Diese Comics werden unter dem Synonym 'Tante T.' veröffentlicht und größtenteils auch von ihr gezeichnet. Auf dem der BP zur Verfügung gestellten Exemplar wurde jedoch der Name 'Tante T.' abgeschnitten und erklärte der Bw, dass Frau Mag. A. lediglich von ihm fertiggestellte Zeichnungen ausmale.
Es ist nicht glaubwürdig, dass der Bw lediglich zur Ausmalung von ihm geschaffener Bilder eine akademisch ausgebildete Künstlerin heranziehen würde, sodass die Aussage der Mag. A. glaubwürdiger ist als die des Bw. Darüber hinaus hat Mag. A ihre Leistungen mittels Honorarnoten an den Bw abgerechnet. Auch daraus kann ersehen werden, dass Mag. A. die G-Zeitung gestaltet hat.
Mag. J. schilderte den Arbeitsablauf derart, dass der Bw die Besprechungen mit den Kunden durchführte. Danach legt er den freien Mitarbeitern entweder eine Skizze, die zumeist nur die Platzierung der Schrift bzw. grobe Anordnung der Gestaltungselemente enthält, vor und bespricht den Auftrag mündlich. Im Zuge der Einvernahme wurde von Mag. J. ein sogenanntes Skribble ausgefertigt. Die Mitarbeiter legen dem Bw einen oder mehrere Entwürfe vor. Der Bw sucht aus mehreren Skizzen eine aus, die er wiederum von den Mitarbeitern fertig stellen lässt und kontrolliert das Endwerk. Diese Aussage wird auch von der geschiedenen Gattin des Bw niederschriftlich bestätigt.
Von allen Mitarbeitern wurde bestätigt, dass der Bw den Kundenkontakt herstellt bzw. die Besprechungen abhält (tw. im Beisein einzelner Mitarbeiter), die Endverhandlung mit dem Kunden führt und jene Arbeiten aussucht, die dem Kunden vorgelegt werden.
Wie bereits oben ausgeführt, ist es nicht glaubhaft, dass der Bw lediglich für Zwecke der Fertigstellung von ihm bereits entworfener Kunstwerke akademisch vorgebildete Künstler anstellen würde. Dass alle 'Hilfspersonen' fachlich vorgebildet sind, wird auch in der Berufung eingeräumt.
Da die Tätigkeit des Bw auch aufgrund der Vervielfältigung der Arbeitskraft als gewerbliche einzustufen ist, konnte auf die Einholung eines Gutachtens betreffend die künstlerische Qualifikation des Bw verzichtet werden. Abgesehen davon werden (offenbar zu ergänzen: derartige Gutachten) vom Bundesministerium für Bildung (früher Bundesministerium für Unterricht, Beirat für Kunst) nicht mehr ausgestellt."
Dem folgen - zu diesem Thema - im angefochtenen Bescheid nur noch zwei Absätze mit Ausführungen zur Beweiswürdigung, wonach die Zeugen wahrheitsgemäß ausgesagt hätten und von der Prüferin nicht beeinflusst worden seien.
Die belangte Behörde hat demnach zwar - entgegen dem von Mag. Klaus R. im erstinstanzlichen Verfahren und in der Berufung vertretenen Standpunkt - pauschal die Auffassung vertreten, den Einkünften lägen bloß "typische Leistungen der Werbe- und Gebrauchsgraphik" zugrunde. Sie hat dies aber weder aus eigener Anschauung - mit dem Hinweis, dass sich die Einholung eines Sachverständigengutachtens erübrige, weil trotz der Einwände des Berufungswerbers kein Zweifelsfall vorliege - näher begründet, noch ein Gutachten zur künstlerischen Tätigkeit von Mag. Klaus R., dessen künstlerische Qualifikation außer Streit steht, eingeholt und dies auf die Vervielfältigung der Arbeitskraft von Mag. Klaus R. durch den Einsatz von Mitarbeitern gestützt. Tragend ist im angefochtenen Bescheid daher allein dieser zweite von der belangten Behörde herangezogene Grund für die Verneinung einer (künstlerischen) freiberuflichen Tätigkeit.
Eine freiberufliche Tätigkeit liegt nach § 22 Z 1 letzter Satz EStG 1988 "auch dann vor, wenn ein Angehöriger eines freien Berufes in seinem Beruf ... sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient. Abgesehen vom Fall einer vorübergehenden Verhinderung muss er selbst auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig werden".
Mag. Klaus R. bediente sich fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte, von denen aus dem angefochtenen Bescheid nicht hervorgeht, dass schon ihre Anzahl einer eigenverantwortlichen Bearbeitung der Aufträge durch Mag. Klaus R. entgegen stand (vgl. dazu und zu den übrigen Tatbestandelementen der zitierten Bestimmung etwa Doralt, EStG8, § 22 Tz 100-102). Die Zahl der Mitarbeiter wird von der belangten Behörde - wie im Betriebsprüfungsbericht - zunächst nur mit "mehrere" angegeben. Es folgen Ausführungen über das Ergebnis der Befragung von zwei Mitarbeiterinnen, bei denen es sich offenbar nicht um "alle befragten" Mitarbeiter handelt. Der mit den Akten vorgelegte Arbeitsbogen der Betriebsprüfung erwähnt Honorarnoten von vier Mitarbeitern (Mag. A., Mag. J. und zwei weitere). Befragt wurden - dem Arbeitsbogen zufolge - diese vier Mitarbeiter. Dass es daneben noch andere "fachlich vorgebildete" Mitarbeiter gab, die aber nicht befragt wurden, ist dem angefochtenen Bescheid (trotz der Erwähnung einer Befragung "einiger" dieser Mitarbeiter) und den Akten nicht entnehmbar.
Bei einer so geringen Zahl fachlich vorgebildeter Mitarbeiter und angesichts der unbestrittenen fachlichen Qualifikation von Mag. Klaus R. hätte sich die belangte Behörde bei der Prüfung der von ihr in den Vordergrund gerückten Frage mit allen vier Aussagen näher auseinandersetzen und grundsätzlich - soweit nicht dargetan werden konnte, die Tätigkeit bestimmter Mitarbeiter sei von nur untergeordneter Bedeutung gewesen - in Bezug auf alle Mitarbeiter feststellen müssen, inwieweit die Ergebnisse ihrer Arbeit von Mag. Klaus R. selbst - durch Vorgaben im Anschluss an die Entgegennahme der Aufträge oder während deren weiterer Bearbeitung - auf Grund seiner eigenen Fachkenntnisse beeinflusst wurden. Die belangte Behörde ist hierauf nur im Zusammenhang mit der Mitarbeiterin Mag. J. näher eingegangen, wobei die diesbezüglichen Feststellungen - in Bezug auf diese Mitarbeiterin -
dem von der belangten Behörde nicht ausdrücklich in Behandlung genommenen, doppelten Erfordernis einer "leitenden" und "eigenverantwortlichen" Tätigkeit von Mag. Klaus R. eher zu entsprechen als eine Nichterfüllung dieses Erfordernisses nahe zu legen scheinen.
Auch in Bezug auf die Mitarbeiterin Mag. J. tragen die Feststellungen der belangten Behörde - die mit nur geringfügigen sprachlichen Änderungen aus dem Betriebsprüfungsbericht übernommen sind - dem Inhalt der im Arbeitsbogen enthaltenen Niederschrift, um deren Wiedergabe es sich handeln soll ("schilderte den Arbeitsablauf derart, dass ..."), aber nur unvollständig Rechnung. So wird aus der insgesamt nicht umfänglichen Niederschrift etwa der Satz, wonach die "bildnerische Umsetzung (kreative Gestaltung des Gutscheines)" durch Mag. R. erfolge, im angefochtenen Bescheid - wie schon im Betriebsprüfungsbericht - stillschweigend übergangen, während der Arbeitsbogen einen Vermerk der Prüferin enthält, dem zufolge sie mit der "Textierung der Niederschrift" infolge behaupteter Einflussnahmen des damaligen Vertreters von Mag. Klaus R. nicht zufrieden war ("bei der NS erscheint die Situation verschoben"). In der Niederschrift der Mitarbeiterin Mag. A. heißt es u.a., das "Layout" werde "grundsätzlich von Herrn Mag. R. vorgegeben". Über die angebliche, im Betriebsprüfungsbericht und von der belangten Behörde erwähnte Behauptung von Mag. Klaus R., diese Mitarbeiterin male "lediglich von ihm fertiggestellte Zeichnungen aus", scheint weder ein Aktenvermerk noch eine Niederschrift vorzuliegen. Die Niederschrift des Mitarbeiters Andreas P., auf die im Betriebsprüfungsbericht und im angefochtenen Bescheid in dieser Hinsicht nicht eingegangen wird, enthält den Satz, die Entwürfe würden "nach den Skizzen oder Notizen von Herrn Mag. R. ... konkretisiert". Auch die Niederschrift des vierten Mitarbeiters spricht davon, dass die Entwürfe "nach den Ideen von Herrn Mag. R." ausgefertigt würden.
Ermittlungsergebnisse, aus denen sich schlüssig ableiten ließe, Mag. Klaus R. sei nicht Sinne des § 22 Z 1 letzter Satz EStG 1988 "selbst auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig" geworden, scheinen daher nicht vorzuliegen und werden im angefochtenen Bescheid jedenfalls nicht dargetan.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Für das fortgesetzte Verfahren ist anzumerken, dass die von Mag. Klaus R. an seine geschiedene Ehefrau geleistete Zahlung der Aktenlage nach auf einem Gerichtsbeschluss beruhte, in dem ihm eine solche Zahlung als Abgeltung der Mitwirkung am Erwerb (§ 98 ABGB) - unter Gesichtspunkten nicht eines Honorars für erbrachte Leistungen, sondern der Beteiligung am gemeinsamen erwirtschafteten Gewinn - rechtskräftig auferlegt worden war, und solche Zahlungen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Betriebsausgaben sind (vgl. zuletzt etwa die Nachweise in dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/15/0093).
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am