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VwGH vom 26.05.2014, 2012/03/0115

VwGH vom 26.05.2014, 2012/03/0115

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des Vereins Österreichisches Rotes Kreuz in Wien, vertreten durch Dr. Anja Oberkofler, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 1/10, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom , Zl uvs-2011/27/1061- 2, betreffend Übertretung des Rotkreuzgesetzes (mitbeteiligte Partei: Dr. E W in S; weitere Partei: Bundeskanzler), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am erging seitens der beschwerdeführenden Partei eine Anzeige an die Bezirkshauptmannschaft Imst, in der im Wesentlichen dargelegt wurde, dass der Mitbeteiligte, ein Arzt, zur Kennzeichnung seiner Ordination das Zeichen des Roten Kreuzes verwende und dieses Zeichen trotz Aufforderung durch die beschwerdeführende Partei bislang noch nicht beseitigt habe. Aufgrund dieses Verhaltens verstoße der Mitbeteiligte gegen § 8 Abs 1 lit a iVm § 9 Abs 1 Rotkreuzgesetz (RKG).

In weiterer Folge wurde dem Mitbeteiligten von der Bezirkshauptmannschaft Imst mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom zur Last gelegt, er habe "zumindest am bei (seiner Ordination) ein in roter Farbe ausgebildetes Rotes Kreuz auf der weißen Fassade des Hauses angebracht"; er habe dadurch § 9 Abs 1 iVm § 8 Abs 1 lit a RKG iVm "den Bestimmungen der Genfer Abkommen und Zusatzprotokolle" verstoßen.

Der Mitbeteiligte brachte in seiner Rechtfertigung vor, die beschwerdeführende Partei habe ihn erst- und einmalig am aufgefordert, das Rotkreuzzeichen zu entfernen; er habe daraufhin "das in (s)einem Besitz befindliche Rote Kreuz entfernt." Ein weiteres Rotes Kreuz an der Außenfassade der Ordination sei jedoch nicht vom Mitbeteiligten selbst angebracht worden, sondern habe sich bereits seit Errichtung des Hauses an der Fassade befunden. Er sei nicht berechtigt, "fremden Besitz zu entfernen", die Behörde solle sich dazu "gegebenenfalls an den Besitzer - in diesem Fall an die Gemeinde -" wenden.

Die Bezirkshauptmannschaft Imst richtete daraufhin ein Schreiben an die Gemeinde als Eigentümerin der Liegenschaft. Diese teilte mit, dass der Mitbeteiligte "das Zeichen in Absprache mit der Ärztekammer entsprechend verändert" habe.

Am nahm die beschwerdeführende Partei zur Rechtfertigung des Mitbeteiligten sowie zur Mitteilung der Gemeinde Stellung. Nach Ansicht der beschwerdeführenden Partei stelle das verwendete Zeichen nach seiner Veränderung eine - nach dem Rotkreuzgesetz ebenfalls unzulässige - Nachahmung des Rotkreuzzeichens dar.

Mit Bescheid vom stellte die Bezirkshauptmannschaft Imst das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Mitbeteiligten ein. Zusammenfassend wurde die Einstellung damit begründet, dass das Zeichen im gegenständlichen Fall nicht vom Mitbeteiligten angebracht worden sei und er deshalb auch keinen Verstoß gegen das Rotkreuzgesetz zu verantworten habe. Das Verfahren sei einzustellen gewesen, da der Mitbeteiligte die Tat nicht begangen habe.

Die beschwerdeführende Partei erhob dagegen Berufung, der die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid keine Folge gab.

Die belangte Behörde führte aus, dass lediglich die Verwendung des Zeichens des Roten Kreuzes auf weißem Grund gemäß dem Rotkreuzgesetz verboten sei. Im gegenständlichen Fall sei dem Mitbeteiligten jedoch nicht die Verwendung vorgeworfen worden, sondern das Anbringen des Rotkreuzzeichens. Nach Ansicht der belangten Behörde stelle der Akt des Anbringens an sich noch keine Verwendung im Sinne des Gesetzes dar. Darüber hinaus habe der Mitbeteiligte im Verfahren dargestellt, dass nicht er, sondern der Eigentümer der Liegenschaft das Rote Kreuz angebracht habe. In der Aufforderung zur Rechtfertigung sei dem Mitbeteiligten ausdrücklich nur das "Anbringen" des Zeichens zur Last gelegt worden. Die Verfolgungshandlung habe sich daher nicht auf die Verwendung des Zeichens bezogen. Nach Ablauf der Verjährungsfrist könne dem Mitbeteiligten nun kein anderes Verhalten (nämlich das "Verwenden") vorgeworfen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete, ebenso wie der Mitbeteiligte, eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 79 Abs 11 VwGG sind - soweit wie im vorliegenden Fall durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl I Nr 33/2013, nicht anderes bestimmt ist - in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

2. §§ 8 und 9 des Bundesgesetzes über die Anerkennung des Österreichischen Roten Kreuzes und den Schutz des Zeichens des Roten Kreuzes (Rotkreuzgesetz - RKG), BGBl I Nr 33/2008, lauten - auszugsweise - wie folgt:

"Missbräuchliche Verwendung der Zeichen

§ 8. (1) Es ist verboten,

a) das Zeichen des Roten Kreuzes auf weißem Grund oder die Worte 'Rotes Kreuz' oder 'Genfer Kreuz' in allen Sprachen,

(...)

entgegen den Bestimmungen der Genfer Abkommen und Zusatzprotokolle oder als Kennzeichen ohne Ermächtigung des Österreichischen Roten Kreuzes gemäß § 5 Abs. 1 zu verwenden.

(2) (...)

Verwaltungsstrafen

§ 9. (1) Wer den Bestimmungen des § 8 Abs. 1 und 2 zuwiderhandelt, begeht, sofern nicht ein gerichtlich zu ahndender Tatbestand vorliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 360,-- Euro bis 3 600,-- Euro zu bestrafen.

(2) Wer die Tat gemäß Abs. 1 in einer Form begeht, durch die die Verwendung missbräuchlich bezeichneter Gegenstände einer breiten Öffentlichkeit bekannt wird, ist mit einer Geldstrafe von 800,-- Euro bis 15 000,-- Euro zu bestrafen.

(3) Wird eine Verwaltungsübertretung nach § 8 Abs. 1 begangen, so hat die Bezirksverwaltungsbehörde auf Kosten des Eigentümers die Beseitigung der gesetzwidrigen Bezeichnung zu verfügen. Gesetzwidrig bezeichnete Gegenstände können für verfallen erklärt werden.

(4) Auf Antrag des Österreichischen Roten Kreuzes ist im Verwaltungsstrafbescheid auf die Veröffentlichung der Teile des Bescheides auf Kosten des Verurteilten zu erkennen, deren Mitteilung zur Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Verwaltungsübertretung und ihre Verfolgung erforderlich ist. Die zu veröffentlichenden Teile sind im Bescheid anzuführen. Die Bestimmungen des Mediengesetzes, BGBl. Nr. 314/1981 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 151/2005, über die Urteilsveröffentlichung sind anzuwenden.

(5) Dem Österreichischen Roten Kreuz kommt im gesamten Verwaltungsverfahren Parteistellung gemäß § 8 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der jeweils geltenden Fassung, zu.

(6) (...)"

3. Die beschwerdeführende Partei macht im Wesentlichen geltend, dass dem Mitbeteiligten in der Aufforderung zur Rechtfertigung die Tat mit allen wesentlichen Sachverhaltselementen vorgeworfen worden sei; dass die erstinstanzliche Behörde dabei das Wort "verwenden", wie es in § 8 RKG normiert sei, nicht verwendet habe, schade nicht. Der Mitbeteiligte habe in seiner Rechtfertigung auch ausdrücklich darauf verwiesen, dass "dieses rote Kreuz seit Errichtung des Hauses angebracht sei", wodurch zum Ausdruck komme, dass für ihn der Inhalt und Umfang der ihm zur Last gelegten strafbaren Handlung bekannt gewesen sei.

4. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es nicht erforderlich, dass in der Verfolgungshandlung das einem Beschuldigten zur Last gelegte Verhalten mit den Worten des gesetzlichen Tatbestandes umschrieben wird. Vielmehr ist ausschlaggebend, dass sich die Verfolgungshandlung auf alle der Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente bezogen hat (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 2009/06/0129, mwN).

In der Aufforderung zur Rechtfertigung wurde dem Mitbeteiligten vorgeworfen, "zumindest" am bei seiner Ordination ein rotes Kreuz "angebracht" zu haben. Der Tatvorwurf bezog sich daher entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht auf das bloße faktische Anbringen des Rotkreuzzeichens, sondern darauf, dass der Mitbeteiligte den Zustand über einen gewissen Zeitraum (zumindest an dem genannten Tag) aufrechterhalten hat. Damit wurde dem Mitbeteiligten aber in ausreichend klarer Weise die Verwendung des Rotkreuzzeichens am vorgeworfen (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 2011/03/0203). Ausgehend davon lag aber eine rechtzeitige Verfolgungshandlung vor.

5. Der Mitbeteiligte hat sich im Verwaltungsstrafverfahren im Wesentlichen damit gerechtfertigt, das verfahrensgegenständliche Rotkreuzzeichen (welches an der Fassade des Hauses, in dem sich seine Ordination befindet, angebracht war) sei nicht in seinem "Besitz" und er könne es daher nicht entfernen; er hat die Behörde dazu an die Gemeinde als "Besitzer" des Hauses verwiesen. Mit diesem Vorbringen hat der Beschwerdeführer daher bestritten, dass die Verwendung des Rotkreuzzeichens, mit dem - durch die danebenstehende Aufschrift "Allgemein-, Röntgen-, Sport-Arzt" (ohne Angabe des Namens des Mitbeteiligten) - auf die Ordination hingewiesen werde, ihm zuzurechnen sei. Mit dieser Frage hat sich die belangte Behörde aufgrund ihrer Rechtsansicht, dem Mitbeteiligten sei von der erstinstanzlichen Behörde das "Verwenden" des Rotkreuzzeichens nicht vorgeworfen worden, nicht auseinandergesetzt. Sie hat daher auch nicht die erforderlichen Feststellungen getroffen, um beurteilen zu können, ob die Verwendung des Rotkreuzzeichens dem Mitbeteiligten zuzurechnen ist, etwa weil es sich um eine - wenn auch von der Gemeinde angebrachte - konkrete Kennzeichnung seiner Ordination handelt, auf deren Gestaltung er auch Einfluss nehmen kann (wie dies etwa die vom Mitbeteiligten dargelegte spätere, hier nicht gegenständliche, Veränderung des Zeichens nahelegen könnte).

6. Da die belangte Behörde zu Unrecht davon ausging, dass dem Mitbeteiligten das Verwenden des Rotkreuzzeichens am nicht innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgehalten worden war, war der angefochtene Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit nach § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGH iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 (vgl § 79 Abs 11 VwGG iVm § 3 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl II Nr 8/2014).

Wien, am

Fundstelle(n):
IAAAE-68470