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VwGH vom 03.09.2008, 2004/13/0022

VwGH vom 03.09.2008, 2004/13/0022

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2006/13/0141 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde der U AG in W, vertreten durch KPMG Alpen-Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1090 Wien, Porzellangasse 51, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/2763-W/2002, betreffend Körperschaftsteuer für die Jahre 1996 bis 1998, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, ein Versicherungsunternehmen, erlitt in den Streitjahren 1996 bis 1998 in allen Geschäftsbereichen einen Rückgang der Prämieneinnahmen, wies in den Bilanzen aber die Risikorücklage gemäß § 73a Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) in jeweils unveränderter Höhe aus.

In der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom anlässlich einer bei der Beschwerdeführerin durchgeführten Buch- und Betriebsprüfung wurde dazu ausgeführt:

"Risikorücklage gem. § 73a VAG

Übersteigt die Risikorücklage bei Bildung im Sinne des § 73a

(2) VAG den Höchstbetrag von 4 % der um die Rückversicherungsabgabe verminderten abgegrenzten Prämien des inländischen Geschäfts, so ist lt. Bp der Differenzbetrag aufzulösen. Gem. § 16 KStG 1988 erhöht die Auflösung der Rücklage den Gewinn oder vermindert den Verlust des entsprechenden Wirtschaftsjahres. Die Übergangsbestimmungen des § 26a (2) KStG 1988 sind ab dem Wirtschaftsjahr 1996 entsprechend anzuwenden."

Gegen die unter Zugrundelegung dieser Rechtsansicht ergangenen Körperschaftsteuerbescheide des Finanzamtes vom (für die Jahre 1996 und 1997) und (für das Jahr 1998) erhob die Beschwerdeführerin in diesem Punkt - sowie hinsichtlich des Bescheides für das Jahr 1998 noch in einem weiteren Punkt - Berufungen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gegen den Körperschaftsteuerbescheid 1998 in dem zusätzlichen, nur dieses Jahr betreffenden Punkt Folge. Hinsichtlich der Risikorücklage wies sie die Berufungen ab. Sie begründete dies - im Anschluss an eine Darstellung des Verfahrensganges und allgemein gehaltene Rechtsausführungen - im Wesentlichen wie folgt:

"Die Bw. vertritt die Rechtsauffassung, dass sich aus § 73a VAG keine Verpflichtung zur Auflösung der Rücklage bei sinkendem Geschäftsvolumen ergebe; vielmehr dürfe die Risikorücklage nur zur Deckung von Verlusten verwendet werden.

Die Anordnung der bestimmungsgemäßen Verwendung der Risikorücklage zur Deckung von sonst in der Bilanz auszuweisenden Verlusten schließt nach Ansicht des Senates eine Auflösung für den Fall, dass die Bemessungsgrundlage sinkt, aus folgenden Gründen nicht aus:


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In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage der VAG-Novelle 1986 wird zum Höchstsatz bzw. Höchstbetrag ausgeführt, dass nach erstmaligem Erreichen des Höchstsatzes im Normalfall nur mehr mit einer Aufstockung entsprechend einem wachsenden Geschäftsvolumen zu rechnen ist. Die Gesetzesmaterialien schließen den Umkehrschluss, dass bei sinkendem Geschäftsvolumen die Rücklage aufzulösen ist, nicht aus. Weiters deuten die Ausführungen bezüglich der abgabenrechtlichen Maßnahmen, dass die erstmalige wie auch eine nach Auflösung wiederholte Bildung der Risikorücklage steuerfrei, ihre Auflösung dafür steuerpflichtig ist, in die Richtung, dass die Risikorücklage laufend dem Geschäftsvolumen anzupassen ist.
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Würde mit dem Höchstsatz nur eine Zuführungsbeschränkung angeordnet werden, so hätte der Gesetzgeber die Bestimmung leicht entsprechend dem in den Erläuterungen angeführten § 26 des Versicherungswiederaufbaugesetzes - VWG, BGBl. Nr. 185/1955, ausgestalten können, dessen zweiter Absatz wie folgt lautete:
"Versicherungsunternehmungen können in den auf den Stichtag der Aufstellung der Rekonstruktionsbilanz unmittelbar folgenden zehn Geschäftsjahren jeweils bis zu 20 v.H. des Gewinnes dieser Rücklage steuerfrei zuweisen. Eine Zuweisung an die steuerfrei gebildete Rücklage hat jedoch zu unterbleiben, wenn sie 10 v.H. der Eigenbehaltsprämie des Rechnungsjahres erreicht." (siehe Jiresch/Langer , Körperschaftsteuergesetz 1966, Manz-Verlag (Wien 1967), Seite 334; zu den Unterschieden zwischen beiden Rücklagen siehe Anmerkung 1 in Baran , Das Versicherungsaufsichtsgesetz nach dem Gesetzesstand vom , 2. Auflage, Manz-Verlag (Wien 1987), Seite 127: "... Die hier vorgesehene Risikorücklage unterscheidet sich von dieser Rücklage dadurch, dass sie nicht gewinnabhängig, sondern gewinnunabhängig, also unter Umständen verlustbringend zu bilden ist.").
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Auch der Verweis der Bw. auf Braumüller , Versicherungsaufsichtsrecht, Seite 302 ("Der Höchstbetrag ist seinem Wesen nach eine Zuführungsbeschränkung und verlangt daher nicht zwingend eine Auflösung bei sinkendem Geschäftsvolumen.") überzeugt nicht, weil aus dem Gesetzeswortlaut eine Beschränkung auf die Zuführung nicht hervorleuchtet (vergleiche die Beschränkung im Absatz 3 leg. cit. auf die Zuführung zur Risikorücklage bei kleinen Versicherungsvereinen).
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Im zweiten Satz des § 73a Abs. 2 VAG wird mit der Wortfolge "dieser Prämien" klar auf den ersten Satz verwiesen, sodass jedes Jahr dieselbe Bemessungsgrundlage für beide Prozentsätze gilt.
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Werilly/Gierlinger führen in dem Artikel "Die Risikorücklage bei Versicherungsunternehmen", ÖStZ 2001, Seite 487 f, Artikel Nr. 946, aus, dass das Anpassungserfordernis zunächst eindeutig aus dem Gesetzeswortlaut hervorgehe, wonach es in § 73a VAG heißt: Die Rücklage darf jedoch 4 v.H. dieser Prämien nicht übersteigen. Würde es sich nicht um eine zwingende Auflösungsbestimmung handeln, wäre im Extremfall, nämlich bei Wegfall des inländischen Geschäfts, nach wie vor eine Risikorücklage auszuweisen. Da die Risikorücklage eine Sicherungsfunktion habe, müsse sie bei Sinken der Prämien insbesondere aufgrund des Geschäftsrückzugs, angepasst werden, da auch das Risiko des Versicherers und damit das Verlustrisiko sinkt.
Nach Ansicht des Senates ist wesentlich, dass die Risikorücklage gemäß § 73a Abs. 2 VAG prämienabhängig ausgestaltet ist. Nach seinem Wortlaut beschränkt § 73a Abs. 2 VAG nicht nur die jährliche Zuführung zur Risikorücklage, sondern auch die in der Bilanz auszuweisende Rücklage. Die Bemessungsgrundlage für die Zuführung und die Rücklage bilden die abgegrenzten Eigenbehaltsprämien des inländischen Geschäfts der jeweiligen Bilanzabteilung des Geschäftsjahres (zur Ermittlung siehe Anmerkung 5 in Baran , a.a.O., Seite 127).
Somit wird mit dem zweiten Satz des § 73a Abs. 2 VAG angeordnet, dass die Risikorücklage in der Bilanz höchstens mit 4 v. H. dieser Bemessungsgrundlage anzusetzen ist (Höchstbetrag). Da im Berufungsfall die Bemessungsgrundlagen gegenüber den jeweiligen Vorjahreswerten gesunken sind, waren die Risikorücklagen entsprechend zu vermindern, d.h. gewinnerhöhend aufzulösen.
Hinsichtlich der Berufungsjahre 1997 und 1998 wird zusätzlich ausgeführt, dass der Gesetzgeber mit der Anordnung, dass steuerwirksam gebildete Risikorücklagen in den Jahren ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung nachzuversteuern sind, zu erkennen gibt, dass er auf eine Versteuerung nicht verzichten will. Diese Wertung des Gesetzgebers ist auch im Falle einer Auflösung der Risikorücklage zu beachten. Deshalb wirken sich die aufgelösten Beträge nach dem Grundsatz, dass eine steuerfrei dotierte Rücklage steuerpflichtig aufzulösen ist, auch steuerlich gewinnerhöhend aus.
Aus vorstehenden Gründen waren die Berufungsanträge als unbegründet abzuweisen."
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der u. a. ausgeführt wird, die gegenteilige Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin werde nicht nur von Braumüller , sondern auch in einem , GZ 9 000 601/1- V/6/00, und in einer Stellungnahme des Fachsenates für Handelsrecht und Revision, RWZ 2003/16, ausdrücklich geteilt. Für den vergleichbaren Fall eines Rückganges der Bemessungsgrundlage der Haftrücklage eines Kreditinstitutes sei die unveränderte Weiterführung der Rücklage - mit Rücksicht auf gleichartige Vorschriften über deren Verwendung - unbestritten.
Den Ausführungen von Werilly/Gierlinger stehe - wie die Beschwerdeführerin in einer Replik auf die Gegenschrift vorbringt - nicht nur das Verbot der Verwendung der Rücklage für andere Zwecke als zur Deckung von Verlusten entgegen. Die Ausführungen seien auch widersprüchlich, weil das vermeintliche Anpassungserfordernis zunächst aus § 73a VAG abgeleitet und in weiterer Folge behauptet werde, aus "handelsrechtlicher Sicht" werde "lediglich von einem Zuführungsgebot und einer Verwendungsbeschränkung ausgegangen, während die steuerliche Regelung zusätzlich ein Auflösungsgebot (Anpassungserfordernis) bei Zutreffen der Voraussetzungen vorsieht". Es bleibe im Dunkeln, auf welche "steuerliche Regelung" sich dies beziehen solle.


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Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1. Durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 558/1986 wurde in das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) folgende Bestimmung eingefügt:
"Risikorücklage
§ 73 a. (1) Die Versicherungsunternehmen haben eine Risikorücklage zu bilden; sie ist in der Bilanz gesondert auszuweisen.

(2) Der Risikorücklage sind jährlich 0,6 vH der um die Rückversicherungsabgabe verminderten abgegrenzten Prämien des inländischen Geschäfts zuzuführen. Die Rücklage darf jedoch 4 vH dieser Prämien nicht übersteigen. Sie darf nur zur Deckung von sonst in der Bilanz auszuweisenden Verlusten und erst nach Auflösung aller freien Rücklagen verwendet werden. Nach ihrer Auflösung ist die Rücklage neu zu bilden."

Die Regierungsvorlage hatte nur die Zuführung von jährlich 0,4 v.H. der Bemessungsgrundlage vorgesehen. In den Erläuterungen, 1044 BlgNR XVI. GP 16 und 24, wurde zu der neuen Regelung ausgeführt:

"Die verpflichtende Bildung einer Risikorücklage, wie sie in ähnlicher Form bereits im Versicherungswiederaufbaugesetz, BGBl. Nr. 185/1955, vorgesehen war, dient ebenfalls dazu, die Bildung von Eigenmitteln zu erleichtern. Maßgebend dafür ist die steuerliche Begünstigung in Anlehnung an die für die Haftrücklage nach dem Kreditwesengesetz vorgesehenen Maßnahmen, die in das Abgabenrechtsänderungsgesetz 1986 aufgenommen werden wird.

(...)

Eine Rücklage für besondere Geschäftsrisken war bereits im § 26 Versicherungswiederaufbaugesetz, BGBl. Nr. 185/1955, vorgesehen, die steuerfrei gebildet werden konnte. Sie war gemäß § 129 VAG mit aufzulösen. Der Entwurf sieht neuerlich die Bildung einer gleichartigen, als Risikorücklage bezeichneten Rücklage vor. Ihre Funktion besteht darin, durch Verzicht auf Abgabeneingänge den Versicherungsunternehmen die Bildung ausreichender Eigenmittel zu erleichtern. Sie steht daher im Zusammenhang mit den neuen gesetzlichen Maßstäben, die im § 73 b für die Kapitalausstattung der Versicherungsunternehmen aufgestellt werden.

Die Verbesserung der Kapitalausstattung der Versicherungsunternehmen ist ein gesamtwirtschaftliches Anliegen

(...)

Der Entwurf sieht einen festen Satz der Zuführung zur Risikorücklage vor, der sich nach den abgegrenzten Eigenbehaltsprämien des inländischen Geschäfts richtet. (...) Eine Berücksichtigung des ausländischen Geschäfts inländischer Versicherungsunternehmen erscheint im Hinblick auf die steuerliche Förderung nicht angebracht.

Die Rücklage ist mit einem Höchstsatz beschränkt, der sich ebenfalls nach den Prämieneinnahmen im inländischen Geschäft richtet. Dies bringt es mit sich, dass es sich beim Aufbau der Rücklage um eine zeitlich begrenzte Maßnahme handelt. Nach erstmaligem Erreichen des Höchstsatzes ist im Normalfall nur mehr mit einer Aufstockung entsprechend einem wachsenden Geschäftsvolumen zu rechnen. In gleicher Weise vermindern sich nach Abschluss der Aufbauphase die Einnahmenentgänge der öffentlichen Hand.

Die Rücklage darf zur Deckung von Verlusten verwendet werden, allerdings nur subsidiär, dh. nach Ausschöpfung anderer zur Verlustabdeckung bestimmter Mittel, insbesondere der freien und steuerbegünstigten Rücklagen, nicht jedoch gesetzlicher Rücklagen (insbesondere der Sicherheitsrücklage bei Versicherungsvereinen) sowie des Grundkapitals und des Gründungsfonds. Nach ihrer gänzlichen oder teilweisen Verwendung ist diese Rücklage wieder bis zum Höchstbetrag, und zwar steuerbegünstigt, aufzufüllen.

Die erwähnten abgabenrechtlichen Maßnahmen werden durch das Abgabenrechtsänderungsgesetz 1986 erfolgen. Sie werden darin bestehen, dass die erstmalige wie auch eine nach Auflösung wiederholte Bildung der Risikorücklage steuerfrei, ihre Auflösung dafür steuerpflichtig ist.

Für reine Rückversicherungsunternehmen und kleine Versicherungsvereine soll § 73 a ebenso wie § 73 b nicht gelten.

(...)"

Die Erläuterungen zu § 73b VAG enthielten (a.a.O. 26) u. a. einen Hinweis darauf, dass die Risikorücklage auf die vorgeschriebenen Eigenmittel anzurechnen sei (gemäß § 73b Abs. 2 Z 4 lit. c VAG i.d.F. der Novelle).

Durch die Erhöhung der jährlichen Zufuhr zu Risikorücklage auf 0,6 v.H. der Bemessungsgrundlage im Finanz- und Budgetausschuss sollte "den Versicherungsunternehmen die steuerbegünstigte Bildung von Eigenmitteln in einem kürzeren Zeitraum ermöglicht werden" (1084 BlgNR XVI. GP 1).

Das 2. AbgÄG 1987, BGBl. Nr. 312, ergänzte die Aufzählung abzugsfähiger Beträge bei Versicherungsunternehmen in § 12 Z 2 KStG 1966 um die "Bildung der Risikorücklage gemäß § 73 a des Versicherungsaufsichtsgesetzes; die Auflösung der Rücklage erhöht den Gewinn".

In der Regierungsvorlage 108 BlgNR XVII. GP 37 wurde dazu ausgeführt:

"Mit der vorgesehenen Erweiterung des § 12 Z 2 soll die steuerliche Wirksamkeit der Bildung und Auflösung der im § 73 a des Versicherungsaufsichtsgesetzes vorgesehenen Riskenrücklage verankert werden."

Das KStG 1988 übernahm diese Regelung ohne wesentliche Änderung (vgl. auch 622 BlgNR XVII. GP 20) in der folgenden, für den vorliegenden Fall maßgeblichen Form:

"Risikorücklage

§ 16. Die Zuführung zur Risikorücklage gemäß § 73 a des Versicherungsaufsichtsgesetzes ist abzugsfähig. Die Auflösung der Rücklage erhöht den Gewinn oder vermindert den Verlust des betreffenden Wirtschaftsjahres."

Mit der 2. VAG-Novelle 1991, BGBl. Nr. 13/1992, wurde § 73a Abs. 2 VAG neu erlassen, wobei jedoch inhaltlich nur der Ausdruck "sonstigen satzungsmäßigen und" vor der Erwähnung der vorrangig aufzulösenden "freien Rücklagen" eingefügt wurde.

Die VAG-Novelle 1994, BGBl. Nr. 652, fügte § 73a VAG folgenden Abs. 3 an:

"(3) Bei kleinen Versicherungsvereinen sind der Risikorücklage 10 vH des Jahreserfolges so lange zuzuführen, bis sie 25 vH des satzungsmäßig vorgeschriebenen Betrages der Sicherheitsrücklage erreicht. Die Risikorücklage ist vor der Sicherheitsrücklage zur Deckung von Verlusten zu verwenden."

In der Regierungsvorlage 1682 BlgNR XVIII. GP 34 f wurde dies wie folgt erläutert:

"Im Gegensatz zu anderen Versicherungsunternehmen wird die Eigenkapitalbildung bei kleinen Versicherungsvereinen steuerlich nicht begünstigt. Dies erscheint sachlich nicht gerechtfertigt. Die Regelung für andere Versicherungsunternehmen kann allerdings nicht unverändert übernommen werden. Es muss berücksichtigt werden, dass wegen der geringeren Geschäftsumfanges das Eigenmittelerfordernis im Verhältnis zum Geschäftsumfang größer ist als bei anderen Versicherungsunternehmen. Darüber hinaus ist bei kleinen Versicherungsvereinen die Sicherheitsrücklage der einzige, jedenfalls der einzig nennenswerte Eigenmittelbestandteil. Eine verlusterzeugende Dotierung der Risikorücklage und eine Heranziehung zur Deckung von Verlusten erst nach der Sicherheitsrücklage würde daher nur eine Verschiebung zwischen Risikorücklage und Sicherheitsrücklage und den früheren Eintritt einer Nachschusspflicht der Mitglieder bewirken.

Der neue Abs. 3 verknüpft daher die Dotierung der Risikorücklage bei kleinen Versicherungsvereinen nicht mit den Prämien, sondern mit dem erzielten Überschuss und regelt die weiteren sich aus den vorstehenden Ausführungen ergebenden Besonderheiten gegenüber der Risikorücklage bei anderen Versicherungsunternehmen."

Das Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201, fügte in das KStG 1988 u.a. folgende Bestimmung ein:

"§ 26a. (...)

(3) § 16 ist auf Wirtschaftsjahre, die vor dem und nach dem enden, mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Hälfte der Zuführung zur Risikorücklage abzugsfähig ist. Auf Wirtschaftsjahre, die nach dem enden, ist § 16 nicht anzuwenden. Soweit für Wirtschaftsjahre, die vor dem enden, steuerwirksame Risikorücklagen gebildet wurden, sind sie in den Jahren ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung nachzuversteuern."

2. Die belangte Behörde stützt die gewinnerhöhende Wirkung der ihrer Ansicht nach in Anpassung an die gesunkene Bemessungsgrundlage vorzunehmenden Teilauflösung der Rücklage - zumindest für das Jahr 1996 - auf § 16 KStG 1988 und impliziert damit, diese die "Auflösung" der Rücklage betreffende Bestimmung beziehe sich sowohl auf die bestimmungsgemäße Verwendung (in § 73a Abs. 2 vierter Satz VAG als "Auflösung" bezeichnet) als auch auf die gänzliche oder teilweise Auflösung der Rücklage in der Form einer Anpassung an gesunkene Bemessungsgrundlagen, wie sie nach Ansicht der belangten Behörde in § 73a Abs. 2 zweiter Satz VAG angeordnet ist.

Für die Jahre 1997 und 1998 kann § 16 KStG 1988 gemäß § 26a Abs. 3 zweiter Satz KStG 1988 nicht herangezogen werden. Die Nachversteuerung steuerwirksam gebildeter Risikorücklagen regelt nun § 26a Abs. 3 dritter Satz KStG 1988. Sie ist in dieser Bestimmung (ausdrücklich) für den Fall der "bestimmungsgemäßen Verwendung" jeweils in den Jahren der Verwendung vorgesehen. Damit bringt der Gesetzgeber zwar einerseits - wie die belangte Behörde ins Treffen führt - zum Ausdruck, dass er "auf eine Versteuerung nicht verzichten" wolle. Er legt aber andererseits auch fest, wann sie zu erfolgen habe. Von Anpassungen an Schwankungen in der Bemessungsgrundlage ist dabei nicht die Rede.

Die wiedergegebenen Materialien bringen darüber hinaus zum Ausdruck, dass der Aufbau der Rücklage als "zeitlich begrenzte Maßnahme" konzipiert wurde. Nach "erstmaligem" Erreichen des Höchstsatzes sollte es im "Normalfall" (also abgesehen vom Fall der Wiederauffüllung nach bestimmungsgemäßer Verwendung) "nur" mehr zu "Aufstockungen" bei wachsendem Geschäftsvolumen kommen. Dieser Satz ließe sich als bloße Äußerung darüber deuten, wann es zu weiteren steuerbegünstigten Vorgängen kommen würde, und würde eine Kombination mit Herabsetzungen und dem dadurch jeweils ausgelösten Teilausgleich des ursprünglichen Verzichtes auf Abgabeneingänge noch nicht ausschließen. Davon, dass ein schrumpfendes Geschäftsvolumen zur Teilauflösung und Nachversteuerung der Rücklage infolge eines gesunkenen Höchstsatzes führen sollte und es auf diese Weise - außer bei völlig konstantem Geschäftsvolumen - zu ständigen Anpassungen mit steuerlichen Folgen kommen würde, ist im weiteren Text der Erläuterungen und in den Materialien zu der entsprechenden Ergänzung des KStG 1966 aber nicht die Rede, obwohl dies - träfe das Verständnis der belangten Behörde zu - zu erwarten wäre.

Nichts anderes gilt auch für die Einfügung des § 73a Abs. 3 VAG durch die VAG-Novelle 1994, deren verhältnismäßig detaillierte Erläuterung im Vergleich mit der in Abs. 2 getroffenen Regelung jeglichen Hinweis darauf, dass die bloße Beschränkung der Zufuhr einen Unterschied zu ständigen Anpassungen nach oben und unten gemäß Abs. 2 bedeute, vermissen lässt.

Die ihrerseits eindeutige Regelung in § 26a Abs. 3 dritter Satz KStG 1988 spiegelt daher - im Gegensatz zur Auslegung der belangten Behörde - das unveränderte, auch für das Jahr 1996 maßgebende Verständnis des § 73a Abs. 2 VAG durch den Gesetzgeber wider. Der zweite Satz der Bestimmung ist danach auf die im ersten Satz geregelte (steuerbegünstigte) Zuführung von Beträgen zu beziehen und nicht dahingehend auszulegen, dass der Gesetzgeber außer der steuerpflichtigen Auflösung bei der Verwendung der Rücklage zur Deckung von Verlusten auch steuerpflichtige Anpassungen an gesunkene Bemessungsgrundlagen als "Auflösung" im Sinne der durch die Einführung der Rücklage bedingten "abgabenrechtlichen Maßnahmen" (zuletzt § 16 KStG 1988 vor der Änderung durch BGBl. I Nr. 106/1999) vorgesehen habe. Für das von der Beschwerdeführerin und in den von ihr genannten Quellen vertretene Verständnis des § 73a Abs. 2 zweiter Satz VAG spricht auch, dass es sich bei der "Auflösung" der Rücklage nach dem vierten Satz der Bestimmung um einen Vorgang handelt, aus dem sich ohne weiteres das Erfordernis ihrer Neubildung ergibt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am