VwGH 09.09.2016, Ra 2016/02/0118
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Norm | VStG §45 Abs1 Z4 idF 2013/I/033; |
RS 1 | Die in § 45 Abs. 1 Z 4 VStG genannten Umstände - geringe Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes, geringe Intensität der Beeinträchtigung dieses Rechtsgutes durch die Tat sowie geringes Verschulden - müssen kumulativ vorliegen (vgl. E , Ra 2015/02/0167). Von geringem Verschulden im Sinne dieser Bestimmung ist jedoch nur dann zu sprechen, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechtsgehalt und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (vgl. E , 2008/09/0015; B , Ro 2014/03/0052). |
Normen | |
RS 2 | Eine durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte Verordnung ist für den Normunterworfenen nach Maßgabe ihres Inhaltes (mit Ausnahme eines allfälligen Anlassfalles) so lange rechtswirksam, bis sie aufgehoben wird (vgl. Art. 140 Abs. 7 B-VG; E , 98/02/0335). |
Normen | B-VG Art140 Abs7; B-VG Art18 Abs2; StVO 1960 §20 Abs1; StVO 1960 §43 Abs1; StVO 1960 §44; StVO 1960 §52 lita Z11a; StVO 1960 §99 Abs3 lita; VStG §45 Abs1 Z4 idF 2013/I/033; VwGG §42 Abs4; |
RS 3 | Die Erlassung eines Gebotes oder Verbotes, welches durch entsprechende Verkehrsschilder kenntlich gemacht ist, zieht die Verpflichtung des Verkehrsteilnehmers nach sich, es ohne Rücksicht darauf zu beachten, ob er die behördliche Anordnung zur Sicherheit des Verkehrs für erforderlich hält oder nicht (vgl. E , 98/02/0335). Die Beschuldigte war demnach verpflichtet, die erlaubte Höchstgeschwindigkeit im Tatzeitpunkt nicht zu überschreiten. Die nachfolgende Entscheidung des VfGH, für die die gegenständlichen Übertretungen weder Anlassfall noch Quasi-Anlassfall im Sinne der Rechtsprechung des VfGH waren, vermag vor diesem Hintergrund am Ausmaß des Verschuldens der Beschuldigten nichts zu ändern. |
Normen | VwGG §42 Abs4; VwGVG 2014 §52; |
RS 4 | Entscheidet der VwGH gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in einer Verwaltungsstrafsache in der Sache selbst, tritt er insoweit an die Stelle des VwG und hat daher auch über den Kostenbeitrag gemäß § 52 VwGVG 2014 abzusprechen. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2015/02/0130 E RS 2 |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
Ra 2016/02/0119
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Dr. Lehofer und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revisionen der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land gegen die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich jeweils vom , zu
1.) Zl. LVwG-601060/2/SE/Bb (prot. zu hg. Zl. Ra 2016/02/0118) und
2.) Zl. LVwG-601061/2/SE/Bb (prot. zu hg. Zl. Ra 2016/02/0119), betreffend Übertretungen der StVO (mitbeteiligte Partei: H in
L, vertreten durch die Holme Weidinger Rechtsanwälte OG in 4600 Wels, Dr.-Koss-Straße 3), zu Recht erkannt:
Spruch
Den Revisionen wird Folge gegeben.
Die angefochtenen Erkenntnisse werden dahingehend abgeändert, dass die Beschwerden der Mitbeteiligten gegen die Straferkenntnisse der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom , Zlen. VerkR96-42265-2014 und VerkR96-42266- 2014, abgewiesen werden und die Mitbeteiligte gemäß § 52 VwGVG zusätzlich zu den in den genannten Straferkenntnissen bestimmten Verfahrenskosten einen Kostenbeitrag in der Höhe von jeweils EUR 10,-- zu bezahlen hat. Der Spruch der Straferkenntnisse der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land wird jeweils dahin berichtigt, dass bei der verletzten Rechtsvorschrift jeweils die Wendung "§ 20 Abs. 1 i.V.m." entfällt.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom , Zl. VerkR96-42265-2014, wurde die Mitbeteiligte schuldig erkannt, am um 15.42 Uhr an einem näher bezeichneten Ort in der Gemeinde Traun stadtauswärts die durch Zonenbeschränkung in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 16 km/h überschritten zu haben. Sie habe dadurch gegen "§ 20 Abs. 1 i. V.m." § 52 lit. a Z 11a StVO verstoßen. Über die Mitbeteiligte wurde wegen dieser Übertretung gemäß § 99 Abs. 3 lit a StVO eine Strafe von EUR 30,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden) verhängt.
2 Wegen eines weiteren Verstoßes gegen "§ 20 Abs. 1 i. V.m." § 52 lit. a Z 11a StVO wurde die Mitbeteiligte mit einem weiteren Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom , Zl. VerkR96-42266-2014, schuldig erkannt, sie habe am um 15.43 Uhr am selben Ort stadteinwärts die die durch Zonenbeschränkung in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 11 km/h überschritten. Wegen dieser Übertretung wurde über die Mitbeteiligte gemäß § 99 Abs. 3 lit a StVO eine Strafe von EUR 30,-
- (Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden) verhängt.
3 Gegen diese Bescheide erhob die mitbeteiligte Partei jeweils Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Dieses gab mit im Wesentlichen gleichlautenden Erkenntnissen beiden Beschwerden gemäß § 50 VwGVG statt, behob die bekämpften Straferkenntnisse und stellte die Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 38 VwGVG i.V.m. § 45 Abs. 1 Z 4 VStG ein. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass gegen diese Erkenntnisse gemäß § 25a VwGG eine Revision der Beschwerdeführerin an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei; für die belangte Behörde sei gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision unzulässig.
4 Das Verwaltungsgericht stellte in den angefochtenen Erkenntnissen den bisherigen Verfahrensgang dar und hielt danach fest, es gehe von folgendem Sachverhalt aus:
Die Mitbeteiligte habe am einen näher bestimmten Pkw am Tatort in der Gemeinde Traun jeweils mit einer Geschwindigkeit - abzüglich der entsprechenden Messtoleranz - von 46 km/h (Übertretung stadtauswärts um 15:42 Uhr) bzw. 41 km/h (Übertretung stadteinwärts um 15:43 Uhr) gelenkt. Die Geschwindigkeitsmessung sei mit einem näher bezeichneten, geeichten Messgerät erfolgt. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit habe laut Verordnung des Gemeinderates der Stadt Traun vom zum fraglichen Zeitpunkt im tatgegenständlichen Straßenabschnitt gemäß § 52 lit. a Z 11a StVO 1960 30 km/h betragen. Mit Erkenntnis vom , V 54/2015, habe der Verfassungsgerichtshof diese Verordnung des Gemeinderates der Stadt Traun vom zur Gänze als gesetzwidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die Aufhebung mit in Kraft trete. Der Verfassungsgerichtshof habe die Aufhebung damit begründet, dass aus dem Verordnungsakt nicht ersichtlich gewesen sei, dass die Erforderlichkeit der angefochtenen Verordnung in einem Ermittlungsverfahren festgestellt worden sei. Das versäumte Ermittlungsverfahren habe nicht nach Verordnungserlassung nachgeholt werden können. Die nachträglich von der Stadt Traun vorgenommene Rechtfertigung habe die Gesetzwidrigkeit der Verordnung nicht beseitigen können, zumal die für die Beschränkung sprechenden Gründe nicht evident gewesen seien.
Das Verwaltungsgericht hält in den angefochtenen Erkenntnissen weiters fest, dass die Mitbeteiligte gegen die Lenkereigenschaft, den Messvorgang und das Ergebnis der Geschwindigkeitsmessung in ihren Beschwerden keine Einwendungen erhoben habe. Ebenso seien keine Umstände hervorgekommen, welche die Gültigkeit der Messung in Frage stellen würden. Das dem Verfahrensakt beigeschlossene Lichtbild zeige den von der Mitbeteiligten gelenkten Pkw samt festgestellter Geschwindigkeit, Tatzeit und Tatort als einziges Fahrzeug im relevanten Messbereich im abfließenden Verkehr, sodass der ermittelte Messwert damit zweifellos dem Fahrzeug der Mitbeteiligten zuzuordnen sei. Die mittels geeichten Messgerätes festgestellte Geschwindigkeitsübertretung sei daher als erwiesen anzusehen.
Die zugrunde liegende Verordnung des Gemeinderates Traun sei durch die Aufstellung des Straßenverkehrszeichens vor Ort entsprechend kundgemacht worden.
5 In rechtlicher Hinsicht führt das Verwaltungsgericht aus, dass aufgrund der Aktenlage und der diesbezüglichen Verantwortung der Mitbeteiligten außer Zweifel stehe, dass diese die vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen begangen habe. Gemäß der Verordnung des Gemeinderates der Stadt Traun vom sei im tatgegenständlichen Straßenbereich im Tatzeitraum die höchste zulässige Fahrgeschwindigkeit gemäß § 52 lit. a Z 11a StVO 1960 mit 30 km/h begrenzt gewesen. Der Verfassungsgerichtshof habe mit Erkenntnis vom , V 54/2015, diese Verordnung als gesetzwidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die Aufhebung erst mit in Kraft trete. Die Verordnung sei daher noch in Geltung und auf den hier zu beurteilenden Tatzeitpunkt auch anzuwenden. Eine durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte Verordnung sei für den Normunterworfenen nach Maßgabe ihres Inhaltes so lange rechtswirksam, bis sie aufgehoben werde.
Sofern die Mitbeteiligte den Standpunkt vertrete, die ihr zur Last gelegten beiden Geschwindigkeitsüberschreitungen vom würden ein fortgesetztes Begehungsdelikt darstellen und hätten daher nur mit einer einzigen Strafe geahndet werden dürfen, sei sie damit nicht im Recht, weil sie ihren Pkw zunächst um 15.42 Uhr auf der Bahnhofstraße stadtauswärts gelenkt habe und wenig später um 15.43 Uhr auf der Bahnhofstraße stadteinwärts. Um den Pkw Richtung stadteinwärts zu steuern, habe die Mitbeteiligte diesen zwangsläufig wenden müssen, sodass im Ergebnis auch zwei gesondert zu ahndende Verwaltungsübertretungen vorlägen.
Auf Basis der getroffenen Feststellungen stehe für das Verwaltungsgericht als erwiesen fest, dass die Mitbeteiligte die ihr vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen nach "§ 20 Abs. 1 i. V.m." § 52 lit. a Z 11a StVO 1960 in objektiver Hinsicht begangen habe. Es gebe auch keinerlei Hinweise darauf, dass sie an diesen Übertretungen kein Verschulden treffen würde, jedoch sei das Verschulden der - bislang unbescholtenen - Mitbeteiligten als gering einzustufen. Es sei zu berücksichtigen, dass die Mitbeteiligte die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h im Ausmaß von lediglich 16 km/h bzw. 11 km/h - somit um nicht mehr als 20 km/h - überschritten und die Übertretung der Aktenlage nach zu keinen tatsächlichen negativen Folgen geführt habe, sodass das geschützte Rechtsgut, nämlich die Verkehrssicherheit, lediglich in geringem Maß beeinträchtigt worden sei.
In Anbetracht der dargestellten Gesamtumstände, insbesondere auch im Hinblick auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom , sei daher im Ergebnis im konkreten Einzelfall ein Vorgehen nach § 45 Abs. 1 Z 4 VStG gerechtfertigt und vertretbar. Die angefochtenen behördlichen Straferkenntnisse seien daher aufzuheben und die Verwaltungsstrafverfahren einzustellen gewesen.
6 Gegen diese im Wesentlichen gleichlautenden Erkenntnisse richten sich die außerordentlichen Amtsrevisionen der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land jeweils mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge die Revision für zulässig erachten, gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in der Sache selbst entscheiden bzw. die angefochtene Entscheidung dahingehend abändern, dass die Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde als unbegründet abgewiesen werde; in eventu wird betragt, die angefochtene Entscheidung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Die Mitbeteiligte brachte Revisionsbeantwortungen ein, in welchen sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision beantragt sowie Kostenersatz begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Revisionen erwogen:
7 Gemäß § 38 VwGVG sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG in Verwaltungsstrafsachen die Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52/1991, mit Ausnahme des 5. Abschnittes des II. Teiles sinngemäß anzuwenden.
§ 45 Abs. 1 Z 4 VStG in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013 bestimmt, dass die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen hat, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind.
8 Die Amtsrevisionen im Sinne des Art. 131 Abs. 6 Z 2 B-VG sind zulässig und berechtigt:
9 Die revisionswerbende Partei bringt vor, das Verwaltungsgericht weiche von der (näher zitierten) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil dieses insbesondere zum einen bei Geschwindigkeitsüberschreitungen (vor allem auch im vergleichbaren Ausmaß) unter anderem aus spezial- und generalpräventiven Gründen nicht einmal die Herabsetzung der Geldstrafe als angemessen ansehe, sodass eine Einstellung - insbesondere unter Berücksichtigung der gegenständlich gewichtigen Überschreitung und abgesehen von der ohnehin gegebenen gewichtigen Bedeutung des geschützten Rechtsgutes - nicht mit der Rechtsprechung in Einklang zu bringen sei. Zum anderen werde das Nichteintreten eines Erfolges bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung vom Verwaltungsgerichtshof nicht als Milderungsgrund qualifiziert.
Darüber hinaus lägen die für eine Einstellung nach § 45 Abs. 1 Z 4 VStG notwendigen Voraussetzungen nicht vor. Im Sinne der von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien und des Schutzzwecks der maßgeblichen Normen stelle eine Zonenbeschränkung mit einer höchstzulässigen Geschwindigkeit von 30 km/h ein strafrechtlich geschütztes Rechtsgut mit erheblicher Bedeutung dar, sodass es bereits an dieser grundlegenden Voraussetzung für die Einstellung des Strafverfahrens mangle. Mit der Frage der Geringfügigkeit der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes habe sich das Verwaltungsgericht in keiner Weise auseinandergesetzt, sodass die rechtliche Würdigung unter anderem in diesem Punkt mangelhaft sei. Zudem seien auch die beiden anderen Voraussetzungen nicht erfüllt, habe die Mitbeteiligte doch innerhalb kürzester Zeit, nämlich binnen einer Minute, wiederholt das geschützte Rechtsgut bzw. die zitierte Norm verletzt, wobei diese Verletzung auch nicht gering gewesen sei, sei doch die zulässige Höchstgeschwindigkeit in einem Ausmaß von über 50 % überschritten worden.
Da das Verwaltungsgericht verkannt habe, dass es sich um ein strafrechtlich geschütztes Rechtsgut handle, dessen Bedeutung nicht gering sei, und auch die übrigen in § 45 Abs. 1 Z 4 VStG normierten Voraussetzungen für die Einstellung des Strafverfahrens fehlten, habe es seine Entscheidungen mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
10 Festzuhalten ist, dass es das Verwaltungsgericht als erwiesen ansah, dass die Mitbeteiligte die Verwaltungsübertretungen in objektiver Hinsicht begangen und subjektiv zu verantworten hat, dass aber ihr Verschulden lediglich gering sei und das geschützte Rechtsgut nur im geringen Maß beeinträchtigt worden sei. Konkret führte das Verwaltungsgericht dazu im erstangefochtenen Erkenntnis Folgendes aus:
"Auf Basis der getroffenen Feststellungen steht für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich als erwiesen fest, dass die Beschwerdeführerin die ihr vorgeworfene Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 1 iVm § 52 lit. a Z 11a StVO 1960 in objektiver Hinsicht begangen hat. Es gibt auch keinerlei Hinweis darauf, dass sie an dieser Übertretung kein Verschulden treffen würde, jedoch aber ist das Verschulden der - bislang unbescholtenen - Beschwerdeführerin (noch) als gering einzustufen. Es ist derart zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h im Ausmaß von 16 km/h - somit um nicht mehr als 20 km/h - überschritten und die Übertretung der Aktenlage nach zu keinen tatsächlichen negativen Folgen geführt hat, sodass das geschützte Rechtsgut, nämlich die Verkehrssicherheit, lediglich im geringen Maß beeinträchtigt wurde.
In Anbetracht der dargestellten Gesamtumstände, insbesondere auch im Hinblick auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom , ist daher im Ergebnis im konkreten Einzelfall ein Vorgehen nach § 45 Abs. 1 Z 4 VStG gerechtfertigt und vertretbar."
Im zweitangefochtenen Erkenntnis findet sich eine fast wörtlich gleichlautende Passage, in der auf die nach dem dort erheblichen Sachverhalt festgestellte Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit "von lediglich 11 km/h - somit um nicht mehr als 20 km/h -" abgestellt wird.
11 Die in § 45 Abs. 1 Z 4 VStG genannten Umstände - geringe Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes, geringe Intensität der Beeinträchtigung dieses Rechtsgutes durch die Tat sowie geringes Verschulden - müssen kumulativ vorliegen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Ra 2015/02/0167 m.w.H.). Von geringem Verschulden im Sinne dieser Bestimmung ist jedoch nur dann zu sprechen, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechtsgehalt und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/09/0015; vgl. zur weiteren Anwendbarkeit der Rechtsprechung zur alten Rechtslage z.B. den hg. Beschluss vom , Ro 2014/03/0052).
12 Zur Begründung des geringen Verschuldens der Mitbeteiligten hat das Verwaltungsgericht lediglich die von ihm offenbar als geringfügig beurteilte Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit herangezogen. Dazu ist festzuhalten, dass nach dem auch von der Mitbeteiligten nicht bestrittenen Sachverhalt die zulässige Höchstgeschwindigkeit um rund 53 % bzw. um rund 37 % überschritten wurde, sodass von einer geringfügigen Geschwindigkeitsüberschreitung keine Rede sein kann (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/02/0238, wonach eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um ca. 50 % nicht geringfügig ist).
13 Anhaltspunkte dafür, dass das tatbildmäßige Verhalten der Mitbeteiligten hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechtsgehalt und Schuldgehalt erheblich zurückgeblieben und das Verschulden daher lediglich geringfügig gewesen wäre, ergeben sich aus den angefochtenen Erkenntnissen sowie den vorgelegten Verfahrensakten nicht. So ist insbesondere auch hervorzuheben, dass das Verwaltungsgericht auch festgestellt hat, dass die Mitbeteiligte zwei Mal binnen kurzer Zeit die zulässige Höchstgeschwindigkeit übertreten hat. Auch dies spricht - unter Berücksichtigung der nicht bloß geringfügigen Geschwindigkeitsüberschreitung - jedenfalls gegen das Vorliegen bloß geringfügigen Verschuldens.
14 Schließlich kann auch die vom Verwaltungsgericht offenbar in die Würdigung der Gesamtumstände einbezogene Berücksichtigung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes betreffend die Aufhebung der Verordnung über die verfahrensgegenständliche Zonenbeschränkung die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens nach § 45 Abs. 1 Z 4 VStG nicht rechtfertigen.
15 Wie das Verwaltungsgericht selbst in den angefochtenen Erkenntnissen zutreffend festhält, ist eine durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte Verordnung für den Normunterworfenen nach Maßgabe ihres Inhaltes (mit Ausnahme eines allfälligen Anlassfalles, der hier jedoch unstrittig nicht vorlag) so lange rechtswirksam, bis sie aufgehoben wird (vgl. Art. 140 Abs. 7 B-VG; vgl. dazu etwa auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/02/0335 m.w.N.). Die Aufhebung der Verordnung erfolgte erst nach Begehung der verfahrensgegenständlichen Übertretungen; der Verfassungsgerichtshof hat zudem für das Außerkrafttreten der Verordnung eine mehrmonatige Frist bestimmt.
16 Die Erlassung eines Gebotes oder Verbotes, welches durch entsprechende Verkehrsschilder kenntlich gemacht ist, zieht die Verpflichtung des Verkehrsteilnehmers nach sich, es ohne Rücksicht darauf zu beachten, ob er die behördliche Anordnung zur Sicherheit des Verkehrs für erforderlich hält oder nicht (vgl. erneut das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/02/0335). Die Mitbeteiligte war demnach verpflichtet, die erlaubte Höchstgeschwindigkeit im Tatzeitpunkt nicht zu überschreiten. Die nachfolgende Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes, für die die gegenständlichen Übertretungen weder Anlassfall noch Quasi-Anlassfall im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes waren, vermag vor diesem Hintergrund am Ausmaß des Verschuldens der Mitbeteiligten nichts zu ändern.
17 Da somit schon das Erfordernis des bloß geringen Verschuldens nicht erfüllt war, erweist sich die auf § 45 Abs. 1 Z 4 VStG gestützte Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens als rechtswidrig, ohne dass auf die in den Revisionen aufgeworfenen Fragen der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung weiter eingegangen werden muss.
18 Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst entscheiden, wenn sie entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt.
19 Dieser Fall liegt hier vor: Das Vorliegen der Übertretungen in tatbestandsmäßiger Hinsicht wurde von der Mitbeteiligten nicht in Zweifel gezogen. Auch in der Revisionsbeantwortung, in der - abgesehen von Ausführungen zur Zulässigkeit - lediglich auf die nach Auffassung der Mitbeteiligten gegebene "Präjudizialität" des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes über die Aufhebung der Verordnung des Gemeinderates der Stadt Traun vom eingegangen wird, bringt sie nichts vor, was auf ein geringes Verschulden der Mitbeteiligten hinweisen könnte.
Der entscheidungserhebliche Sachverhalt steht damit fest, sodass die Sache für den Verwaltungsgerichtshof entscheidungsreif ist und es im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt, die angefochtenen Erkenntnisse nicht bloß aufzuheben und die Verfahren vom Verwaltungsgericht fortsetzen zu lassen, sondern in der Sache selbst zu entscheiden und damit die von der Mitbeteiligten gegen die Straferkenntnisse der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom erhobenen Beschwerden abzuweisen, wobei die Angabe der verletzten Rechtsvorschrift zu berichtigen war. Eine Herabsetzung der von der Verwaltungsstrafbehörde bereits im untersten Bereich der Strafdrohung gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO (von bis zu EUR 726,--) festgesetzten Strafe kommt auch unter Berücksichtigung der vom Verwaltungsgericht festgestellten sonstigen verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit der Mitbeteiligten und der Verfahrensdauer vor der Verwaltungsstrafbehörde - die bereits von der Verwaltungsstrafbehörde mildernd berücksichtigt wurde - nicht in Betracht.
20 Gemäß § 52 VwGVG ist in jedem Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat. Dieser Beitrag ist für das Beschwerdeverfahren mit 20 % der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit zehn Euro zu bemessen. Der Kostenbeitrag fließt der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand des Verwaltungsgerichts zu tragen hat. Entscheidet der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in einer Verwaltungsstrafsache in der Sache selbst, tritt er insoweit an die Stelle des Verwaltungsgerichtes und hat daher auch über den Kostenbeitrag gemäß § 52 VwGVG abzusprechen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Ra 2015/02/0130). Wien, am
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Normen | B-VG Art140 Abs7; B-VG Art18 Abs2; StVO 1960 §20 Abs1; StVO 1960 §43 Abs1; StVO 1960 §44; StVO 1960 §52 lita Z11a; StVO 1960 §99 Abs3 lita; VStG §45 Abs1 Z4 idF 2013/I/033; VwGG §42 Abs4; VwGVG 2014 §52; VwRallg; |
Schlagworte | Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016020118.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
RAAAE-68402