VwGH vom 09.09.2016, Ra 2016/02/0113
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck, den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision der Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Innsbruck, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom , Zl. LVwG- 2016/14/0609-1, betreffend Übertretung des KFG (mitbeteiligte Partei: M in I, vertreten durch Dr. Armin Exner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Meinhardstraße 6/III), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Nach der Aktenlage wurde der Mitbeteiligte am von der Landesverkehrsabteilung Tirol der Landespolizeidirektion Tirol bei der BH Innsbruck angezeigt, weil der Verdacht einer Übertretung des Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L) bestand (Höchstgeschwindigkeit um 65 km/h überschritten).
2 Nachdem eine Lenkeranfrage der BH Innsbruck vom an den Mitbeteiligten als Zulassungsbesitzer nicht beantwortet wurde, hat die BH Innsbruck das Verfahren gemäß § 29a VStG an die revisionswerbende Bürgermeisterin übertragen. Der Mitbeteiligte hat seinen Wohnsitz in Innsbruck.
3 Mit Straferkenntnis vom hat die revisionswerbende Bürgermeisterin den Mitbeteiligten einer Übertretung nach § 103 Abs. 2 KFG iVm § 134 Abs. 1 KFG für schuldig erachtet und eine Geldstrafe von 700 EUR verhängt.
4 Der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom Folge gegeben und das Straferkenntnis vom wegen Unzuständigkeit der revisionswerbenden Bürgermeisterin aufgehoben. Die Revision hat es als unzulässig erklärt.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
6 In der Revisionsbeantwortung beantragt der Mitbeteiligte die kostenpflichtige Ab- bzw. Zurückweisung der Revision.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 Die Revision ist zulässig und berechtigt.
9 Zu beantworten ist vorliegend die Frage, ob die revisionswerbende Bürgermeisterin auf Grund der Abtretung des Verfahrens durch die BH Innsbruck zur Durchführung des Strafverfahrens gegen den Mitbeteiligten wegen Übertretung des § 103 Abs. 2 KFG zuständig geworden ist.
10 Gemäß § 123 Abs. 1 KFG ist für die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Amtshandlungen, sofern darin nichts anderes bestimmt ist, die Bezirksverwaltungsbehörde, im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde ist, die Landespolizeidirektion zuständig.
11 Nach Abs. 4 leg. cit. sind die im § 103 Abs. 2 und § 103a Abs. 2 angeführten Erhebungen im Sinne des § 39 Abs. 2 letzter Satz AVG, außer bei Gefahr im Verzug, schriftlich oder telefonisch durchzuführen. Liegt einer Erhebung gemäß § 103 Abs. 2 die Begehung einer Verwaltungsübertretung zugrunde, ist die Erhebung von der für die Ausübung des Verwaltungsstrafrechtes zuständigen Behörde, sofern diese eine Bezirksverwaltungsbehörde oder Landespolizeidirektion ist, zu führen. In diesen Fällen ist diese Behörde auch sachlich und örtlich für die Durchführung eines Strafverfahrens wegen Übertretung des § 103 Abs. 2 KFG zuständig.
12 Gemäß § 1 Abs. 2 Stadtrecht der Landeshauptstadt Innsbruck 1975 ist die Stadt Innsbruck eine Stadt mit eigenem Statut und hat als solche neben den Aufgaben der Gemeindeverwaltung auch die der Bezirksverwaltung zu besorgen.
13 Nach § 31 Abs. 5 leg. cit. hat der Bürgermeister die Geschäfte der Bezirksverwaltung zu besorgen.
14 Gemäß § 26 Abs. 1 VStG sind in Verwaltungsstrafsachen die Bezirksverwaltungsbehörden zuständig, wenn die Verwaltungsvorschriften über die sachliche Zuständigkeit keine Bestimmungen enthalten. Nach Abs. 2 leg. cit. ist in Verwaltungsstrafsachen in den Angelegenheiten des sachlichen Wirkungsbereiches der Landespolizeidirektionen im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, die Landespolizeidirektion zuständig.
15 Der in Rede stehenden Lenkeranfrage liegt eine Übertretung des IG-L zu Grunde. Das IG-L enthält keine Bestimmungen, wonach die Landespolizeidirektionen für Verwaltungsstrafverfahren nach dem IG-L zuständig wären.
16 Verwaltungsstrafverfahren nach dem IG-L fallen daher in die Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörden, in der Landeshauptstadt Innsbruck nach deren Stadtrecht daher in die Zuständigkeit der Bürgermeisterin (vgl. auch Art. 116 Abs. 3 letzter Satz B-VG und Art. 119 Abs. 2 B-VG).
17 § 29a VStG folgend kann die zuständige Behörde das Strafverfahren oder den Strafvollzug an die sachlich zuständige Behörde übertragen, in deren Sprengel der Beschuldigte seinen Hauptwohnsitz oder Aufenthalt hat, wenn hiedurch das Verfahren wesentlich vereinfacht oder beschleunigt wird. Das Strafverfahren darf nur an eine Behörde im selben Bundesland, der Strafvollzug nur an eine Bezirksverwaltungsbehörde oder Landespolizeidirektion, insoweit diese zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, übertragen werden.
18 Im Revisionsfall hat die BH Innsbruck das Verfahren wegen Übertretung des § 103 Abs. 2 KFG gegen den Mitbeteiligten, der nach der Aktenlage seinen Wohnsitz in Innsbruck hat, an die revisionswerbende Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Innsbruck übertragen, einer Behörde im selben Bundesland.
19 Das Verwaltungsgericht - soweit aus dessen Ausführungen erschließbar - geht im Revisionsfall offenbar davon aus, dass die für die Übertragung des Strafvollzuges geltende Regelung, wonach dieser nur an eine Landespolizeidirektion übertragen werden darf, insoweit diese sogleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, auch für die Übertragung des Strafverfahrens gilt. Allerdings ergibt sich aus dem Wortlaut und dem Zweck der Regelung für die Übertragung des Strafvollzugs
(vgl. Lewisch/Fister/Weilguni , Verwaltungsstrafgesetz, Rz 9 zu § 29a), dass diese Voraussetzungen für eine Übertragung nicht auch des Strafverfahrens gelten, sondern gemäß § 29a letzter (Halb)Satz VStG nur auf die Übertragung des Strafvollzuges anwendbar sind.
20 Das Verwaltungsgericht hat daher mit der dargestellten Begründung die Zuständigkeit der revisionswerbenden Bürgermeisterin zu Unrecht verneint, weshalb der angefochtene Beschluss gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
Wien, am