VwGH vom 23.10.2013, 2012/03/0083
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde 1. des E D, und
2. des W R (vlg G), beide in M und vertreten durch Dr. Helmut Binder, Rechtsanwalt in 9500 Villach, Postgasse 8/1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom , Zl KUVS-851/2/2012, betreffend Zurückweisung einer Berufung iA Pachtzinsfestsetzung (weitere Partei: Kärntner Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Kärnten hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
A. Angefochtener Bescheid
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde gemäß § 66 Abs 4 AVG die mit Schreiben vom erhobene Berufung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Veit/Glan (BH) vom betreffend Pachtzinsfestsetzung gemäß § 10 Abs 2 des Kärntner Jagdgesetzes 2000 (K-JG) mangels Parteistellung des Erstbeschwerdeführers zurück.
Begründend wurde Folgendes festgehalten: Mit dem Bescheid der BH sei "über den Antrag (des Zweitbeschwerdeführers), vertreten durch (den Erstbeschwerdeführer)" gemäß § 10 Abs 2 K-JG der Jagdpachtzins für die mit Bescheid vom dem Eigenjagdgebiet "B - F" gemäß § 10 Abs 1 K-JG angeschlossenen Grundflächen an den Zweitbeschwerdeführer im Gesamtausmaß von 96,9233 ha mit einem Gesamtpachtzins von EUR 7,26 je ha zuzüglich der Mehrwertsteuer festgesetzt worden. Dieser Bescheid sei dem Zweitbeschwerdeführer zu Handen seines Vertreters, dem Erstbeschwerdeführer, zugestellt worden.
Der angesprochene Berufungsschriftsatz laute wie folgt:
"E D
U 15
9 M M 2012-03 26
Bezirkshauptmannschaft St. Veit Glan
Jagdabteilung
z.Hd. Herrn H J
Hauptplatz
9300 St. Veit a.d.Glan
Betrifft: Bescheid Zl 205-510/49/2010
Einspruch gegen die Festsetzung Jagdpachtzinses durch die Bezirksverwaltungsbehörde gern. § 10 Abs. 2 KJG
Gegen obgenannten Bescheid erhebe ich das Rechtsmittel der Berufung und begründe dies wie folgt:
1. gemäß § 10 Abs. 2 Ziff.8 des KJG heißt es - wurden Grundflächen an verpachtete Eigenjagden angeschlossen, hat die bisherige Regelung über die Berücksichtigung von Pachtzinsen oft zu krassen Missverhältnissen geführt, weil der Pachtzins für die Eigenjagd zumeist ein Vielfaches des Pachtzinses der in der Nähe liegenden Gemeindejagd betrug. Der Pachtzins für Grundflächen, die einer verpachteten Eigenjagd angeschlossen werden, ist gleich hoch festzusetzen, wie der Pachtzins für die Eigenjagd.
2. Das B hat die Oalpe in der Größe von ca. 1800 ha plus 200 ha Gemeindejagdgebiet im Zuge einer Abschussvergabe an einen deutschen Industriellen vergeben. Der erzielte Preis beläuft sich dem Vernehmen nach auf mehr als EUR 150 000,-- jährlich. Dem Beamten der Bezirkshauptmannschaft war es immer bekannt, dass das
B die Jagden verpachtet bzw. Abschüsse im Gesamten vergibt, dies habe ich auch durch meine Einsprüche ausführlich dokumentiert.
3. Die jetzige Feststellung des Hektarwertes von EUR 7,26, welcher eine Reduzierung des zuvor bestehenden Pachtzinses bedeutet und niedriger ist als der von 1991, stellt für mich einen Amtsmissbrauch dar. Denn in der Gemeinde M sind alle Gemeindejagdpachtzinse erhöht worden, teilweise bis zu 200 %.
4. Nur der Pachtzins des besten Rotwildgemeindejagdgebietes wurde mit Hilfe des Beamten reduziert.
5. Das Gutachten des DI K, auf welches sich dieser Bescheid stützt, ist derart mangelhaft, weil es weder eine Aufnahme vor Ort gab, noch die Artenvielfalt berücksichtigt wurde und sich lediglich auf eine Durchschnittsrechnung beruft. Bei der Schadensaufnahme durch die Landesforstdirektion mit Herrn DI M wurde festgestellt, dass ohne umfangreiche Schutzmaßnahmen ein Aufwachsen der Forstpflanzen nicht möglich ist, auf Grund des erhöhten Wildbestandes (überwiegend Rotwild). Ich habe dies bereits in meiner Beantwortung auf das Gutachten näher ausgeführt.
Aus all diesen Gründen erhebe ich Einspruch und bestehe auf Festsetzung eines Jagdpachtzinses auf Basis des § 10 Abs 2 Ziff8 des KJG:.
Mit freundlichen Grüssen"
(der Erstbeschwerdeführer) e.h."
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs sei das Berufungsrecht untrennbar mit der Rechtstellung als Partei in einem Verfahren verbunden. Personen ohne Parteistellung komme demgemäß kein Berufungsrecht zu. Ebenso entspreche es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, dass sich die Prüfung, ob eine Berufung von einem hiezu Berechtigten erhoben worden sei, am äußeren Tatbestand zu orientieren habe. Nach dem zuvor Gesagten sei daher unter Bedachtnahme auf den Inhalt des Berufungsschriftsatzes - in Ermangelung eines Hinweises darauf, dass die Berufung für den Antragsteller (den Zweitbeschwerdeführer) erhoben werde - das Rechtsmittel dem Erstbeschwerdeführer persönlich zuzurechnen. Im Verwaltungsverfahren sei dem Erstbeschwerdeführer keine Parteistellung zugekommen, weshalb die Berufung mangels Parteistellung zurückzuweisen sei.
B. Beschwerdeverfahren
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
C. Erwägungen
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Mit dem bekämpften Bescheid wies die belangte Behörde den in Rede stehenden Berufungsschriftsatz als eine vom Erstbeschwerdeführer eingebrachte Berufung zurück. "Sache" dieser Entscheidung iSd § 68 Abs 1 AVG ist damit die Frage dieser Zurückweisung, nicht aber die mit dem Bescheid der BH erfolgte Festsetzung des Pachtzinses für die einem Eigenjagdgebiet angeschlossenen Grundflächen des Erstbeschwerdeführers.
1.2. Dieser Zurückweisungsbescheid wurde lediglich dem Erstbeschwerdeführer zugestellt. Als Bescheidaddressat ist dieser legitimiert, den bekämpften Bescheid auf seine Rechtmäßigkeit durch eine an den Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde überprüfen zu lassen (vgl in diesem Sinn etwa ). Aber auch der Zweitbeschwerdeführer, der behauptet, die verfahrensgegenständliche Berufung sei ihm zuzurechnen, kann durch den angefochtenen Bescheid, in dem die Berufung dem Erstbeschwerdeführer zugerechnet wurde, in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt sein (vgl in diesem Sinn etwa ). Derart erweist sich die vorliegende Beschwerde hinsichtlich der beiden vom bekämpften Bescheid nach der entschiedenen Sache iSd § 68 Abs 1 AVG betroffenen beschwerdeführenden Parteien als zulässig.
2. Die Beschwerde ist zudem berechtigt. Im vorliegenden Fall geht es um die Frage der Zurechnung der im Verwaltungsverfahren betreffend die Pachtzinsfestsetzung nach § 10 Abs 2 K-JG erhobenen Berufung an den Zweitbeschwerdeführer oder den im Verwaltungsverfahren davor einschreitenden bevollmächtigten Erstbeschwerdeführer. Nach der auf dem Erkenntnis des verstärkten Senates vom , 81/11/0119 (VwSlg 11.625 A/1984) aufbauenden Rechtsprechung ist die Zurechnung einer Verfahrenshandlung im AVG nicht geregelt (vgl etwa ). Die Prüfung, wem eine Eingabe - im Beschwerdefall: eine Berufung - zuzurechnen ist, hat sich am äußeren Tatbestand zu orientieren (vgl dazu sowie zum Folgenden etwa ; ; ). Maßgeblich ist, wer nach dem objektiven Erklärungswert der Eingabe unter Berücksichtigung aller Umstände als derjenige anzusehen ist, der mit dieser Eingabe die Tätigkeit der Behörde für sich in Anspruch nimmt. Besteht danach kein Anlass zu Zweifeln, wem die Eingabe zuzurechnen ist, bedarf es keiner weiteren Ermittlungen iSd § 37 AVG noch eines Verbesserungsauftrages iSd § 13 Abs 3 leg cit. Kann diese Frage aber nicht zweifelsfrei beurteilt werden, ist die Behörde verpflichtet, sich über die Zurechnung der Prozesshandlung Klarheit zu verschaffen; bestehende Zweifel sind gemäß § 37 AVG aufzuklären, wobei die Beseitigung der Zweifel auch im Rahmen des § 13 Abs 3 AVG erfolgen kann (vgl ). Hiebei handelt es sich nicht um die Nachholung einer befristeten Prozesshandlung, sondern um die Klärung des Inhalts einer zwar rechtzeitigen, aber undeutlichen Prozesshandlung (vgl etwa ). Nach der Rechtsprechung ist in diesem Zusammenhang insbesondere zu beachten, dass durch Formvorschriften die Durchsetzung materieller Rechte nicht in größerem Ausmaß als unbedingt erforderlich eingeschränkt werden soll (vgl VwSlg 11.625 A/1984 und (VwSlg 6.983 F/1995)).
3.1. Schon auf Grund seines Inhalts ist die Zurechnung des wiedergegebenen Berufungsschriftsatzes zumindest zweifelhaft. Zwar enthält dieser (worauf der bekämpfte Bescheid aufmerksam macht) keinen ausdrücklichen Hinweis auf ein Vertretungsverhältnis bzw darauf, dass die Berufung vom Erstbeschwerdeführer für den Zweitbeschwerdeführer erhoben wurde. In der Berufung wird aber im letzten Satz des mit "3." bezeichneten Absatzes in der Ich-Form - somit zwar auf den Erstbeschwerdeführer (das ist der Vertreter) hinweisend - auf bereits erfolgte Ausführungen zu einem Sachverständigengutachten im Verwaltungsverfahren vor der Erstbehörde verwiesen.
Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten erfolgten diese Ausführungen aber in einer zweifellos dem Zweitbeschwerdeführer zurechenbaren Stellungnahme vom . Wenn auch vom Erstbeschwerdeführer gefertigt, scheint der Name des Zweitbeschwerdeführers im Kopf dieses Schreibens auf und wurde von der BH in der Begründung des Erstbescheides (den sie gegenüber dem durch den Erstbeschwerdeführer vertretenen Zweitbeschwerdeführer erließ) ausdrücklich dem Zweitbeschwerdeführer zugerechnet.
Damit kann das "Ich" im angesprochenen Satz nicht zwanglos auf den den Berufungsschriftsatz fertigenden Erstbeschwerdeführer bezogen werden und hätte Zweifel dahingehend aufkommen lassen müssen, ob der Berufungsschriftsatz tatsächlich dem Erstbeschwerdeführer zuzurechnen ist.
3.2. Im vorliegenden Fall tritt noch hinzu, dass angesichts des bisherigen Verlaufes des Verwaltungsverfahrens naheliegt, dass der wiedergegebene Berufungsschriftsatz nicht dem Erstbeschwerdeführer als Vertreter des Zweitbeschwerdeführers, sondern dem Zweitbeschwerdeführer als Partei des Pachtzinsverfahrens selbst zuzurechnen ist.
Dies schon deshalb, weil der vor dem belangten Unabhängigen Verwaltungssenat in Berufung gezogene Bescheid der BH vom ausdrücklich an den Zweitbeschwerdeführer, vertreten durch den Erstbeschwerdeführer, gerichtet war und inhaltlich dem Standpunkt folgt, den der Zweitbeschwerdeführer schon vor der Erstbehörde vor Erlassung des Erstbescheides vertrat. Dieser verfahrensmäßige Kontext ist für die Beurteilung des objektiven Erklärungswerts des Berufungsschriftsatzes (die nach der dargestellten Rechtslage alle maßgeblichen Umstände miteinbeziehen muss) ausschlaggebend. Im Übrigen bestehen im Beschwerdefall keine Anhaltspunkte dafür, dass der Erstbeschwerdeführer in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten durch den Erstbescheid verletzt sein könnte und deshalb persönlich dagegen Berufung erhoben hätte.
4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.
Wien, am