VwGH vom 20.10.2011, 2009/18/0122
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des X X in W, geboren am , vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/476.854/2008, betreffend Ausweisung gemäß § 54 FPG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 54 Abs. 1 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet aus.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe nach der Aktenlage im Zeitraum vom bis über eine Niederlassungsbewilligung zum Zweck "Privat" sowie in der Folge im Zeitraum vom bis zum über zwei Niederlassungsbewilligungen zum Zweck "ausgenommen Erwerbstätigkeit" verfügt. Trotz dieser Einschränkung habe der Beschwerdeführer auf der Grundlage eines beim Arbeitsmarktservice erlangten und bis 2012 gültigen Befreiungsscheines vom bis , vom bis und vom bis gearbeitet. Da der Beschwerdeführer von Jänner bis März 2008 Arbeitslosengeld in der Höhe von EUR 218,70 pro Monat bezogen habe, sei von der Niederlassungsbehörde auf Grund des vom Beschwerdeführer am (richtig: ) gestellten Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen ein Verfahren gemäß § 25 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG eingeleitet worden.
In der Berufung habe der Beschwerdeführer geltend gemacht, monatlich EUR 732,-- (14 mal jährlich) zu verdienen. Zudem beziehe sein Stiefvater ein monatliches Einkommen von EUR 1.600,-- und seine Mutter ein solches von EUR 740,-- (jeweils 14 mal jährlich). Sie seien für ein fünfjähriges Kind sorgepflichtig, doch sei für den Unterhalt des Beschwerdeführers jedenfalls ausreichend gesorgt, auch wenn dessen eigene Arbeit tatsächlich unzulässig sein sollte.
Rechtlich führte die belangte Behörde aus, der Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels stehe der Versagungsgrund entgegen, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, weil er auf Grund des ihm zuletzt erteilten Aufenthaltstitels keiner Erwerbstätigkeit habe nachgehen dürfen und das daraus erzielte Einkommen den Anforderungen nicht entsprochen habe. Er sei seit nicht als am Arbeitsmarkt integriert anzusehen und beziehe weder Arbeitslosengeld noch Notstandshilfe. Eine Haftungserklärung der Eltern sei nicht beigebracht worden und für den beantragten Aufenthaltstitel für den Zweck "aus humanitären Gründen" auch nicht zulässig. Damit erweise sich die Ausweisung des Beschwerdeführers nach § 54 Abs. 1 Z. 2 FPG als zulässig.
Im Weiteren stellte die belangte Behörde noch dar, weshalb ihrer Ansicht nach der Erlassung der Ausweisung auch § 66 FPG nicht entgegenstehe.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 54 Abs. 1 FPG können Fremde, die sich auf Grund eines Aufenthaltstitels oder während eines Verlängerungsverfahrens im Bundesgebiet aufhalten, mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn (Z. 1) nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre oder (Z. 2) der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht.
Nach dem Akteninhalt brachte der Beschwerdeführer am , also noch vor Ablauf der zuletzt bis gültigen Niederlassungsbewilligung ein Ansuchen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen ein.
Gemäß § 11 Abs. 2 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn u.a. (Z. 4) der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Nach § 11 Abs. 5 NAG (in der Fassung BGBl. I Nr. 157/2005) führt der Aufenthalt eines Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 ASVG, BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z. 3 NAG) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten dessen pfändungsfreies Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, nicht zu berücksichtigen.
2.1. Der Beschwerdeführer macht u.a. geltend, eigenes Einkommen aus unselbständiger Beschäftigung von monatlich EUR 732,-
- (14 mal jährlich) zu verdienen, und dazu auf Grund des vom Arbeitsmarktservice ausgestellten und bis gültigen Befreiungsscheins berechtigt zu sein. Darüber hinaus verweist er auch auf das Einkommen seiner Mutter und seines Stiefvaters.
2.2. Die Prüfung, ob der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, ob also ausreichende Unterhaltsmittel zur Verfügung stehen, hat durch eine Prognose über die Erzielbarkeit ausreichender Mittel zu erfolgen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/22/0060). Für die Berechnung ausreichender Unterhaltsmittel ist jenes Einkommen maßgeblich, das dann erzielt wird, wenn dem Beschwerdeführer der begehrte Aufenthaltstitel erteilt wird (vgl. etwa zur gleichgelagerten Konstellation des Familiennachzugs das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0274, mwN). Ob der Beschwerdeführer einer solchen Tätigkeit bis dahin unberechtigt nachging, ist dafür ohne Belang (vgl. das eine fehlende Beschäftigungsbewilligung betreffende, schon erwähnte Erkenntnis vom , mwN).
Da der Beschwerdeführer nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid über einen bis 2012 gültigen Befreiungsschein verfügt und einen die Erwerbstätigkeit zulassenden Aufenthaltstitel anstrebt, hätte die belangte Behörde nicht bloß auf die Unerlaubtheit des bislang erzielten Einkommens abstellen dürfen, sondern sich auch mit den nach einer Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels zu erwartenden Einkünften des Beschwerdeführers auseinandersetzen müssen. Dazu reicht die von der belangten Behörde getroffene Feststellung über die seit fehlende Integration des Beschwerdeführers am Arbeitsmarkt ohne Bezug von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe nicht aus, weil damit keine ausreichende Prüfung der künftigen Entwicklungen erfolgt und der Beschwerdeführer in seiner - von der belangten Behörde als Stellungnahme gewerteten - Eingabe vom unter anderem auf eine Wintersperre seines Arbeitgebers hinwies.
2.3. Gemäß § 11 Abs. 5 NAG kann der Nachweis der Unterhaltsmittel auch durch Unterhaltsansprüche im Sinn des § 2 Abs. 4 Z. 3 leg. cit. erfolgen. Die Begründung im angefochtenen Bescheid, dass eine Haftungserklärung der vom Beschwerdeführer genannten Familienangehörigen fehle, greift zu kurz, weil hier nicht nur vertragliche Unterhaltsansprüche sondern auch gesetzliche zum Tragen kommen können (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0262, mwN). Feststellungen, die eine Beurteilung der im Familienrecht gegründeten Ansprüche des (im Jahr 1990 geborenen) Beschwerdeführers gegenüber den von ihm genannten Angehörigen ermöglichen, fehlen jedoch.
3. Der angefochtene Bescheid war sohin wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren war abzuwiesen, weil der Pauschalbetrag gemäß § 1 Z. 1 lit. a dieser Verordnung die Umsatzsteuer bereits abdeckt.
Wien, am
Fundstelle(n):
DAAAE-68369