VwGH vom 22.10.2012, 2012/03/0078
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des Ing. A H in O, vertreten durch Deixler Mühlschuster Rechtsanwälte OG in 4600 Wels, Spitalhof 3a, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl Senat-AM-11-0210, betreffend Übertretung des Gefahrgutbeförderungsgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
A. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer folgende Verwaltungsübertretung zur Last gelegt:
"Tatbeschreibung:
Tatort : B registrierte Genossenschaft mit beschränkter
Haftung, Standort: A, Mstraße 5
Kontrollzeit: um 16:25 Uhr
Kontrollort: Gemeindegebiet St. Pölten, auf der Autobahn bei
Strkm 62,500 in Fahrtrichtung Wien
Fahrzeug: Beförderungseinheit über 3,5 t Gesamtmasse bestehend als LKW mit dem Kennzeichen (A) KS- und Anhänger mit dem Kennzeichen (A) KS Gefährliches Gut. ABFALL, UN 2794 BATTERIEN (AKKUMULATOREN), NASS, GEFÜLLT MIT SÄURE 8, (E), 1 Stk. Industriebatterie, 1660 kg Bruttomasse ABFALL, UN 1950 DRUCKGASPACKUNGEN 2, (E), 1 Fass aus Stahl, 36 kg Bruttomasse ABFALL UN 3175 FESTE STOFFE, DIE ENTZÜNDBARE FLÜSSIGE STOFFE ENTHALTEN, N.A.G.4.1. II, (E), 4 Kisten aus Kunststoff, 3784 kg Bruttomasse
Sie haben es als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der B reg. Gen. m.b.H. mit dem Sitz in W, Sstraße 30 , die einen weiteren Standort in A, Mstraße 5 betreibt, in Ihrer Eigenschaft als Obmann zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Verpacker vor der Beförderung der gefährlichen Güter im Rahmen des § 7 Abs. 1 GGBG (Sicherheitsvorsorgepflicht) ihrer Pflicht nicht nachgekommen ist. Sie hat die Verpackungsvorschriften nicht beachtet. Die Verpackung des gefährlichen Gutes war nicht dicht verschlossen. Der gefährliche Inhalt trat während des Transportes aus. Bei der Industriebatterie handelte es sich um eine defekte Batterie eines Elektrostaplers. Diese Batterie bestand aus 24 mit Säure gefüllten Einzelzellen, die miteinander verbunden waren und zusammen in einem Metallbehälter standen. Die Außenmaße dieses Behälters betrugen 120 x 80 x 100 cm. Nach oben war dieser Behälter offen. Der obere Rand des Behälters überragte die darin befindlichen Einzelzellen lediglich um ca. 5 cm. Auf der Höhe der Oberkante der Zellen wies er an den Schmalseiten je 2 Löcher zum Einhängen von Hebewerkzeugen auf. Er stand auf einer Euro-Palette aus Holz an der rechten Innenwand des Anhängers ca. in der Mitte des Laderaums vom Anhänger war eine Spur von ausgelaufener Flüssigkeit feststellbar. Die stechend riechende Flüssigkeit hatte sich bereits auf ca. 1 m2 Fläche an der rechten Wand entlang verteilt. Die Flüssigkeit hatte die Unterseite der Palette ca. 5 cm hoch getränkt. Die Flüssigkeit hatte sich bereits im Bereich des rechten Vorderrades einen Weg nach außen gesucht und tropfte auf den rechten vorderen Kotflügel. Auf der Oberfläche der Mehrzahl der Einzelzellen waren ebenfalls Flüssigkeitsspuren vorhanden. An den Seitenwänden des Metallbehälters waren weißlich verfärbte Spuren dieser ausgetretenen Flüssigkeit sichtbar. An der hinteren Schmalseite des Metallbehälters war ein Zettel mit der Aufschrift 'NICHT NEHMEN ...LÄUFT AUS!!!' geklebt. Es war somit offensichtlich bereits vor dem Fertigmachen zum Versand und der Verladung auf den LKW bekannt, das diese Großbatterie undicht ist und Batteriesäure ausläuft." (Unterstreichungen nicht im Original.)"
Dadurch habe der Beschwerdeführer § 27 Abs 2 lit a iVm § 27 Abs 2 Z 3 iVm § 7 Abs 5 Z 1 und § 2 Z 1 des Gefahrgutbeförderungsgesetzes, BGBl I Nr 145/1998 idF BGBl I Nr 63/2007, im Zusammenhalt mit Abs 1 Punkt 4.3.2 lit b und Unterabschnitt 4.1.1.1 ADR-Gefahrenkategorie I, übertreten. Über den Beschwerdeführer wurde deshalb eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 750,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden) verhängt.
Begründend wurde im Wesentlichen Folgendes festgehalten: Da (wie vom Beschwerdeführer selbst angegeben) kein verantwortlicher Beauftragter iSd § 9 Abs 2 VStG bestellt worden sei, sei der Beschwerdeführer als Obmann der in Rede stehenden Genossenschaft für die vorliegende Verwaltungsübertretung verantwortlich. Der Leiter der Instandhaltung am Standort A dieser Genossenschaft habe unwidersprochen ausgeführt, er habe den Auftrag erteilt, das verfahrensgegenständliche gefährliche Gut, nämlich die defekte Batterie, zu entsorgen, er wisse jedoch nicht, wer diese defekte Batterie ausgebaut habe und was mit dieser bis zur Abholung passiert sei. Der Lenker des Abholtransportes habe als Zeuge unwidersprochen ausgeführt, er sei von einem näher genannten Unternehmen beauftragt worden, die Batterie bei der Genossenschaft abzuholen, ein Staplerfahrer der Genossenschaft habe die Batterie verladen. Daraus ergebe sich mit der für das Verwaltungsstrafverfahren notwendigen Sicherheit, dass die Genossenschaft das Versandstück zur Beförderung vorbereitet habe und daher auch Verpacker iSd § 3 Z 3 GGBG gewesen sei.
Eine nach § 9 VStG verantwortliche Person könne sich in Ansehung eines Verstoßes gegen eine die juristische Person treffende Verpflichtung insoweit entlasten, als sie Maßnahmen getroffen habe, welche die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften mit gutem Grunde erwarten ließen. Ein geringes oder gar mangelndes Verschulden könne aber nicht damit glaubhaft gemacht werden, dass einer "Fachfirma" zur Entsorgung der Auftrag erteilt worden sei, die alte Batterie zu entsorgen. Es sei nicht behauptet worden, dass diese "Fachfirma" mit der Vorbereitung des Versandstückes beauftragt worden sei. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers bestehe kein Zweifel daran, dass die Bereitstellung des gefährlichen Gutes am Standort in A erfolgt sei, weshalb der Beschwerdeführer auch dort für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften hätte Sorge tragen müssen; die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, dass bei Unterlassungsdelikten für die örtliche Zuständigkeit maßgebend sei, wo der Bestrafte hätte handeln müssen, was im Zweifel jener Ort sei, an dem die Unternehmensleitung ihren Sitz habe, komme daher nicht zum Tragen.
B. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Verfahrensmängel, der Entscheidung durch eine unzuständige Behörde und wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und wies dabei nochmals darauf hin, dass bei Unterlassungsdelikten ihrer Auffassung nach als Tatort nur dann der Sitz der Unternehmensleitung heranzuziehen sei, wenn Zweifel daran bestünden, wo der Beschuldigte hätte handeln müssen.
C. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher einer juristischen Person iSd § 9 Abs 1 VStG in Anspruch genommen, welche nach dem insofern unstrittigen Tatvorwurf ihren Sitz nicht am Verladeort in A, sondern in W hat. Dem Beschwerdeführer wurde vorgeworfen, dass diese Genossenschaft als Verpacker vor der Beförderung der gefährlichen Güter ihrer Pflicht nicht nachgekommen sei. Somit wurde die in Rede stehende Verwaltungsübertretung in der Form des Unterlassens begangen.
Zu Unterlassungsdelikten nach dem GGBG hat der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen, dass bei Unterlassungsdelikten der Tatort dort anzunehmen ist, wo der Täter hätte handeln sollen. Für die örtliche Zuständigkeit der Behörde im Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 27 Abs 1 VStG ist damit maßgebend, wo der Beschwerdeführer hätte handeln müssen. Dieser Ort fällt dann, wenn solche Unterlassungen im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Unternehmens erfolgen, im Zweifel mit dem Sitz des Unternehmens zusammen; (nur) dann, wenn die tatsächliche Leitung eines Unternehmens an einem anderen Ort als am Sitz des Unternehmens ausgeübt wird, hat dies zur Folge, dass dieser Ort als jener Ort anzusehen ist, an dem der Täter hätte handeln sollen (vgl , 0072; ; ; ; ; vgl auch ). Das bedeutet, dass in einer Konstellation wie der vorliegenden als Tatort grundsätzlich der Sitz des Unternehmens anzunehmen ist. Nur dann, wenn die tatsächliche Leitung des Unternehmens nicht an seinem Sitz, sondern an einem anderen Ort erfolgt, ist als Tatort nicht der Sitz, sondern dieser Ort bedeutsam; dafür, dass die Leitung des in Rede stehenden Unternehmens nicht am Unternehmenssitz erfolgt, besteht vorliegend aber kein Anhaltspunkt.
Dies hat die belangte Behörde verkannt, wenn sie die Unzuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Amstetten - die das erstinstanzliche Straferkenntnis nicht am Sitz des Unternehmens, sondern am Verladeort als Tatort orientierte - nicht wahrnahm.
2. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
3. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil im pauschalierten Ersatzbetrag für den Schriftsatzaufwand Umsatzsteuer bereits enthalten ist (vgl etwa ).
Wien, am