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VwGH vom 23.03.2016, Ra 2016/02/0002

VwGH vom 23.03.2016, Ra 2016/02/0002

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Beiziehung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom , Zl. LVwG-S-804/001-2015, betreffend Übertretungen des Bauarbeitenkoordinationsgesetzes (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Magistrat der Stadt Krems an der Donau; mitbeteiligte Partei: W in K), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Begründung

1 Das Arbeitsinspektorat erstattete mit Schriftsatz vom an den Magistrat der Stadt Krems an der Donau Strafanzeige gemäß § 9 Arbeitsinspektionsgesetz (ArbIG) wegen diverser Übertretungen des Bauarbeitenkoordinationsgesetzes (BauKG) durch die die T GmbH. Die T GmbH sei als Planungs- und Baustellenkoordinator bestellt worden, gegen die verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen der T GmbH möge ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet werden.

2 Handelsrechtliche Geschäftsführer der T GmbH waren zu den Tatzeiten nach der Aktenlage der Mitbeteiligte sowie W. K.

3 Bei seiner Einvernahme vor dem Magistrat der Stadt Krems an der Donau am gab W. K. unter anderem an, der Mitbeteiligte sei zwar auch handelsrechtlicher Geschäftsführer der T GmbH, jedoch sei dieser für die gegenständliche Baustelle nicht zuständig gewesen. Dies gehe bereits aus der Vorankündigung der Bauarbeiten hervor.

4 In der "Vorankündigung von Bauarbeiten" gemäß § 6 BauKG hinsichtlich der gegenständlichen Baustelle war die T GmbH als Planungs- und Baustellenkoordinator sowie als örtliche Bauaufsicht angeführt, wobei unter der Firma jeweils die Buchstaben "i.A." und danach der Name des neben dem Mitbeteiligten zweiten Geschäftsführers der T GmbH W. K. angeführt wurden, der für die T GmbH auch zeichnete.

5 Mit Bescheid vom stellte das Magistrat der Stadt Krems an der Donau das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Mitbeteiligten ein und führte begründend aus, dass seitens der T GmbH bekannt gegeben worden sei, dass der Mitbeteiligte für die gegenständliche Baustelle nicht zuständig gewesen sei. W. K. habe sich seinerseits für zuständig erklärt und auf die bereits in der Vorankündigung der Bauarbeiten in der Außenwirkung dokumentierte Zuständigkeit seiner Person verwiesen. W. K. sei firmenintern zum eigenverantwortlichen Bearbeiter des Bauvorhabens bestellt worden, was auch dokumentiert worden sei. Es habe daher keiner Meldung gemäß § 23 ArbIG an das Arbeitsinspektorat bedurft, um den Mitbeteiligten von seiner verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit zu befreien.

6 Die gegen diesen Bescheid vom Arbeitsinspektorat erhobene Beschwerde hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis abgewiesen und die Revision als nicht zulässig erklärt.

7 In der Begründung geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass W. K. für die genannte Baustelle als Planungs- und Baustellenkoordinator bestellt worden sei. Es sei durchaus nachvollziehbar - so das Verwaltungsgericht weiter -, dass die zur Vertretung Berufenen bestimmte Agenden alleinverantwortlich für die Gesellschaft übernähmen oder bestimmte Teilbereiche (zum Beispiel Baustellen) als Alleinverantwortliche planten und betreuten. Verfahrensgegenständlich sei W. K. für die genannte Baustelle zuständig gewesen. Dies sei auch nach außen durch die Vorankündigung von Bauarbeiten gemäß § 6 BauKG dokumentiert worden. Seitens der Strafbehörde sei die Bestellung zur Kenntnis genommen worden. Die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten und die Zustimmung des zum verantwortlichen Beauftragten Bestellten könnten grundsätzlich formfrei erfolgen. W. K. habe im Zuge der Niederschrift am seine Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten aus dem Kreis der handelsrechtlichen Geschäftsführer dezidiert bekannt gegeben. Die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten befreie die übrigen handelsrechtlichen Geschäftsführer von deren strafrechtlicher Verantwortlichkeit.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

9 Der Mitbeteiligte hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11 Die Revision ist zulässig und auch berechtigt:

12 Gemäß § 9 Abs. 2 erster Satz VStG sind die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden (letzter Satz).

13 Nach der Rechtsprechung ist ein verantwortliches Vertretungsorgan (§ 9 Abs. 1 VStG) ex lege umfassend und kumulativ neben anderen Vertretungsorganen (also "überlappend") strafrechtlich verantwortlich. Seine Bestellung nach § 9 Abs. 2 erster Satz VStG lässt seine strafrechtliche Verantwortlichkeit als Vertretungsorgan unberührt, sie bewirkt nur (nach Maßgabe ihres Umfanges) den Entfall der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der übrigen Vertretungsorgane bzw. deren Einschränkung auf den Fall vorsätzlicher Nichtverhinderung (§ 9 Abs. 6 VStG), ihre Wirksamkeit hängt nicht von der Mitteilung an das zuständige Arbeitsinspektorat ab. Einer solchen bedarf es nicht (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 97/11/0044 und 0095).

14 Die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten muss nicht durch eine Urkunde nachgewiesen werden, die von dem zur Vertretung nach außen Berufenen gefertigt ist. Die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten und die Zustimmung des zum verantwortlichen Beauftragten Bestellten können grundsätzlich formfrei erfolgen. Erforderlich ist nur, dass die Zustimmung gemäß § 9 Abs. 4 VStG nachweislich erfolgt ist, was nach der ständigen Rechtsprechung bedeutet, dass nur ein die Zustimmung zur Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten betreffendes Beweisergebnis aus der Zeit vor der Begehung der strafbaren Handlung zur Erbringung des Nachweises geeignet ist (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 92/18/0176, mwN).

15 Aus dem einzigen diesbezüglichen Beweisergebnis, nämlich der Aussage von W. K. bei seiner Einvernahme am , er sei für die Baustelle "zuständig" gewesen, was in der "Vorankündigung von Bauarbeiten" seinen Niederschlag gefunden habe, schließt das Verwaltungsgericht in rechtlicher Hinsicht, W. K. habe "im Zuge der Niederschrift am seine Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten dezidiert bekanntgegeben".

16 Bei einer schlichten Aufgabenverteilung unter mehreren Geschäftsführern einer GmbH handelt es sich für sich genommen ohne Hinzutreten eines hinreichend erkennbaren Übertragungsaktes mit allen damit verbundenen Rechten und Pflichten nicht um eine Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 erster Satz VStG, sondern um eine interne Aufteilung der Zuständigkeiten im Unternehmen, die die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit der (Mit)Geschäftsführer nicht berührt (zur internen Aufteilung vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2008/17/0072).

17 Im Unterschied zu der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung ist im vorliegenden Fall alleine die Erklärung, ein Geschäftsführer sei für eine Baustelle "zuständig", nicht als Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten zu werten. Daran ändert auch die Nennung des Namens von W. K. in der "Vorankündigung von Bauarbeiten" nichts, zumal dies weder weiteren Erklärungswert besitzt, noch als Zustimmung gemäß § 9 Abs. 4 VStG zu sehen ist.

18 Für eine Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens gegen den Mitbeteiligten aus den vom Verwaltungsgericht angenommenen Gründen bestand nach dem Gesagten somit kein Anlass. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am