VwGH vom 09.09.2005, 2004/12/0166
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Schick, Dr. Hinterwirth und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde der S in K, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs Kai 5, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , K4-L-1346, betreffend die Anrechnung von Ruhegenussvordienstzeiten gemäß § 53 Abs. 2 lit. l des Pensionsgesetzes 1965, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin steht als Volksschullehrerin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich.
In der Zeit vom bis zum hat sich die Beschwerdeführerin wegen der Pflege ihres behinderten Kindes nach § 18a ASVG selbst versichert. Das öffentlichrechtliche Dienstverhältnis wurde mit begründet; zuvor war die Beschwerdeführerin ab Vertragslehrerin.
Mit Bescheid des Landesschulrates für Niederösterreich vom wurde der Beschwerdeführerin die Zeit vom bis , sohin vier Jahre, drei Monate und 26 Tage als Ruhegenussvordienstzeit angerechnet. Die vorgenannte Zeit der Selbstversicherung gemäß § 18a ASVG wurde nicht angerechnet.
Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Berufung, in der sie geltend machte, nach Anfrage bei der Pensionsversicherungsanstalt sei ihr mitgeteilt worden, dass ihr die Anrechnung dieser Zeiten zustehe. Sie beantrage die Einberechnung der von ihr eingekauften Zeiten vom bis , in denen sie ihr behindertes Kind gepflegt habe.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Berufung keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt. Dies wurde nach Wiedergabe der Bestimmungen der §§ 53 und 54 des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340 (PG 1965), damit begründet, dass aus dem von der Beschwerdeführerin am unterfertigten Erhebungsblatt für die Anrechnung von Ruhegenussvordienstzeiten des Landesschulrates von Niederösterreich hervorgehe, dass die Beschwerdeführerin in der Zeit vom bis ein Studium an der Universität Wien absolviert habe. Überschneidend dazu habe sie in der Zeit vom bis ihre Ausbildung an der Pädagogischen Akademie K absolviert. In diesem Erhebungsblatt habe die Beschwerdeführerin keine zusätzlichen Zeiten angeführt. Im Übrigen hätte sie ausdrücklich alle Zeiten, für die ein besonderer Pensionsbeitrag zu leisten wäre, von der Anrechnung ausgeschlossen.
Die Beschwerdeführerin beziehe sich in ihrer Berufung auf die Bestimmungen des ASVG, insbesondere dessen § 18a. Nach Wiedergabe dieser gesetzlichen Bestimmung hielt die belangte Behörde fest, das ASVG sei auf Beamte nicht anzuwenden. Gemäß § 1 Abs. 1 PG 1965 regle das Pensionsgesetz die Pensionsansprüche der Bundesbeamten, ihrer Hinterbliebenen und Angehörigen. Im Übrigen dürfe darauf verwiesen werden, dass die Beschwerdeführerin in einem Großteil des von ihr angesprochenen Zeitraumes, nämlich vom bis an der Pädagogischen Akademie K studiert habe und dass die selben Zeiten nicht zweimal für die Anrechnung berücksichtigt werden könnten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.
Im Mittelpunkt der Beschwerdeausführungen steht die Bestimmung des § 53 Abs. 2 lit. l PG 1965, wonach die Zeit einer die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem ASVG begründenden Beschäftigung als Ruhegenussvordienstzeit anzurechnen ist. Die Beschwerdeführerin meint, auch eine Selbstversicherung nach § 18a ASVG (Selbstversicherung für Personen, die sich der Pflege eines im gemeinsamen Haushalt lebenden behinderten Kindes widmen) falle unter diese Bestimmung. Die Selbstversicherung im Sinn des § 18a ASVG sei der Pflichtversicherung besonders weitgehend gleich gestellt, insbesondere punkto Möglichkeit der Weiterversicherung und Wartezeit. Zeiten der Selbstversicherung seien aber auch gemäß klarer Gesetzesregelung, insbesondere gemäß § 236 ASVG, Beitragszeiten, womit es keinen Zweifel daran geben könne, dass im Fall einer Anrechnung als Ruhegenussvordienstzeit nach § 53 PG 1965 ein Überweisungsbeitrag von der ASVG-Pensionsversicherungsanstalt an den Bund zu leisten sei.
Auch das Tatbildmerkmal "Beschäftigung" sei erfüllt, die Selbstversicherung nach § 18a ASVG sei essentiell mit der Pflege eines behinderten Kindes verbunden. Selbst wenn man davon ausgehe, dass mit "Beschäftigung" im § 53 Abs. 2 lit. l PG 1965 allgemein eine Berufstätigkeit zu verstehen sei, werde man andererseits keineswegs zum Ergebnis kommen können, dass die demnach vorzunehmende Abgrenzung gerade die Beschäftigungsart der Pflege eines behinderten Kindes ausgrenzen solle. Weiters sei dem Gesetz zweifelsfrei zu entnehmen, dass eine Gleichstellung dieser Art der Selbstversicherung mit der vom Gesetz geforderten Pflichtversicherung gegeben sei. Diese Interpretation sei zwingendes Erfordernis zur Vermeidung eines verfassungswidrigen Regelungsinhaltes. Es sei mit allem Nachdruck zu betonen, dass es nicht um einen Vergleich zwischen dem Dienst- und Pensionsrecht der Beamten und der anderen (nach dem ASVG) versicherten Arbeitnehmer gehe, sondern einzig und allein um das Ausmaß der Fürsorge, die besonders hilfsbedürftigen Menschen, nämlich behinderten Kindern, von Seiten des Staates zugedacht werde. Es sei nicht anzunehmen, dass die Gesetzesregelung darauf ziele, dass eine solche Betreuung dann nicht stattfinde, wenn der betreffende Elternteil eine Beamtenlaufbahn anstrebe. In diesem Fall wäre eine Selbstversicherung nach § 18a ASVG gänzlich vergeudetes Geld.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 1 LDG 1984 ist dieses Bundesgesetz auf die im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zu den Ländern stehenden Lehrer (Landeslehrer) u.a. für Volksschulen sowie auf die Personen, die einen Anspruch auf Ruhe(Versorgungs-)Bezug aus einem solchen Dienstverhältnis haben (Art. 14 Abs. 2 B-VG), anzuwenden.
Gemäß § 106 Abs. 1 Z. 2 LDG 1984 gilt für das Besoldungs- und Pensionsrecht der Landeslehrer unter Bedachtnahme auf Abs. 2 (u.a.) das Pensionsgesetz 1965, BGBl. Nr. 340, soweit nicht in den nachstehenden Bestimmungen anderes bestimmt wird.
Die entscheidungswesentliche Bestimmung des § 53 PG 1965 in der Fassung der 2. Dienstrechtsnovelle 2003, BGBl. I Nr. 130, lautet (auszugsweise):
"§ 53. (1) Ruhegenussvordienstzeiten sind die in den Abs. 2 bis 4 genannten Zeiten, soweit sie vor dem Tag liegen, von dem an die ruhegenussfähige Bundesdienstzeit rechnet. Sie werden durch Anrechnung ruhegenussfähige Zeiten.
(2) Folgende Ruhegenussvordienstzeiten sind anzurechnen:
...
l) die Zeit einer die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem ASVG begründenden Beschäftigung,"
Nach § 102 Abs. 45 Z. 1 leg. cit. in der oben genannten Fassung sollte § 53 Abs. 2 lit. l PG 1965 rückwirkend mit in Kraft treten, während Z. 3 der zuletzt genannten Bestimmung als Inkrafttretenstermin den nennt. Dieses offensichtliche legistische Versehen hat für den vorliegenden Beschwerdefall aber keine Bedeutung, weil der angefochtene Bescheid aus dem Jahr 2004 stammt, somit zu einem Zeitpunkt erlassen wurde, an dem die oben dargestellte Fassung dieser Bestimmung jedenfalls in Kraft stand.
Vor der zitierten Novelle stand § 53 Abs. 2 lit. l in der Stammfassung des PG 1965 in Geltung und lautete:
"(2) Folgende Ruhegenussvordienstzeiten sind anzurechnen:
...
l) die im Inland in einem Dienstverhältnis oder in einem Berufsausbildungsverhältnis bei einem sonstigen Dienstgeber zurückgelegten Zeiten;"
§ 18a ASVG lautet:
"Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten
der Pflege eines behinderten Kindes
§ 18a. (1) Personen, die sich der Pflege eines im gemeinsamen Haushalt lebenden behinderten Kindes, für das erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376, gewährt wird, widmen und deren Arbeitskraft aus diesem Grund gänzlich beansprucht wird (Abs. 3), können sich, solange sie während dieses Zeitraumes ihren Wohnsitz im Inland haben, längstens jedoch bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres des Kindes, in der Pensionsversicherung selbst versichern. Der gemeinsame Haushalt besteht weiter, wenn sich das behinderte Kind nur zeitweilig wegen Heilbehandlung außerhalb der Hausgemeinschaft aufhält. Eine Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes kann jeweils nur für eine Person bestehen.
(2) ...
(7) Das Ende der Selbstversicherung steht hinsichtlich der Berechtigung zur Weiterversicherung in der Pensionsversicherung dem Ausscheiden aus der Pflichtversicherung im Sinne des § 17 Abs. 1 Z 1 lit. a gleich."
Im Mittelpunkt der vorliegenden Beschwerde steht das Verständnis des § 53 Abs. 2 lit. l PG 1965, wenn er von der Verpflichtung zur Anrechnung der "Zeit einer die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem ASVG begründenden Beschäftigung" spricht.
Die Erläuterungen der Regierungsvorlage zur 2. Dienstrechtsnovelle 2003 führen hinsichtlich dieser Formulierung Folgendes aus:
"Nach der geltenden Fassung des § 53 Abs. 2 lit. l PG sind nur die 'im Inland in einem Dienstverhältnis oder in einem Berufsausbildungsverhältnis bei einem sonstigen Dienstgeber zurückgelegten Zeiten' als Ruhegenussvordienstzeiten anzurechnen. Die Änderung berücksichtigt die im letzten Jahrzehnt aufgetretenen Änderungen am Arbeitsmarkt und bezieht insbesondere die sogenannten freien Dienstverhältnisse nach § 4 Abs. 4 ASVG in die Anrechnung ein."
Zweck der Neuformulierung der lit. l des § 53 Abs. 2 PG 1965 war es also, auf die im letzten Jahrzehnt aufgetretenen Änderungen am Arbeitsmarkt zu reagieren und die neu entstandenen, sogenannten "freien Dienstverhältnisse" in die Anrechnung einzubeziehen. Erkennbar stellte der Gesetzgeber damit auf Phänomene von Dienstverhältnissen am Arbeitsmarkt ab und versuchte unter erstmaliger Bezugnahme auf den Begriff der "Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung" des ASVG alle Beschäftigungs- und Ausbildungsverhältnisse zu erfassen, die im 1. Unterabschnitt des II. Abschnittes des ASVG, nämlich in den §§ 4 ff, als die "Pflichtversicherung" auslösend aufgezählt werden.
Entscheidend für die Verpflichtung zur Einrechnung als Ruhegenussvordienstzeit sollte das eine Pflichtversicherung auslösende Vorhandensein irgendeines Beschäftigungsverhältnisses (eines Dienstverhältnisses oder Ausbildungsverhältnisses) sein. Damit steht die Bestimmung des § 53 Abs. 2 lit. l PG 1965 in Nachfolge des § 2 Abs. 2 lit. a der Ruhegenussvordienstzeitenverordnung 1956, BGBl. Nr. 44, der - damals noch als Ermessensbestimmung - die mögliche Anrechnung von "Zeiträumen, während welcher der Bundesbeamte im öffentlichen oder privaten Dienst oder in einem Lehrverhältnis oder in einem durch Rechtsvorschriften geregelten, für die Berufsausbildung vorgeschriebenen Ausbildungsverhältnis stand" vorsah und somit als Voraussetzung der Anrechenbarkeit ebenfalls auf das Vorliegen eines Dienst- oder Ausbildungsverhältnisses abstellte.
Davon zu unterscheiden ist aber die - im 3. Unterabschnitt des II. Abschnitt des ASVG geregelte - freiwillige Selbstversicherung nach § 18a ASVG. Die Pflege eines behinderten Kindes begründet weder ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne der oben genannten Bestimmungen noch löst sie die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem ASVG aus. Die Pflege schafft (lediglich) die Grundlage, eine Selbstversicherung nach § 18a ASVG begründen zu können.
Für ein Verständnis des Gesetzes dahin, dass auch Zeiten der Selbstversicherung nach § 18a ASVG oder einer anderen Art der Selbstversicherung unter die Bestimmung des § 53 Abs. 2 lit. l PG 1965 fallen sollten, gibt es keine Grundlage. Der Verwaltungsgerichtshof hat dies hinsichtlich einer angestrebten Anrechnung von Zeiten freiwilliger Weiterversicherung nach dem ASVG in seinem hg. Erkenntnis vom , 92/12/0044, auch nachdrücklich zum Ausdruck gebracht. Es ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen die Anrechnung von Zeiten nach § 18a ASVG anders zu beurteilen wäre. Der Verwaltungsgerichtshof hat vor dem Hintergrund des weiteren Gestaltungsspielraums des Pensionsgesetzgebers keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Verständnis der vorliegenden Regelung.
Der Beschwerde ist es daher nicht gelungen, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am