VwGH vom 24.07.2012, 2012/03/0071
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des A T in H, vertreten durch Mag. Josef Herr, Rechtsanwalt in 5400 Hallein, Thunstraße 16, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom , Zl E1/7442/5/2011, betreffend Erlassung eines Waffenverbots, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß §§ 12 Abs 1 und 48 Abs 1 des Waffengesetzes 1996, BGBl I Nr 12/1997 (WaffG), ein Waffenverbot erlassen.
Begründend wurde im Wesentlichen Folgendes festgehalten:
Die Bezirkshauptmannschaft Hallein habe auf Grund einer Streiterei des Beschwerdeführers mit seiner Lebensgefährtin am in seiner Wohnung sowie der Verwendung einer Schusswaffe während dieser Auseinandersetzung ein vorläufiges Waffenverbot und nach durchgeführtem Ermittlungsverfahren mit Bescheid vom gemäß §§ 12 und 48 WaffG ein Waffenverbot gegen den Beschwerdeführer erlassen.
In seiner Berufung gegen den Erstbescheid habe der Beschwerdeführer im Wesentlichen ausgeführt, er habe während eines Streits mit seiner Lebensgefährtin eine emotionale Aussage getätigt, wonach sie sich trennen müssten, falls keine gemeinsame Lösung gefunden werden könnte. Anschließend habe er zu seinem Luftdruckgewehr in seinem Büro sowie sodann mit einem selbst angerichteten Kaffee in den Keller gehen wollen, um seine Waffe dort zu überprüfen. Hiebei sei er von seiner Lebensgefährtin beobachtet worden, diese habe fälschlicherweise gegenüber den später ermittelnden Polizeibeamten angegeben, dass der Beschwerdeführer mit seiner Pump-Gun in den Keller gegangen wäre. Die beiden Pistolen des Beschwerdeführers samt Munition seien ebenso wie seine Pump-Gun von den Polizeibeamten aus den beiden Tresoren heraus beschlagnahmt worden. Niemals habe der Beschwerdeführer mit Suizid gedroht und auch niemals eine Waffe missbräuchlich verwendet. Gegen seinen Willen sei der Beschwerdeführer nach dem Vorfall am in die Christian-Doppler-Klinik eingeliefert worden, wo ihm zwangsweise Psychopharmaka verabreicht worden seien. In seiner Berufungsergänzung habe der Beschwerdeführer ua festgehalten, dass er vor diesem Vorfall nicht in psychiatrischer Behandlung gewesen sei, aus einer Pflegeanamnese vom sei keine Fremd- oder Selbstgefährdung zu entnehmen. Auch in seinem Entlassungsbrief sei dies so beschrieben worden, dort wäre lediglich eine kleine Anpassungsstörung diagnostiziert worden. Die vorgeworfene Suizidgefährdung sei nur auf Grund der Falscheinschätzung der Situation durch die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers erfolgt, eine ernsthafte Selbstmordabsicht könne dem vorliegenden Akteninhalt bzw dem Sachverhalt nicht entnommen werden. Der Beschwerdeführer habe im Rahmen seiner Berufung die Einvernahme seiner Lebensgefährtin beantragt.
Dem Waffenverbot habe eine Meldung der Polizeiinspektion H vom sowie eine Meldung der EKO Cobra vom 29. August dJ zugrunde gelegen. Diesen Meldungen sei übereinstimmend und klar zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer nach einem Streit mit seiner Lebensgefährtin in den Keller gegangen sei, seine Pump-Gun geholt habe und sodann in die Küche gegangen sei. Bei Ansichtigwerden seiner Lebensgefährtin habe sich der Beschwerdeführer dahingehend geäußert, "Schluss machen zu wollen", daraufhin sei er in den oberen Stock gegangen. Die Lebensgefährtin habe sodann die Polizei verständigt, von dieser seien später drei genehmigungspflichtige Schusswaffen, der Waffenführerschein sowie die Waffenbesitzkarte des Beschwerdeführers beschlagnahmt worden. Der Sachverhaltsdarstellung sowie den Angaben der Lebensgefährtin zufolge sei aus dem vom Beschwerdeführer gezeigten Verhalten eindeutig der Schluss zu ziehen, dass eine missbräuchliche Verwendung einer Schusswaffe jederzeit zu befürchten gewesen sei. Angesichts seiner mündlichen Äußerung des "Schlussmachens" sowie des von ihm gesetzten sorglosen Hantierens mit einer Pump-Gun sei jedenfalls die Annahme gerechtfertigt, dass im Fall des Beschwerdeführers eine Gefährdung bestimmter Rechtsgüter durch missbräuchliche Verwendung einer Waffe zu befürchten sei. Entgegen der Berufung stehe für die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer sehr wohl während der von ihm gesetzten Handlung seine Pump-Gun verwendet habe, weil diese von der Polizei in einer Werkbank im Keller im Haus des Beschwerdeführers in Hallein sichergestellt worden sei. Dieser Umstand sei eindeutig dem Einsatzbericht des EKO Cobra vom zu entnehmen. Ein Waffenverbot nach § 12 WaffG setze eine qualifizierte Verwendungswidrigkeit von Waffen voraus. Die vom Beschwerdeführer in der Berufung begehrte Einvernahme seiner Lebensgefährtin habe auf Grund der eindeutig vorliegenden Sachlage unterbleiben können. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass der Beschwerdeführer ein Fehlverhalten iSd WaffG gesetzt habe, welches die verfügte Maßnahme rechtfertige, um ihm sein waffenrechtliches Fehlverhalten vor Augen zu führen. Es stehe dem Beschwerdeführer frei, nach Ablauf eines gewissen Wohlverhaltenszeitraumes einen Antrag auf Aufhebung eines Waffenverbots bei der erstinstanzlichen Waffenbehörde zu stellen. Die belangte Behörde habe sich bei der Entscheidungsfindung ausschließlich auf die im Akt befindlichen Beweise gestützt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Vorlage einer Gegenschrift ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 12 Abs 1 WaffG hat die Behörde einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dient die Verhängung eines Waffenverbotes der Verhütung einer missbräuchlichen Verwendung von Waffen. Dabei genügt es, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein gesetz- oder zweckwidriger ("missbräuchlicher") Gebrauch gemacht und dadurch eine Gefährdung im Sinne des § 12 Abs 1 WaffG herbeigeführt werden könnte. Bei dieser Beurteilung ist nach dem dem WaffG allgemein innewohnenden Schutzzweck ein strenger Maßstab anzulegen. Der Begriff der "missbräuchlichen Verwendung" einer Waffe ist daher nicht restriktiv auszulegen. Wesentlich ist, dass dem Betroffenen die missbräuchliche Verwendung von Waffen zuzutrauen ist. Der Verbotstatbestand des § 12 Abs 1 WaffG setzt somit voraus, dass auf Grund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine missbräuchliche Verwendung von Waffen zu befürchten ist. Liegt diese Voraussetzung vor, so hat die Behörde gemäß § 12 Abs 1 WaffG vorzugehen und ein Waffenverbot auszusprechen, ohne dass ein bisher untadeliges Vorleben dem entgegenstünde (vgl etwa das hg Erkenntnis vom , Zl 2010/03/0165, mwH).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zu Situationen familiärer Gewalt mit Verletzungsfolgen bereits wiederholt festgehalten, dass schon ein einmaliger Vorfall als Gewaltexzess gewertet werden und ungeachtet eines untadeligen Vorlebens die Verhängung eines Waffenverbotes gemäß § 12 Abs 1 WaffG rechtfertigen kann, wobei nicht entscheidend sei, durch welches Verhalten auch immer die Auseinandersetzungen ihren Ursprung genommen haben (vgl etwa das hg Erkenntnis vom , Zl 2008/03/0154, mwH).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 2008/03/0057, mwH) stellt ferner die Bedrohung eines Menschen mit dem Erschießen eine "konkrete Tatsache" im Sinne des § 12 Abs 1 WaffG dar, die ein für die Beurteilung der Voraussetzungen eines Waffenverbotes relevantes Bild von der Persönlichkeit eines Menschen vermitteln kann und wegen des damit zu Tage getretenen Aggressionspotenzials ein Waffenverbot zu rechtfertigen vermag.
Nach der hg Rechtsprechung rechtfertigen schließlich auch ernsthafte Selbstmordabsichten die Verhängung eines Waffenverbots. Derartige Absichten müssen sich aber nicht nur bezogen auf einen bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit, sondern auch noch bei Erlassung des Waffenverbots durch die letztinstanzliche Behörde feststellen lassen, um eine Gefährdungsprognose iSd § 12 Abs 1 WaffG nachvollziehbar zu machen (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 2010/03/0148, mwH).
2. Die belangte Behörde begründet ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer während der von ihm gesetzten Handlung - gemeint ist sichtlich die mündliche Äußerung des "Schlussmachens" - seine Pump-Gun iSd § 12 WaffG "verwendet" habe, weil diese von der Polizei in einer Werkbank im Keller des Hauses des Beschwerdeführers sichergestellt worden sei, was dem Einsatzbericht des EKO Cobra vom entnommen werden könne.
Aus dem genannten - mit den Verwaltungsakten vorgelegten - Einsatzbericht ergibt sich allerdings nicht, dass diese Pump-Gun in einer Werkbank im Keller sichergestellt worden sei; dort wird vielmehr festgehalten, dass der Beschwerdeführer von den Beamten der EKO Cobra im Keller seines Hauses "hinter einem Verschlag einer Werkbank" festgestellt worden sei, von wo er freiwillig herausgekommen sei; dabei habe er angegeben, sich absichtlich versteckt zu haben und "zuvor ... die Pump-Gun hinter einer Abdeckung in der Küche verstaut" zu haben. Wenn die belangte Behörde ihre Annahme, dass der Beschwerdeführer seine Pump-Gun während der besagten Handlung verwendet habe, auf das Sicherstellen dieser Waffe in einer Werkbank im Keller laut dem besagten Einsatzbericht stützt, ist diese Beurteilung daher nicht nachvollziehbar.
Im Übrigen weist die Beschwerde (in Übereinstimmung mit den vorgelegten Verwaltungsakten) darauf hin, dass weder bei der in der Christian-Doppler-Klinik Salzburg am nach der Einweisung des Beschwerdeführers erstellten Pflegeanamnese noch in dem von dieser Klinik ausgestellten Entlassungsbrief vom angegeben wird, dass Hinweise auf eine Selbst- oder Fremdgefährdung bestünden. Jedenfalls mit Bezug auf den Entlassungsbrief hätte sich die belangte Behörde angesichts der im Beschwerdefall gegebenen Sachlage näher damit auseinandersetzen müssen, ob der Beschwerdeführer noch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen (dem Beschwerdeführer am zugestellten) Bescheides (somit mehrere Monate später) und in Hinkunft im Sinn einer ernsthaften Selbstmordabsicht Waffen missbräuchlich verwenden und dadurch die in § 12 Abs 1 WaffG genannten Gefahren verwirklichen könnte (vgl dazu das hg Erkenntnis vom , Zl 2010/03/0148). Insofern erweisen sich die Rügen des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe den maßgeblichen Sachverhalt nicht ausreichend festgestellt und es insbesondere unterlassen, dem Antrag des Beschwerdeführers auf Vernehmung seiner Lebensgefährtin (die nach der Beschwerde gegenüber Polizeibeamten ua auch angegeben habe, dass der Beschwerdeführer im Zuge des Vorfalles am keine einer Pump-Gun ähnliche Waffe in der Hand gehabt habe) nachzukommen, im Ergebnis als berechtigt.
Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass nach den behördlichen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der in Rede stehende Vorfall als Situation familiärer Gewalt mit Verletzungsfolgen oder als Bedrohen eines Menschen mit dem Erschießen einzustufen ist.
3. Der angefochtene Bescheid ist daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Diese Entscheidung konnte auf dem Boden der hg Rechtsprechung von einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 leg cit zusammengesetzten Senat getroffen werden.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.
Wien, am