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VwGH vom 20.06.2017, Ra 2016/01/0288

VwGH vom 20.06.2017, Ra 2016/01/0288

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser, Dr. Fasching und Mag. Brandl sowie die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision des M H in P, vertreten durch Dr. Dietmar Gollonitsch, Rechtsanwalt in 3270 Scheibbs, Gürtel 12, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. I411 2134663-1/5E, betreffend AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Ägyptens, stellte am einen Antrag auf internationalen Schutz.

2 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom wurde dieser Antrag in vollem Umfang abgewiesen (I. und II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Ägypten zulässig sei (III.).

3 In der dagegen erhobenen Beschwerde vom beantragte der nunmehrige Revisionswerber, das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) möge ihm den Status des Asylberechtigten, in eventu den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen, in eventu einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilen sowie die ausgesprochene Rückkehrentscheidung und den Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung nach Ägypten aufheben sowie eine mündliche Verhandlung anberaumen.

4 Weiter führte der Revisionswerber in dieser Beschwerde aus, er habe der Rechtsberaterin seine Beschwerdegründe in arabischer Sprache angesagt, welche sie in deutscher Sprache niedergeschrieben habe. Sodann folgt in der Beschwerde (in deutscher Sprache) eine kurze Darstellung der Fluchtgründe des Revisionswerbers: Er habe eine Beziehung mit einer Schulkollegin gehabt, was in seinem Heimatland ohne Heirat verboten sei. Als diese schwanger geworden sei, sei der Revisionswerber von deren Familie bedroht worden. Auch nachdem der Revisionswerber aus Griechenland (in seinen Herkunftsstaat) abgeschoben worden sei, sei der Konflikt noch immer nicht geklärt worden und er sei erneut bedroht worden. Außerdem sei er zum Militärdienst einberufen worden. Er wolle nicht zum Militär, weil die ägyptische Armee immer wieder gegen Zivilisten vorgehe. Auch die Familie seiner ehemaligen Freundin könne ihn leicht finden, wenn er beim Militär sei.

5 Als Beilage sind "Selber verfasste Beschwerdegründe" genannt. Dabei handelt es sich um zwei weitere handgeschriebene Seiten in arabischer Sprache.

6 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das BVwG die Beschwerde als unzulässig zurück. Begründend führte das BVwG aus, die Beschwerde bestünde im Wesentlichen aus einem in arabischer Sprache verfassten Schreiben, weshalb dem Revisionswerber die Behebung dieses Mangels aufgetragen worden sei. Da der Revisionswerber dieser Mängelbehebung nicht nachgekommen sei, sei die Beschwerde gemäß Art. 8 B-VG iVm § 13 Abs. 3 AVG und § 17 VwGVG als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

7 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

8 Die belangte Behörde nahm von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung Abstand.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10 Die Revision macht zur Zulässigkeit unter anderem geltend, das BVwG habe die Beschwerde des Revisionswerbers grob fehlerhaft beurteilt.

11 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet. 12 Schriftliche und mündliche Anbringen sind in deutscher

Sprache zu formulieren; ebenso wie bei unzulässigen kann auch bei fremdsprachigen Eingaben von der Behörde nach § 13 Abs. 3 AVG vorgegangen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2007/04/0096, sowie iZm AsylG 2005 das hg. Erkenntnis vom , 2007/19/0086).

13 Nach § 9 Abs. 1 Z 3 VwGVG hat eine Beschwerde an das Verwaltungsgericht die "Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt", zu enthalten; das damit normierte Inhaltserfordernis bezieht sich auf jenes Vorbringen des Revisionswerbers, aus dem er eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes (infolge Verfahrensfehler, materieller Rechtswidrigkeit oder Unzuständigkeit) ableitet (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Ro 2014/10/0120).

14 Vorliegend enthält die Beschwerde - wenn auch nur kurzgefasst - Vorbringen des Revisionswerbers in deutscher Sprache, das erkennen lässt, aus welchen Gründen er davon ausgeht, dass ihm entgegen dem erstinstanzlichen Bescheid internationaler Schutz zu gewähren gewesen wäre. Darauf, ob diese Gründe der Beschwerde zum Erfolg verholfen hätten, kommt es bei der Prüfung der formellen Erfordernisse eines Rechtsmittels nicht an (vgl. idS zu der Berufungsbegründung nach § 63 Abs. 3 AVG das zitierte hg. Erkenntnis 2007/04/0096). Jedenfalls war dieses Vorbringen ausreichend, um von Beschwerdegründen gemäß § 9 Abs. 1 Z 3 VwGVG sprechen zu können.

15 Demzufolge liegt kein Mangel iSd § 13 Abs. 3 AVG iVm § 17 VwGVG vor. Dass weitere etwaige Beschwerdegründe nicht in deutscher Sprache abgefasst wurden, berechtigte das BVwG nicht, die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.

16 Der angefochtene Beschluss war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

17 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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