VwGH vom 22.09.2011, 2009/18/0102
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des MMA in W, vertreten durch Mag. Brigitte Loacker, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Salzgries 15/11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/424.603/2008, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bangladesch, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 9 iVm § 63 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren.
Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer am illegal in das Bundesgebiet eingereist sei und einen Asylantrag gestellt habe, der in erster Instanz rechtskräftig "negativ abgeschlossen" worden sei. Am habe er die österreichische Staatsbürgerin HK. geheiratet und am - auf diese Ehe gestützt - einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gestellt. Bei ersten Erhebungen wegen des Verdachts einer Aufenthaltsehe (am ) habe das Ehepaar am behaupteten gemeinsamen Wohnsitz bei zwei Versuchen nicht angetroffen werden können. Ein Nachbar und die Hausbesorgerin hätten ausgesagt, dass sie den Beschwerdeführer nicht kennen bzw. noch nie gesehen hätten und HK. allein lebe. Am habe HK. zunächst noch das Eingehen einer Aufenthaltsehe bestritten, deshalb sei dem Beschwerdeführer die beantragte Niederlassungsbewilligung erteilt worden. Am habe er einen Verlängerungsantrag eingebracht, wobei er sich wiederum auf die Ehe mit einer Österreicherin und einen gemeinsamen Haushalt mit dieser berufen habe.
Im Rahmen einer neuerlichen Vernehmung am habe HK. das Eingehen einer Aufenthaltsehe jedoch eingestanden. Sie habe dafür unmittelbar nach der Hochzeit vom Beschwerdeführer EUR 3.500,-- erhalten und die Vermittlung der Aufenthaltsehe - im angefochtenen Bescheid näher dargestellt - durch NK. beschrieben. Der Beschwerdeführer habe ca. eine Woche im März oder April (2005) bei ihr gewohnt, was HK. vorgeschlagen habe, "damit er im Haus gesehen werde und falls eine Kontrolle komme". Es habe jedoch nie eine eheliche Beziehung bestanden, der Beschwerdeführer habe auch nie einen Schlüssel für ihre Wohnung gehabt.
Am sei vor dem Bezirksgericht Fünfhaus ein Protokoll betreffend die Ehescheidung gemäß § 55 Ehegesetz (EheG) aufgenommen worden, wonach HK. die Scheidungsklage damit begründet habe, dass zu keiner Zeit eine eheliche Lebensgemeinschaft aufgenommen, geführt oder fortgesetzt worden sei. Der Beschwerdeführer sei zwar in ihrer Wohnung zum Schein gemeldet gewesen, habe dort jedoch nie gewohnt. In der Folge sei die Ehe mit gemäß § 55a EheG einvernehmlich geschieden worden.
Am habe HK. im Rahmen einer Zeugenvernehmung neuerlich das Eingehen einer Aufenthaltsehe bestätigt. Die Ehe sei vermittelt worden, sie habe dafür etwa EUR 3.500,-- bekommen, und das Ehepaar habe eine Woche zusammen gewohnt, "aber man sei zu verschieden gewesen. (HK.) habe ein Doppelbett und das Bett sei 'Lförmig' gestanden. (Der Beschwerdeführer) sei spät von der Arbeit nach Hause gekommen und habe es in der einen Woche nicht 'hingehauen'. Sie hätten einen anderen Rhythmus gehabt. Ihr Ehemann hätte einen eigenen Wohnungsschlüssel für die Wohnung von ihr bekommen (Reserveschlüssel), es habe keinerlei sexuelle Beziehung gegeben".
Der Beschwerdeführer habe stets das Vorliegen einer Aufenthaltsehe bestritten. Es sei ihm nach seinen Ausführungen völlig unerklärlich, warum seine Ehefrau behaupte, mit ihm eine Aufenthaltsehe eingegangen zu sein. Selbstverständlich hätte man sexuelle Beziehungen gehabt. Er könne nur vermuten, dass seine geschiedene Ehefrau nicht die Wahrheit über die Beziehung sage, weil sie schon während der Ehe ihren jetzigen Lebensgefährten kennengelernt habe, von dem sie ein Kind erwarte. Vermutlich wolle sie ihn auf diese Art und Weise "leichter wieder loswerden".
In rechtlicher Hinsicht gelangte die belangte Behörde zu der Ansicht, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin rechtmissbräuchlich, das heißt nur deshalb geschlossen habe, um sich fremdenrechtliche Vorteile und Berechtigungen zu verschaffen. Beweiswürdigend stützt sie sich im Wesentlichen auf die Aussagen von HK. (vom und vom ), worin diese das Eingehen einer Aufenthaltsehe eingestanden habe. Diese Angaben stünden in Übereinstimmung mit den Erhebungsergebnissen und mit den Angaben von HK. im Ehescheidungsverfahren. Ihre Aussagen seien glaubwürdig und im Wesentlichen widerspruchsfrei. Es sei auch kein Grund ersichtlich, warum diese den Beschwerdeführer wahrheitswidrig belasten sollte. Im Gegensatz dazu bestreite der Beschwerdeführer lediglich das Vorliegen einer Aufenthaltsehe, und mutmaße, dass seine geschiedene Ehefrau sich von ihren Aussagen wohl versprochen habe, "ihn leichter loszuwerden". Aus den Aussagen von HK., wonach der Beschwerdeführer ca. eine Woche bei ihr gewohnt habe, könne kein Familienleben (im Sinn des Art. 8 EMRK) "konstruiert" werden. Sie habe zu keinem Zeitpunkt eine sexuelle Beziehung mit dem Beschwerdeführer unterhalten und das Zusammenleben für diese eine Woche auch von Anfang an nicht bestritten. Aus dem Umstand, dass man für diesen Zeitraum in derselben Wohnung genächtigt habe, lasse sich - unter Berücksichtigung der eindeutigen Aussagen von HK. - nicht im Ansatz ein gemeinsames Familienleben ableiten. Aus dem Kontext dieser Aussagen vom Juli 2005 und Jänner 2009 (richtig: Jänner 2008) sei lediglich ableitbar, dass diese eine Aufenthaltsehe mit dem Beschwerdeführer eingegangen sei, es nie sexuellen Kontakt gegeben habe, und dass diese eine Woche im gemeinsamen Haushalt (aus strategischen Überlegungen von HK.) "offenbar für sie mehr als genug war, und sie nicht bereit war, diese Fassade nach außen länger zu ertragen". In diesem Zusammenhang sei unerheblich, ob der Beschwerdeführer während dieser Woche über einen (Reserve )Schlüssel zur Wohnung verfügt habe. Die diesbezüglich widersprüchlichen Aussagen von HK. könnten in der Gesamtheit die Glaubwürdigkeit ihrer Angaben nicht erschüttern.
Das Eingehen einer Aufenthaltsehe stelle eine grobe Verletzung der öffentlichen Ordnung, insbesondere auf dem Gebiet des geordneten Ehe- und Fremdenwesens, dar, sodass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht nur zulässig, sondern auch dringend geboten sei.
Im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 66 FPG berücksichtigte die belangte Behörde, dass der Beschwerdeführer geschieden und erwerbstätig sei, jedoch keine Sorgepflichten und sonstigen (familiären) Bindungen vorgebracht habe, und gelangte zu dem Ergebnis, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Hinsichtlich der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes führte die belangte Behörde aus, ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit bzw. der Beeinträchtigung von öffentlichen Interessen durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, könne auch unter Berücksichtigung seiner privaten, familiären und beruflichen Situation nicht vor Verstreichen eines zehnjährigen Zeitraumes erwartet werden.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Gegen die Annahme der belangten Behörde hinsichtlich des Vorliegens einer Aufenthaltsehe bringt der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, diese habe sich mit den widersprüchlichen Angaben seiner geschiedenen Ehefrau nur unvollständig auseinandergesetzt. Bei ihrer ersten Vernehmung am habe seine geschiedene Ehefrau unter anderem erklärt, aus Liebe geheiratet zu haben, und das gemeinsame Zusammenleben geschildert. In ihrer zweiten Aussage am habe sie unterschiedliche Angaben zum Vorliegen einer Aufenthaltsehe und zu einem gemeinsamen Wohnsitz gemacht. Bei dieser Aussage habe sie auch verneint, dass der Beschwerdeführer einen Schlüssel zu ihrer Wohnung gehabt habe. Die ausdrückliche Frage bezüglich des Vorliegens eines gemeinsamen Familienlebens habe sie eindeutig bejaht; sie hätten eine Woche zusammengelebt. Die belangte Behörde habe die Aussage von HK. "uminterpretiert" und es unterlassen, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt - durch die in der Stellungnahme vom ausdrücklich beantragte ergänzende Vernehmung von HK. - festzustellen.
Damit gelingt es der Beschwerde jedoch nicht, eine Unschlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung aufzuzeigen.
Die belangte Behörde hat nachvollziehbar und plausibel dargelegt, weshalb sie der detaillierten niederschriftlichen Aussage von HK. vom hinsichtlich der Anbahnung der Aufenthaltsehe, die sie in ihrer Aussage am wiederholt und durch Details über jene Woche, in der der Beschwerdeführer bei ihr gelebt hat, ergänzt hat, größere Glaubwürdigkeit beigemessen hat als deren anfangs leugnenden Aussagen. Der belangten Behörde ist auch zuzustimmen, dass aus dem gesamten Kontext der Aussage von HK. vom hinsichtlich der gemeinsamen Unterkunftnahme während einer Woche nicht auf das Bestehen eines Familienlebens im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK geschlossen werden kann. Einerseits hat HK. - wie bereits bei ihrer Aussage im Juli 2005 - das Bestehen einer ehelichen bzw. sexuellen Beziehung verneint, andererseits ist auch nicht von einer Wirtschaftsgemeinschaft auszugehen, wenn der Beschwerdeführer - laut Aussage von HK. am - nur das Essen mitbringt, das er von seinem Arbeitgeber mitbekommen hat, sonst jedoch keinerlei Beitrag zum Unterhalt der Lebensgemeinschaft leistet und zu keiner größeren Anschaffung für die gemeinsame Wohnung beiträgt. Nach Aussage von HK. im Juli 2005 sei das einwöchige Zusammenleben auf ihren Vorschlag zustande gekommen, "damit (der Beschwerdeführer) im Haus gesehen wird und falls eine Kontrolle kommt". Ob der Beschwerdeführer für diesen Zeitraum über einen eigenen Wohnungsschlüssel verfügt hat, ist im Hinblick auf den Zweck des Zusammenlebens - nämlich das Vortäuschen einer "echten" Ehe - nicht entscheidungsrelevant.
Demgegenüber bestreitet der Beschwerdeführer lediglich allgemein das Vorliegen einer Aufenthaltsehe, ohne jedoch konkrete Beweisergebnisse zu nennen, die seinen Standpunkt stützen könnten. Soweit die Beschwerde rügt, dass die in der Stellungnahme vom beantragte ergänzende Vernehmung des Beschwerdeführers und seiner geschiedenen Ehefrau nicht erfolgt sei, unterlässt sie es, das Beweisthema zu konkretisieren und anzugeben, welches für den Beschwerdeführer im gegebenen Zusammenhang günstige Ergebnis die Beweisaufnahme erbracht hätte; die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels wurde jedenfalls nicht dargetan. Eine Vernehmung des Lebensgefährten von HK. wurde - entgegen dem Beschwerdevorbringen - während des Verwaltungsverfahrens auch nicht beantragt.
Soweit die Beschwerde rügt, die belangte Behörde habe den maßgeblichen Sachverhalt nicht vollständig ermittelt und den Beschwerdeführer in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt, bringt sie nicht vor, zu welchen (weiteren) Feststellungen die belangte Behörde infolge weiterer Erhebungen gelangt wäre und welches Vorbringen bei Vermeidung des vermeintlichen Verfahrensfehlers erstattet worden wäre; die Beschwerde zeigt somit die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel nicht auf.
Wenn die belangte Behörde daher auf Grund der vorliegenden Ermittlungsergebnisse in ihrer Beweiswürdigung zu der Überzeugung gelangt ist, dass der Beschwerdeführer mit der österreichischen Staatsbürgerin HK. ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hätten, begegnet dies im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis keinen Bedenken.
Angesichts des festgestellten Verhaltens begegnet auch die Beurteilung der belangten Behörde, dass vorliegend die in § 60 Abs. 1 FPG ausgedrückte Gefährdungsprognose gegeben sei, keinem Einwand.
Die Beschwerde wendet sich auch gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG durchgeführten Interessenabwägung und bringt vor, der Beschwerdeführer halte sich seit rund fünf Jahren legal im Bundesgebiet auf, sei in den österreichischen Arbeitsmarkt integriert, und alle seine Freunde befänden sich im Bundesgebiet.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer jedoch keine Umstände auf, die die belangte Behörde im Rahmen ihrer Interessenabwägung nicht bereits berücksichtigt hätte. Diesen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet steht das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber. Der Verweis auf in Österreich erbrachte Steuerleistungen verstärkt die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht, weil bei der Interessenabwägung gemäß § 66 FPG zugunsten des Fremden nur die den privaten und familiären Bereich betreffenden Umstände, nicht jedoch öffentliche Interessen zu berücksichtigen sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0935, mwN). Da sowohl der rechtmäßige Aufenthalt als auch die unselbständige Beschäftigung des Beschwerdeführers nur auf das verpönte Verhalten zurückzuführen sind, kann bei Abwägung der gegenläufigen Interessen die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten und somit zulässig im Sinn des § 66 FPG sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Wenn die Beschwerde vorbringt, dass die Eheschließung bereits längere Zeit zurückliege und deshalb mit einer Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes von fünf Jahren jedenfalls das Auslangen hätte gefunden werden müssen, lässt sie unberücksichtigt, dass sich der Beschwerdeführer auch im Rahmen seines Verlängerungsantrages auf die Ehe berufen hat. Im Hinblick darauf ist die Auffassung der belangten Behörde nicht zu beanstanden, dass ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes nicht vor Verstreichen der im angefochtenen Bescheid festgesetzten Gültigkeitsdauer erwartet werden kann.
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG konnte von der beantragten Verhandlung Abstand genommen werden.
Der Spruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien,am