VwGH vom 22.10.2012, 2012/03/0063
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des M S in W, vertreten durch Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom , Zl E1/25334/2010, betreffend Waffenverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs 1 Waffengesetz 1996, BGBl I Nr 12/1997 (WaffG), ein Waffenverbot.
Begründend führte sie aus, § 12 Abs 1 WaffG erfordere für die Erlassung des Waffenverbots die Prognose, dass der Betroffene in Zukunft Waffen missbrauchen werde und dadurch geschützte Rechtsgüter gefährden könne.
Diese Prognose habe im gegenständlichen Fall auf Grund des Vorfalles vom zu erfolgen:
Der Beschwerdeführer und zwei seiner Freunde seien in H beim Vorbeifahren eines Taxis von einem der Insassen verbal beschimpft worden. Der Beschwerdeführer sei nun mit seinem Auto und seinen Freunden dem fraglichen Taxi nachgefahren, um den "Beschimpfer" zu Rede zu stellen. Dabei habe der Beschwerdeführer bereits einen Pfefferspray mitgeführt. Nach ca 10 Minuten sei das Taxi stehen geblieben und ein erster Mitfahrer sei ausgestiegen. Dabei habe es sich allerdings nicht um jene Person gehandelt, die zuvor beim Vorbeifahren die Beschimpfungen ausgesprochen habe. Der Beschwerdeführer und seine beiden Freunde hätten das Aussteigen der Person wahrgenommen, den PKW eingeparkt und seien nunmehr zu dritt auf das spätere Opfer zugerannt. Dieses habe zu Fuß die Flucht ergriffen. Der Beschwerdeführer habe bereits beim Aussteigen den Pfefferspray in die Hand genommen, der griffbereit im Fahrzeug verstaut gewesen sei. Noch während der Verfolgung, und insbesondere, da der Beschwerdeführer als erster aufschließen habe können, habe er unvermittelt mit dem Pfefferspray direkt auf das Opfer gesprüht. Das Opfer sei im Gesicht getroffen worden und habe dadurch eine körperliche Beeinträchtigung erlitten. In der Folge sei das mit Pfefferspray besprühte Opfer gestürzt und habe sich mehrere Zähne ausgeschlagen. Dabei sei unklar, ob dies infolge der Flucht und der körperlichen Beeinträchtigung durch den Pfefferspray, oder durch einen Stoß des Beschwerdeführers erfolgt sei.
Auf der Grundlage dieses Sachverhaltes folgerte die belangte Behörde, der Beschwerdeführer sei als Lenker eines Fahrzeuges unzweifelhaft von einer anderen Person beschimpft worden. Deshalb habe er das Taxi, in dem diese Person weggefahren sei, über einen längeren Zeitraum und eine längere Strecke verfolgt. Bereits daran erkenne man eine Geistes- und Sinneshaltung, die eine hohe Gefährdung für andere Personen befürchten lasse. Während der gesamten Fahrt wäre es im Einflussbereich des Beschwerdeführers als Lenker gewesen, die Verfolgung abzubrechen. Die Zeit der Verfolgung habe nicht ausgereicht, dass sich die Aggression des Beschwerdeführers auf ein ungefährliches Niveau für Dritte herabgesetzt hätte. Damit könne der Behörde erster Instanz keinesfalls entgegengetreten werden, wenn sie argumentiere, dass beim Beschwerdeführer eine nur geringe Barriere zur Gewaltbereitschaft bestehe. Überdies dürfe der geradezu nichtige Grund für die spätere Aggressionshandlung nicht unbeachtet bleiben. Verbale Beschimpfungen, insbesondere auf einem von jungen Personen besuchten Fest, bei dem auch reichlich Alkohol konsumiert werde, seien keinesfalls außergewöhnlich und rechtfertigten keine spätere Attacke mit einem Pfefferspray.
In der Folge sei das spätere Opfer aus dem Taxi ausgestiegen. Ohne sich überhaupt zu vergewissern, ob diese Person jene war, die zuvor die Beschimpfungen ausgesprochen habe, habe der Beschwerdeführer mit seinen Freunden diese Person verfolgt. Der Beschwerdeführer habe kein Gespräch gesucht, das einer Aufklärung dienlich gewesen wäre. Er habe in der Folge den Pfefferspray gegen den Flüchtenden eingesetzt, der sich nicht zur Wehr gesetzt und auch keinen Gegenangriff vorgenommen habe. Dass das Opfer in der Folge auch noch gestürzt und sich drei Zähne ausgeschlagen habe, weise umso mehr auf die Gefährlichkeit der Handlungen des Beschwerdeführers hin. Dabei solle und könne unbeachtlich bleiben, ob der Beschwerdeführer das Opfer zusätzlich noch gestoßen habe, oder ob das Opfer infolge der Irritation durch den kontaminierten Gesichtsbereich oder die weitere Flucht zu Sturz gekommen sei.
Dieses sehr überlegte und längere Zeit andauernde aggressive Verhalten des Beschwerdeführers könne deshalb als bewiesene bestimmte Tatsache jene Annahme rechtfertigen, dass der Beschwerdeführer durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum auch in Zukunft gemäß § 12 Abs 1 WaffG gefährden könne, und der Beschwerdeführer deshalb vom Zugang zu Waffen zum Schutz Dritter ferngehalten werden müsse.
Der Einwand des Beschwerdeführers, dass das Strafgericht das Verfahren gegen ihn diversionell eingestellt habe, sei im Zusammenhang mit der Verhängung eines Waffenverbots grundsätzlich unbeachtlich. Tatbildlich für die Verhängung eines Waffenverbots sei nicht eine gerichtliche Verurteilung wegen des zugrunde liegenden Verhaltens, sondern die Prognose, dass aus dem bisherigen Verhalten des Betroffenen der Schluss gezogen werden könne, er werde auch in Zukunft Waffen missbrauchen und dadurch geschützte Rechtsgüter gefährden. Die Waffenbehörde sei somit bei ihrer Entscheidung nicht an eine allenfalls erfolgte diversionelle Erledigung des Strafgerichts gebunden. Auch ein Verhalten, das nach den Bestimmungen des Strafrechts nicht zwingend zu einer gerichtlichen Verurteilung führen müsse, erfordere polizeiliche Gefahrenabwehr. Das vom Beschwerdeführer gesetzte Verhalten erfordere dies definitiv. Der Beschwerdeführer scheine bereits bei geringen Aggressionshandlungen eines Gegenübers (wie hier einer Beleidigung) zur Anwendung von Waffengewalt zu neigen. Dabei nehme er es sogar auf sich, vermeintliche Beleidiger über einen längeren Zeitraum mit dem Fahrzeug zu verfolgen, und selbst bei zahlenmäßiger Überlegenheit noch zusätzlich Waffen mitzunehmen. Damit nicht genug sei der Beschwerdeführer geneigt, sofort ohne weiteres Gespräch oder Deeskalationsmaßnahmen eine Waffe einzusetzen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom , B 1012/11-3, ablehnte und sie in weiterer Folge mit Beschluss vom , B 1012/11-5, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzte der Beschwerdeführer seine Beschwerde mit Schriftsatz vom und beantragte, den angefochtenen Bescheid "aufzuheben".
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 12 Abs 1 WaffG hat die Behörde einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, das dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.
Die Verhängung eines Waffenverbots dient der Verhütung von Gefährdungen der im § 12 Abs 1 WaffG bezeichneten Art; dabei genügt es, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein gesetz- oder zweckwidriger Gebrauch gemacht werden könnte. Hierbei ist nach dem dem WaffG allgemein innewohnenden Schutzzweck ein strenger Maßstab anzulegen. Der Verbotstatbestand des § 12 Abs 1 WaffG setzt lediglich voraus, dass auf Grund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen zu befürchten ist. Liegt diese Voraussetzung vor, so hat die Behörde nach § 12 Abs 1 WaffG vorzugehen und ein Waffenverbot auszusprechen, ohne dass ein bisher untadeliges Vorleben dem entgegenstünde. Wesentlich ist, dass dem Betroffenen die missbräuchliche Verwendung von Waffen zuzutrauen ist (vgl dazu aus der ständigen hg Rechtsprechung etwa die hg Erkenntnisse vom , Zlen 2011/03/0235 und 2012/03/0064, jeweils mit weiteren Nachweisen).
Der Beschwerdeführer sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem "Menschenrecht auf Unschuldsvermutung" verletzt, weil ihm seitens der belangten Behörde eine strafbare Handlung unterstellt werde, für die er gar nicht verurteilt worden sei. Er verweist in diesem Zusammenhang insbesondere auf die diversionelle Erledigung des gegen ihn geführten Strafverfahrens. Gegen den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt wendet er allerdings lediglich ein, die Behauptung der belangten Behörde, durch das Besprühen mit Tränengas habe das Opfer körperliche Beeinträchtigungen erfahren, sei unrichtig. Die einzig erwiesene Verletzung sei nämlich die Beschädigung der Zähne des Opfers, welchen Schaden der Beschwerdeführer als einziger der drei Beteiligten unstreitig entschädigt habe. Das Strafgericht sei demnach auch nur von einer "präsumtiv fahrlässig zugefügten Verletzung" ausgegangen.
Mit diesem Vorbringen verkennt der Beschwerdeführer, dass die Verhängung eines Waffenverbots nicht voraussetzt, dass der Beschwerdeführer wegen einer festgestellten Handlung strafgerichtlich verurteilt worden ist. Dementsprechend hindert auch die diversionelle Einstellung des strafgerichtlichen Verfahrens die Verhängung eines Waffenverbots nicht (vgl dazu etwa das hg Erkenntnis vom , Zl 2008/03/0064, mit weiterem Nachweis). Die oftmalige Bezugnahme des Beschwerdeführers auf die Unschuldsvermutung übersieht, dass die Verhängung des Waffenverbots keine Strafe, sondern eine präventive Maßnahme ist, um allfälligen Missbräuchen durch Verwendung von Waffen vorzubeugen. Die Waffenbehörde hat daher vor Erlassung eines Waffenverbots zu beurteilen, ob auf Grund bestimmter (festgestellter) Tatsachen dem Betroffenen die missbräuchliche Verwendung von Waffen (im Sinne des § 12 Abs 1 WaffG) zuzutrauen ist.
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde diese Frage auf der Grundlage des auch von der Beschwerde nicht in Zweifel gezogenen Sachverhalts fehlerfrei bejaht. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Opfer des Beschwerdeführers durch den Einsatz des Pfeffersprays eine unmittelbare körperliche Beeinträchtigung erfahren hat. Unstrittig ist nämlich, dass der Beschwerdeführer sich aus einem geringfügigen Anlass dazu hinreißen ließ, eine andere Person über längere Zeit zu verfolgen und schließlich - ohne Weiteres - mit einem Pfefferspray zu attackieren. Es kann der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie schon in diesem Verhalten ein hohes Aggressionspotential des Beschwerdeführers erkannte, das die Befürchtung rechtfertigt, der Beschwerdeführer könnte auch in Zukunft Waffen missbräuchlich gegen andere Personen einsetzen. Umgekehrt zeigt die Beschwerde nicht überzeugend auf, dass eine solche Gefahr tatsächlich nicht gegeben wäre. Sie legt auch nicht dar, welche (gegenteiligen oder zusätzlichen) Beweisergebnisse weitere Ermittlungen der belangten Behörde erbringen hätten können, weshalb ihr Vorwurf, die Behörden hätten keine (weiteren) Einvernahmen von Tatbeteiligten oder Zeugen durchgeführt, keinen relevanten Verfahrensmangel aufzuzeigen vermag. Soweit die Beschwerde abschließend darauf verweist, dass der Beschwerdeführer in geregelten Verhältnissen lebt und bisher unbescholten gewesen sei, ist sie - neuerlich - darauf hinzuweisen, dass auch ein untadeliges Vorleben bei einer - wie im vorliegenden Fall - aus einem bestimmten Vorfall zu Recht getroffenen Gefährlichkeitsprognose der Verhängung eines Waffenverbots nicht entgegensteht.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und Art 6 Abs 1 EMRK dem nicht entgegen steht, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil es sich bei einem Verfahren betreffend die Verhängung eines Waffenverbots - wie zuvor bereits ausgeführt wurde - um ein Verwaltungsverfahren handelt, das die Erlassung einer Administrativmaßnahme zur Verhütung von Gefahren durch Waffenmissbrauch zum Gegenstand hat und in dem daher die Verfahrensgarantien der mündlichen Verhandlung nach Art 6 EMRK keine Anwendung finden (vgl auch dazu das hg Erkenntnis vom , Zl 2008/03/0064).
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.
Wien, am