VwGH vom 25.04.2017, Ra 2016/01/0266
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser, Dr. Fasching und Mag. Brandl sowie die Hofrätin Mag.a Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision der Landespolizeidirektion Wien, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , Zl. VGW-103/048/5071/2016-6, betreffend Kostenersatzpflicht nach § 92a SPG (mitbeteiligte Partei: R F in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird dahingehend abgeändert, dass die Beschwerde des Mitbeteiligten gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Wien vom , Zl. E1/24579/2016, abgewiesen wird.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte betreibt in Wien eine Trafik, die mit einer - akustische Warnsignale abgebenden - Alarmanlage gesichert ist. Am um 15.52 Uhr löste die Alarmanlage aus, ohne dass - den unstrittigen Sachverhaltsfeststellungen zufolge - eine Gefahr für das Eigentum oder Vermögen des Mitbeteiligten bestanden hätte.
2 Mit Bescheid der revisionswerbenden Partei vom wurde dem Mitbeteiligten gemäß § 92a Sicherheitspolizeigesetz, BGBl. Nr. 566/1991 idF BGBl. I Nr. 50/2012 (SPG), und § 4 Abs. 1 Sicherheitsgebühren-Verordnung, BGBl. Nr. 389/1996 idF BGBl. II Nr. 155/2014, ein Pauschalbetrag von EUR 87,-- als Ersatz für die Aufwendungen des Bundes im Zusammenhang mit dem durch eine technische Alarmeinrichtung verursachten Einschreiten von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, ohne dass eine Gefahr bestanden habe, vorgeschrieben.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien der Beschwerde des Mitbeteiligten statt, behob den bekämpften Bescheid (ersatzlos) und sprach aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
4 Neben dem eingangs wiedergegebenen, unstrittigen Sachverhalt sah es das Verwaltungsgericht als erwiesen an, dass die Beamten des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgrund eines Verkehrsunfalls ohnehin schon vor Auslösung des Alarms direkt vor der Trafik gewesen seien und sie den Alarm der Landesleitzentrale gemeldet hätten.
Rechtlich führte das Verwaltungsgericht aus, dass zwar die technische Alarmeinrichtung des Mitbeteiligten ohne Gefahr für dessen Eigentum bzw. Vermögen einen Alarm ausgelöst habe, die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sich jedoch aufgrund des Einschreitens wegen eines Verkehrsunfalls schon vor Alarmauslösung vor der Trafik befunden hätten, weshalb nicht feststehe, dass der Einsatz des Streifenwagens und somit das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes durch die Alarmanlage des Mitbeteiligten verursacht worden sei, weil ohnehin ein Einsatz in einer anderen Sache am Ort des Alarms schon vor dessen Auslösen begonnen habe. Die Kostenvorschreibung sei daher rechtswidrig erfolgt.
Den Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht dahin, dass nur Tatfragen und zwar, ob ein Alarm ohne Gefahr ausgelöst worden sei und ob bzw. wie die Exekutive eingeschritten sei, angestanden seien.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision mit dem Antrag, das Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Das Verwaltungsgericht legte die Revision unter Anschluss der Akten des Verfahrens vor.
Der Mitbeteiligte erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
6 Die vorliegende Amtsrevision ist hinsichtlich der darin zur Zulässigkeit dargelegten Rechtsfrage des Vorliegens eines durch einen Fehlalarm einer technischen Alarmeinrichtung zur Sicherung von Eigentum und Vermögen verursachten Einschreitens von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes iSd § 92a Abs. 1 SPG zulässig und berechtigt.
7 § 92a Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz - SPG, BGBl. Nr. 566/1991 idF BGBl. I Nr. 50/2012 lautet:
"Kostenersatzpflicht§ 92a. (1) Wird durch eine technische
Alarmeinrichtung zur Sicherung von Eigentum oder Vermögen das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes verursacht, ohne dass eine Gefahr bestanden hat, so gebührt als Ersatz der Aufwendungen des Bundes ein Pauschalbetrag, der nach Maßgabe der durchschnittlichen Aufwendungen mit Verordnung des Bundesministers für Inneres festgesetzt wird. Die Verpflichtung zu seiner Entrichtung trifft denjenigen, dessen Eigentum oder Vermögen geschützt wird."
8 Gemäß § 4 Abs. 1 der Sicherheitsgebühren-Verordnung, BGBl. Nr. 389/1996 idF BGBl. II Nr. 155/2014, beträgt der Ersatz jener Aufwendungen des Bundes, die durch eine technische Alarmanlage zur Sicherung von Eigentum oder Vermögen verursacht wurden, ohne dass eine Gefahr bestanden hat, bei "sonstigen Anlagen" EUR 87,--.
9 Ausgehend von den im Revisionsverfahren unstrittigen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, wonach die Alarmanlage der vom Mitbeteiligten betriebenen Trafik auslöste und daraufhin Beamte der Landespolizeidirektion Wien, die bereits vor der Alarmauslösung aufgrund eines Verkehrsunfalls direkt vor der Trafik waren, im Zuge der Kontrolle des Geschäftslokals weder Einbruchsspuren noch sonst Ungewöhnliches feststellen konnten, ist vorweg die Rechtsfrage wesentlich, ob es sich bei der Kontrolle des Geschäftslokals des Mitbeteiligten durch Beamte der Landespolizeidirektion Wien um ein Einschreiten iSd § 92a Abs. 1 SPG gehandelt hat.
10 Das gehäufte Auftreten von "Fehlalarmen" hat den Gesetzgeber nach den Erläuterungen (72 BlgNR, 20.GP) dazu bewogen, die Bestimmung des § 92a in das SPG einzufügen (vgl. dem hg. Beschluss vom , Ra 2017/01/0040, mwN), auch um unbegründete Mehraufwendungen der Sicherheitsbehörden zu verhindern. Ein "Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes" liegt deshalb bereits dann vor, wenn sie ihren sonstigen Exekutivdienst unterbrechen und sich zum Einsatzort in Bewegung setzen, um dort zur Erfüllung spezifisch auf den Fehlalarm bezogener sicherheitspolizeilicher Aufgaben (Gefahrenabwehr, erste allgemeine Hilfeleistungspflicht) überzugehen (vgl. Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, 4. Aufl. (2011) S. 909, sowie Thanner/Vogl (Hrsg.) SPG, 2. Aufl. (2013) S. 869). Gemäß § 92a Abs. 1 SPG sind die mit dem Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes verbundenen Aufwendungen des Bundes in der Höhe des in § 4 Abs. 1 Sicherheitsgebühren-Verordnung nach Maßgabe der durchschnittlichen Aufwendungen festgelegten Pauschalbetrages unabhängig vom Umfang der tatsächlich durch das Einschreiten verursachten Kosten zu ersetzen. Das SPG sieht bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für den Kostenersatz kein verwaltungsbehördliches Mäßigungs- oder Verzichtsrecht vor (vgl. Thanner/Vogl (Hrsg.) aaO, S 872).
11 Bereits die Kontrolle eines Objekts, dessen Alarmanlage ohne Bestehens einer Gefahr ausgelöst hat, bedeutet einen durch einen Fehlalarm verursachten Mehraufwand der Sicherheitsverwaltung unabhängig sowohl von der von den Beamten des öffentlichen Sicherheitsdienstes zurückgelegten Wegstrecke zum Einsatzort, als auch der Art und Weise, wie diese Wegstrecke zurückgelegt wurde. Allein das Unterbrechen des vor Alarmauslösung verrichteten Dienstes und die darauf folgende Kontrolle des alarmgesicherten Objekts stellt bereits ein Einschreiten iSd § 92a Abs. 1 SPG dar. Dass Beamte des öffentlichen Sicherheitsdienstes aus anderen Gründen bereits vor Alarmauslösung vor der Trafik des Mitbeteiligten waren, steht der Qualifikation der nachfolgenden Kontrolle der Trafik als Einschreiten iSd § 92a Abs. 1 SPG selbst dann nicht entgegen, wenn die vor Ort befindlichen Beamten selbst die Kontrolle durchführten und nicht bloß, wie in der Amtsrevision vorgebracht, den Alarm an die Landesleitzentrale meldeten und andere Beamte in der Folge die Trafik kontrollierten.
12 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher bereits deshalb als inhaltlich rechtswidrig, ohne dass auf das Vorbringen der Aktenwidrigkeit in Bezug auf die Feststellung, wonach kein Einsatz eines Streifenwagens durch die Alarmanlage des Mitbeteiligten verursacht worden sei, einzugehen ist.
13 Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst entscheiden, wenn sie - wie im vorliegenden Fall -
entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt.
14 Dies trifft hier zu. Der Sachverhalt ist geklärt und unstrittig. Da die Kontrolle der Trafik des Mitbeteiligten durch Beamte der Landespolizeidirektion Wien, unabhängig davon, ob diese bereits wegen einer anderen Amtshandlung vor der Trafik waren oder infolge der Meldung des Alarms an die Landesleitzentrale durch die Beamten vor Ort zum Einsatzort fuhren, jedenfalls als Einschreiten iSd § 92a Abs. 1 SPG zu qualifizieren ist, ist die vom Verwaltungsgericht vorgenommene rechtliche Würdigung dieses Sachverhalts unzutreffend. Das angefochtene Erkenntnis wird daher gemäß § 42 Abs. 4 VwGG iVm § 28 Abs. 1 VwGVG dahin abzuändern, dass die Beschwerde des Mitbeteiligten gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Wien abgewiesen wird.
Wien, am