VwGH vom 21.12.2012, 2012/03/0060
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des J E in G, vertreten durch Dr. Manfred Rath, Dr. Gunther Ledolter, Mag. Martin Sudi, Ing. Mag. Georg Siarlidis und Mag. Andreas Huber, Rechtsanwälte in 8020 Graz, Friedhofgasse 20, gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Steiermark vom , Zl A14-30-1940/2012-4, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung für das Taxi-Gewerbe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer die Gewerbeberechtigung für das Taxi-Gewerbe mit Personenkraftwagen (an einem näher bezeichneten Standort in Graz) gemäß § 3 Abs 1 Z 3 des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes 1996, BGBl Nr 112 (GelverkG), § 87 Abs 1 Z 2 iVm § 13 Abs 3 der Gewerbeordnung 1994, BGBl Nr 194 idF BGBl I Nr 99/2011 (GewO 1994), und § 66 Abs 4 AVG entzogen.
Begründend stellte die belangte Behörde als unstrittig fest, dass mit Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom das den Beschwerdeführer betreffende Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens rechtkräftig nicht eröffnet worden sei, und dass der Zeitraum, in dem in der Insolvenzdatei Einsicht in den genannten Insolvenzfall gewährt wird, noch nicht abgelaufen sei. Der genannte Beschluss sei in Rechtskraft erwachsen (Beschluss vom ).
Da damit der Gewerbeausschlussgrund nach § 13 Abs 3 Z 1 GewO 1994 vorliege, sei die Gewerbeberechtigung gemäß § 87 Abs 1 Z 2 leg cit zu entziehen. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers, dass von der Entziehung der Gewerbeberechtigung abgesehen werden könnte, wenn die weitere Gewerbeausübung im vorwiegenden Interesse der Gläubiger gelegen sei, sei auf die Änderung des § 87 Abs 2 GewO 1994 durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2010 hinzuweisen. Durch die Neufassung dieser Bestimmung sei vor der Entziehung der Gewerbeberechtigung betreffend rechtskräftiger Nichteröffnung oder Aufhebung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens die Prüfung entfallen, ob die weitere Gewerbeausübung im Interesse der Gläubiger gelegen sei. Damit sei im Entziehungsverfahren nicht zu prüfen, ob der Gewerbetreibende in der Lage sei, die offenen und die mit der Gewerbeausübung verbundenen Verbindlichkeiten zu begleichen. Die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage des Gewerbetreibenden sei im Entziehungsverfahren keine zu lösende Vorfrage iSd § 38 AVG. Diese Beurteilung bleibe dem Nachsichtsverfahren gemäß § 26 GewO 1994 vorbehalten. Für die Berücksichtigung der Erhaltung der Existenzgrundlage des Gewerbeberechtigten oder der den Gewerbetreibenden treffenden Sorgfaltspflichten im Rahmen der anzuwendenden Vorschrift des § 87 Abs 1 Z 2 GewO 1994 fehle die Rechtsgrundlage. Für den Beschwerdeführer bestehe aber die Möglichkeit, einen Antrag um Nachsicht vom Gewerbeausschließungsgrund gemäß § 26 Abs 2 GewO 1994 bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde einzubringen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Der Beschwerdeführer beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Nach § 1 Abs 1 GelverkG gilt dieses Bundesgesetz für die gewerbsmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen, ausgenommen die gewerbsmäßige Beförderung von Personen im Kraftfahrlinienverkehr auf Grund des Kraftfahrliniengesetzes. Soweit das GelverkG nicht besondere Bestimmungen trifft, gilt für die diesem Bundesgesetz unterliegenden Gewerbezweige die GewO 1994 mit der Maßgabe, dass die Gewerbe nach dem GelverkG als reglementierte Gewerbe gelten, auf die § 95 Abs 2 GewO 1994 anzuwenden ist (§ 1 Abs 2 GelverkG).
§ 2 Abs 1 GelverkG ordnet an, dass die gewerbsmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen im Umfang des § 1 Abs 1 leg cit nur auf Grund einer Konzession ausgeübt werden darf.
Nach § 3 Abs 1 leg cit dürfen Konzessionen für die Personenbeförderung mit Personenkraftwagen, die zu jedermanns Gebrauch an öffentlichen Orten bereitgehalten oder durch Zuhilfenahme von Fernmeldeeinrichtungen angefordert werden, erteilt werden "(mit Kraftfahrzeugen betriebenes Platzfuhrwerks-Gewerbe (Taxi-Gewerbe))"; diese Gewerbeberechtigung umfasst auch die alleinige Beförderung von Sachen, die von einer Person ohne Zuhilfenahme technischer Hilfsmittel getragen werden können.
Voraussetzung für die Erteilung der Konzession ist unter anderem nach § 5 Abs 1 Z 2 GelverkG, dass neben den allgemeinen Voraussetzungen für die Ausübung eines reglementierten Gewerbes die finanzielle Leistungsfähigkeit vorliegt, welche in § 5 Abs 4 leg cit und in § 2 der Berufszugangsverordnung Kraftfahrlinien- und Gelegenheitsverkehr, BGBl Nr 889/1994 idF BGBl II Nr 459/2010, näher determiniert wird.
§ 5 Abs 1 GelverkG verlangt, dass sämtliche Voraussetzungen - somit auch die finanzielle Leistungsfähigkeit - während der gesamten Dauer der Gewerbeausübung vorliegen. Werden diese Voraussetzungen vom Gewerbetreibenden nicht mehr erfüllt, so ist die Konzession unbeschadet der §§ 87 bis 91 GewO 1994 zu entziehen.
Gemäß § 87 Abs 1 Z 2 GewO 1994 ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde zu entziehen, wenn einer der in § 13 Abs 3 bis 5 leg cit angeführten Umstände, die den Gewerbeausschluss bewirken, vorliegt. Nach § 13 Abs 3 Z 1 GewO 1994 sind Rechtsträger von der Gewerbeausübung als Gewerbetreibende ausgeschlossen, wenn (Z 1) das Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens rechtskräftig nicht eröffnet oder aufgehoben wird, und (Z 2) der Zeitraum, in dem in der Insolvenzdatei Einsicht in den genannten Insolvenzfall gewährt wird, noch nicht abgelaufen ist.
Bei der Entscheidung über eine solche Entziehung handelte es sich um eine gebundene Entscheidung, die nicht im Ermessen der zuständigen Gewerbebehörde liegt. Anders als nach der Rechtslage vor dem Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2010, BGBl I Nr 29, kann die Behörde - ausgenommen im Falle des Vorliegens der Berechtigung zu Tätigkeiten der Versicherungsvermittlung - von der in § 87 Abs 1 Z 2 GewO 1994 vorgeschriebenen Entziehung der Gewerbeberechtigung auch dann nicht absehen, wenn die Gewerbeausübung vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen ist (vgl , mwH).
§ 26 Abs 2 GewO 1994 sieht vor, dass die Behörde im Fall des Ausschlusses von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs 3 oder 4 leg cit die Nachsicht von diesem Ausschluss zu erteilen hat, wenn auf Grund der nunmehrigen wirtschaftlichen Lage des Rechtsträgers erwartet werden kann, dass er den mit der Gewerbeausübung verbundenen Zahlungspflichten nachkommen wird.
Die beschwerdeführende Partei zieht (auch) in der Beschwerde nicht in Zweifel, dass ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beschwerdeführers mangels kostendeckenden Vermögens rechtskräftig nicht eröffnet wurde, und dass ferner der Zeitraum, in dem in der Insolvenzdatei Einsicht in den genannten Insolvenzfall gewährt wird, noch nicht abgelaufen ist. § 87 Abs 2 GewO 1994 idF des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 2010 erlaubt der Behörde - wie erwähnt - ein Absehen von der im § 87 Abs 1 Z 2 leg cit vorgeschriebenen Entziehung der Gewerbeberechtigung wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, wenn die Gewerbeausübung vorliegend im Interesse der Gläubiger gelegen ist, nur mehr im Fall des Vorliegens einer Berechtigung zu Tätigkeiten der Versicherungsvermittlung. Da die vorliegende Entziehung nicht eine Berechtigung zu Tätigkeiten der Versicherungsvermittlung betrifft, war - entgegen der Beschwerde - für die Anwendung des § 87 Abs 1 Z 2 GewO 1994 lediglich entscheidend, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 13 Abs 3 leg cit vorlagen, wovon im gegenständlichen Fall angesichts des unstrittigen Sachverhalts auszugehen ist. Anders als die Beschwerde meint, hatte die belangte Behörde daher nicht zu prüfen, ob - im Sinn der Rechtslage vor dem Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 2010 - die weitere Gewerbeausübung vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen wäre.
Wenn der Beschwerdeführer meint, dass seine Berufung gegen den Erstbescheid, aber auch seine Stellungnahme im Entziehungsverfahren als Antrag gemäß § 26 Abs 2 GewO 1994 zu werten wären, ist für ihn bezüglich des angefochtenen Bescheides nichts zu gewinnen. Entgegen der Beschwerde war die Behörde auch nicht gehalten, vor ihrer Entscheidung betreffend die Entziehung der Gewerbeberechtigung über einen Antrag nach § 26 Abs 2 GewO 1994 auf Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs 3 oder 4 leg cit zu entscheiden.
Mit seinem (eingehenden) Vorbringen, dass die weitere Ausübung des Gewerbes jedenfalls im Interesse seiner Gläubiger gelegen wäre, vermag der Beschwerdeführer daher keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
Vor diesem Hintergrund ist dem Beschwerdeführer auch mit seiner Verfahrensrüge, es sei bezüglich des Umstands, dass keine Gefährdung der Gläubiger durch die weitere Gewerbeausübung vorliegen würde, der Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt worden, kein Erfolg beschieden.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abgesehen werden: Der EGMR sieht den Entfall der nach Art 6 Abs 1 EMRK grundsätzlich gebotenen öffentlichen Verhandlung dann als zulässig an, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen, die eine Ausnahme davon rechtfertigen (vgl etwa die Urteile des EGMR in den Fällen Jussila gegen Finnland, , Nr 73053/01; Bösch gegen Österreich, , Nr 17912/05; Hofbauer gegen Österreich 2, , Nr 7401/04). Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände etwa dann angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder hochtechnische Fragen betrifft; der Gerichtshof verwies in diesem Zusammenhang aber auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist hier insofern geklärt, als die Voraussetzungen für die Entziehung der gegenständlichen Konzession iSd § 13 Abs 3 Z 1 GewO 1994 unstrittig gegeben sind. Da somit keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen wurden, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte, steht Art 6 EMRK dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Die Entscheidung konnte daher im Sinne des § 39 Abs 2 Z 6 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Wien, am