VwGH 05.10.2016, Ra 2016/01/0189
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Die rechtsrichtige Anwendung des § 21 Abs. 3 BFA-VG 2014 setzt nach seinem insoweit unmissverständlichen Wortlaut eine "Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren" voraus. Auf die Frage, ob die Verwaltungsbehörde irrtümlich davon ausgegangen ist, dass der Antrag auf internationalen Schutz nicht zurückzuweisen ist, kommt es bei der Beurteilung nach § 21 Abs. 3 BFA-VG 2014 nicht an. Dies bringt schon § 28 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 zum Ausdruck, wonach die Zulassung einer späteren Zurückweisung nicht entgegensteht. Darauf, dass es maßgeblich wäre, aus welchen Gründen die Zulassung erfolgt wäre, stelle diese Bestimmung nicht ab (Hinweis E vom , Ra 2016/19/0208). |
Normen | BFA-VG 2014 §21 Abs3; VwGVG 2014 §31 Abs1; |
RS 2 | Eine Entscheidung nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG stellt keine Entscheidung in der Sache dar, die den dem Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Gegenstand erledigt, und hat daher gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG 2014 in Form eines Beschlusses zu ergehen (Hinweis E vom , Ra 2016/19/0208). |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
Ra 2016/01/0191
Ra 2016/01/0190
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Anträge des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, den gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes, jeweils vom ,
Zl. W185 2129834-1/4E, 2) Zl. W185 2129835-1/4E und
Zl. W185 2129837-1/4E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 (mitbeteiligte Parteien: 1. M und zwei weitere mitbeteiligte Parteien), erhobenen Revisionen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird den Anträgen stattgegeben.
Begründung
1 Mit Bescheiden jeweils vom wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) die von den Mitbeteiligten gestellten Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück, sprach aus, dass gemäß Art. 13 Abs. 1 iVm Art. 22 Abs. 7 der Dublin-III-VO Kroatien für die Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz zuständig sei, ordnete gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG die Außerlandesbringung der Mitbeteiligten an und erklärte ihre Abschiebung nach Kroatien gemäß § 61 Abs. 2 leg. cit. für zulässig.
2 Mit den vom BFA in Revision gezogenen Erkenntnissen gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) den Beschwerden der Mitbeteiligten gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG jeweils statt und behob die Bescheide im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Verfahren der mitbeteiligten Parteien zugelassen worden seien, obwohl aus einer Gesamtschau der Akteninhalte ersichtlich sei, dass "Dublin-Verfahren (und demnach kein(e) zugelassene(n) Verfahren)" vorlägen. Ungeachtet dessen habe das BFA vor Erlassung der Bescheide keine Rechtsberatung veranlasst. Eine solche hätte jedoch gemäß § 29 Abs. 4. AsylG 2005 ab Mitteilung nach § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005 in einem 24 Stunden nicht zu unterschreitenden Zeitraum stattzufinden gehabt. Den Mitbeteiligten sei daher die Gelegenheit genommen worden, ihren Rechtsstandpunkt darzulegen; es sei deren Recht auf Parteiengehör verletzt worden und werde die Behörde daher im fortzusetzenden Verfahren in gesetzmäßiger Weise ergänzende Ermittlungen durchzuführen haben.
3 Gegen diese Erkenntnisse richten sich die vorliegenden Amtsrevisionen des BFA, mit welchen jeweils Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden wurden. Zur unverhältnismäßigen Beeinträchtigung der von ihr zu vertretenden öffentlichen Interessen macht die Behörde geltend, nach Ablauf der sechsmonatigen Überstellungsfristen, welcher während der Revisionsverfahren eintreten werde, würde der um Aufnahme ersuchende Mitgliedstaat (hier: Österreich) für die Führung der Asylverfahren nach der Dublin-III-VO zuständig. Diese Fristen würden nur dann nicht gelten, wenn den Revisionen aufschiebende Wirkung zuerkannt würde. Es bestehe daher die Gefahr, dass die Überstellungsfristen vor einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs abliefen, was den Revisionen des BFA jegliche Effektivität nehmen würde. Rechtliche Interessen der Mitbeteiligten seien nicht berührt, weil diese sich weiterhin im zugelassenen Asylverfahren befänden und über Aufenthaltsrechte iSd § 13 AsylG 2005 verfügen würden.
4 Gemäß § 30 Abs. 1 VwGG hat die Revision keine aufschiebende Wirkung. Bis zur Vorlage der Revision hat das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch nach § 30 Abs. 2 erster Satz VwGG auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
5 Die Mitbeteiligten haben sich zu den Anträgen, den Revisionen aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, nicht geäußert.
6 In den vorliegenden Fällen ist nicht ersichtlich, dass zwingende öffentliche Interessen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegenstünden. Es besteht auch kein Hinweis dafür, dass im Rahmen der nach § 30 Abs. 2 VwGG vorzunehmenden Interessenabwägungen von der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung Abstand zu nehmen wäre. Den Anträgen der revisionswerbenden Behörde war daher stattzugeben.
Wien, am
Entscheidungstext
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungsdatum:
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
Ra 2016/01/0191
Ra 2016/01/0190
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek, den Hofrat Dr. Kleiser und die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Berger, über die Revisionen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gegen die jeweils als Erkenntnis bezeichneten Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichtes jeweils vom , 1) Zl. W185 2129834-1/4E, 2) Zl. W185 2129835-1/4E und 3) Zl. W185 2129837-1/4E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 005 (mitbeteiligte Parteien: 1. M A, 2. H Z, sowie 3. M Z, alle in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Beschlüsse werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Die mitbeteiligten Parteien, alle Staatsangehörige des Iran und ihren Angaben im Verfahren zufolge Cousins, stellten am jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Zu ihrer Fluchtroute befragt gaben sie im Rahmen ihrer Erstbefragungen jeweils an, über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien nach Österreich gereist zu sein.
2 Den im Akt erliegenden Speicherauszügen aus von der Behörde geführten Datenbanken zufolge wurde den Mitbeteiligten am vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) jeweils eine "Aufenthaltskarte weiß (§ 51 AsylG)" ausgestellt und ihr Asylverfahren auf diese Weise gemäß § 28 Abs. 1 zweiter Satz AsylG 2005 zugelassen.
3 Am richtete das BFA auf Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) gestützte Aufnahmeersuchen an die zuständige kroatische Behörde, welche darauf nicht antwortete. Mit Schreiben vom teilte das BFA der kroatischen Behörde mit, dass Kroatien gemäß Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO aufgrund Verfristung hinsichtlich der Beantwortung des Aufnahmeersuchens zur Führung der Asylverfahren der mitbeteiligten Parteien zuständig geworden sei.
4 Mit Bescheiden vom wies das BFA die von den mitbeteiligten Parteien gestellten Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und stellte fest, dass Kroatien gemäß Art. 13 Abs. 1 iVm Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO für die Prüfung der Anträge zuständig sei (jeweils Spruchpunkt I.). Unter einem erließ es gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) Anordnungen zur Außerlandesbringung und stellte fest, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung der Mitbeteiligten nach Kroatien zulässig sei (jeweils Spruchpunkt II.).
5 Mit Verfahrensanordnung vom teilte das BFA den mitbeteiligten Parteien mit, dass ihnen von Amts wegen gemäß § 52 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) Rechtsberater zur Seite gestellt würden.
6 Mit den gegenständlich angefochtenen Beschlüssen, jeweils vom , gab das BVwG den gegen die Bescheide des BFA vom erhobenen Beschwerden statt und hob diese gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG auf. Die Erhebung einer Revision wurde nach Art. 133 Abs. 4 B-VG jeweils für nicht zulässig erklärt. Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, den mitbeteiligten Parteien sei entgegen der ausdrücklichen Vorschrift des § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005 nicht mit Verfahrensanordnung mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, die Anträge auf internationalen Schutz zurückzuweisen. Es sei vor Erlassung der angefochtenen Bescheide überhaupt keine Rechtsberatung erfolgt, die jedoch entsprechend den Bestimmungen des § 29 Abs. 4 AsylG 2005 sowie des § 49 Abs. 2 BFA-VG in einem 24 Stunden nicht zu unterschreitenden Zeitraum ab Mitteilung nach § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005 stattzufinden gehabt hätte. Auf Grund unzureichenden Parteiengehörs lägen mangelhafte Verfahren vor. Die Sachverhalte seien so mangelhaft ermittelt worden, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheine.
7 Gegen diese Beschlüsse richten sich die vorliegenden außerordentlichen Revisionen des BFA mit den Anträgen, die jeweiligen "Erkenntnisse" des BVwG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben. Zur Begründung ihrer Zulässigkeit wird jeweils ua. ausgeführt, die Asylverfahren der Mitbeteiligten seien durch Ausfolgung der Aufenthaltsberechtigungskarten vor Bescheiderlassung zugelassen worden. Das BVwG habe nichtsdestotrotz die Bestimmung des § 21 Abs. 3 BFA-VG angewandt, obwohl es sich um keine Entscheidung im Zulassungsverfahren gehandelt habe. Darauf, dass die Verfahren der Mitbeteiligten bereits zugelassen worden seien, sei das BVwG in seiner Entscheidung nicht eingegangen. Damit sei das BVwG von der in der Revision näher zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Es sei weiters in der Rechtsprechung noch nicht geklärt, ob eine Entscheidung nach § 21 Abs. 3 BFA-VG in Form eines Erkenntnisses oder in Form eines (nicht bloß verfahrensleitenden) Beschlusses zu ergehen habe.
8 Die Mitbeteiligten erstatteten Revisionsbeantwortungen, in welchen sie jeweils den Antrag stellen, die Revisionen des BFA abzuweisen.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Revisionen in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
10 Die Revisionen sind zulässig und auch begründet. 11 Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , Ra 2016/19/0208, ausgesprochen, dass die rechtsrichtige Anwendung des § 21 Abs. 3 BFA-VG nach seinem insoweit unmissverständlichen Wortlaut eine "Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren" voraussetzt. Auf die Frage, ob die Verwaltungsbehörde irrtümlich davon ausgegangen ist, dass der Antrag auf internationalen Schutz nicht zurückzuweisen sei, komme es bei der Beurteilung nach § 21 Abs. 3 BFA-VG nicht an. Dies bringe schon § 28 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 zum Ausdruck, wonach die Zulassung einer späteren Zurückweisung nicht entgegensteht. Darauf, dass es maßgeblich wäre, aus welchen Gründen die Zulassung erfolgt wäre, stelle diese Bestimmung nicht ab. Darüber hinaus wurde erkannt, dass eine Entscheidung nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG keine Entscheidung in der Sache darstellt, die den dem Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Gegenstand erledigt, und daher gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG in Form eines Beschlusses zu ergehen hat.
12 Die vorliegenden Fälle gleichen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht in den entscheidungsrelevanten Punkten jenem, der vom Verwaltungsgerichtshof mit dem zitierten Erkenntnis vom , Ra 2016/19/0208, entschieden wurde. Es genügt daher, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses zu verweisen.
13 Die angefochtenen Beschlüsse waren somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben, ohne dass auf das weitere Revisionsvorbringen einzugehen war.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | 32013R0604 Dublin-III Art13 Abs1; 32013R0604 Dublin-III Art22 Abs7; AsylG 2005 §13; AsylG 2005 §29 Abs3 Z4; AsylG 2005 §29 Abs4; AsylG 2005 §5 Abs1; BFA-VG 2014 §21 Abs3; FrPolG 2005 §61 Abs1 Z1; FrPolG 2005 §61 Abs2; VwGG §30 Abs2; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016010189.L00.1 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
IAAAE-68295