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VwGH vom 22.09.2011, 2009/18/0059

VwGH vom 22.09.2011, 2009/18/0059

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des S B in W, vertreten durch Dr. Josef Unterweger, Mag.a Doris Einwallner, Rechtsanwalt und Rechtsanwältin in 1080 Wien, Buchfeldgasse 19a, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/1.233/2008, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.

Zur Begründung dieser Maßnahme verwies sie auf die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Landesgericht für Strafsachen Wien vom gemäß § 28 Abs. 2, 3 und 4 Z. 3 und § 27 Abs. 1 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren sowie auf die weitere Verurteilung vom durch dasselbe Gericht gemäß § 28 Abs. 2 vierter Fall, Abs. 3 erster Fall und § 27 Abs. 1 erster und zweiter Fall SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von dreieinhalb Jahren.

Der ersten Verurteilung sei im Wesentlichen zugrunde gelegen, dass der Beschwerdeführer zwischen Anfang Juni und Anfang November 2003 rund 50 bis 80 kg Cannabiskraut verkauft und einem Abnehmer rund 40 g Kokain auf Kommission übergeben habe. Zusätzlich sei er für den Erwerb und Besitz von Cannabiskraut ab verurteilt worden. Dem Beschwerdeführer sei gemäß § 39 Abs. 1 SMG Strafaufschub gewährt worden, damit er sich der notwendigen gesundheitsbezogenen Maßnahme unterziehen könne. Zunächst habe er sich einer stationären, ab Juni 2005 einer ambulanten Therapie unterzogen. Mit diesem Wechsel habe er jedoch erneut mit dem Suchtgiftkonsum begonnen und sei - aufgrund der Geldprobleme - wieder "in das Suchtgiftgeschäft eingestiegen".

Der zweiten Verurteilung vom liege der Suchtgifthandel zwischen Oktober 2005 und November 2006 im Ausmaß von rund 13 kg Marihuana und 170 g Kokain sowie der Suchtgifterwerb und -besitz zum Eigenkonsum zugrunde. In den Entscheidungsgründen des Urteils werde ausgeführt, dass angesichts der Regelmäßigkeit des In-Verkehr-Setzens, des Tatzeitraumes und des durchaus organisierten Vorgehens eindeutig erkennbar sei, dass sich alle Angeklagten durch ihr Vorgehen eine regelmäßige Geldquelle hätten verschaffen wollen, wobei die in Verkehr gesetzten Mengen und die dafür erzielten Erlöse nicht den Schluss zuließen, mit diesem Geld werde vorwiegend der eigene Suchtgiftkonsum finanziert. Erschwerend komme hinzu, dass der Beschwerdeführer während des offenen Strafaufschubs gleichartige Tathandlungen gesetzt habe. Die Wiederaufnahme des Suchtgiftverkaufs unmittelbar nach dem Wechsel von stationärer zu ambulanter Therapie zeige, dass die dem Beschwerdeführer gewährte "Therapie statt Strafe" bezüglich der ersten Verurteilung keinerlei Wirkung gezeigt habe.

Das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers verdeutliche sehr augenfällig, dass er offenbar nicht in der Lage oder gewillt sei, die österreichischen Rechtsvorschriften einzuhalten. Eine Verhaltensprognose könne für ihn schon in Ansehung der Suchtgiftdelikten zugrunde liegenden immanenten - beim Beschwerdeführer bereits verwirklichten - Wiederholungsgefahr nicht positiv ausfallen.

Der Beschwerdeführer halte sich - eigenen Angaben zufolge - "seit seinem fünften Lebensjahr durchgehend und rechtmäßig in Österreich auf" (tatsächlich wurde gegen ihn mit Berufungsbescheid vom ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen, das mit Bescheid vom aufgehoben wurde) und verfüge über eine "Niederlassungsbewilligung unbeschränkt". Er habe in Österreich seine gesamte Schulausbildung absolviert und den Beruf eines Malers und Anstreichers erlernt. Seine beruflichen Bindungen seien jedoch dahingehend relativiert, dass er im Jahr 2005 lediglich vier Monate und im Jahr 2006 nur sieben Monate beschäftigt gewesen sei. Seine gesamte Familie, insbesondere seine Eltern und seine Schwester samt Familie, seien rechtmäßig in Österreich aufhältig, wobei seine Mutter, seine Schwester, der Schwager und die Nichten und Neffen über die österreichische Staatsbürgerschaft verfügten. Auch die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers sei österreichische Staatsbürgerin. Er beherrsche die deutsche Sprache wesentlich besser als die Sprache seines Herkunftslandes. Derzeit verbüße er eine mehrjährige Haftstrafe.

Im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 66 FPG führte die belangte Behörde aus, die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers erführen im Hinblick darauf, dass die für das Ausmaß jeglicher Integration wesentliche soziale Komponente durch sein strafbares Verhalten deutlich beeinträchtigt werde, eine wesentliche Minderung. Seine privaten Interessen hätten daher gegenüber dem hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität in den Hintergrund zu treten.

Auf Grund der gerichtlichen Verurteilungen zu unbedingten Freiheitsstrafen in der Dauer von drei bzw. dreieinhalb Jahren sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch mit Blick auf § 61 Z. 3 und Z. 4 FPG zulässig.

Da sonst keine besonderen, zugunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände gegeben seien, habe die belangte Behörde von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen können.

In Anbetracht des aufgezeigten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers könne auch unter Bedachtnahme auf dessen private Situation ein Wegfall des für die Erlassung dieser Maßnahme maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, "nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes erwartet werden" (gemeint wohl: nicht vorhergesehen werden).

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt sei, bleibt in der Beschwerde unbekämpft. In Anbetracht der unbestrittenen rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers vom und vom begegnet diese Beurteilung keinen Bedenken.

Angesichts des massiven und wiederholten strafbaren Verhaltens des Beschwerdeführers, das trotz des zunächst gewährten Strafaufschubs unmittelbar nach Erlassung aus der stationären Suchtgifttherapie wieder aufgenommen wurde, sich über einen sehr langen Zeitraum (Suchtgifterwerb und -besitz ab Jänner 1994) erstreckte, und des Umstandes, dass der Suchtgifthandel gewerbsmäßig ausgeführt wurde und eine große Menge an Suchtgift, die geeignet ist, Gewöhnung hervorzurufen und im großen Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen, gehandelt wurde, bestehen auch keine Zweifel am Zutreffen der behördlichen Beurteilung, dass die Prognose nach § 60 Abs. 1 FPG gerechtfertigt sei.

Selbst wenn der Beschwerdeführer eine Therapie erfolgreich abgeschlossen hätte, könnte auch eine dadurch erzielte Drogenfreiheit angesichts der bereits einmal erfolgten Rückfälligkeit des Beschwerdeführers erst nach einem längeren Zeitraum des Wohlverhaltens in Freiheit zur Annahme einer relevanten Minderung der Gefährdung öffentlicher Interessen führen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0321, mwN). Der Beschwerdeführer befand sich jedoch zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nach wie vor in Haft und hatte somit noch keine Gelegenheit, seine Abstinenz in Freiheit unter Beweis zu stellen.

Daran vermag auch das Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer müsse aufgrund des Aufenthaltsverbotes in ein Land ausreisen, zu dem er keine Bindungen habe, dessen Sprache er nicht (mehr) beherrsche und das ihm auch sozial und kulturell völlig fremd sei, nichts zu ändern. Angesichts seiner gravierenden Straffälligkeit und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass gerade bei Suchtgiftdelikten von einer hohen Rückfallsquote - wie im vorliegenden Fall durch das Verhalten des Beschwerdeführers bestätigt - auszugehen ist und diese Delikte aufgrund ihrer hohen sozialen Schädlichkeit als äußerst gefährlich einzustufen sind, hat der Beschwerdeführer eine allfällige Trennung von seinen Angehörigen ebenso in Kauf zu nehmen wie auch die mit der Wiedereingliederung in seinem Heimatland verbunden Schwierigkeiten (vgl. auch § 61 Z. 4 FPG, wonach gegen von klein auf im Inland aufgewachsene und hier langjährig rechtmäßig niedergelassene Fremde ein Aufenthaltsverbot erlassen werden darf, wenn diese - wie der Beschwerdeführer - zu mehr als einer unbedingten zweijährigen Haftstrafe verurteilt wurden).

Sofern die Beschwerde die Anwendung des Gefährdungsmaßstabs gemäß § 86 FPG auf Grund der Eigenschaft des Beschwerdeführers als Familienangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 4 Z. 12 FPG im Hinblick auf seine die österreichische Staatsbürgerschaft besitzende Mutter moniert, ist ihm der Wortlaut des § 2 Abs. 4 Z. 12 FPG entgegenzuhalten, wonach nur unverheiratete minderjährige Kinder den genannten Tatbestand erfüllen. Zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides hat der Beschwerdeführer jedoch sein

36. Lebensjahr bereits vollendet. Dass ihm von seiner österreichischen Mutter tatsächlich Unterhalt gewährt worden wäre, hat der Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde behauptet. Somit wäre der Beschwerdeführer auch jedenfalls nicht als Familienangehöriger im Sinn des Art. 2 Z. 2 lit. c der Richtlinie 2004/38/EG anzusehen, sodass eine in der Beschwerde vorgebrachte Ungleichbehandlung "von Kindern sog. freizügigkeitsberechtigter EWR-Bürger oder Österreicher nur aufgrund des Alters" bereits aus diesem Grund nicht in Betracht kommt.

Die Beschwerde wendet sich schließlich gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 Abs. 1 FPG vorgenommenen Interessenabwägung und bringt dazu im Wesentlichen jene Umstände vor, die die belangte Behörde bereits im angefochtenen Bescheid berücksichtigt hat. Unter Zugrundelegung der familiären Bindungen zu seinen in Österreich lebenden Eltern, seiner Schwester und deren Familie sowie seiner Lebensgefährtin hat die belangte Behörde zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers angenommen. Diesen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers, gegen den nach der Aktenlage bis 2001 ein Aufenthaltsverbot bestand und der erst seit 2002 über einen Aufenthaltstitel verfügt, an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht die aus seinen Straftaten resultierende Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtmittelkriminalität gegenüber, welches das Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie zum Schutz der Gesundheit anderer - somit zur Erreichung im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter Ziele - dringend geboten und auch zulässig im Sinn des § 66 FPG erscheinen lässt.

Es kann daher auch keine Rede davon sein, dass der angefochtene Bescheid mangelhaft begründet ist. Der Beschwerdeführer hatte zudem ausreichend Gelegenheit, sich in seiner Berufung Parteiengehör zu verschaffen. Dass er über eine Arbeitsplatzzusage für die Zeit nach der Entlassung aus der Haft verfügt, vermag seine persönlichen Interessen nicht entscheidungsrelevant zu verstärken.

Die Beschwerde wendet sich auch dagegen, dass die belangte Behörde das Aufenthaltsverbot unbefristet erlassen habe. Auch dieses Vorbringen geht fehl. Die belangte Behörde hat als maßgebliche Umstände gemäß § 63 Abs. 2 FPG zutreffend neben dem gesetzten Fehlverhalten und der daraus resultierenden Gefährdung öffentlicher Interessen - entgegen der Beschwerdeansicht - auch die privaten und familiären Interessen im Sinn des § 66 FPG berücksichtigt. In Anbetracht des gravierenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers, der selbst nach der Gewährung des Strafaufschubes in Zusammenhang mit seiner ersten Verurteilung wiederum einschlägig rückfällig wurde, kann nicht vorhergesehen werden, wann der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebliche Grund weggefallen sein werde.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
GAAAE-68274