VwGH vom 26.06.2014, 2012/03/0021
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des A G in H, vertreten durch Jura Rechtsanwälte Denkmayr Partner OG, Dr. Georg Schwarzmayr-Lindinger, 4950 Altheim, Stadtplatz 12, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl Agrar-480414/9-2012-Sic, betreffend Versagung einer Jagdkarte, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I. Sachverhalt
A. Angefochtener Bescheid
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom auf Ausstellung einer Jagdkarte nach § 38 Abs 1 lit a und d, § 39 Abs 1 lit a und § 40 des Oö Jagdgesetzes, LGBl Nr 32/1964 idF LGBl Nr 67/2009, iVm § 66 Abs 4 AVG abgewiesen.
Aus der Begründung dieses Bescheides ergibt sich im Wesentlichen Folgendes: Auf Basis eines amtsärztlichen sowie eines fachärztlichen (psychiatrischen) Gutachtens sei im Bescheid der belangten Behörde vom (in Bestätigung des Erstbescheides vom ) festgehalten worden, dass der Beschwerdeführer über die erforderliche gesundheitliche Eignung für die Führung einer Waffe nicht verfüge und sein Verhalten besorgen lasse, dass er die öffentliche Sicherheit gefährden würde, weshalb ihm gemäß § 40 JG die Jagdkarte entzogen worden sei. Das diesem Bescheid zugrunde liegende Gutachten eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie komme zum Schluss, dass bezüglich des Beschwerdeführers die starke Vermutung bestehe, dass dieser an einer wahnhaften Störung, einer paranoiden Persönlichkeitsstörung bzw einer Altersparanoia leide. Es liege daher die konkrete Gefahr vor, dass der Beschwerdeführer sich so massiv verfolgt und bedroht fühle, dass er sich "in Notwehr" mit einer Waffe verteidige und auf andere schieße. Deshalb könne aus fachpsychiatrischer Sicht beim Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt keine befürwortende Stellungnahme zum Führen von Schusswaffen abgegeben werden. Das Gutachten schließe mit der Anmerkung, dass diese fachärztliche Stellungnahme neu zu bewerten wäre, wenn polizeiliche Ermittlungen ergeben würden, dass auf das Haus des Beschwerdeführers tatsächlich geschossen würde und es tatsächlich Mordabsichten bzw Mordversuche gegen ihn geben würde.
Nunmehr stütze sich der Beschwerdeführer auf ein Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis vom (und somit auf einen Zeitpunkt vor Erstellung des Gutachtens), in dem der Beschwerdeführer vom Verbrechen der Verleumdung gemäß § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB mangels Schuldbeweis freigesprochen worden sei. Unstrittig sei somit, dass sich eine wissentliche Falschverdächtigung durch den Beschwerdeführer betreffend allfällig gefallene Schüsse auf sein Haus nicht erwiesen hätte. Dies lasse jedoch keinesfalls den zwingenden Gegenschluss zu, das Landesgericht hätte festgestellt, dass auf das Haus des Beschwerdeführers tatsächlich geschossen worden wäre bzw dass es Mordabsichten bzw Mordversuche gegen ihn gäbe oder gegeben hätte. Selbst wenn dem psychiatrischen Gutachter das rund zwei Jahre vor seinem Befund ergangene Urteil nicht bekannt gewesen wäre, könne dieses die Grundaussage des Gutachtens, nämlich die mangelnde gesundheitliche Eignung zum Führen einer Waffe und somit auch zur Jagdausübung, nicht in Zweifel ziehen. Insofern sei nämlich der Fall, der laut dem erstatteten Gutachten dessen neuerliche Überprüfung erforderlich mache, nicht eingetreten. Darüber hinaus sei auch festzuhalten, dass das Gutachten die Vermutung der paranoiden Persönlichkeitsstörung nicht nur an den angeblichen Schüssen auf das Haus festmache, sondern dem Gutachten darüber hinaus auch andere Hinweise auf die vermutete paranoide Störung zu entnehmen seien. Richtig sei, dass das fachärztliche Gutachten nicht auf die Frage der Dauerhaftigkeit bzw Heilbarkeit der diagnostizierten gesundheitlichen Beeinträchtigung eingehe. Der in der Folge von der belangten Behörde im Entziehungsverfahren befasste Amtsarzt führe in seiner Stellungnahme vom aber aus, dass mit einer Besserung des Zustandsbildes nicht mehr zu rechnen sei. Zusammenfassend sei daher zu sagen, dass (wie schon von der Erstbehörde ausgeführt) sich die derzeitige Situation durch das vom Beschwerdeführer angeführte Strafurteil gegenüber den im Entzugsverfahren beurteilenden Gegebenheiten tatsächlich nicht geändert habe.
B. Beschwerdeverfahren
1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
2. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II. Erwägungen
A. Rechtslage
Die vorliegend maßgeblichen Regelungen des JG lauten:
"§ 38
Voraussetzungen für die Erlangung einer Jagdkarte
(1) Voraussetzung für die Erlangung einer Jagdkarte ist der Nachweis
a) der im Zusammenhang mit der Jagdausübung erforderlichen Verläßlichkeit;
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b) | der jagdlichen Eignung; |
c) | einer ausreichenden Jagdpflichtversicherung; |
d) | daß kein Verweigerungsgrund im Sinne des § 39 vorliegt. |
..." | |
"§ 39 | |
Verweigerung der Jagdkarte |
(1) Die Ausstellung der Jagdkarte ist zu verweigern:
a) Personen, die wegen geistiger oder körperlicher Mängel unfähig sind, ein Jagdgewehr sicher zu führen oder deren bisheriges Verhalten besorgen läßt, daß sie die öffentliche Sicherheit gefährden werden;
b) Personen, die für die nach § 273 ABGB ein Sachwalter bestellt ist;
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c) | Personen vor Vollendung des 18. Lebensjahres (Jugendlichen); |
d) | Personen, die wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener gerichtlich strafbarer Handlungen gegen die Sicherheit der Person oder des Eigentums zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurden, für die Dauer von höchstens sieben Jahren; |
e) | Personen, die wegen einer sonstigen gerichtlichen strafbaren Handlung verurteilt wurden, für die Dauer von höchstens drei Jahren; |
f) | Personen, die wegen einer tierschutzrechtlichen Verwaltungsübertretung oder auf Grund des § 93 bestraft wurden, für die Dauer von höchstens zwei Jahren nach Rechtskraft des zuletzt gefällten Straferkenntnisses bzw. im Falle des § 93 Abs. 4 für die Dauer, für die auf Verlust der Fähigkeit, eine Jagdkarte zu erlangen, erkannt wurde. |
..." | |
"§ 40 | |
Entziehung der Jagdkarte | |
Wenn bei einem Inhaber einer Jagdkarte, der ursprüngliche und noch fortdauernde Mangel einer der Voraussetzungen des § 38 nachträglich zum Vorschein kommt oder eine dieser Voraussetzungen nachträglich wegfällt, so ist die Jagdkarte zu entziehen." | |
B. | Vorbringen |
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Ausfolgung seiner Jagdkarte iSd des JG verletzt, zumal er die entsprechende jagdliche Eignung gemäß § 38 Abs 1 lit b JG bereits nachgewiesen habe, sodass ihm die Jagdkarte bereits im Jahr 1993 ausgestellt worden sei. Ein Verweigerungsgrund gemäß § 39 Abs 1 lit a JG liege nicht (mehr) vor, wobei die Behörde verpflichtet gewesen wäre, diese Frage auf Grund der neu hervorkommenden Tatsachen, die offenkundig dem Sachverständigen nicht bekannt gewesen seien, neu zu beurteilen. Verweigerungsgründe iSd § 39 Abs 1 lit b bis f JG würden gleichfalls nicht vorliegen. | |
Der von der Behörde im Entziehungsverfahren herangezogene Sachverständige habe ausgeführt, dass dann, wenn hervorkommen sollte, dass auf das Haus des Beschwerdeführers geschossen worden sei, die fachärztliche Stellungnahme neu zu bewerten sein würde. Es sei ja "Verfolgungswahn" diagnostiziert worden, wobei das Gutachten deutlich zum Ausdruck bringe, dass der Anlass für diese gutachterliche Stellungnahme der Umstand gewesen sei, dass der Beschwerdeführer immer davon erzählt hätte, es würde auf sein Haus geschossen. Nachdem die polizeilichen Ermittlungen und damit korrespondierend das gerichtliche Verfahren ergeben hätten, dass tatsächlich auf das Haus des Beschwerdeführers geschossen worden sei, wäre es an der Behörde gelegen gewesen, dieses Sachverständigengutachten ergänzen zu lassen. Wenn die belangte Behörde seinerzeit im Entziehungsverfahren die geistige Eignung durch einen Sachverständigen begutachten habe lassen, so sei sie an diese Vorgabe des Sachverständigen nach wie vor gebunden. Damit sei das Gutachten des Sachverständigen vom als Entscheidungsgrundlage für den vorliegenden Bescheid nicht geeignet, zumal die polizeilichen Ermittlungen und das Verfahren genau dafür Anhaltspunkte gegeben hätten, dass auf das Haus des Beschwerdeführers geschossen worden sei. | |
C. Würdigung | |
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. | |
1. | Zunächst ist festzuhalten, dass die materielle Rechtskraft des Schuldspruches einer verurteilenden Entscheidung eines Strafgerichts bewirkt, dass dadurch (vorbehaltlich einer allfälligen Wiederaufnahme des Strafverfahrens) mit absoluter Wirkung, somit gegenüber jedermann, bindend festgestellt ist, dass die schuldig gesprochene Person die strafbare Handlung entsprechend den konkreten Tatsachenfeststellungen des Strafurteils rechtswidrig und schuldhaft begangen hat. Im Falle einer verurteilenden Entscheidung durch ein Strafgericht besteht daher eine Bindung der Verwaltungsbehörde in der Frage, ob ein gerichtlich zu ahndender Tatbestand erfüllt wurde. Im Falle eines freisprechenden Urteils kommt eine derartige Bindungswirkung aber nicht zum Tragen. Für diesen Fall besteht bezüglich des von der Verwaltungsbehörde festzustellenden maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) keine Bindung an die von einem Strafgericht in einem freisprechenden Urteil getroffenen Feststellungen (vgl dazu etwa , mwH). |
Angesichts des im angefochtenen Bescheid genannten, den Beschwerdeführer (unstrittig) vom Vorwurf des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB mangels Schuldbeweises freisprechenden Urteils des Landesgerichts Ried im Innkreis aus dem Jahr 2008 hatte die Behörde daher im vorliegenden Fall den maßgebenden Sachverhalt eigenständig zu beurteilen, ohne an die in diesem strafgerichtlichen Urteil getroffenen Feststellungen gebunden zu sein. | |
Ausgehend davon kann der Behörde nicht mit Erfolg der Vorwurf gemacht werden, sie hätte den bekämpften Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet, weil im Zuge des gerichtlichen Verfahrens die polizeilichen Erhebungen und damit korrespondierend dieses Verfahren ergeben hätten, dass tatsächlich auf das Haus des Beschwerdeführers geschossen worden wäre. | |
Dass sich aber seit der Erlassung des dem Beschwerdeführer rechtswirksam am zugestellten Bescheides vom , mit dem ihm seine im Jahr 1993 ausgestellte Jagdkarte auf unbestimmte Dauer entzogen wurde, der für die auch vorliegend maßgebliche Beurteilung nach §§ 38 und 39 JG einschlägige Sachverhalt geändert hätte, wurde von der Beschwerde nicht vorgebracht und ist auch sonst nicht ersichtlich. Damit stand dem auf Ausstellung einer Jagdkarte gerichteten Antrag des Beschwerdeführers aus dem August 2011 die schon im rechtskräftigen Entziehungsbescheid getroffene Beurteilung der Behörde entgegen. | |
Bei der gegebenen Sachlage hätten lediglich neue, seit der Erlassung des Entziehungsbescheides eingetretene Umstände zu einer für den Beschwerdeführer anderen Beurteilung auf dem Boden der sowohl für die Entziehung als auch für die vorliegend in Rede stehende Ausstellung einer Jagdkarte maßgeblichen Regelungen nach §§ 38, 39 JG führen können. | |
Schon deshalb erweist sich die Beschwerde als nicht zielführend. | |
3. | Ungeachtet dessen wurde - was lediglich der Vollständigkeit halber anzumerken ist - das in der Beschwerde angesprochene, dem Entziehungsbescheid zugrunde liegende psychiatrische Gutachten nicht nur auf die Frage von auf das Haus des Beschwerdeführers abgegebenen Schüssen, sondern auch auf andere Umstände gestützt. Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten hat der psychiatrische Sachverständige in seinem Gutachten vom - wie sich aus dem im Entziehungsbescheid zitierten Befund aus dem Gutachten des ärztlichen Amtssachverständigen vom ergibt - auch festgehalten, dass der Beschwerdeführer in der Untersuchungssituation im Hintergrund psychotisch gewirkt habe, das Denken teilweise paralogisch gewesen sei und auch Gedankensprünge erfolgt seien. Dazu komme, wie vom medizinischen Amtssachverständigen in seinem Gutachten festgehalten, dass der Beschwerdeführer beim psychiatrischen Sachverständigen angegeben habe, nie ein Alkoholproblem gehabt zu haben, wohingegen der Beschwerdeführer schon vor längerer Zeit alkoholkrank gewesen sei und ein Alkoholentzug stattgefunden habe. Die Angaben bezüglich dieser Krankheit und den Entzug wären für die psychiatrische Begutachtung aber von großer Relevanz gewesen, zumal es sich bei Alkoholabhängigkeit grundsätzlich um eine Krankheit handle, die zwar durch Abstinenz gestoppt, aber nicht geheilt werden könne. |
Angesichts des strengen Maßstabs, der im Interesse der Sicherheit von Personen und Sachen an das Vorliegen der Verlässlichkeit iSd § 38 Abs 1 lit a JG bzw an die Handhabung des Verweigerungsgrundes des § 39 Abs 1 lit a JG anzulegen ist, kann nicht gesagt werden, dass mit dem lediglich auf die Abgabe von Schüssen auf das Haus des Beschwerdeführers gerichteten Beschwerdevorbringen die im Entziehungsbescheid vorgenommene, auf die medizinischen Gutachten gestützte Beurteilung (Feststellungen) derart erschüttert würde, dass sich die in diesem Bescheid getroffene Beurteilung als unzutreffend erweisen würde. Die belangte Behörde hat im Entziehungsbescheid auch schlüssig dargelegt, warum sie den in Rede stehenden medizinischen Sachverständigen und nicht dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Gutachten eines neurologischen Sachverständigen folgte. | |
D. Ergebnis | |
1. | Da die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen vermochte, war sie gemäß § 42 Abs 1 iVm § 79 Abs 11 VwGG als unbegründet abzuweisen. |
2. | Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 (vgl § 79 Abs 11 VwGG und § 3 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl I Nr 8/2014). |
Wien, am |