VwGH vom 22.09.2011, 2009/18/0015
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des S S in H, vertreten durch Mag. Martin Dohnal, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 24, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/322177/2008, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 87, § 86 Abs. 1 sowie § 63 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.
Zur Begründung dieser Maßnahme führte sie im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei am vom Bezirksgericht Hernals wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls und am vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des - im angefochtenen Bescheid näher beschriebenen - Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs gemäß § 146, § 147 Abs. 1 Z. 1 und § 148 erster Satz zweiter Fall StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe (Probezeit drei Jahre) in der Dauer von einem Jahr rechtskräftig verurteilt worden.
Innerhalb der Probezeit sei der Beschwerdeführer neuerlich vom Landesgericht für Strafsachen Wien am wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch gemäß § 127, § 129 Z. 1 und § 130 zweiter Satz zweiter Fall StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren rechtskräftig verurteilt worden, wobei die bedingte Strafnachsicht zum Urteil vom widerrufen worden sei. Diesem Urteil sei zugrunde gelegen, dass der Beschwerdeführer mit Mittätern am in Wien Verfügungsberechtigten eines Unternehmens Bargeld in der Höhe von EUR 7.984,-- sowie eine Digitalkamera und eine Stabtaschenlampe durch Einbruch in ein Gebäude sowie Aufbrechen eines darin befindlichen Tresors gestohlen habe.
Auf Grund dieser Verurteilungen sei der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt. Das diesen zugrunde liegende Verhalten lasse aber auch die Annahme als gerechtfertigt erscheinen, dass die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Republik Österreich durch den Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet werde (vgl. § 86 Abs. 1 fünfter Satz FPG), habe doch der Beschwerdeführer innerhalb von nur drei Jahren insgesamt drei Eigentumsdelikte, von denen zwei als schwerwiegend zu bewerten seien, begangen. Auch wenn die Fremdenpolizeibehörde die Persönlichkeit des Beschwerdeführers eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts zu beurteilen habe, sei doch nicht unerheblich, dass sowohl das Landesgericht für Strafsachen Wien als auch das Oberlandesgericht Wien zuletzt nicht mehr mit einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe das Auslangen gefunden und eine unbedingte zweijährige Freiheitsstrafe verhängt bzw. bestätigt hätten. Dies deute darauf hin, dass eine nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der durch die österreichischen Gesetze geschützten Rechtsgüter angenommen werden müsse, wovon auch aus dem Blickwinkel fremdenpolizeilicher Betrachtung ausgegangen werde. Im Hinblick auf die Schwere der Tathandlungen und deren Wiederholung sowie dem damit verbundenen überaus erheblichen Unrechtsgehalt sei eine positive Verhaltensprognose nicht möglich. Der Beschwerdeführer habe ausreichend Gelegenheit erhalten, sich doch noch auf ein gesetzmäßiges Verhalten im Gastland zu besinnen; diese Chancen habe er jedoch nicht genützt, sondern vielmehr "progressiv" immer schwerere Tathandlungen gesetzt. Daher sei von einer "latent" weiterbestehenden Wiederholungsgefahr auszugehen. Da der Beschwerdeführer derzeit inhaftiert sei, könne ein Prozess allfälliger Besserung und Besinnung auf die rechtlichen Werte im Inland nicht beurteilt werden.
Der Beschwerdeführer halte sich seit dem Jahr 1979 wiederholt längere Zeit in Österreich auf, sei aber immer wieder in seine Heimat gefahren. Zuletzt habe er zwischen und seinen Militärdienst in S geleistet und sei anschließend wieder nach Österreich zurückgekehrt. Im Jahr 1998 sei ihm eine unbefristete Niederlassungsbewilligung erteilt worden. Der Beschwerdeführer sei mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und Vater von zwei Kindern, die ebenfalls österreichische Staatsbürger seien. Vor seiner Inhaftierung habe er Notstandshilfe bezogen. Er weise starke familiäre, aber keine beruflichen Bindungen in Österreich auf. Es sei von einem sehr starken Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers auszugehen, dessen Zulässigkeit im Grunde des § 66 FPG aber trotzdem zu bejahen sei. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit und Allgemeinschädlichkeit der Eigentumskriminalität und der Tatwiederholungen innerhalb kurzer Zeit sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele als dringend geboten zu erachten. Das Fehlverhalten des Beschwerdeführers verdeutliche augenfällig seine Gefährlichkeit für das Eigentum im Bundesgebiet aufhältiger Menschen und das offensichtlich völlige Unvermögen oder den Unwillen, die Rechtsvorschriften des Gastlandes einzuhalten.
Im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 2 FPG sei zu berücksichtigen, dass einer allfälligen aus dem bisherigen Aufenthalt des Beschwerdeführers ableitbaren Integration insofern kein entscheidendes Gewicht zukomme, als die dafür erforderliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt werde. Die privaten Interessen des Beschwerdeführers hätten daher gegenüber den genannten sehr hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten.
II.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Die belangte Behörde hat auf Grund der oben wiedergegebenen - unbestritten gebliebenen - drei strafgerichtlichen Verurteilungen zwischen Februar 2004 und Juni 2007 und den diesen zugrunde liegenden Straftaten des Beschwerdeführers zutreffend gefolgert, dass auf Grund seines zweimaligen Rückfalls (sogar während der Probezeit), im Hinblick auf die gewerbsmäßig ausgeführten Tathandlungen und unter Berücksichtigung des stark ansteigenden Unrechtsgehaltes der vom Beschwerdeführer ausgeübten Straftaten für diesen keine günstige Zukunftsprognose erstellt werden kann. Nach ständiger hg. Rechtsprechung kann ein allfälliger Gesinnungswandel auch nicht am Verhalten in der Strafhaft, sondern nur daran geprüft werden, wie lange sich der Fremde in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. dazu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0394, mwN). Da sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nach wie vor in Haft befunden hat, ist eine längere Zeit des Wohlverhaltens nach der Haftentlassung zu fordern, um eine Prognosebeurteilung zu seinen Gunsten rechtfertigen zu können.
Die Auffassung der belangten Behörde, dass auch die Annahme des § 86 Abs. 1 fünfter Satz FPG gerechtfertigt sei, begegnet demnach keinen Bedenken (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0109, mwN).
Im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 66 FPG weist der Beschwerdeführer - wie bereits während des Verwaltungsverfahrens - auf seine lange Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet, seine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin sowie seine beiden Kinder, die ebenfalls die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, hin. Diese Umstände hat die belangte Behörde jedoch ausreichend berücksichtigt. Seine familiären Bindungen haben den Beschwerdeführer jedoch bereits in der Vergangenheit nicht von der wiederholten Begehung schwerer Straftaten abhalten können. Soweit die Beschwerde vorbringt, auch die Eltern des Beschwerdeführers hielten sich in Österreich auf, widerspricht dies dem Inhalt der Verwaltungsakten, wonach der Beschwerdeführer selbst bei seiner Vernehmung am angegeben hat, seine Eltern lebten in S. Gegenteiliges wurde während des Verwaltungsverfahrens nicht vorgebracht; das diesbezügliche Beschwerdevorbringen widerspricht somit dem Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG).
Nach dem Inhalt der Verwaltungsakten war der Beschwerdeführer sowohl bei seiner Vernehmung im Februar 2007, bei Erlassung des Urteils durch das Landesgericht für Strafsachen Wien im Juni 2007 als auch bei Erlassung des angefochtenen Bescheides ohne Beschäftigung. Allein mit dem - nicht näher spezifizierten - Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer sei "seit 1989 mit wenigen Unterbrechungen einer geregelten Arbeit nachgegangen", kann eine nachhaltige Integration des Beschwerdeführers in den österreichischen Arbeitsmarkt nicht dargetan werden.
Entscheidend ist somit, dass den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich das hohe öffentliche Interesse an der Verhinderung von schwerer gewerbsmäßiger Eigentumskriminalität, wie sie vom Beschwerdeführer verübt wurde, gegenübersteht. Die Trennung von seiner Familie hat der Beschwerdeführer im Hinblick auf sein wiederholtes, sich in seinem Unrechtsgehalt stark gesteigerten und durch die raschen Rückfälle gekennzeichnetes Fehlverhalten im öffentlichen Interesse hinzunehmen.
Soweit die Beschwerde unter Hinweis auf § 61 Z. 4 FPG vorbringt, der Beschwerdeführer halte sich "seit er ein Kind ist in Österreich" auf, ist ihm entgegenzuhalten, dass ein Fremder, der erstmals im Alter von mehr als zehn Jahren in das Bundesgebiet eingereist ist, keinesfalls als "von klein auf im Bundesgebiet aufgewachsen" gilt (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom , mit weiteren Nennungen). Da der Beschwerdeführer erst im Alter von 13 Jahren nach Österreich gekommen ist, kann er sich nicht auf § 61 Z. 4 FPG berufen. Im Übrigen ist die Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes auf Grund seiner Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren auch im Sinn des § 61 Z. 3 FPG nicht unzulässig.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
OAAAE-68199