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VwGH vom 15.01.2008, 2007/15/0170

VwGH vom 15.01.2008, 2007/15/0170

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2007/15/0178 E

2007/15/0219 E

2007/15/0186 E

2007/15/0035 E

2007/15/0185 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kinsky, über die Beschwerde des E K in W, vertreten durch Mag. Hannes Engl, Rechtsanwalt in 4802 Ebensee, Hauptstraße 21, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , GZ RV/0532-L/06, betreffend Familienbeihilfe ab , zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 991,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsbürger. Er stellte im Jahr 2006 einen Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe ab für seine beiden minderjährigen Kinder. Im Antrag gab er an, 2002 nach Österreich eingereist zu sein und seit in Österreich unselbständig beschäftigt zu sein. Dem Antrag ist zu entnehmen, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers im Jahr 2003 nach Österreich eingereist sei.

Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom ab. Personen, die nicht österreichische Staatsbürger seien, hätten nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich gemäß §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, BGBl. Nr. 100/2005 (im Folgenden NAG), rechtmäßig in Österreich aufhielten. Ein diesbezüglicher Nachweis sei vom Beschwerdeführer nicht erbracht worden.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung. Ergänzend zu seinem Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe führte der Beschwerdeführer aus, dass er seit Jänner 2003 entsprechend den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtmäßig unselbständig beschäftigt sei und über eine gültige Arbeitserlaubnis verfüge. Die Finanzierung der Familienbeihilfe erfolge durch Beiträge aller Dienstgeber, die im Inland Dienstnehmer beschäftigen. Dies bedeute, dass auch sein Dienstgeber Beiträge in den Familienlastenausgleichsfonds eingezahlt habe.

Bis zum Inkrafttreten der FLAG-Novelle BGBl. 100/2005 am habe der Beschwerdeführer die Voraussetzungen des § 3 FLAG erfüllt und auch tatsächlich ab 2003 Familienbeihilfe für seine beiden minderjährigen Kinder bezogen.

Der Beschwerdeführer sei seit 2002 als Asylwerber in Österreich. Auch seine 2003 nach Österreich eingereiste Ehefrau habe um Asyl angesucht. Die Asylverfahren seien noch nicht abgeschlossen.

Als türkischer Staatsbürger sei er durch den abweisenden Bescheid des Finanzamtes in seinem Recht auf Familienbeihilfe, in seinen Rechten auf Grund des Beschlusses 1/80 zum Assoziationsabkommen EWG-Türkei sowie der "VO 1408/71" verletzt. Der EuGH habe in zwei Urteilen bereits bestätigt, dass der Beschluss 1/80 des Assoziationsrates unmittelbar anwendbar sei, sodass jede Diskriminierung auf Grund der Staatsbürgerschaft unzulässig sei.

Die belangte Behörde wies die Berufung mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Gemäß § 3 Abs 1 FLAG 1967 in der ab geltenden Fassung BGBl. I Nr. 100/2005 würden Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe haben, wenn sie sich nach den §§ 8 und 9 des NAG rechtmäßig in Österreich aufhielten.

Der Beschwerdeführer habe keinen Aufenthaltstitel nach dieser gesetzlichen Bestimmung. Eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach § 19 AsylG, über welche er verfüge, reiche gemäß der ab geltenden Fassung des § 3 FLAG nicht mehr aus, um einen Anspruch auf Familienbeihilfe zu vermitteln.

Das vom Berufungswerber angeführte Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Türkei sei nicht anwendbar. Der auf Grund dieses Abkommens ergangene Beschluss behandle die Freizügigkeit von Arbeitnehmern und sei nicht für Personen gedacht, die vor der Türkei internationalen Schutz begehrten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Durch das "Fremdenrechtspaket 2005" BGBl. I Nr. 100/2005 hat der Gesetzgeber eine Änderung der Rechtslage auf dem Gebiet des Asyl- und Fremdenrechtes vorgenommen. Im Zuge dieser Reform wurde auch § 3 FLAG 1967 neu gefasst.

§ 3 idF des Pensionsharmonisierungsgesetzes, BGBl. I Nr. 142/2004, (vor der Neufassung durch das Fremdenrechtspaket 2005) lautete auszugsweise:

"§ 3. (1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie im Bundesgebiet bei einem Dienstgeber beschäftigt sind und aus dieser Beschäftigung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder zufolge einer solchen Beschäftigung Bezüge aus der gesetzlichen Krankenversicherung im Bundesgebiet beziehen; ...

(2) Abs. 1 gilt nicht für Personen, die sich seit mindestens sechzig Kalendermonaten ständig im Bundesgebiet aufhalten, sowie für Staatenlose und Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 1997 gewährt wurde."

Artikel 12 des Fremdenrechtspakets 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, lautet auszugsweise:

"Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967

Das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 157/2004, wird wie folgt geändert: ...

2. § 3 lautet:

§ 3 (1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, rechtmäßig in Österreich aufhalten.

(2) Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtmäßig in Österreich aufhalten.

(3) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, gewährt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe. Anspruch besteht auch für Kinder, denen nach dem Asylgesetz 2005 Asyl gewährt wurde.

3. Nach § 54 wird folgender § 55 angefügt:

§ 55. Die §§ 2 Abs. 8 erster Satz und 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 100/2005, treten mit , nach Maßgabe der Übergangsbestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, sowie des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, in Kraft."

Die §§ 73 und 75 AsylG 2005 lauten wie folgt:

"Zeitlicher Geltungsbereich

§ 73. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit in Kraft.

(2) Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 - AsylG), BGBl. I Nr. 76/1997 tritt mit Ausnahme des § 42 Abs. 1 mit Ablauf des außer Kraft.

(3) (Verfassungsbestimmung) § 42 Abs. 1 des Asylgesetzes 1997 tritt mit Ablauf des außer Kraft.

(4) Verordnungen auf Grund dieses Bundesgesetzes können bereits ab dem auf seine Kundmachung folgenden Tag erlassen werden. Sie dürfen jedoch frühestens mit In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes in Kraft gesetzt werden."

"Übergangsbestimmungen

§ 75. (1) Alle am anhängigen Verfahren sind nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen.

§ 44 AsylG 1997 gilt. Die §§ 24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Behörde zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem verwirklicht wurde. § 57 Abs. 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.

(2) Ein nach dem Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl - Asylgesetz 1991, BGBl. Nr. 8/1992, eingestelltes Verfahren ist bis zum nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1991 fortzusetzen und gilt als anhängiges Verfahren im Sinne des Abs. 1. Ein nach dem AsylG 1997 eingestelltes Verfahren ist bis zum nach den Bestimmungen des AsylG 1997 fortzusetzen und gilt als anhängiges Verfahren im Sinne des Abs. 1.

(3) Karten nach dem AsylG 1997 behalten ihre Gültigkeit bis zum vorgesehenen Zeitpunkt.

(4) Ab- oder zurückweisende Bescheide auf Grund des Asylgesetzes, BGBl. Nr. 126/1968, des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, sowie des Asylgesetzes 1997 begründen in derselben Sache in Verfahren nach diesem Bundesgesetz den Zurückweisungstatbestand der entschiedenen Sache (§ 68 AVG).

(5) Einem Fremden, dem am die Flüchtlingseigenschaft zugekommen ist, gilt, soweit es zu keiner Aberkennung oder keinem Verlust der Flüchtlingseigenschaft gekommen ist, der Status des Asylberechtigten als zuerkannt.

(6) Einem Fremden, dem am eine befristete Aufenthaltsberechtigung nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1991 oder des AsylG 1997 zugekommen ist, gilt der Status des subsidiär Schutzberechtigten als zuerkannt."

In den Übergangsbestimmungen des Asylgesetzes 2005 wird somit angeordnet, dass Asylverfahren, die am bereits anhängig waren, noch nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu Ende zu führen sind (§ 75 Abs 1 Asylgesetz 2005). § 55 FLAG verknüpft das Inkrafttreten des § 3 FLAG in der Fassung des Fremdenrechtspaketes 2005 mit den Übergangsbestimmungen des NAG und jenen des Asylgesetzes 2005.

§ 55 FLAG ist dahingehend zu verstehen, dass § 3 FLAG in der Fassung des Fremdenrechtspaketes 2005 für Personen, denen gegenüber gemäß § 75 Asylgesetz 2005 das Asylverfahren noch nach dem AsylG 1997 abgeführt wird, auch für Zeiträume ab nicht anzuwenden ist. Für diesen Personenkreis kommt daher § 3 FLAG - unbeschadet der durch BGBl. I Nr. 168/2006, mit Wirkung ab vorgenommenen Änderungen - zunächst noch in der Fassung des Pensionsharmonisierungsgesetzes, BGBl. I Nr. 142/2004, zur Anwendung.

Im gegenständlichen Fall steht fest, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2002 einen Asylantrag gestellt hat und das Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Der Beschwerdeführer ist seit Jänner 2003 in Österreich als Dienstnehmer beschäftigt und verfügt über eine entsprechende Arbeitserlaubnis.

Im Hinblick auf das am anhängige Asylverfahren war daher § 3 FLAG noch in der Fassung des Pensionsharmonisierungsgesetzes BGBl. I Nr. 142/2004 anzuwenden.

Da die belangte Behörde sohin in Bezug auf das Inkrafttreten des § 3 FLAG in der Fassung BGBl. I Nr. 100/2005 die Rechtslage verkannt hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet und war somit gem. § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl II Nr. 333/2003.

Wien, am