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VwGH vom 15.11.2012, 2009/17/0278

VwGH vom 15.11.2012, 2009/17/0278

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2009/17/0279 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler, die Hofrätin Dr. Zehetner sowie den Hofrat Dr. Sutter als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde der S GmbH in K, vertreten durch Dr. Josef Hofer und Mag. Dr. Thomas Humer, Rechtsanwälte in 4600 Wels, Ringstraße 4, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom , Zl. BMLFUW-LE.4.3.2/0045-I/2/2009, betreffend Agrarmarketingbeitrag für Wein, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Die Beschwerdeführerin handelt mit Wein und exportiert diesen "offen im Tankzug". Für das Inverkehrbringen von Wein wurden ihr mit Bescheid der Agrarmarkt Austria (AMA) vom Agrarmarketingbeiträge für das

1. bis 4. Quartal 2006 sowie für das 1. Quartal 2007 sowie ein Erhöhungsbetrag von insgesamt EUR 21.364,91 unter Hinweis auf § 21c Abs. 1 Z 9 AMA-G vorgeschrieben.

1.2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die von der Beschwerdeführerin dagegen erhobene Berufung von der belangten Behörde abgewiesen.

1.3. Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, die unter Hinweis auf ein Gutachten eine Unionsrechtswidrigkeit und insofern eine Rechtswidrigkeit des Inhalts des angefochtenen Bescheides geltend macht.

Begründend wird ausgeführt, dass die Abgabepflicht von Wein, der in Behältnissen über 50 Liter verbracht werde (Fasswein), abhängig vom Vorliegen eines Grenzübertritts unterschiedlich geregelt sei.

So werde nicht jeder Wein, der in Behältnissen über 50 Liter verbracht werde, letztlich auch in einer die Beitragspflicht auslösenden Qualitätsstufe (dh als Tafelwein, Landwein oder Qualitätswein) abgefüllt. Werde Fasswein daher in einer Art und Weise verarbeitet, dass er nicht mehr einer dieser drei Qualitätsklassen entspreche, und anschließend in Behältnisse bis zu 50 Liter abgefüllt, so entstehe im Inlandsfall keine Beitragspflicht, weil der allgemeine Beitragstatbestand ausschließlich auf das Inverkehrbringen von Wein in Behältnissen bis zu 50 Liter abstelle.

Anderes gelte jedoch für grenzüberschreitende Sachverhalte. Für diese stelle das AMA-G 1992 zusätzlich bereits allein auf die Verbringung des Weins in Behältnissen mit einem Inhalt über 50 Liter außerhalb des Bundesgebiets ab. Die Beitragspflicht entstehe somit bereits mit dem Grenzübertritt, ohne dass es noch auf das Abfüllen des Weins in entsprechender Qualitätsstufe (etwa in späteren Verarbeitungsschritten im Ausland) ankäme. Damit würden nun aber auch Erzeugnisse mit einer Beitragspflicht belegt, die bei entsprechender Verarbeitung im Inland nicht beitragspflichtig wären, weil sie nicht den drei Qualitätsstufen entsprächen. Beispielsweise unterlägen Grundweine, wenn sie in die Sektherstellung in Österreich eingingen, nicht der Beitragspflicht. Gleiches gelte auch für die Verarbeitung zu Essig.

Da diese Regelung des AMA-Gesetzes 1992 sohin zwischen im Inland verbleibenden und ausgeführten Erzeugnissen unterscheide und allein letztere aus Anlass des Grenzübertritts einer Beitragspflicht unterstelle, liege eine gemeinschaftsrechtlich verbotene Abgabe mit zollgleicher Wirkung vor und werde die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Schutz und Einhaltung des Verbotes von Zöllen und Abgaben gleicher Wirkung gemäß Art. 25 EG verletzt.

Lediglich subsidiär für den Fall, dass der Gerichtshof in der einseitigen Belastung der grenzüberschreitenden Verbringung von Fasswein keine Abgabe zollgleicher Wirkung im Sinne des Art 25 EG erblicke, macht die Beschwerde im Hinblick auf Art 90 EG geltend, dass ein diskriminierender Ausgleich der Belastungswirkung zu Gunsten inländischer bzw im Inland abgefüllter Erzeugnisse vorliege. Sie bezweifelt dabei, dass die Vorteile aus der Verwendung des AMA-Marketingbeitrages dem Fassweinexport gleichermaßen zugutekämen, was allerdings erst einer "äußerst komplexe(n) Analyse" bedürfe. Insofern macht die Beschwerde daher Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, weil die belangte Behörde nicht ausreichend untersucht habe, ob die Vorteile aus dem Gebührenaufkommen der inländischen Weinproduktion stärker zu Gute kämen als dies für den ausgeführten Wein der Fall sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

2.1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des AMA-Gesetz 1992, BGBl. Nr. 376 in der Fassung vor dem Agrarrechtsänderungsgesetz 2007, BGBl. I Nr. 55/2007 lauten auszugsweise:

"Begriffsbestimmungen

§ 21b. Im Sinne dieses Abschnitts sind:

15. Wein: Tafelwein, Landwein und Qualitätswein im Sinne des Weingesetzes 1999, BGBl. I Nr. 141/1999.

Beitragsgegenstand

§ 21c. (1) Bei (…)

9. erstmaligem Inverkehrbringen von Wein in Behältnissen mit einem Inhalt bis zu 50 Liter sowie in Behältnissen mit einem Inhalt über 50 Liter, soweit diese außerhalb des Bundesgebietes verbracht werden,

ist nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen ein Beitrag zu entrichten."

2.2. Gemäß Art 25 EG (nunmehr Art 30 AEUV) sind "Ein- und Ausfuhrzölle oder Abgaben gleicher Wirkung … zwischen den Mitgliedstaaten verboten. Dieses Verbot gilt auch für Finanzzölle".

2.3. Im Beschwerdefall ist strittig, ob eine uneingeschränkte abgabenrechtliche Belastung von Fassweinexport ungeachtet späterer Verarbeitungsschritte im Ausland gegen Art 25 EG verstößt, wenn diese Verarbeitungsschritte im Inlandsfall eine Beitragspflicht ausschließen würden.

2.4. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2008/17/0035, zur grundsätzlichen Vereinbarkeit des AMA-Beitrages mit dem Unionsrecht Stellung genommen. Dabei hat er ausgesprochen, dass die zusätzliche Anknüpfung der Beitragspflicht an das erstmalige Inverkehrbringen von Wein in Behältnissen mit einem Inhalt über 50 Liter im Auslandsverbringungsfall ("Fassweinexport") neben der allgemeinen Anknüpfung der Beitragspflicht an das erstmalige Inverkehrbringen von Wein in Behältnissen mit einem Inhalt bis zu 50 Liter grundsätzlich nicht gegen Unionsrecht verstößt.

Begründend hat der Verwaltungsgerichtshof darauf hingewiesen, dass es sich bei der Vorschreibung von Agrarmarketingbeiträgen für den Fassweinexport insofern um keine Erhebung einer Abgabe aus Anlass des Grenzübertritts im Sinne der Rechtsprechung des EuGH handelt, als bei der Vermarktung im Inland ja das erstmalige Inverkehrbringen von Wein in Behältnissen mit einem Inhalt bis zu 50 Liter ohnedies der Beitragspflicht gemäß § 21c Abs. 1 Z 9 erster Tatbestand AMA-Gesetz 1992 unterliegt und es dadurch auch für den im Inland vermarkteten Wein jedenfalls zu einer Einhebung des Beitrags kommt.

Auch die Ausführungen der Beschwerde und des darin wiedergegebenen Rechtsgutachtens stützen diese Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes, wenn sie auf die Rechtsprechung des EuGH in der Rs Nygard hinweisen. In diesem Fall wurde eine Abgabe nach identischen Merkmalen einerseits auf die in einem Mitgliedstaat zum Zweck der Schlachtung im Inland oder zum Zweck der Lebendausfuhr in andere Mitgliedstaaten erzeugten Schweine erhoben, wobei einerseits die lebend ausgeführten Schweine im Zeitpunkt der Ausfuhr und andererseits die zur Schlachtung im Inland bestimmten Schweine im Zeitpunkt der Lieferung zum Zweck der Schlachtung besteuert wurden. Diese beiden Zeitpunkte würden aber - so der EuGH - in der wirtschaftlichen Realität derselben Handelsstufe entsprechen, nämlich der Herausnahme der Schweine aus der inländischen Primärerzeugung: Wenn der Ausführer nicht zugleich der Erzeuger sei, sei nämlich davon auszugehen, dass die Abgabe in der wirtschaftlichen Realität berücksichtigt werde, wenn der Preis der Tiere beim Kauf vom Erzeuger festgelegt werde, so dass sie letztlich auf diesen abgewälzt wird. Daher belaste die streitige Abgabe den Primärerzeuger ungeachtet dessen, dass auf Verwaltungsebene unterschiedliche Wirtschaftsteilnehmer zu ihrer Erhebung und zu ihrer Abführung an den Fonds verpflichtet sein könnten (vgl. , Nygard, Rz 30 ff).

Der AMA-Beitrag stellt in gleicher Weise auf die Herausnahme des Weins aus der inländischen Primärerzeugung ab.

2.5. Im Beschwerdefall wendet sich die Beschwerdeführerin nun allerdings nicht gegen die Vorschreibung eines AMA-Beitrags auf Fassweinexport an sich, sondern behauptet eine Ungleichbehandlung von Auslands- und Inlandsabsatz im Lichte des Art 25 EG dahingehend, dass aufgrund des besonderen zusätzlichen Beitragstatbestandes für den Fassweinexport die für den Inlandsabsatz bestehenden Ausnahmen von der Beitragspflicht von der belangten Behörde für den Fassweinexport nicht gewährt worden seien.

Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerde im Recht.

2.6. Wie oben bereits ausgeführt hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2008/17/0035, dargelegt, dass es sich bei der Vorschreibung von Agrarmarketingbeiträgen insofern um keine Erhebung einer Abgabe aus Anlass des Grenzübertritts im Sinne der Rechtsprechung des EuGH handle, als es auch für den im Inland vermarkteten Wein jedenfalls zu einer Einhebung des Beitrags kommt.

Wenn die Beschwerde nun aufzeigt, dass dies hinsichtlich von Weinlieferungen für die Sekt- oder Essigverarbeitung nicht der Fall sei und es beim diesbezüglichen Fassexport daher durch den Beitragstatbestand des § 21c Abs. 1 Z 9 zweiter Tatbestand AMA-Gesetz 1992 zu einer ausschließlichen Beitragspflicht von Wein, der ins Ausland verbracht wird, komme, so bestünde darin sehr wohl eine von der belangten Behörde aufzugreifende Unionsrechtswidrigkeit.

2.7. Allerdings lässt das nationale Recht diesbezüglich bereits eine gemeinschaftsrechtskonforme (nunmehr: unionsrechtskonforme) Auslegung zu: Das AMA-Gesetz 1992 spricht in § 21c Abs. 1 Z 9 vom "erstmalige(n) Inverkehrbringen von Wein" und definiert "Wein" in § 21b Z 15 als "Tafelwein, Landwein und Qualitätswein im Sinne des Weingesetzes 1999, BGBl. I Nr. 141/1999". In unionsrechtskonformer Auslegung wird beim Fassweinexport gemäß § 21c Abs 1 Z 9 zweiter Tatbestand AMA-Gesetz 1992 dann kein "Wein" im Sinne der obigen Definition erstmals "in Verkehr gebracht", wenn die verbrachte Flüssigkeit gar nicht zur Abfüllung als "Tafelwein, Landwein und Qualitätswein im Sinne des Weingesetzes 1999, BGBl. I Nr. 141/1999" bestimmt ist.

Es besteht daher kein Raum für eine Beitragserhebung, wenn die Verbringung von Fasswein ins Ausland nachweisbar zu solchen Zwecken erfolgt, die im Inland nicht beitragspflichtig wären, also wenn der Fasswein etwa zur Essig- oder Sektproduktion bestimmt ist.

Die Bestimmung des Fassweins kann dabei vom Ausfuhrunternehmen beispielsweise an Hand entsprechender Verwendungsauflagen in den Vertragsbedingungen des Liefergeschäftes und allenfalls einer vereinbarten Endverbrauchsdokumentation nachgewiesen werden. Solche Auflagen können mit dem Abnehmer schon beim Vertragsabschluss vertraglich vereinbart werden.

Durch diese Auslegung des § 21c Abs. 1 Z 9 zweiter Tatbestand AMA-Gesetz 1992 entsteht dem Ausfuhrunternehmen auch kein Liquiditätsnachteil, weil es bei entsprechendem Bestimmungsnachweis von Vornherein keiner Beitragspflicht unterliegt.

2.8. Da die belangte Behörde dies verkannte und aus diesem Grund keine näheren Feststellungen hinsichtlich der Bestimmung des verbrachten Fassweins getroffen hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, zumal es sich beim geltend gemachten subjektiven Recht nicht um ein "civil right" im Sinn des Art 6 EMRK handelt und der Beschwerde ohnedies Folge gegeben worden ist.

2.9. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
TAAAE-68167