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VwGH vom 14.12.2012, 2012/02/0274

VwGH vom 14.12.2012, 2012/02/0274

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Beck und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde der H in G, vertreten durch Dr. Kurt Fassl, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grieskai 10/3, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. FA18E-13- 398/2009-20, betreffend Entziehung eines Ausweises nach § 29b Abs. 1 StVO 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Zur Vorgeschichte in diesem Verfahren wird auf das Erkenntnis vom , Zl. 2010/02/0107, verwiesen, mit dem der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid der belangten Behörde vom , auf Grund dessen der Beschwerdeführerin ein Ausweis nach § 29b Abs. 1 StVO 1960 entzogen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben hat, weil den Feststellungen des dort angefochtenen Bescheides nicht entnommen werden konnte, ob die Beeinträchtigungen der Beschwerdeführerin so beschaffen sind, dass die Fähigkeit zum Zurücklegen einer Strecke von mehr als 300 m ohne überdurchschnittliche Kraftanstrengung und ohne große Schmerzen im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gegeben ist.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Entziehung des am der Beschwerdeführerin ausgestellten Gehbehindertenausweises durch die erstinstanzliche Behörde bestätigt und die Berufung der Beschwerdeführerin - neuerlich - abgewiesen.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, im fortgesetzten Verfahren seien neuerlich Gutachten eingeholt worden, nach denen der Beschwerdeführerin ein freies Gehen möglich sei, wobei eine Schmerzhemmung klinisch nicht verifizierbar gewesen sei. Eine Strecke von 300 m könne die Beschwerdeführerin mittels Absatzausgleiches im rechten Schuh ohne Pause und ohne sonstige Hilfsmittel zurücklegen. Die vorliegenden degenerativen Veränderungen führten zu keiner nennenswerten Funktionseinschränkung hinsichtlich des Gehvermögens. Die beigebrachten Befunde der Beschwerdeführerin beschrieben die entsprechenden degenerativen Veränderungen, welche sich aber erst in einem Anfangsstadium befänden und daher lediglich gering ausgeprägt seien. Die Angaben der Beschwerdeführerin und die von der Gutachterin erstellten Untersuchungsbefunde sprächen gegen eine Gehbehinderung im Sinne des § 29b StVO 1960.

In der rechtlichen Beurteilung kommt die belangte Behörde zu dem Schluss, dass die Beschwerdeführerin die Strecke von 300 m ohne überdurchschnittliche Kraftanstrengung und ohne große Schmerzen zurücklegen könne, weshalb die von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien für eine Entziehung des Ausweises nach § 29b StVO 1960 als erfüllt anzusehen seien. Die genannte Bestimmung sehe vor, dass gerade bei Wegfall der dauernd starken Gehbehinderung der Ausweis vom Inhaber an die Behörde zurück zu geben sei. Die Ablieferungspflicht setze aber eine wesentliche Besserung des Leidenszustandes voraus, die nach ärztlicher Begutachtung festzustellen sei. Wie aus der ergänzenden ärztlichen Stellungnahme vom ersichtlich sei, seien in den 80er Jahren die medizinischen Gutachten bzw. Stellungnahmen eher kurz gefasst gewesen, was zur Folge habe, dass damals kein detaillierter Untersuchungsbefund und auch keine umfassende Beschreibung des Gehvermögens stattgefunden habe. Trotzdem könne in Verbindung mit dem aktuell festgestellten medizinischen Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin der logische Schluss gezogen werden, dass sich ihr Gesundheitszustand insgesamt soweit gebessert haben müsse, dass derzeit von keiner dauernd starken Gehbehinderung auszugehen sei, da ansonsten im Jahre 1983 gerade kein Ausweis ausgestellt worden wäre. Da also der Gesundheitszustand im Jahre 1983 so schlecht gewesen sei, dass die Beschwerdeführerin damals als dauernd stark gehbehindert eingestuft habe werden müssen und nunmehr nach neuerlicher medizinischer Begutachtung als nicht dauernd stark gehbehindert eingestuft worden sei, sei von einer wesentlichen Besserung des Leidenszustandes auszugehen. Die Behörde könne auch solche Ausweise einziehen, die aus einer Zeit stammten, in der eine amtswegige Einziehung gesetzlich noch nicht vorgesehen gewesen sei, wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Fall aufgezeigt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Vor der am in Kraft getretenen 20. StVO Novelle, BGBl. I Nr. 92/1998, war der in Rede stehenden Ausweis in § 29b Abs. 4 StVO 1960 wie folgt geregelt:

"(4) Die Behörde hat Personen, die dauernd stark gehbehindert sind, auf deren Ansuchen einen Ausweis über diesen Umstand auszufolgen. Sofern die gehbehinderte Person selbst ein Kraftfahrzeug lenkt, ist auf dem Ausweis das kraftfahrrechtliche Kennzeichen des betreffenden Fahrzeuges gut sichtbar anzubringen, sonst ein Vermerk, daß von der gehbehinderten Person selbst kein Fahrzeug gelenkt wird. Inhalt und Form des Ausweises hat der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr durch Verordnung zu bestimmen. Bei Wegfall der dauernd starken Gehbehinderung ist der Ausweis vom Antragsteller der ausstellenden Behörde unverzüglich abzuliefern."

Die infolge der genannten Novelle maßgebliche Regelung findet sich in § 29b Abs. 1 StVO 1960 und lautet in der nunmehr anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 52/2005 (21. StVO Novelle), in der lediglich die Bezeichnung des für Inhalt und Form des Ausweises zuständigen Bundesministers in Bezug auf die 20. StVO Novelle geändert wurde:

"(1) Die Behörde hat Personen, die dauernd stark gehbehindert sind, auf deren Ansuchen einen Ausweis über diesen Umstand auszufolgen. Inhalt und Form des Ausweises hat der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie durch Verordnung zu bestimmen. Bei Wegfall der dauernd starken Gehbehinderung ist der Ausweis vom Inhaber der ausstellenden Behörde unverzüglich abzuliefern; kommt der Inhaber dieser Verpflichtung nicht nach, so hat die Behörde den Ausweis zu entziehen."

Der Gesetzesbegriff der starken Gehbehinderung im Sinne des § 29b Abs. 1 StVO 1960 stellt darauf ab, ob die betreffende Person in einer als gehend zu qualifizierenden Weise ohne Aufwendung überdurchschnittlicher Kraftanstrengung und ohne große Schmerzen eine bestimmte Wegstrecke zurücklegen kann. Ist sie dazu in der Lage, so wird eine festgestellte Gehbehinderung nicht als schwer im Sinne des Gesetzes anzusehen sein. Die Fähigkeit zum Zurücklegen einer Strecke von mehr als 300 m ohne überdurchschnittliche Kraftanstrengung und ohne große Schmerzen schließt eine starke Gehbehinderung im Sinne des Gesetzes aus, wobei der Umstand, dass dies nur mit Hilfsmitteln (wie etwa einem Gehstock oder orthopädischen Schuhen) möglich ist, die Behinderung nicht zu einer schweren macht (vgl. das erwähnte Vorerkenntnis vom , mit Hinweis auf Judikatur aus jüngerer Zeit).

Vor dem Hintergrund der nunmehr im angefochtenen Bescheid festgestellten Fähigkeit der Beschwerdeführerin, eine Strecke von mehr als 300 m ohne überdurchschnittliche Kraftanstrengung und ohne große Schmerzen mittels Absatzausgleichs im rechten Schuh ohne Pause und sonstige Hilfsmittel zurücklegen zu können, hat die belangte Behörde zutreffend den rechtlichen Schluss gezogen, dass eine dauernde starke Gehbehinderung im Sinne des § 29b Abs. 1 StVO 1960 nicht vorliegt.

In der Beschwerde wird - offenbar unter dem Aspekt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit - vorgebracht, ein vor Inkrafttreten der 20. StVO Novelle ausgestellter Ausweis gemäß § 29b StVO 1960 (hier am ) könne nicht nach der auf Grund dieser Novelle dann in Geltung gesetzten Regelung des Abs. 1 letzter Satz leg. cit. entzogen werden. Für ihre Rechtsansicht führte die Beschwerdeführerin die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 98/02/0266 und vom , Zl. 2005/02/0256, ins Treffen.

Allerdings stützen die von der Beschwerdeführerin angeführten Erkenntnisse die von ihr vertretene Rechtsmeinung nicht. In beiden Fällen ist - so wie im Beschwerdefall - von einem nach der Rechtslage vor der am in Kraft getretenen 20. StVO Novelle, BGBl. I Nr. 92/1998, ausgestellten Ausweis auszugehen. Während im erstgenannten Erkenntnis diese Rechtslage auch noch anzuwenden ist, hat der Verwaltungsgerichtshof im zweiten Fall bei Anwendung der neuen Rechtslage im Fall eines davor ausgestellten Ausweises ebenfalls nicht die von der Beschwerdeführerin vertretene Rechtsansicht ausgesprochen.

Da sich in der genannten 20. StVO Novelle auch keinerlei Übergangsbestimmungen zur Neufassung des § 29b StVO 1960 finden, ist die belangte Behörde zutreffend von der zur Zeit der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Sach- und Rechtslage ausgegangen (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2 zu § E 273 ff zu § 56 AVG zitierte hg. Judikatur). Dies war im Beschwerdefall die Rechtslage auf Basis der 21. StVO Novelle.

Die Beschwerdeführerin behauptet weiter, dass eine Entziehung des Ausweises nur dann gerechtfertigt gewesen wäre, wenn sich ihr Gesundheitszustand seit dem Zeitpunkt der Ausstellung des Ausweises im Jahr 1983 wesentlich gebessert hätte.

Soweit die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang auf Details des medizinischen Gutachtens eingeht, ist sie auf die unbekämpft gebliebenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid zu verweisen. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid auch festgestellt, dass aus der Zeit der Ausstellung des Ausweises kein detaillierter Untersuchungsbefund und auch keine umfassende Beschreibung des Gehvermögens stattgefunden habe und aus dem aktuell festgestellten Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin der Schluss gezogen werden müsse, dass sich ihr Zustand derart gebessert habe, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung des Ausweises weggefallen sind.

§ 29b Abs. 1 StVO 1960 in der hier anzuwendenden Fassung stellt auf den Wegfall der dauernd starken Gehbehinderung und nicht auf die wesentliche Besserung des Leidenszustandes seit Ausstellung des Ausweises ab. Die belangte Behörde hat demnach zurecht anhand des Zustandes der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Entscheidung die Entziehung des Ausweises verfügt.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

Fundstelle(n):
LAAAE-68148