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VwGH vom 17.02.2010, 2009/17/0254

VwGH vom 17.02.2010, 2009/17/0254

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2009/17/0256

2009/17/0255

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerden jeweils des M M in W, 1. im hg. Verfahren Zl. 2009/17/0254 vertreten durch Mag. Heinrich Foglar-Deinhardstein, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Parkring 2, 2. im hg. Verfahren Zl. 2009/17/0255 vertreten durch Mag. Georg R. Foidl, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Ungargasse 53, und 3. im hg. Verfahren Zl. 2009/17/0256 vertreten durch Dr. Maximilan Eiselsberg, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Lothringerstraße 16, gegen die Bescheide je des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien, jeweils vom , 1. Zl. UVS-05/KV/45/7277/2009-2, 2. Zl. UVS- 05/KV/45/7276/2009-2 und 3. Zl. UVS-05/KV/45/7278/2009-2, jeweils betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheiten Übertretung des Wiener Parkometergesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren im hg. Verfahren Zl. 2009/17/0255 wird abgewiesen.

Begründung

Mit den erstinstanzlichen Bescheiden jeweils vom waren über den Beschwerdeführer wegen Übertretung des § 2 des (Wiener) Parkometergesetzes 2006 (hg. Verfahren Zl. 2009/17/0254 und Zl. 2009/17/0256) bzw. wegen Übertretung des § 5 Abs. 2 der (Wiener) Parkometerabgabeverordnung (hg. Verfahren Zl. 2009/17/0255) Geldstrafen in der Höhe von je EUR 55,-- verhängt worden.

Die Zustellung der erstinstanzlichen Bescheide erfolgte jeweils am .

Am letzten Tag der Berufungsfrist langten bei der Behörde erster Instanz E-Mails mit folgenden Texten ein:

1. Hg. Verfahren Zl. 2009/17/0254 und ebenso im hg. Verfahren Zl. 2009/17/0256:

"Gegen das Straferkenntnis ... erhebe ich keine BERUFUNG.

Die Lenkeranfrage wurde zwar ordnungsgemäß zugestellt, das ist unbestritten, jedoch war die Lenkeranfrage nicht gesetzeskonform.

Da es sich um eine komplizierte Rechtsfrage handelt und ich nicht in der Lage bin, die Kosten für einen Rechtsanwalt zu bezahlen, stelle ich den Antrag auf Beigebung eines Verteidigers."

2. Hg. Verfahren Zl. 2009/17/0255:

"Gegen das Straferkenntnis ... erhebe ich keine BERUFUNG.

Das KFZ mit dem KZ ... war angeblich am um

20.11 Uhr in 1030 Wien, ... abgestellt. Erstens habe ich das KFZ nicht abgestellt, zweitens ist die Ausweitung der Kurzparkzone von 20.00 auf 22.00 völlig unbegründet. In dieser Gegend gibt es weder Gastronomiebetriebe, noch Kinos oder andere Vergnügungsstätten, die Leute aus anderen Stadtteilen in diese Gegend locken würden und dadurch die Parkplätze für die Anwohner knapp werden. Nur eine derartige Situation würde die Ausweitung der Kurzparkzone auf 22.00 Uhr rechtfertigen.

Es ist vielmehr so, dass es sich um eine reine Wohngegend handelt und das schon ab ca. 19.00 Uhr kaum Veränderungen in der Parkplatzsituation wahrnehmbar sind. Nach 20.00 Uhr bewegt sich praktisch fast kein Fahrzeug mehr und ist daher die Kurzparkzone bis 22.00 Uhr völlig unnötig.

Ich gehe davon aus, dass die einzige Möglichkeit der Prüfung, ob die Ausweitung der Kurzparkzone gerechtfertigt ist, durch den Verfassungsgerichtshof erfolgen kann.

Ich stelle daher den Antrag auf Beigebung eines Verteidigers."

Mit Bescheiden jeweils vom wies die belangte Behörde die als Anträge auf Beigebung eines Verfahrenshelfers aufgefassten Begehren ab.

Nunmehr erhob der Beschwerdeführer Berufung gegen die jeweilige Tatanlastung.

Mit den vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheiden wies die belangte Behörde die Berufungen jeweils gemäß § 66 Abs. 4 in Verbindung mit § 63 Abs. 4 AVG und § 24 VStG als unzulässig zurück.

Sie begründete diese Entscheidungen im Wesentlichen übereinstimmend damit, der Beschwerdeführer habe "in seinem Antrag gemäß § 51a VStG" eindeutig und unmissverständlich erklärt, gegen das Straferkenntnis keine Berufung zu erheben. Da der Beschwerdeführer seit 1993 in knapp 150 Fällen in den unterschiedlichsten Materiengesetzen Rechtsmittel an die belangte Behörde herangetragen und dabei ausgezeichnete Kenntnisse auf dem Gebiet des AVG und des VStG erkennen habe lassen, bestehe nicht der geringste Zweifel daran, dass ihm der Erklärungswert und die Tragweite seines Rechtmittelverzichtes allenfalls nicht bewusst gewesen wären.

Der Beschwerdeführer bekämpft diese Bescheide vor dem Verwaltungsgerichtshof jeweils wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des jeweiligen Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine gemeinsame Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerdeverfahren verbunden und über die Beschwerden erwogen:

Gemäß § 63 Abs. 4 AVG (diese Bestimmung gilt gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren) ist eine Berufung nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Berufung verzichtet hat. Der Berufungsverzicht ist somit eine von der Partei vorgenommene Prozesshandlung, der die Wirkung anhaftet, dass eine von der Partei eingebrachte Berufung einer meritorischen Erledigung nicht zugeführt werden darf. Allerdings ist das Vorliegen eines Berufungsverzichtes besonders streng zu prüfen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2004/02/0230 und vom , Zl. 2005/02/0049). Die Annahme, eine Partei ziehe die von ihr erhobene Berufung zurück oder verzichte auf die Einbringung eines Rechtsmittels, ist nur dann zulässig, wenn die entsprechende Erklärung keinen Zweifel daran offen lässt; maßgebend ist daher das Vorliegen einer in dieser Richtung eindeutigen Erklärung (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/10/0360, mit weiteren Nachweisen).

In den hier zu beurteilenden Beschwerdefällen hat der Beschwerdeführer zwar jeweils zunächst erklärt, keine Berufung zu erheben. Er hat aber in der Folge gleichfalls jeweils nach weiteren Ausführungen die Beigebung eines Rechtsanwaltes begehrt. Damit durfte die belangte Behörde - die im Übrigen dieses Vorbringen als Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshelfers auffasste und darüber meritorisch entschied - nicht mehr davon ausgehen, dass eine eindeutige Erklärung über einen Berufungsverzicht vorliege, wäre doch ansonsten - wenn schon nicht das weitere Vorbringen, so doch - das Begehren auf Beigebung eines Rechtsanwaltes unverständlich gewesen. Die belangte Behörde hätte daher den Beschwerdeführer jeweils zumindest zu einer Konkretisierung seines Begehrens aufzufordern gehabt. Dadurch dass sie dies verkannte, belastete sie die angefochtene Bescheide mit Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes, weshalb diese gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben waren.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das Mehrbegehren im hg. Verfahren Zl. 2009/17/0255 (infolge Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht entrichtete Gebühr, Barauslagen) findet in diesen Vorschriften keine Deckung.

Wien, am