VwGH vom 29.01.2013, 2012/02/0226

VwGH vom 29.01.2013, 2012/02/0226

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Beck und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des L in B, Niederlande, vertreten durch Dr. Bruno Binder, Dr. Josef Broinger, Mag. Markus Miedl und Mag. Klaus F. Lughofer LL.M., Rechtsanwälte in 4020 Linz, Khevenhüllerstraße 12, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, Außenstelle Mistelbach, vom , Zlen. Senat-AM-12-2002, Senat-AM- 12-2003 (weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), betreffend Übertretungen tierschutzrechtlicher Bestimmungen, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird in der Hauptsache als unbegründet abgewiesen.

Hinsichtlich der Kostenentscheidung wird der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 3a VwGG wie folgt abgeändert:

Der Berufungswerber hat hinsichtlich des Spruchpunktes V. des angefochtenen Bescheides einen weiteren Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens in Höhe von EUR 400,-- zu leisten, somit einen Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens (unter Berücksichtigung der Kosten hinsichtlich der Spruchpunkte III., VI. und VIII. von je EUR 75,--) von insgesamt EUR 625,--.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte in dieser Rechtssache wird auf das Erkenntnis vom , Zl. 2011/02/0284, verwiesen, mit dem der Verwaltungsgerichtshof den dort angefochtenen Bescheid mit Ausnahme des dortigen Spruchpunktes II.2. wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben hat.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde "über diese Berufung - soweit sie sich gegen die Spruchpunkte I. bis VI. und VIII. (einschließlich des Verfallsausspruchs) richtet - wie folgt entschieden:

SPRUCH

Der Berufung wird gemäß § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, dahingehend Folge gegeben, dass


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die Spruchpunkte I., II. und VI. aufgehoben werden und insoweit gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG die Einstellung des Strafverfahrens verfügt wird.
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die Tatumschreibung des Spruchpunktes V. zu lauten hat: 'Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit außenvertretungsbefugtes Organ der Geflügelhof Latschenberger GmbH zu verantworten, dass von 10:30 Uhr bis deren Tierhaltungsbetrieb im Standort 3353 Seitenstetten, Treffling 202 (vormals Dorf 182) rund 55254 Legehennen in vor dem gebauten Käfigen gemäß Art. 6 der Richtlinie 1999/74/EG zur Festlegung von Mindestanforderungen zum Schutz von Legehennen, gehalten wurden, wobei den Tieren entgegen § 5 Abs. 1 Tierschutzgesetz durch
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die Unterbringung von zu vielen Tieren in den Käfigen, wodurch diese in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt gewesen ist (pro Tier standen nicht 750m2, sondern Flächen von maximal 726 cm2 bzw. 728 cm2 zur Verfügung), durch das
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Fehlen von ausreichend Platz zum Sitzen infolge zu gering bemessener Sitzstangen (pro Tier standen nicht 15cm, sondern bloß 11,7 cm bzw. 13 cm zur Verfügung) sowie die
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unsachgemäße Ausgestaltung der Nester mittels Drahtboden, wodurch ein angemessenes Ausruhen der Tiere nicht möglich ist,
ungerechtfertigt Leiden zugefügt wurden.
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hinsichtlich der Spruchpunkte III., VI. und VIII.
über den Berufungswerber eine Geldstrafe in Höhe von je EUR 750,-- , im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von je 50 Stunden verhängt und der Berufungswerber gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG zur Tragung eines Beitrags zu den Kosten des Verfahrens
I. Instanz in Höhe von je EUR 75,-- verpflichtet wird.
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der Ausspruch über den Verfall ersatzlos behoben wird."
In der Begründung führte die belangte Behörde zu Spruchpunkt V. aus, der Sachverständige sei in seinem Gutachten vom zum Schluss gekommen, dass den Tieren durch die genannten Umstände Leiden zugefügt worden seien. Unter Leiden seien nach herrschender Meinung alle nicht bereits vom Begriff des Schmerzes umfassten Beeinträchtigungen im Wohlbefinden zu verstehen, die über ein schlichtes Unbehagen hinausgingen und eine nicht ganz unwesentliche Zeitspanne fortdauerten. Es handle sich demnach um einen länger andauernden Zustand deutlichen körperlichen oder nicht körperlichen Unbehagens, der durch das Tier nicht beeinflussbar sei. Ausschlaggebend hiefür sei im konkreten Fall, dass das Platzangebot unphysiologisch eingeschränkt gewesen sei und es den Tieren nicht möglich gewesen sei, ungehindert gleichzeitig zu sitzen, ihrem Picktrieb nachzugehen bzw. geeignete Ruheflächen vorzufinden. Bestätigt werde dieser Umstand dadurch, dass der Verordnungsgeber der ersten Tierhaltungsverordnung selbst in Form eines generellen Gutachtens bestimmte Mindestanforderungen vorsehe, um verpönte Erfolge in der Tierhaltung, nämlich Schmerzen, Leiden und Schäden bzw. schwere Angstzustände hintanzuhalten. Diesen Feststellungen des Amtssachverständigen stünden auch jene des seitens des Beschwerdeführers vorgelegten Gutachtens insoweit nicht entgegen, als sich dies - dem Gutachtensauftrag entsprechend - ausschließlich auf die Frage der Zufügung von Qualen bzw. rohen Misshandlungen beschränkte und darüber hinaus im Wesentlichen in einer rechtspolitischen Diskussion hinsichtlich der Käfighaltung ende, zumal zwischen Qualen bzw. roher Misshandlung im Sinne des § 222 StGB auf der einen und Leiden im Sinne des § 5 Tierschutzgesetz ein gradueller Unterschied bestehe, näherhin Leiden in ihrer Intensität hinter Qualen zurückblieben.
Zur Strafbemessung führte die belangte Behörde aus, dass im konkreten Fall zu berücksichtigen gewesen sei, dass durch die gegenständlichen Haltungsumstände Tierschutzinteressen massiv beeinträchtigt worden seien, sodass die verhängten Geldstrafen angesichts des zur Verfügung stehenden Strafrahmens nicht als unangemessen betrachtet werden könnten. Der Umstand dreier für die Zufügung von Leiden maßgeblicher Sorgfaltsverstöße scheine insoweit im Hinblick auf die ganz erhebliche Anzahl betroffener Tiere eine Strafe knapp über der Hälfte des zur Verfügung stehenden Strafrahmens zu rechtfertigen. Die sehr große Anzahl der betroffenen Tiere sei ebenso bei der Strafzumessung hinsichtlich der Ungehorsamsdelikte zu berücksichtigen, wobei insoweit eine an rund einem Viertel des Strafrahmens orientierte Strafe als angemessen erscheine. Mildernd sei die bisherige Unbescholtenheit, erschwerend dagegen nichts zu werten. Die konkret verhängte Strafe erscheine daher im Hinblick auf den verwirklichten Tatunwert als tat- und schuldangemessen und ihre Verhängung sei erforderlich, um den Beschwerdeführer und Dritte von der Begehung gleicher oder ähnlicher strafbarer Handlungen abzuhalten. Dies selbst unter Zugrundelegung am Existenzminimum orientierter Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers. Am Ende des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde unter "Hinweis gemäß § 61a AVG" in Punkt 2. aus, dass der Beschwerdeführer insgesamt an verhängten Geldstrafen EUR 6.250,-- und einen Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz von EUR 625,-- , gesamt somit EUR 6.875,--, zu entrichten habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.


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Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Soweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde vorbringt, er könne nicht nachvollziehen, wie sich die Strafe von EUR 6.250,-- ergebe, ist er darauf zu verweisen, dass im Spruch des angefochtenen Bescheides zu lesen ist, dass die Geldstrafen hinsichtlich der Spruchpunkte III., VI. und VIII. auf je EUR 750,--

reduziert wurden und hinsichtlich des Spruchpunktes V. lediglich die "Tatumschreibung" konkretisiert wurde, weshalb die im Straferkenntnis vom zu Spruchpunkt V. verhängte Strafe von EUR 4.000,-- aufrecht blieb. Daraus ergibt sich eine Geldstrafe von insgesamt EUR 6.250,--.


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Weiter führt der Beschwerdeführer aus, die Strafhöhe sei nicht ausreichend begründet, ohne allerdings selbst Umstände geltend zu machen, die zu einer geringeren Strafe führen würden. Im angefochtenen Bescheid findet sich im Übrigen eine insbesondere an der großen Anzahl von betroffenen Tieren und an den massiven Beeinträchtigungen von Tierschutzinteressen orientierte Strafhöhe, weshalb an der von der belangten Behörde zugemessenen Strafe nicht Anstand genommen werden kann.
Schließlich meint der Beschwerdeführer in der Beschwerde, die im angefochtenen Bescheid zu Spruchpunkt V. vorgenommene Tatumschreibung werfe dem Beschwerdeführer bisher nicht erhobene Delikte vor. Es sei undenkbar, in einer Tierhaltung einem Tier allein 750 m2 Käfigfläche zur Verfügung zu stellen. Weiters werde erstmals vorgeworfen, dass das Fehlen von ausreichend Platz zum Sitzen eine Frage der Sitzstangen sei, wobei nur 11,7 bzw. 13 cm pro Tier zur Verfügung stünden. Es handle sich hier um neue Tatvorwürfe, deren Verfolgung bereits verjährt sei.
Zunächst ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, dass im Spruch des angefochtenen Bescheides, soweit darin "750 m2" angeführt sind, ein offensichtlicher Schreibfehler vorliegt, durch den der Beschwerdeführer nicht in Rechten verletzt ist, weil darunter nur 750 cm2 verstanden werden können, was sich auch daraus ergibt, dass im selben Klammerausdruck die tatsächlich zur Verfügung stehende Fläche mit maximal 726 cm2 bzw. 728 cm2 beschrieben wird. Zudem handelt es sich, wie die belangte Behörde in der Gegenschrift zutreffend ausführt, nur um eine Spezifikation der ansonsten wortidenten Tatumschreibung im Straferkenntnis vom , was auch für das Fehlen von ausreichend Platz zum Sitzen infolge zu gering bemessener Sitzstangen gilt. Ein neuer Tatvorwurf ist darin nicht enthalten.
Bei der Kostenrüge ist die Beschwerde allerdings begründet:
Gemäß § 64 Abs. 1 VStG ist in jedem Straferkenntnis und in jeder Entscheidung eines unabhängigen Verwaltungssenates, mit der ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat. Nach Abs. 2 leg. cit. ist dieser Beitrag für das Verfahren erster Instanz mit 10% der verhängten Strafe zu bemessen.
Zwar hat die belangte Behörde im Zusammenhang mit der Herabsetzung der Geldstrafen auf je EUR 750,-- in den Spruchpunkten III., VI. und VIII. angemerkt, dass der Beschwerdeführer gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG zur Tragung der Kosten des Verfahrens erster Instanz in Höhe von je EUR 75,-- verpflichtet werde, sie hat es aber verabsäumt, im Spruch die sich aus den Verfahrenseinstellungen zu den Spruchpunkten I., II. und IV. ergebende Reduktion der zu ersetzenden Kosten zu berücksichtigen und der Kostenentscheidung zu Spruchpunkt V. hinzu zu fügen. Der von der belangten Behörde erfolgte Hinweis am Ende der Begründung des angefochtenen Bescheides ist nicht geeignet, die spruchmäßig zu erledigende Kostenentscheidung des Straferkenntnisses dahin abzuändern, dass nunmehr weniger Kosten entsprechend der neu festgesetzten Strafhöhe zu ersetzen sind.
Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 42 Abs. 3a VwGG in der Sache selbst entscheiden kann, wenn sie entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt, war der angefochtene Bescheid - die genannten Voraussetzungen liegen vor - im Kostenpunkt abzuändern.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am