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VwGH vom 14.12.2012, 2012/02/0221

VwGH vom 14.12.2012, 2012/02/0221

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Beck und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des Ing. Dr. H. in W., vertreten durch die Hasch Partner Anwaltsgesellschaft mbH in 1010 Wien, Zelinkagasse 10, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, Außenstelle Wiener Neustadt, vom , Zl. Senat-MD-11-1195, betreffend Übertretung der StVO 1960 (weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe am um 20.17 Uhr an einem näher genannten Ort auf der A 2 mit einem dem Kennzeichen nach näher bestimmten Pkw die aufgrund des angebrachten Vorschriftszeichens "Geschwindigkeitsbeschränkung" erlaubte Höchstgeschwindigkeit überschritten (80 km/h erlaubte Höchstgeschwindigkeit; 143 km/h gefahrene Geschwindigkeit nach Abzug von 5 % Messtoleranz).

Er habe dadurch eine Übertretung des § 52 lit. a Z. 10a i. V.m. § 99 Abs. 2e StVO 1960 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in Höhe von EUR 450,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 208 Stunden) verhängt wurde.

In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, die belangte Behörde habe unter Abstandnahme der Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung im Sinne des § 51e Abs. 3 Z. 3 VStG entschieden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschiften geltend gemacht werden. Ferner beantragte der Beschwerdeführer die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof nach § 39 VwGG.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird u.a. gerügt, die belangte Behörde habe es unterlassen, eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen, wodurch die Klärung des Sachverhaltes nicht durchgeführt habe werden können.

Bereits mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer das Vorliegen eines wesentlichen Verfahrensmangels auf.

§ 51e VStG lautet auszugsweise:

"(1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(3) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn

3. im angefochtenen Bescheid eine 500 EUR nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder …

und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in der Berufung zu beantragen. Etwaigen Berufungsgegnern ist Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

(5) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

…"

Es ist im vorliegenden Beschwerdefall die Voraussetzung einer EUR 500,-- nicht übersteigenden Geldstrafe nach § 51e Abs. 3 Z. 3 VStG erfüllt, jedoch wird die Unterlassung eines Antrages auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vom Gesetzgeber zwar als (schlüssiger) Verzicht auf eine solche gewertet, vom Vorliegen eines schlüssigen Verzichts kann aber insbesondere dann nicht ausgegangen werden, wenn eine unvertretene Partei weder über die Möglichkeit einer Antragstellung belehrt wurde, noch Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie von dieser Möglichkeit hätte wissen müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/02/0266, m.w.N.).

Nach der Aktenlage wurde der Beschwerdeführer nicht (weder mit der Rechtsmittelbelehrung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses, noch durch die belangte Behörde) über die Möglichkeit einer derartigen Antragstellung belehrt. Dafür, dass er sonst von dieser Möglichkeit hätte wissen müssen, ergeben sich keine Anhaltspunkte.

Die belangte Behörde hat daher zu Unrecht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen näher einzugehen war.

Aufgrund dieses Ergebnisses konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
ZAAAE-68100