VwGH vom 14.12.2012, 2012/02/0216

VwGH vom 14.12.2012, 2012/02/0216

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2012/02/0217 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Beck und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des Dr. M in S, vertreten durch Dr. Josef Wolff, Rechtsanwalt in 5026 Salzburg, Aignerstraße 21, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom , Zl. 20624- VR24/754/5-2012, betreffend Anordnung gemäß § 91 StVO 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer verpflichtet, binnen zwei Wochen ab Zustellung des Bescheides die Äste der Bäume auf näher genannten Grundstücken, die über die Straße ragten, so auszuästen, dass sie nicht mehr (speziell bei Sturm oder unter Schneelast) auf die Straße bzw. auf die über der Fahrbahn befindlichen Oberleitung fielen.

In der Begründung gab die belangte Behörde den Inhalt des erstinstanzlichen Bescheides und jenen der Berufung wieder, wonach sich der Beschwerdeführer auf eine im Jahre 1959 zwischen seiner Großmutter und der Stadt Salzburg getroffene Vereinbarung berufen habe, nach der der Rückschnitt der überhängenden Äste auf Kosten der Stadtgemeinde erfolgen sollte. Seit nunmehr über 50 Jahren würden die Bäume von der Stadt oder einer ihrer Behörden regelmäßig gepflegt. Die Großmutter habe der Stadt Salzburg die Genehmigung erteilt, die überhängenden Äste der verbleibenden Bäume auf Kosten der Stadtgemeinde ohne weitere Zustimmung zu entnehmen, was seit über 50 Jahren so gehandhabt würde. Daher sei der Bescheid über die Verpflichtung zur Ausästung aufzuheben.

In der Folge gab die belangte Behörde die maßgebliche Rechtslage wieder und führte aus, Bescheidadressat der Aufforderung nach § 91 Abs. 1 StVO 1960 sei der Grundstückseigentümer. Der Behörde sei es nicht zumutbar, abweichende Vereinbarungen zwischen dem Grundstückseigentümer bzw. früheren Grundstückseigentümern und Dritten festzustellen bzw. zu prüfen. Da mehrmaligen Aufforderungen des Magistrates der Stadt Salzburg zum Rückschnitt der Äste und Bäume nicht nachgekommen worden sei und anlässlich eines Ortsaugenscheines festgestellt worden sei, dass diese nunmehr extrem weit über die Straße ragten und dürre Äste auf die Fahrbahn zu fallen drohten, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 91 Abs. 1 StVO 1960 hat die Behörde den Grundeigentümer aufzufordern, Bäume, Sträucher, Hecken und dergleichen, welche die Verkehrssicherheit, insbesondere die freie Sicht über den Straßenverlauf oder auf Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs oder welche die Benutzbarkeit der Straße einschließlich der auf oder über ihr befindlichen, dem Straßenverkehr dienenden Anlagen z.B. Oberleitungs- und Beleuchtungsanlagen, beeinträchtigen, auszuästen oder zu entfernen.

Die Vorschrift des § 91 Abs. 1 StVO 1960 betrifft jede Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit. Es handelt sich dabei um vorbeugende Maßnahmen, welche die zuständige Verwaltungsbehörde anzuordnen hat, um Unfälle zu vermeiden, ohne dass es drauf ankäme, ob sich an dieser Straßenstelle etwa wegen der eingeschränkten Sichtverhältnisse schon Unfälle ereignet haben. Die Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit muss tatsächlich konkret vorhanden sein oder unmittelbar drohen. Eine abstrakte, von einem völlig unbestimmbaren Ereignis abhängige Beeinträchtigung genügt nicht. Unzulässig ist daher ein Auftrag nach § 91 Abs. 1 StVO 1960, weil bloß die allgemeine Befürchtung besteht, dass ein Baum bei einem Unwetter umstürzen könnte; besteht jedoch z.B. infolge starker Neigung, hohem Alters oder Krankheit eines Baumes eine konkrete Gefahr des Umstürzens, so ist ein Auftrag nach dieser Gesetzesstelle zulässig (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2008/02/0322, mwN).

Hält der Beschwerdeführer dem angefochtenen Bescheid entgegen, die belangte Behörde habe keine Feststellung getroffen, ob und inwieweit eine konkrete Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit oder deren unmittelbare Bedrohung vorliege, ist er auf die unbekämpft gebliebene Feststellung zu verweisen, wonach Äste "extrem weit" über die Straße ragten und dürre Äste auf die Fahrbahn zu fallen drohten. Durch das drohende Herabfallen der Äste ist jedoch im Sinne der oben dargestellten Rechtsprechung keine bloß allgemeine Befürchtung geäußert, sondern eine tatsächlich vorhandene konkrete Gefahr ausgedrückt worden. Unter diesem Aspekt war daher eine Aufforderung nach § 91 Abs. 1 StVO 1960 zulässig.

Die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wird vom Beschwerdeführer weiter mit dem Argument aufzuzeigen versucht, dass eine Vereinbarung aus dem Jahre 1959 zwischen der Stadt Salzburg und dem Beschwerdeführer bzw. dessen Rechtsvorgänger bestehe, wonach die Verpflichtung nach § 91 Abs. 1 StVO 1960 an die Stadt Salzburg überbunden worden sei. In Analogie zu § 93 Abs. 5 StVO 1960 könne auch die Verpflichtung nach § 91 StVO 1960 an Dritte übertragen werden, mit dem Ergebnis, dass anstelle des Eigentümers der durch das Rechtsgeschäft Verpflichtete zu belangen sei.

Gemäß § 93 Abs. 5 Satz 2 StVO 1960 tritt dann, wenn durch ein Rechtsgeschäft eine Verpflichtung nach Abs. 1 bis 3 (im Wesentlichen Schneeräumpflicht von Gehsteigen) übertragen wurde, der durch das Rechtsgeschäft Verpflichtete an die Stelle des Eigentümers.

§ 93 Abs. 1 StVO 1960 ist eine Schutzvorschrift iSd § 1311 ABGB, dessen Übertretung ein verwaltungsstrafrechtliches Ungehorsamsdelikt darstellt. Abs. 5 leg. cit. stellt für den Bereich der StVO eine Ergänzung des § 9 VStG dar mit dem Ergebnis, dass der die Verpflichtung Übernehmende verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich wird (vgl. die in Grundtner, Die Österreichische Straßenverkehrsordnung, Band II, zu § 93 in E 1. und 2. zu Abs. 1 und in E 3. zu Abs. 5 angeführte Judikatur, sowie das hg. Erkenntnis vom , Zl. 83/02/0126).

Nach der Rechtsprechung ist Voraussetzung für die analoge Anwendung verwandter Rechtsvorschriften das Bestehen einer echten Gesetzeslücke; das heißt einer planwidrigen und daher durch Analogie zu schließenden Unvollständigkeit innerhalb des positiven Rechts, gemessen am Maßstab der gesamten geltenden Rechtsordnung. Eine Lücke ist demnach nur dort anzunehmen, wo das Gesetz (gemessen an der mit seiner Erlassung verfolgten Absicht und seiner immanenten Teleologie) unvollständig, also ergänzungsbedürftig ist und wo seine Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht. Im Zweifel ist das Unterbleiben einer bestimmten Regelung im Bereich des öffentlichen Rechts als beabsichtigt anzusehen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/01/0047, mwN).

§ 91 StVO 1960 ("Bäume und Einfriedungen neben der Straße") und § 93 StVO 1960 ("Pflichten der Anrainer") finden sich im selben Abschnitt der StVO 1960 (XI. Abschnitt "Verkehrserschwernisse"). § 93 Abs. 5 StVO 1960 enthält eine Regelung, durch die eine dem Eigentümer zukommende Verpflichtung nach Abs. 1 bis 3 (des § 93) ausnahmsweise übertragen werden kann mit der Wirkung, dass der so Verpflichtete an die Stelle des Eigentümers tritt. Eine solche Regelung, wonach bei Übertragung der Verpflichtung der Verpflichtete an die Stelle des Grundeigentümers tritt, ist im § 91 StVO 1960 nicht vorgesehen. Hätte der Gesetzgeber auch im Falle des § 91 StVO 1960 eine solche Ausnahme zulassen wollen, hätte er wohl die im selben Abschnitt geregelten Tatbestände gleich behandelt. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber den Inhalt der genannten Bestimmungen nicht soweit im Auge hatte, dass er die in Rede stehende Ausnahme im § 93 Abs. 5 StVO 1960 nicht auch in anderen Fällen von "Verkehrserschwernissen" vorgesehen hätte, hätte er dies für erforderlich gehalten. Eine vom Gesetzgeber nicht gewollte planwidrige Lücke ist im vorliegenden Fall daher nicht zu erkennen, weshalb die Voraussetzungen für eine Analogie nicht vorliegen.

Davon ausgehend kann es dahinstehen, ob der Beschwerdeführer Vereinbarungen zur Ausästung durch Dritte getroffen hat, zumal solche die Behörde nach dem Gesagten nicht hindern, den Grundeigentümer selbst nach § 91 StVO 1960 aufzufordern. Auf die ausschließlich auf die behauptete Vereinbarung abstellenden Argumente in der Beschwerde war daher nicht näher einzugehen. Allfällige zivilrechtliche Folgen einer solchen Vereinbarung sind nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung des Parteiengehörs deswegen rügt, weil er vom Ortsaugenschein zur Feststellung des Zustandes der Bäume nicht in Kenntnis gesetzt worden sei, vermag er nicht aufzuzeigen, welche Relevanz diesem Umstand beizumessen ist, zumal auch in der Beschwerde lediglich die allgemeine Behauptung aufgestellt wird, er hätte darlegen können, dass eine konkrete Gefährdung durch die Äste der Bäume nicht vorliege. Zudem kommt den Parteien kein Recht auf Zuziehung zu einem Augenschein zu (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I,

2. Auflage, S. 856 unter E 12 zu § 54 AVG wiedergegebene hg. Judikatur).

Die Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am