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VwGH vom 04.02.2009, 2007/15/0146

VwGH vom 04.02.2009, 2007/15/0146

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des G S in L, vertreten durch Rechtsanwälte Grassner, Lenz, Thewanger & Partner, 4020 Linz, Südtirolerstraße 4-6, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , RV/0508-L/05, betreffend Einkommensteuer 2001 und 2002, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer betreibt eine Tabak-Trafik, für die er den Gewinn nach § 4 Abs 1 EStG ermittelt.

Im Zuge einer die Jahre 2001 und 2002 umfassenden Buch- und Betriebsprüfung stellte der Prüfer Kalkulationsdifferenzen, im wesentlichen betreffend Tabakwaren, fest. Der Prüfer gelangte zur Auffassung, die erklärten steuerpflichtigen Umsätze und Gewinne seien um die nachstehend genannten Beträge zu erhöhen, zumal der Beschwerdeführer als Erklärung für die Kalkulationsdifferenzen lediglich Waren- und Gelddiebstähle und "nicht bezahltes Lottospielen" angegeben, eine diesbezügliche Anzeige aber nicht erstattet habe: 2001: 697.949,79 S 2002: 13.842,95 EUR.

Das Finanzamt erließ den Prüfungsfeststellungen entsprechende Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide.

Gegen die Einkommensteuerbescheide brachte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom Berufung ein und beantragte, die ermittelten Kalkulationsdifferenzen nicht den Gewinnen hinzuzurechnen. Die Berufung richte sich nicht gegen die Ermittlung und Höhe der von der Betriebsprüfung festgestellten Kalkulationsdifferenzen, sondern gegen die Zurechnung zum Gewinn. Eine Kalkulationsdifferenz sei nicht zwingend dem Gewinn zuzuschlagen. Der Beschwerdeführer sei infolge einer schweren Herzerkrankung kaum im Betrieb anwesend gewesen und habe daher keine Kontrolltätigkeit ausüben können. Die Losungsdifferenzen seien ihm in den vergangenen Jahren laufend mitgeteilt worden und somit bekannt gewesen. Durch Änderung der Geschäftseinrichtung habe er zwar eine Verringerung der Fehlbeträge erreicht. Offensichtlich seien die Warendiebstähle durch Kunden erschwert worden. Die Ursachen für derart hohe Differenzen hätten aber bis heute nicht nachvollzogen werden können. Die Tageslosungen seien täglich vom Personal sowohl mittags als auch abends gezählt und aufgeschrieben worden. Die Uraufzeichnungen der Tageslosungen seien in der Belegablage zu finden. Voraussetzung für eine Gewinnzurechnung sei, dass dem Steuerpflichtige der Vermögensvorteil zugekommen sei. Die Abgabenbehörde könne dies aber nicht annehmen.

Durch die bisher vom Beschwerdeführer gesetzten Maßnahmen sei es nicht möglich gewesen, die vollständige Abfuhr der Tageslosungen an den Beschwerdeführer zu sichern. Ua seien im Betrieb Überwachungskameras installiert worden, um Waren- oder Gelddiebstähle aufzuklären. Durch keine dieser Maßnahmen habe die Verkürzung der Bareinnahmen oder Warendiebstähle nachgewiesen werden können. Erst mit der Installierung eines aufwendigen computergestützten Kontrollsystems hätten nunmehr Losungsfehlbeträge ausgeschlossen werden können. Dieses Computersystem sei im Jahr 2000 angeschafft worden. Die innerbetriebliche Umstellung auf dieses System sei im Jahr 2002 abgeschlossen worden. Deshalb betrage die Kalkulationsdifferenz im Jahr 2002 nur mehr 13.842,85 EUR.

Hinsichtlich der Umsatzsteuer sei zu bemerken, dass es nicht möglich sei anzugeben, in welchem Ausmaß die festgestellten Kalkulationsdifferenzen auf Gelddiebstahl zurückzuführen seien. Daher werde die umsatzsteuerliche Zurechnung der Kalkulationsdifferenzen nicht bekämpft.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, dass auch für die Jahre 1998 bis 2000 eine Betriebsprüfung durchgeführt worden sei. Auch diese habe Kalkulationsdifferenzen aufgedeckt. Damals habe der Sohn des Beschwerdeführers zugegeben, "Unregelmäßigkeiten durchgeführt" zu haben. Er habe sich verpflichtet, den entstandenen Schaden wieder gut zu machen. Solcherart seien die Kalkulationsdifferenzen als Forderungen an den Sohn bilanziert worden (1998: 551.726 S 1999:

1.002.351 S 2000: 398.980 S).

In der Folge habe das Finanzamt auch für die Jahre 2001 und 2002 Kalkulationsdifferenzen festgestellt. Die Kalkulation werde in der Berufung als richtig dargestellt. Strittig sei lediglich, ob die Kalkulationsdifferenzen dem Gewinn zuzurechnen seien.

Formelle Mängel der Buchführung seien nicht festgestellt worden. Es sei allerdings ein begründeter Anlass gegeben, deren sachliche Richtigkeit in Zweifel zu ziehen, weil die Ergebnisse des Beschwerdeführers von jenen Werten, die sich nach den allgemeinen wirtschaftlichen Erfahrungen ergäben, auffallend abwichen. Dies rechtfertige eine Schätzung. Im Rahmen der Schätzung habe der Prüfer die besonderen Verhältnisse "einen Schwund (Schadensfall)" berücksichtigt.

Die Wahrscheinlichkeit einer fehlerhaften Kalkulation sei bei einer Trafik sehr gering, weil ein hoher Anteil des Umsatzes durch amtliche Verkaufspreise vorgegeben sei. Fehlbeträge könnten daher relativ genau ermittelt werden. Weder die Kalkulationsgrundlagen noch die ermittelten Differenzen seien bestritten.

Nach Ansicht der belangten Behörde sei ein zusätzlicher Diebstahl durch Angestellte im gegenständlichen Fall auszuschließen, weil der Sohn des Beschwerdeführers und fallweise auch der Beschwerdeführer selbst in der Trafik anwesend gewesen seien. Diebstähle von im Laden beschäftigten Personen hätten zu konkreten Anzeigen führen müssen; derartige Anzeigen seien nicht dargetan worden. Diebstähle durch Kunden seien aber in der normalen Schwundberechnung berücksichtigt. Es lägen keine vom Regelfall abweichenden Umstände vor, welche die Kalkulationsdifferenz erklären könnten.

Der für einen Schwund in Trafiken (anhand von Erfahrungswerten) erhobene Durchschnittswert bewege sich zwischen 50.000 S jährlich (Hinweis auf ÖStZ-RME 1991/195; FLD für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom ) und 0,5% der kalkulierten Erlöse (Hinweis auf ÖStZ-RME 1993/69; FLD für Steiermark vom ). Der vom Prüfer vorgenommene Abschlag liege teilweise weit über diesen Erfahrungswerten. Abschläge für Fehlmengen in Kaufhäusern könnten aufgrund der dort gegebenen speziellen Umstände nicht auf Trafiken übertragen werden.

Die Besonderheiten des gegenständlichen Falles lägen im hohen Umsatz in Verbindung mit der Krankheit des Beschwerdeführers. Es könne aber nicht unterstellt werden, dass der Betrieb unbeaufsichtigt gewesen sei. Der Sohn des Beschwerdeführers könne als dessen Vertrauensperson angesehen werden, auch wenn er schon einmal Unregelmäßigkeiten zugegeben habe.

Die gerade im Bereich der Zeitungen schwierige Kontrolle von Diebstählen sei durch einen wesentlich über dem Branchenschnitt liegenden Prozentsatz an Schwund für diese Umsatzgruppe, nämlich 2 %, berücksichtigt worden.

Stelle man die vom Prüfer anerkannten Abschläge in Relation zu den Gesamtumsätzen, so ergäben sich Prozentsätze, die jedenfalls über dem branchenüblichen Satz von 0,5% lägen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
"2001 BP"
"2001 Bilanz"
"2002 BP"
"2002 Bilanz"
Gesamtumsatz
33,881.082 S
32,948.010 S
2,466.232 EUR
2,437.177 EUR
Differenz zwischen Kalkulation und Bilanz

933.071 S

29.054 EUR
Zurechnung BP
697.949 S
13.842 EUR
Abschläge BP
235.121 S
15.211 EUR
Abschläge in % des kalkulierten Umsatzes
0,69%
0,62%

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

§ 184 BAO lautet:

"(1) Soweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (Abs. 1) wesentlich sind.

(3) Zu schätzen ist ferner, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen."

Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde die Schätzungsbefugnis auf § 184 Abs 3 BAO gestützt, weil auf Grund der Nachkalkulation die sachliche Unrichtigkeit der Bücher erwiesen sei.

In der Beschwerde wird eingewendet, die belangte Behörde habe die im Verwaltungsverfahren vorgebrachte Erklärung für die Kalkulationsdifferenzen nicht berücksichtigt. Die Erklärung bestehe darin, dass es zu Diebstählen und "unbezahltem Lottospielen" gekommen sei. Eine Überwachungskamera und ein computergesteuertes Kontrollsystem hätten zur Folge gehabt, dass ab April 2002 "die nicht unbeträchtlichen Kalkulationsdifferenzen abgestellt" worden seien. Die Umstellung habe von 2000 bis 2002 gedauert, was dem Beschwerdeführer nicht vorgeworfen werden könne. Wären dem Beschwerdeführer die Kalkulationsdifferenzen zugeflossen, hätte nach allgemeiner Lebenserfahrung seine Reaktion nicht darin bestanden, das angeführte Kontrollsystem zu installieren. Zu Unrecht habe die belangte Behörde auch angenommen, der Aufsichtspflicht sei durch die Anwesenheit des Sohnes entsprochen worden. Es sei nämlich darauf zu verweisen, dass die wöchentliche Arbeitszeit seines Sohnes geringer sei als die wöchentliche Öffnungszeit der Trafik von 60 Stunden. Die belangte Behörde habe auch nicht berücksichtigt, dass sich die gegenständliche Trafik in einem Großkaufhaus befinde. Auf Grund dieser Lage sei ein höherer Schwund anzusetzen.

Dem Vorbringen ist zu entgegnen, dass die belangte Behörde Diebstähle durch Abschläge berücksichtigt hat. Weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde hat der Beschwerdeführer schlüssig dargetan, dass die Berücksichtigung nicht ausreichend gewesen wäre. Weitergehende Diebstähle oder "unbezahltes Lottospielen" sind weder bewiesen noch glaubhaft gemacht worden. Wenn es zutreffen sollte, dass ab 2002 nach Einrichtung einer Überwachungskamera und eines computergesteuerten Kontrollsystems Kalkulationsdifferenzen nicht mehr aufgetreten sind, liegt darin kein Nachweis, dass der Beschwerdeführer vor der Installation dieses Kontrollsystems die Einnahmen lückenlos erfasst hat. Auch der Umstand, dass nicht während der gesamten Öffnungszeiten der Trafik entweder der Beschwerdeführer oder sein Sohn anwesend gewesen sind, stellt keinen Nachweis für erhöhten Schwund dar.

Die Kalkulationsdifferenzen sind im wesentlichen bei den Tabakwaren aufgetreten. Wenn auch die Trafik des Beschwerdeführers in einem Kaufhaus gelegen ist, besteht kein Hinweis darauf, dass der Beschwerdeführer Tabakwaren (Zigarettenpackungen, etc) zur "Selbstbedienung" angeboten hätte. Sind aber die Tabakwaren ohnedies von einem Bediensteten des Beschwerdeführers ausgegeben worden, ist nicht nachvollziehbar, dass die Lage der Trafik die Berücksichtigung eines besonders hohen Schwundes erforderte. In Bezug auf Zeitungen hat die belangte Behörde ohnedies einen höheren Schwund anerkannt.

Es ist sohin nicht als unschlüssig zu erkennen, dass die belangte Behörde die Kalkulationsdifferenzen nicht, wie vom Beschwerdeführer begehrt, in vollem Ausmaß auf Schwund (Warendiebstahl, Gelddiebstahl, etc) zurückgeführt hat.

Soweit in der Beschwerde als Verletzung des Rechts auf Parteiengehör gerügt wird, dem Beschwerdeführer seien "die von der belangten Behörde herangezogenen Erfahrungswerte bei Trafiken für Schwund erst in der Berufungsentscheidung zur Kenntnis" gebracht worden, wird damit keine relevante Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgezeigt. Die belangte Behörde hat die Kalkulation des Finanzamtes unverändert übernommen. In welchem Ausmaß dabei Schwund berücksichtigt gewesen ist, war dem Beschwerdeführer bekannt.

Der Beschwerdeführer wendet schließlich ein, von der sachlichen Unrichtigkeit der Aufzeichnungen hätte die belangte Behörde deshalb nicht ausgehen dürfen, weil die Abweichung zwischen kalkulierten und erklärten Erlösen weniger als 10% der erklärten Erlöse ausmache.

Im gegenständlichen Fall ist der Prüfer - nach Berücksichtigung des Schwundes - zu Kalkulationsdifferenzen von rd. 700.000 S und 13.800 EUR gelangt. Diese - abgesehen von den Erklärungsversuchen als zusätzlicher Schwund - auch unbestrittenen Verprobungsergebnisse waren jedenfalls der Höhe nach nicht unbedeutend und geeignet, die sachliche Richtigkeit der vom Beschwerdeführer geführten Bücher und Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen. Unbestritten ist, dass die Kalkulationsdifferenzen im wesentlichen auf Tabakwaren zurückzuführen sind und die Kalkulation bei Tabakwaren wegen des (der Menge und dem Preis nach) exakt nachvollziehbaren Einkaufes und der fixen Gewinnspannen genau durchgeführt werden kann. Hat sich eindeutig ergeben, dass die erklärten Ergebnisse den Tatsachen nicht entsprechen konnten, war es nicht mehr von wesentlicher Bedeutung, ob die Kalkulationsdifferenzen 10 % der erklärten Einnahmen überschritten haben oder nicht. Ein in der Beschwerde aufgestellter Rechtssatz dahingehend, es dürfe nur geschätzt werden, wenn die erwähnte 10 %-Grenze überschritten sei, lässt sich der Judikatur nicht entnehmen (vgl das hg Erkenntnis vom , 2000/15/0185).

Die Beschwerde zeigt sohin die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen. Von der Durchführung einer Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am