VwGH vom 16.11.2012, 2012/02/0193
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Beck und Dr. Köller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde des M L, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-PL-11-0217, betreffend Übertretung des KFG 1967 (weitere Partei: Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Woche bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer schuldig erachtet, er habe als Masseverwalter der M GmbH und somit in seiner Funktion als Zulassungsbesitzer eines näher angeführten Fahrzeuges trotz schriftlicher Anfrage der BH S vom nicht innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung am darüber Auskunft erteilt, wer dieses Kraftfahrzeug am um
23.33 Uhr im Gemeindegebiet von A gelenkt habe und auch keinen Auskunftspflichtigen hierüber bekannt gegeben. Der Beschwerdeführer habe sich einer Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 schuldig gemacht weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 90,-- verhängt wurde.
In der Begründung gab die belangte Behörde den Inhalt der Berufung des Beschwerdeführers wieder und stellte zunächst die angelastete Tat als Sachverhalt fest. Weiter ging die belangte Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer mit Schreiben vom der BH S mitgeteilt habe, dass die Auskunft nicht habe erteilt werden können, da sich der Sachverhalt vor Konkurseröffnung am zugetragen habe. Nach der im Berufungsverfahren eingeholten Auskunft aus der Zulassungsevidenz sei sowohl am als auch am die gemeinschuldnerische GmbH Zulassungsbesitzerin des in Rede stehenden Kraftfahrzeuges gewesen.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des § 103 Abs. 2 KFG 1967 und von einschlägiger Rechtsprechung aus, dass der Beschwerdeführer auf Anfrage der Behörde weder einen Lenker noch eine Person, die Auskunft habe erteilen können, genannt habe. Er habe weder auf die Anfrage der Behörde erster Instanz noch in seinem Einspruch gegen die in der Folge erlassene Strafverfügung angegeben, dass das Fahrzeug nie zum Massevermögen gehört habe. Eine solche Behauptung sei eine Schutzbehauptung, weil das Fahrzeug sowohl zum Zeitpunkt der Anfrage als auch zum Zeitpunkt, auf den sich die Anfrage bezogen habe, auf die gemeinschuldnerische GmbH zugelassen gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe daher die zur Last gelegte Tat begangen. Dem Masseverwalter einer GmbH sei es jedenfalls zuzumuten, dass er die gewünschte Auskunft erteile, weshalb den Beschwerdeführer auch ein Verschulden an der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung treffe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 103 Abs. 2 KFG 1967 kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftsplicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, die Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen.
Als Zulassungsbesitzer im Sinne des § 103 Abs. 2 KFG 1967 ist jene Person gemeint, der diese Eigenschaft zu jenem Zeitpunkt zukam, auf welchen sich die behördliche Anfrage bezogen hat (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 97/02/0117).
Ab seiner Einführung ist zur Erteilung einer Lenkerauskunft nur der Masseverwalter zuständig. Die Behörde muss das Auskunftsbegehren in solchen Fällen an ihn richten. Unrichtigerweise an den Gemeinschuldner gerichtete und adressierte Anfragen muss der Masseverwalter nicht beantworten (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2001/02/0172).
Den Masseverwalter trifft hinsichtlich der zum Massevermögen gehörigen mehrspurigen Kraftfahrzeuge auch die Pflicht zur Führung allenfalls erforderlicher Aufzeichnungen und zur Beantwortung von Anfragen, auch wenn sich letztere auf Zeiträume vor Konkurseröffnung (Bestellung bzw. Einführung als Masseverwalter) beziehen (vgl. das zu § 1a des Wiener Parkometergesetzes ergangene Erkenntnis vom , Zl. 2005/17/0194).
Vor diesem Hintergrund wäre im vorliegenden Fall der Beschwerdeführer als Masseverwalter der M GmbH verpflichtet gewesen, die von der erstinstanzlichen Behörde geforderte Auskunft zu erteilen.
Allerdings wird in der Beschwerde - wie schon in der Berufung - unter anderem vorgebracht, den Beschwerdeführer treffe kein Verschulden, weil es ihm faktisch unmöglich gewesen sei, die Auskunft zu erteilen. Er habe weder das Fahrzeug noch die Geschäftsführerin, die im Zeitpunkt der Verwaltungsübertretung nicht mehr in Österreich gemeldet gewesen sei, ausfindig machen können.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid - wozu sie im Hinblick auf den angefragten Zeitpunkt vor der Bestellung des Beschwerdeführers als Masseverwalter verpflichtet gewesen wäre - keine Feststellungen dahin getroffen, dass der Beschwerdeführer zu irgendeinem Zeitpunkt vor Ablauf der Frist zur Beantwortung der gegenständlichen Anfrage die Möglichkeit gehabt hätte, Kenntnis darüber zu erlangen, wer vor seiner Bestellung als Masseverwalter am das angefragte Kraftfahrzeug gelenkt hat. Den Beschwerdeführer hat daher kein Verschulden im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG an der nicht ordnungsgemäßen Beantwortung des Auskunftsersuchens getroffen (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2001/02/0184).
Der angefochtene Bescheid war daher wegen offensichtlicher Verkennung der Rechtslage durch die belangte Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
CAAAE-68070