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VwGH vom 24.02.2011, 2007/15/0140

VwGH vom 24.02.2011, 2007/15/0140

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der M GmbH in V, vertreten durch die N N Steuerberatungsgesellschaft m.b.H. in 8010 Graz, Herdergasse 11, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Klagenfurt, vom , Zl. RV/0315-K/06, betreffend Sicherstellungsauftrag (§ 232 BAO), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Anlässlich einer abgabenbehördlichen Prüfung über den Zeitraum der Jahre 2001 bis 2003 kam der Prüfer zur Ansicht, dass die beschwerdeführende GmbH an einem internationalen Umsatzsteuerbetrug mitgewirkt und Gewinn verdeckt ausgeschüttet habe.

Mit Bescheid vom ordnete das Finanzamt die Sicherstellung von Abgabenansprüchen gemäß § 232 BAO in Höhe von 18,127.286 EUR (aufgegliedert in Umsatz- und Kapitalertragsteuer der Jahre 2001, 2002 und 2003) an. Die Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgaben liege auf Grund der geringen Kapitalausstattung der Beschwerdeführerin vor.

Die Zustellung des Sicherstellungsauftrages erfolgte am durch Ausfolgung an den steuerlichen Vertreter der Beschwerdeführerin. Gleichzeitig übergab der Prüfer dem Vertreter eine Punktation mit den bisherigen Prüfungsfeststellungen.

In der gegen den Sicherstellungsauftrag erhobenen Berufung rügte die Beschwerdeführerin, dass der Bescheid des Finanzamtes gravierende Mängel in der Beweiswürdigung und der Begründung aufweise. Bei den festgesetzten Umsatzsteuerbeträgen handle es sich um Beträge, die auf Grund innergemeinschaftlicher Lieferungen fakturiert worden seien. Die Waren hätten Österreich verlassen und seien in einen anderen Mitgliedstaat der EU transportiert worden. Daher lägen insoweit keine steuerbaren Umsätze vor. Auch sei unverständlich, dass eine Sponsorzahlung an ein Rennsportteam als verdeckte Gewinnausschüttung betrachtet werde. Es könne nicht unterstellt werden, dass die durch entsprechende Unterlagen dokumentierte Werbemaßnahme nicht 400.000 EUR pro Saison gekostet habe. Schließlich sei auch das Parteiengehör verletzt worden, weil der Beschwerdeführerin keine Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt worden sei.

Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung wendete die Beschwerdeführerin in ihrem Vorlageantrag ergänzend ein, dass kein Abgabentatbestand verwirklicht sei, weil gegen die (zwischenzeitig ergangenen) Umsatzsteuerbescheide 2001 bis 2004 Berufung "mit dazugehörigem Aussetzungsantrag" eingebracht worden sei. Sollte - wie in der Berufungsvorentscheidung ausgeführt - der Verdacht der Abgabenhinterziehung unzweifelhaft vorliegen, hätte die Prüfung auf Grundlage des § 99 FinStrG fortgeführt bzw. abgeschlossen werden müssen, was nicht der Fall gewesen sei. Zudem könne die unterschiedliche rechtliche Beurteilung von Sachverhalten, und nur um solche gehe es im vorliegenden Fall, niemals eine Abgabenhinterziehung darstellen. Die Warenlieferungen seien unbestritten tatsächlich erfolgt. Strittig sei lediglich die "Rechtsanwendung des UStG 1994".

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung - nach Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab. Aus dem Wissensstand des Finanzamtes und des Prüfers zum Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages ergebe sich, dass die Beschwerdeführerin in den Jahren 2001 bis 2003 "aktiv an einem Netzwerk des Internationalen Umsatzsteuer-Karussellbetruges teilgenommen" habe. Bereits vor Beginn der abgabenbehördlichen Prüfung seien der Abgabenbehörde erster Instanz entsprechende Verdachtsmomente durch die deutsche Finanzverwaltung mitgeteilt worden. Die Beschwerdeführerin habe die Waren von einem italienischen Lieferanten gekauft und sie an einen bereits im Vorhinein bekannten Abnehmer in Europa weitergeliefert. Die Abnehmer der Waren seien auf Grund des Informationsstandes des Prüfers als Schein- oder Briefkastenfirmen eingestuft worden. Aus der dem damaligen Vertreter der Beschwerdeführerin übergebenen Punktation gehe hervor, welche Abnehmer von dieser Beurteilung betroffen seien. Nachdem die jeweiligen Behörden mit Prüfungshandlungen begonnen hätten, seien deren Geschäftsbeziehungen zur Beschwerdeführerin eingestellt worden. Alle genannten Firmen wären nach Tätigwerden der jeweiligen Finanzverwaltungen von Amts wegen gelöscht worden. Die "tatsächlichen, wahren Abnehmer" habe die Beschwerdeführerin nicht bekannt gegeben.

Gesellschaftergeschäftsführer und Verantwortlicher für diese Lieferungen sei R.C., der der Finanzverwaltung bereits im Zusammenhang mit einem weiteren internationalen Betrugsfall bekannt sei.

Da die ausgewiesenen Lieferempfänger nicht die tatsächlichen Abnehmer der Waren seien, liege kein Buchnachweis über das Vorliegen innergemeinschaftlicher Lieferungen vor. Die Feststellungen beruhten auf einem internationalen Informationsaustausch mit anderen Finanzverwaltungen und Abfragen bei Wirtschaftsdiensten. Der von der Beschwerdeführerin eingeforderte Vertrauensschutz greife gegenständlich nicht, weil die Beschwerdeführerin anders als in jenen Fällen, die dem EuGH in den Rechtssachen C-354/03, C-355/03 und C-484/03 zur Beurteilung vorlagen, nicht über erfolgte Lieferungen und Angaben der Empfänger getäuscht worden sei, sondern sie vielmehr selbst Schein- und Briefkastenfirmen "eingesetzt" habe.

Vom Vorliegen verdeckter Ausschüttungen sei auszugehen, weil die Beschwerdeführerin diverse - im Bescheid näher dargestellten - Aufwendungen gewinnmindernd verbucht habe, für die es an einer nachvollziehbaren betrieblichen Veranlassung fehle.

Die Gefährdung der Einbringung liege angesichts der Höhe der Nachforderung und der geringen Eigenkapitalausstattung der Beschwerdeführerin vor. Zudem bestünde der Verdacht der Abgabenhinterziehung. Im Übrigen habe im Zeitpunkt der Bescheiderlassung die Befürchtung bestanden, dass sich die Beschwerdeführerin gleich den anderen an dem Karussellbetrug teilnehmenden Firmen in Deutschland und Frankreich dem Verfahren entziehen werde.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 232 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226) an den Abgabepflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe zu begegnen.

Die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages setzt zunächst die Verwirklichung jenes Tatbestandes voraus, an den die Abgabepflicht geknüpft ist. Die Verwirklichung dieses Tatbestandes muss im Hinblick auf die auch für Sicherstellungsaufträge geltende Begründungspflicht iSd § 93 Abs. 3 lit. a BAO in der Begründung des Sicherstellungsauftrages bzw. in der diesen bestätigenden Berufungsentscheidung dargetan werden. Die Begründung muss in diesem Zusammenhang jedenfalls erkennen lassen, welcher konkrete Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde und welche Erwägungen im Rahmen der Beweiswürdigung dafür maßgebend waren.

Der angefochtene Bescheid genügt diesen Anforderungen.

Das Beschwerdevorbringen, zum Zeitpunkt der Ausfertigung des Sicherstellungsauftrages am sei der "vermeintliche Tatbestand, an den die angebliche Abgabenpflicht für die prüfungsgegenständlichen Jahre knüpft" noch nicht verwirklicht gewesen, weil das Prüfungsverfahren "erst am Beginn stand, noch Monate andauerte", verkennt, dass der Abgabenanspruch (gegenständlich gemäß § 19 Abs. 2 UStG 1994 und § 95 Abs. 4 EStG 1988) unabhängig von einer behördlichen Tätigkeit entsteht (vgl. die bei Ritz , BAO3, § 4 Tz. 2, angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Soweit Abgabenbescheide über entstandene Abgabenansprüche absprechen (somit die Abgaben der Höhe nach festsetzen), sind sie bloß deklarativ (vgl. Ritz , aaO, § 4 Tz. 8). Damit erweist sich auch die Ansicht der Beschwerdeführerin, ein Sicherstellungsauftrag könne nicht vor Abschluss der Abgabenprüfung ausgefertigt werden, als verfehlt. Dass der Prüfungsbericht erst am und die "Steuergrundlagenbescheide 2001 bis 2004" erst im März 2006 vorlagen, begründet daher keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides.

Die Beschwerdeführerin rügt weiters, der Sicherstellungsauftrag vom und der angefochtene Bescheid vom seien nicht rechtstauglich begründet, weil sie sich überwiegend auf die "Grundlagenbescheide 2001 - 2004" bezögen. Sowohl die Abgabenbehörde erster Instanz als auch die belangte Behörde hätten tatsächliche Lieferungen der Beschwerdeführerin im Prüfungszeitraum außer Streit gestellt. Sie hätten lediglich die Umsatzsteuerfreiheit versagt, indem sie das Vorliegen eines "nicht belegten" Karussellbetruges behaupteten. Es handle sich somit um die Klärung einer Rechtsfrage, wobei die vorgelegten Beweismittel im Zusammenhang mit dem anhängigen Berufungsverfahren der "Grundlagenbescheide" im Rahmen des gegenständlichen Rechtsmittelverfahrens nicht oder nicht hinreichend berücksichtigt worden seien.

Ein Sicherstellungsauftrag ist kein abschließender Sachbescheid iSd § 183 Abs. 4 BAO, sondern eine dem Bereich der Abgabeneinbringung zuzuordnende Sofortmaßnahme, die dazu dient, selbst vor Feststellung des Ausmaßes der Abgabenschuld Einbringungsmaßnahmen setzen zu können, wenn Grund zur Annahme besteht, dass die spätere Einbringung der Abgabe gefährdet oder wesentlich erschwert wäre. Es liegt in der Natur einer solchen Maßnahme, dass sie nicht erst nach Erhebung sämtlicher Beweise, sohin nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens, gesetzt werden kann, sondern es genügt, dass die Abgabenschuld dem Grund nach mit der Verwirklichung des abgabenrechtlich relevanten Tatbestandes entstanden ist und gewichtige Anhaltspunkte für ihre Höhe sowie für die Gefährdung oder wesentliche Erschwerung ihrer Einbringung gegeben sind. Von einer solchen Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Abgabeneinbringung kann im Wesentlichen dann gesprochen werden, wenn aus der wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen und den besonderen Umständen des Einzelfalles geschlossen werden muss, dass nur bei raschem Zugriff der Behörde die Abgabeneinbringung voraussichtlich gesichert erscheint (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 99/15/0076).

Im angefochtenen Bescheid wird zur streitgegenständlichen Umsatzsteuerpflicht ausgeführt, das Finanzamt habe den Sicherstellungsauftrag erlassen, weil die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Buchnachweise nicht die wahren Empfänger der von der Beschwerdeführerin gelieferten Waren aufwiesen. Diese hätten nicht eruiert werden können. Die Beschwerdeführerin habe diesbezüglich (rechnerisch im Einzelnen dargestellt) zu Unrecht die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen in Anspruch genommen.

Mit dieser Begründung konnte die Beschwerdeführerin (wie auch ihre Beschwerdeausführungen zeigen) erkennen, welcher konkrete Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde und welche Erwägungen im Rahmen der Beweiswürdigung dafür maßgebend waren.

Mit dem Hinweis auf das , C-355/03 und C-484/03, ist für die Beschwerdeführerin schon deshalb nichts zu gewinnen, weil die belangte Behörde in sachverhaltsmäßiger Hinsicht davon ausgegangen ist, dass die von der Beschwerdeführerin getätigten Umsätze selbst mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet sind.

Dass die Finanzbehörde erster Instanz verpflichtet gewesen wäre, "gemäß § 99 FinStrG zu prüfen" und die Beschwerdeführerin "bei richtiger Anwendung des § 99 FinStrG" keine erhöhte Mitwirkungspflicht getroffen hätte, ist ein vor dem Verwaltungsgerichtshof wiederholter Einwand der Beschwerdeführerin, welcher der Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg verhilft, weil es im angefochtenen Bescheid - wie schon ausgeführt - nicht darum ging, ein abschließendes Ermittlungsverfahren durchzuführen und die Grenzen der amtswegigen Ermittlungspflicht unter Auseinandersetzung mit der korrespondierenden Mitwirkungspflicht der Partei zu ziehen.

Im Übrigen ist auch die Rüge der Beschwerdeführerin, dass die abgabenbehördliche Prüfung zu Unrecht nach § 147 BAO und nicht nach § 99 Abs. 2 FinStrG durchgeführt worden sei, unberechtigt. Die abgabenbehördliche Prüfung nach § 147 Abs. 1 BAO dient nach dem Wortlaut des letzten Halbsatzes dieser Bestimmung zur Feststellung aller Umstände, die für die Erhebung von Abgaben von Bedeutung sind. Die den Abgabenbehörden gemäß §§ 114 f BAO zukommenden Obliegenheiten zur Erforschung der für die Abgabenbemessung wesentlichen Umstände fallen nicht dadurch weg, dass gegen den Abgabepflichtigen auch der Verdacht einer Abgabenhinterziehung besteht oder ein Finanzstrafverfahren anhängig ist. Schließlich ist die Beschwerdeführerin daran zu erinnern, dass auch eine nach § 99 Abs. 2 FinStrG durchgeführte Prüfung in dieser Norm nur ihren Veranlassungsgrund, nicht aber ihre verfahrensrechtliche Grundlage hat, welche sie unverändert in den Bestimmungen der §§ 147 ff BAO findet (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 94/13/0200).

Das Vorliegen der von der belangten Behörde angenommenen verdeckten Ausschüttungen wird in der Beschwerde nicht bekämpft.

Zur Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgaben enthält die Beschwerde gleichfalls kein Vorbringen. Sie erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am