VwGH vom 22.04.2009, 2007/15/0132

VwGH vom 22.04.2009, 2007/15/0132

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des S H in L, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , Zl. RV/0315- L/06, betreffend Gewährung der Familienbeihilfe ab Oktober 2005, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der auf § 6 Abs. 5 iVm § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 gestützte Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung der Familienbeihilfe für die Zeit ab Oktober 2005 als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, es stehe außer Streit, dass der Beschwerdeführer den ersten Abschnitt seines im Oktober 2003 begonnenen Studiums der Biologie nicht innerhalb der vorgesehenen Studienzeit (drei Semester zuzüglich eines Toleranzsemesters) erfolgreich beendet habe. Der Beschwerdeführer habe die Studienverzögerung mit der Geburt seines Sohnes am begründet und beantragt, die Anspruchsdauer für den Bezug der Familienbeihilfe wegen "Pflege und Erziehung" eines eigenen Kindes bis zu dessen 2. Lebensjahr zu verlängern.

Aus der Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 ergebe sich zwar, dass u.a. die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes für einen Zeitraum von zwei Jahren nach der Geburt als "Studienverhinderungsgrund" anzuerkennen sei. Doch sei allen in der genannten Bestimmung angeführten Verlängerungstatbeständen für den Bezug von Familienbeihilfe gemeinsam, dass es sich dabei um "Ereignisse" handeln müsse, die zu einer vollständigen Unterbrechung des Studiums führten. Dies treffe gegenständlich nicht zu. Im Beschwerdefall gehe die Ehefrau des Beschwerdeführers nämlich keiner Berufstätigkeit nach, sondern widme sich - wie auch der Beschwerdeführer eingeräumt habe - überwiegend der Betreuung des Kindes. Damit könne der Beschwerdeführer "die Pflege und Erziehung des Kindes in keinem zeitlichen Ausmaß ausüben", das eine Verlängerung der Studienzeit rechtfertigen würde. Zwar sei es durchaus möglich, dass die Erfüllung der elterlichen Pflichten ein Studium erschweren könne. Doch treffe dies auch auf Studenten zu, die zur Finanzierung ihres Studiums einer (geringfügigen) Beschäftigung nachgingen.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Mit dem BG vom , BGBl. Nr. 311/1992, wurden erstmalig bestimmte Kriterien über den Studienfortgang als Voraussetzung für den Anspruch auf Familienbeihilfe gesetzlich verankert. Die damalige Fassung des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 lautete:

"Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, ....

b) für volljährige Kinder, die das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie ein ordentliches Studium ernsthaft und zielstrebig betreiben. Das Studium wird ernsthaft und zielstrebig betrieben, wenn im ersten Studienabschnitt nach jedem Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- oder Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden nachgewiesen wird. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Die Erbringung des Studiennachweises ist Voraussetzung für den Anspruch ab dem zweiten und den folgenden Studienjahren des ersten Studienabschnittes. Der Nachweis ist erstmals zu Beginn des Studienjahres 1993/94 und unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Der Nachweiszeitraum wird durch eine vollständige Studienbehinderung infolge eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses (zB Krankheit) oder ein nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten bewirkt dabei eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes um ein Semester. Zeiten des Mutterschutzes sowie der Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres hemmen den Ablauf des Nachweiszeitraumes.

Demgegenüber war nach der Regierungsvorlage (465 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des NR XVIII. GP) der für den Beschwerdefall interessierende Teil der genannten Bestimmung wie folgt gefasst:

"Der Nachweiszeitraum wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis sowie durch Schwangerschaft, die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes vor Vollendung des zweiten Lebensjahres und ein Auslandsstudium um ein Semester verlängert, sofern dadurch eine vollständige Studienbehinderung von mindestens vier Monaten bewirkt wurde und den Studierenden kein Verschulden an dem Ereignis getroffen hat;"

Im gegebenen Zusammenhang bemerkenswert ist, dass das Vorliegen einer "vollständigen Studienbehinderung" in der tatsächlich beschlossenen Fassung der lit. b leg.cit. nicht - wie in der Regierungsvorlage - in einen (grammatikalischen) Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Verlängerungstatbestand gesetzt wurde.

In der Folge erfuhr die genannte Bestimmung wiederholte Novellierungen (vgl. BGBl. Nr. 201/1996, 433/1996), sodass sie in der im Streitzeitraum anzuwendenden Fassung des BGBl. I Nr. 23/1999 wie folgt lautet:

"b) für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. Zeiten als Studentenvertreterin oder Studentenvertreter nach dem Hochschülerschaftsgesetz 1998, BGBl. I Nr. 22/1999, sind unter Berücksichtigung der Funktion und der zeitlichen Inanspruchnahme bis zum Höchstausmaß von vier Semestern nicht in die zur Erlangung der Familienbeihilfe vorgesehene höchstzulässige Studienzeit einzurechnen. Gleiches gilt für die Vorsitzenden und die Sprecher der Heimvertretungen nach dem Studentenheimgesetz, BGBl. Nr. 291/1986. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat durch Verordnung die näheren Voraussetzungen für diese Nichteinrechnung festzulegen. Zeiten des Mutterschutzes sowie die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres hemmen den Ablauf der Studienzeit. Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden nachgewiesen wird. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß."

Dem Beschwerdeführer ist darin zuzustimmen, dass das Vorliegen einer vollständigen Studienbehinderung im Zusammenhang mit der Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes als Tatbestandsmerkmal dem Gesetz - anders als nach der zitierten Regierungsvorlage - jedenfalls nicht explizit entnommen werden kann. Es trifft aber auch nicht zu, dass alle in lit. b leg.cit. genannten Verlängerungstatbestände das Vorliegen einer vollständigen Studienbehinderung implizit voraussetzen. Die detaillierten Regelungen über die Verlängerung der höchstzulässigen Studienzeit von Studierenden, die als Studentenvertreter tätig sind (vgl. auch die VO BGBl. II Nr. 83/1999), zeigen vielmehr, dass das FLAG durchaus verschiedene Abstufungen von Studienbehinderungen kennt. Derartige Differenzierungen finden sich im Zusammenhang mit dem gegenständlich strittigen Verlängerungstatbestand der Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zu dessen zweiten Lebensjahr mit gutem Grund nicht, entzieht sich der diesbezügliche Zeitaufwand doch typischerweise als in der Privatsphäre der Eltern gelegener Vorgang der Lebensgestaltung der behördlichen Ausmessung und Überprüfung.

Die der Beschwerde angeschlossenen Durchführungsrichtlinien zum Familienlastenausgleichsgesetz, AÖF 215/2001, räumen den Eltern in Abschnitt 02.1 Pkt. 20.9 folgende Wahlmöglichkeiten ein:

".... Die Hemmung der Semesterzählung wegen Pflege und

Erziehung eines eigenen Kindes kann zwischen der leiblichen Mutter und dem leiblichen Vater geteilt werden. Der Wechsel des Elternteils in Pflege und Erziehung des eigenen Kindes muss jedoch mit einem vollen Semester erfolgen, wobei die Semesterzählung für den nun nicht mehr die Pflege und Erziehung ausübenden ersten Elternteil mit dem Folgesemester weiterläuft. Für den zweiten pflegenden Elternteil geht die Zählung sodann mit dem, dem zweiten Geburtstag des Kindes folgenden Semester weiter, weil die Hemmung der Studienzeit jedenfalls mit der Vollendung des zweiten Lebensjahres des eigenen Kindes wegfällt. ..."

Diese Erlassaussage findet im Wortlaut der hier maßgebenden gesetzlichen Bestimmung keine Deckung. Schon die ihr zu Grunde liegende Annahme, dass der strittige Verlängerungstatbestand (jeweils) nur von einem Elternteil beansprucht werden kann, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Dementsprechend finden sich im FLAG auch keine Aussagen darüber, welcher Elternteil in den Genuss der Studienzeitverlängerung kommen soll. Auch stellt das Gesetz nicht darauf ab, ob der andere Elternteil in der Lage ist, das Kind überwiegend zu betreuen, insbesondere besteht auch keine Verknüpfung des Verlängerungstatbestandes mit dem Anspruch auf Bezug von Kinderbetreuungsgeld (vgl. § 2 Kinderbetreuungsgeldgesetz, BGBl. I Nr. 103/2001).

Die belangte Behörde hat daher insoweit die Rechtslage verkannt, als sie davon ausgegangen ist, dass der Verlängerungstatbestand der "Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres" nur bei jenem Elternteil berücksichtigt werden kann, der das Kind überwiegend in seiner Pflege und Erziehung hat.

Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am