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VwGH vom 16.11.2012, 2012/02/0133

VwGH vom 16.11.2012, 2012/02/0133

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Beck und Dr. Köller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde der P W in K, vertreten durch Dr. Robert Mayrhofer, Dr. Johann Köpplinger, Rechtsanwälte in 4910 Ried/Innkreis, Kapuzinerberg 2, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. Verk-110.388/2-2012-Ju/Eis, betreffend Aufforderung gemäß § 91 Abs. 1 StVO 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde in Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides die Beschwerdeführerin aufgefordert, die Thujen-Hecke auf ihrem Grundstück Nr. X, KG K, im Bereich von der südlichen Grundstücksgrenze bis zur Grundstückszufahrt in ihrer gesamten Höhe unter Einhaltung eines Mindestabstandes zum Asphaltrand der Fahrbahn von 0,6 m bis spätestens zurückzuschneiden.

In der Begründung gab die belangte Behörde den Gang des Verwaltungsverfahrens wieder und führte nach Wiedergabe der einschlägigen Rechtslage aus, dass im Hinblick auf das im Vergleich zum Zurückschneiden der Thujen-Hecke gelindere Mittel des Aufstellens eines Verkehrsspiegels der verkehrstechnische Amtssachverständige im Rahmen eines Lokalaugenscheins am die Aufstellung eines solchen Verkehrsspiegels überprüft habe. Es sei dabei festgestellt worden, dass durch den flachen Kurvenbogen der Verkehrsspiegel in der Annäherung lediglich als sehr flache Scheibe zu sehen sei, wodurch entgegenkommende Fahrzeuge, insbesondere aber auch Radfahrer und Fußgänger, nahezu nicht gesehen bzw. wahrgenommen werden könnten. Auch bei einer seitlich vom Fahrbahnrand abgerückten Position des Verkehrsspiegels könnten einander sich nähernde Verkehrsteilnehmer keinesfalls in jenem Maß erkennen, als dies zu einer Hebung der Verkehrssicherheit beitragen würde. Man müsse bei einer seitlich abgerückten Position des Verkehrsspiegels sich diesem bereits so weit nähern, um einen Begegnungsverkehr erblicken zu können, dass der direkte Sichtkontakt ebenfalls schon vorhanden wäre. In der Folge sei die Aufstellung eines Verkehrsspiegels vor allem auf Grund des bestehenden Fahrbahnverlaufes und der daraus resultierenden Richtungsänderung sowie der vorhandenen Bepflanzung kein geeignetes Mittel, die Sicht sich begegnender Verkehrsteilnehmer aufeinander zu verbessern und dadurch die Verkehrssicherheit zu erhöhen bzw. das Risiko, dass durch eine geringere Kurvensichtweite der sich einander nähernden Verkehrsteilnehmer verstärkt werde, zu verringern. Hinsichtlich der Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h im Bereich der Thujen-Hecke als gelinderes Mittel sei auszuführen, dass die asphaltierte Breite der Fahrbahn im Bereich der Thujen-Hecke zwischen 3,7 m und 4,1 m betrage. Durch die Thujen-Hecke sei die Begegnungssichtweite auf ca. 35 m eingeschränkt. Das an dieser Stelle geforderte Gebot des Fahrens auf halbe Sicht erlaube bei einem Anhalteweg von 18 m eine Geschwindigkeit von 30 km/h. Durch das Zurückschneiden der Hecke erhöhe sich die Begegnungssichtweite so weit, dass dadurch eine im geringen Ausmaß höhere Geschwindigkeit beim Fahren auf halbe Sicht ermöglicht werde. Durch das Zurückschneiden der Hecke gehe der Immissions- und Sichtschutz nicht verloren. Nach den Richtlinien und Vorschriften für das Straßenwesen (Querschnittsgestaltung von Innerortsstraßen "RVS" ) diene der Verkehrsraum der Abwicklung der Verkehrsvorgänge und sei von allen Hindernissen freizuhalten. Der Lichtraum für den Fahrzeugverkehr werde aus dem Verkehrsraum, einem Breitenzuschlag für jeden Fahrbahnrand und einem Höhenzuschlag gebildet. Der Breitenzuschlag werde in Abhängigkeit von der zulässigen Höchstgeschwindigkeit festgelegt. Dieser Breitenzuschlag betrage für Geschwindigkeiten von höchstens 50 km/h mindestens 0,6 m. Durch die gegenständliche Thujen-Hecke, die in wesentlichen Teilbereichen bis unmittelbar an den Fahrbahnrand heranrage, ergebe sich eine massive seitliche Einengung. Durch diese Hecke sei ein "seitlicher Spielraum" nicht mehr vorhanden. Im Begegnungsfall sei auf Grund der Hecke an dieser Straßenseite keine Ausweichmöglichkeit auf das Straßenbankett gegeben, was ein hohes Risiko bei der Begegnung größerer, vor allem landwirtschaftlicher Fahrzeuge, aber auch für Lenker einspuriger Fahrzeuge, vor allem Radfahrer bzw. Radfahrergruppen, hervorrufe. Es werde die Verletzungsgefahr für Lenker einspuriger Fahrzeuge, aber auch die Gefahr von Sachbeschädigungen wesentlich erhöht. Gemäß den zitierten Bestimmungen der "RVS" sei ein Breitenzuschlag bzw. Mindestabstand zum Fahrbahnrand (im gegenständlichen Fall zum Asphaltrand der Fahrbahn) von 0,6 m einzuhalten, wobei dieser Breitenzuschlag bei einer erlaubten Geschwindigkeit bis zu 50 km/h gelte. Dies bedeute, dass auch bei einer festgesetzten Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h ein Mindestabstand zum Fahrbahnrand (Asphaltrand der Fahrbahn) von 0,6 m einzuhalten sei. Nach diesen Ausführungen stelle auch die Maßnahme der Festsetzung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h - auf Grund der Nichteinhaltung des Breitenzuschlages ohne Zurückschneiden der Hecke - kein taugliches Mittel dar, die Verkehrssicherheit im gegenständlichen Bereich zu erhöhen bzw. das Unfallrisiko zu minimieren. Der genannte Breitenzuschlag sei in jedem Fall bei erlaubten Geschwindigkeiten bis 50 km/h einzuhalten. Die angeführten "RVS"-Bestimmungen berücksichtigten auch das Gebot des Fahrens auf halbe Sicht. Trotz dieses Gebotes bzw. auch bei der Festlegung einer 30 km/h-Geschwindigkeitsbeschränkung sei die Einhaltung des Breitenzuschlages von 0,6 m gefordert. Auch bei einer niedrigeren Geschwindigkeit als 50 km/h liege eine enorme Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit, vor allem eine Einschränkung der freien Sicht über den Straßenverlauf, durch die Hecke vor, wodurch, da kein geeignetes gelinderes Mittel anwendbar sei, das Zurückschneiden der Hecke im genannten Ausmaß notwendig und gerechtfertigt sei. Die Festsetzungen einer Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h könne die geschilderten Risiken bzw. Gefahren für die Verkehrsteilnehmer und damit die Beschränkung der Verkehrssicherheit kaum verringern. Eine Messung des Verkehrsaufkommens sowie die Feststellung der Begegnungssichtweite nach einem Zurückschneiden der Hecke und der dadurch ermöglichten höheren Geschwindigkeit hätten am Verfahrensausgang auf Grund des erforderlichen Breitenzuschlages keine Änderung herbeiführen können. Im Hinblick auf den angeführten Verlust des Immissionsschutzes sei ergänzend anzugeben, dass das auf der K.-Straße übliche Verkehrsaufkommen sicherlich keinen Immissionsschutz erfordere, der durch das Zurückschneiden der Hecke nicht mehr vorhanden wäre. Der ins Treffen geführten "Vernichtung" der Hecke durch das Zurückschneiden stünden jedenfalls die Verkehrssicherheit und das verminderte Risiko von Verletzungen und Sachbeschädigungen von Verkehrsteilnehmern gegenüber, wodurch die angeordnete Maßnahme gerechtfertigt sei.

Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof erhoben, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom , B 561/12-5 abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde hat die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 91 Abs. 1 StVO 1960 hat die Behörde die Grundeigentümer aufzufordern, Bäume, Sträucher, Hecken und dergleichen, welche die Verkehrssicherheit, insbesondere die freie Sicht über den Straßenverlauf oder auf die Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs oder welche die Benützbarkeit der Straße einschließlich der auf oder über ihr befindlichen, dem Straßenverkehr dienenden Anlagen, z.B. Oberleitungs- und Beleuchtungsanlagen, beeinträchtigen, auszuästen oder zu entfernen.

Nach der Rechtsprechung stellt eine dem Grundeigentümer nach § 91 Abs. 1 StVO 1960 aufgetragene Maßnahme einen vom Gesetzgeber im Interesse der Verkehrssicherheit für zulässig erklärten Eingriff in das Eigentum dar. Wenngleich die Behörde nach dieser Gesetzesstelle dem Grundeigentümer nicht nur die Ausästung, sondern gegebenenfalls sogar die Entfernung der darin angeführten Bäume, Sträucher, Hecken und dergleichen, durch die die Verkehrssicherheit beeinträchtigt wird, aufzutragen hat, ist dennoch im Hinblick auf den mit einer solchen Maßnahme (Entfernungsauftrag) zwangsläufig verbundenen Eingriff in das Eigentum unter Bedachtnahme auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit davon auszugehen, dass ein derartiger Auftrag nicht zulässig ist, wenn mit weniger einschneidenden Maßnahmen dasselbe Ziel erreicht werden kann, die Entfernung also nicht das einzige Mittel darstellt, um einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit zu begegnen. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn auch mit einem bloßen Ausästen in Verbindung mit der Anbringung einer Einrichtung zur Regelung und Sicherung des Verkehrs das Auslangen gefunden werden kann, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 88/03/0014; zur Frage der Verhältnismäßigkeit von - mit jenen des § 91 Abs. 1 StVO 1960 vergleichbaren - Maßnahmen des § 38 Abs. 2 Vorarlberger Straßengesetz vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 93/06/0230).

Die Vorschrift des § 91 Abs. 1 StVO 1960 betrifft jede Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit. Es handelt sich dabei um eine vorbeugende Maßnahme, welche die zuständige Verwaltungsbehörde anzuordnen hat, um Unfälle zu vermeiden, ohne dass es darauf ankäme, ob sich an dieser Straßenstelle etwa wegen der eingeschränkten Sichtverhältnisse Unfälle ereignet haben (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2008/02/0322, mwN).

In Anbetracht der Feststellung im angefochtenen Bescheid, dass das Anbringen eines Verkehrsspiegels die Verkehrssicherheit nicht erhöhe und eine Beschränkung der Geschwindigkeit auf 30 km/h der dort wegen des Fahrens auf halbe Sicht ohnehin gebotenen Geschwindigkeit entspreche, somit gelindere Mittel nicht zur Anwendung kämen, sowie im Hinblick auf das Fehlen einer die Verkehrssicherheit beeinträchtigenden Ausweichmöglichkeit auf das Straßenbankett erweist sich vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage die Anordnung der belangten Behörde, die bis an den Fahrbahnrand heranreichende Hecke um mindestens 60 cm zurückzuschneiden, als rechtmäßig.

Die Beschwerdeführerin bestreitet in ihrer Beschwerde die wesentlichen Feststellungen der belangten Behörde nicht, vermeint jedoch unter dem Aspekt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, dass die Verordnung einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h als gelinderes Mittel gegenüber dem Zurückschneiden der Hecke anzusehen sei.

Dabei verkennt die Beschwerdeführerin die in diesem Zusammenhang unbekämpft gebliebenen Feststellungen über die Begegnungssichtweite von 35 m und den Anhalteweg von 18 m, was ohnehin zu einer gebotenen Geschwindigkeit von 30 km/h führt. Wie die belangte Behörde daher schon zutreffend festhielt, führte die Verordnung einer 30 km/h-Beschränkung zu keiner Erhöhung der Verkehrssicherheit in diesem Bereich.

Dass das Aufstellen eines Verkehrsspiegels im vorliegenden Fall nicht als Mittel zur Behebung der Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit herangezogen werden könne, bestreitet die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde nicht mehr.

Soweit die Beschwerdeführerin - auch abweichend vom festgestellten Sachverhalt - auf die Art und die Frequenz der Nutzung der in Rede stehenden Straße abstellt, ist sie darauf zu verweisen, dass nach der zitierten Judikatur jede Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit betroffen ist und es sich bei den Maßnahmen nach § 91 Abs. 1 StVO 1960 um vorbeugende Maßnahmen handelt, um Unfälle zu vermeiden. Damit ist jede Art von Verkehr betroffen, gleich welcher Art und welcher Frequenz. Dass sich dort überhaupt keine Fahrzeuge und Fußgänger bewegen, hat die Beschwerdeführerin nicht vorgebracht und widerspräche auch den festgestellten Verkehrsaufkommen.

Da § 91 Abs. 1 StVO 1960 nicht darauf Bezug nimmt, dass eine Maßnahme zur Hintanhaltung einer Verkehrsbeeinträchtigung erst ab einer bestimmten Länge einer Straße angeordnet werden kann, kommt es nicht darauf an, welche Länge jenes Straßenstück aufweist, auf dem sich die Verkehrsbeeinträchtigung befindet, weshalb der Hinweis der Beschwerdeführerin auf eine maximale Länge des Straßenstücks von 1,2 km zu keinem abweichenden Ergebnis führen kann.

Zutreffend verweist die Beschwerdeführerin auf den Umstand, dass die von der belangten Behörde ins Treffen geführten Richtlinien und Vorschriften für das Straßenwesen keine für eine Maßnahme gemäß § 91 Abs. 1 StVO 1960 verbindliche Anordnung darstellten. Allerdings bestreitet die Beschwerdeführerin nicht, dass eine Verbreiterung der Straße um ein 60 cm breites Bankett die Verkehrssicherheit jedenfalls erhöht. Zudem übersieht die Beschwerdeführerin, dass die belangte Behörde ohnehin in Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides zugunsten der Beschwerdeführerin zu einem Rückschnitt der Hecke auf die Hälfte des ursprünglich verordneten Ausmaßes aufgefordert hat. Ob die Anordnung eines breiteren Rückschnitts allenfalls noch rechtmäßig gewesen wäre, kann hier dahinstehen.

Die Beschwerdeführerin verkennt auch, dass die aufgetragene Maßnahme keine Verbesserung der Sichtverhältnisse im Auge hat, weshalb das Argument einer dadurch ermöglichten lediglich geringen Erhöhung der dort gebotenen Geschwindigkeit keine Bedeutung zukommt.

Offenbar mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bringt die Beschwerdeführerin in der Beschwerde noch vor, nach der Stellungnahme der Baumschulgärtnerei vom werde bei einem Rückschnitt die Hecke nie mehr grün und es ergebe sich keine dichte Heckenform.

Dabei verkennt die Beschwerdeführerin jedoch, dass sich die Stellungnahme auf die Aufforderung der erstinstanzlichen Behörde, die Hecke zwischen 0,8 m bis 1,2 m zurückzuschneiden bezieht, während sich eine Stellungnahme zum nunmehr aufgeforderten Rückschnitt um 0,6 m nicht im Akt befindet.

Insgesamt erweist sich der angefochtene Bescheid als frei vom Rechtsirrtum, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
XAAAE-68024