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VwGH vom 24.10.2012, 2009/17/0194

VwGH vom 24.10.2012, 2009/17/0194

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler, die Hofrätin Dr. Zehetner sowie den Hofrat Dr. Sutter als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde des C in Z, vertreten durch Dr. Daniel Charim, Mag. Wolfgang Steiner und Mag. Anton Hofstetter, Rechtsanwälte in 1090 Wien, Wasagasse 4, gegen den Bescheid des des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern Wien (nunmehr: Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel) vom , Zl. GIS 0455/09, betreffend Rundfunkgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid der Gebühren Info Service GmbH (im Folgenden: GIS) vom wurden dem Beschwerdeführer Rundfunkgebühren für Fernsehen und Radio und damit verbundene Entgelte und Abgaben vorgeschrieben. Der Bescheid der GIS enthielt dabei folgenden Spruch:

"da Sie am Standort XY Rundfunkempfangseinrichtungen (Fernsehen und Radio) betreiben bzw. zum Betrieb bereithalten, werden Ihnen als Rundfunkteilnehmer daher ab Rundfunkgebühren für Fernsehen und Radio und damit verbundene Entgelte und Abgaben unter der oben angegebenen Teilnehmernummer in monatlicher Gesamthöhe von EUR 22,71 vorgeschrieben."

Begründend wurde lediglich auf den Besuch eines Außendienstmitarbeiters verwiesen, der "zweifelsfrei feststellen" habe können, dass Rundfunkempfangseinrichtungen betriebsbereit errichtet worden seien.

1.2. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung und rügte fehlende Feststellungen und Begründungen. Für den gegenständlichen Standort würden zudem bereits vom Vater des Beschwerdeführers jahrelang die entsprechenden Gebühren entrichtet, woran sich auch nach der Schenkung des Hauses nichts geändert habe. Einheitlicher Nutzungszweck des Standortes sei das gemeinsame Wohnen des Beschwerdeführers mit seinen Eltern in dem dort etablierten Einfamilienhaus.

1.3. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde nach Einsicht in die Baupläne des Hauses und Einvernahme des Beschwerdeführers und seines Vaters die Berufung ab und bestätigte gemäß § 66 Abs. 4 AVG den erstinstanzlichen Bescheid.

Begründend hielt sie fest, dass "vermutlich seit dem Kalenderjahr 1977", dem Jahr der Aufstockung des Gebäudes, "zwei mehr oder minder getrennte Wohneinheiten" bestünden und "es auf das Zusammenleben einer 'Großfamilie' gemäß den Bestimmungen des RGG nicht ankommt". Im Übrigen bestehe "im Erdgeschoß eine Türe zur eigentlichen Wohnung des Vaters". Der Schenkungsvertrag sehe ein lebenslängliches und unentgeltliches Wohnungsrecht der Eltern des Beschwerdeführers vor, das aus der "alleinigen Benützung" des Erdgeschoßes und der jederzeitigen Mitbenützung des Kellers, des Dachbodens und der Garage und des Gartens bestehe.

1.4. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

2.1. Das Rundfunkgebührengesetz (RGG) in der Fassung BGBl. I Nr. 71/2003 lautet auszugsweise:

"Gebührenpflicht, Meldepflicht

§ 2. (1) Wer eine Rundfunkempfangseinrichtung im Sinne des § 1 Abs. 1 in Gebäuden betreibt (Rundfunkteilnehmer), hat Gebühren nach § 3 zu entrichten. Dem Betrieb einer Rundfunkempfangseinrichtung ist deren Betriebsbereitschaft gleichzuhalten.

(2) Die Gebührenpflicht nach § 1 besteht nicht, wenn

1. dem Rundfunkteilnehmer eine Befreiung (§ 3 Abs. 5) erteilt wurde oder

2. für den Standort bereits die Gebühren nach § 3 entrichtet werden.

Standort ist die Wohnung oder eine sonstige Räumlichkeit bzw. ein geschlossener Verband von Räumlichkeiten mit einheitlichem Nutzungszweck, wo eine Rundfunkempfangseinrichtung betrieben wird.

(3) Das Entstehen oder die Beendigung der Gebührenpflicht sowie die Änderung des Standorts (Abs. 2) oder Namens ist vom Rundfunkteilnehmer dem mit der Einbringung der Gebühren betrauten Rechtsträger (§ 4 Abs. 1) unverzüglich in der von diesem festgelegten Form zu melden. Die Meldung hat zu umfassen: Namen (insbesondere Vor- und Familiennamen, Firma, Namen juristischer Personen), Geschlecht und Geburtsdatum des Rundfunkteilnehmers, genaue Adresse des Standorts, Datum des Beginns/Endes des Betriebes und die Art der Rundfunkempfangseinrichtungen (Radio und/oder Fernsehen) sowie deren Anzahl, wenn sie für die Gebührenbemessung nach § 3 von Bedeutung ist.

(4) Die Entrichtung von Gebühren ist von dem mit deren Einbringung betrauten Rechtsträger (§ 4 Abs. 1) zu registrieren; dem Rundfunkteilnehmer ist die Teilnehmernummer mitzuteilen.

(5) Liegt für eine Wohnung oder sonstige Räumlichkeit keine Meldung (Abs. 3) vor, so haben jene, die dort ihren Wohnsitz haben oder die Räumlichkeit zu anderen als Wohnzwecken nutzen, dem mit der Einbringung der Gebühren beauftragten Rechtsträger (§ 4 Abs. 1) auf dessen Anfrage mitzuteilen, ob sie Rundfunkempfangseinrichtungen an diesem Standort betreiben und zutreffendenfalls alle für die Gebührenbemessung nötigen Angaben zu machen.

Rundfunkgebühren

§ 3. (1) Die Gebühren sind für jeden Standort (§ 2 Abs. 2) zu

entrichten und betragen für

Radio-Empfangseinrichtungen

..................................0,36 Euro

Fernseh-Empfangseinrichtungen

...............................1,16 Euro

monatlich

(2) Werden an einem Standort mehr als zehn Radio- bzw. Fernseh-Empfangseinrichtungen betrieben, so ist, sofern nicht Abs. 3 etwas anderes bestimmt, für jeweils bis zu zehn solcher Einrichtungen eine weitere Gebühr gemäß Abs. 1 zu entrichten.

(3) Auf Grund der Entrichtung einer Gebühr gemäß Abs. 1 dürfen am jeweiligen Standort eine unbeschränkte Anzahl von Radio- bzw. Fernseh-Empfangseinrichtungen betrieben werden in

1. der Wohnung des Rundfunkteilnehmers, einschließlich der Gästezimmer von Privatzimmervermietern (Art. III Bundes-Verfassungsgesetznovelle 1974, BGBl. Nr. 444/1974),

2. Betriebsstätten eines Rundfunkunternehmers und eines zur Herstellung, zum Vertrieb, zur Vermietung oder zur Reparatur von Rundfunkempfangseinrichtungen befugten Gewerbetreibenden für Zwecke der Ausübung des Gewerbes,

3. Unterrichtsräumen einer öffentlichen oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule,

4. Amtsräumen einer Bezirksverwaltungsbehörde, einer Polizei- oder einer Gendarmeriedienststelle,

5. der Gastronomie sowie in Gästezimmern von gewerblichen Beherbergungsbetrieben,

6. Heimen für Auszubildende, Heimen für ältere Menschen und in Anstalten für die Rehabilitation oder Pflege von Behinderten.

(3a) Entrichtet der Rundfunkteilnehmer bereits für eine Wohnung ununterbrochen die Rundfunkgebühr, so ist für jede weitere Wohnung dieses Rundfunkteilnehmers die Abgabe einer auf jene Kalendermonate eines Kalenderjahres eingeschränkten Meldung nach § 2 Abs. 3 zulässig, an welchen wiederkehrend die Betriebsbereitschaft der Rundfunksempfangseinrichtungen in der weiteren Wohnung hergestellt wird, wobei dieser Zeitraum mindestens vier Monate im Kalenderjahr betragen muss. Wird eine solche Meldung abgegeben, so ist die der Meldung entsprechende Rundfunkgebühr jährlich in einem im Vorhinein zu entrichten.

(3b) Für Standorte, an welchen geschäftsbedingt saisonal wiederkehrend der Betrieb eingestellt wird, ist die Abgabe einer dermaßen eingeschränkten Meldung zulässig, dass pro Kalenderjahr nur für die Monate des Betriebes Rundfunkgebühr zu bezahlen ist, wobei dieser Zeitraum mindestens vier Monate im Kalenderjahr betragen muss. Wird eine solche Meldung abgegeben, so ist die der Meldung entsprechende Rundfunkgebühr jährlich in einem im Vorhinein zu entrichten.

(4) Die Gebühren sind erstmals für den Monat zu entrichten, in dem die Gebührenpflicht beginnt, und letztmalig für den Monat, in dem sie endet.

(5) Von den Gebühren nach Abs. 1 sind auf Antrag jene Rundfunkteilnehmer zu befreien, bei denen die in §§ 47 bis 49 der Anlage zum Fernmeldegebührengesetz (Fernmeldegebührenordnung), BGBl. Nr. 170/1970 in der jeweils geltenden Fassung, genannten Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rundfunkgebühr vorliegen.

2.2. Anknüpfungspunkt für die Rundfunkgebührenpflicht ist der "Standort" (§ 3 Abs 1 RGG: "für jeden Standort"). Das Rundfunkgebührengesetz geht dabei davon aus, dass mehrere Personen an einem Standort einen gemeinsamen Wohnsitz begründen können (vgl. § 2 Abs. 5 RGG: "jene, die dort ihren Wohnsitz haben") und dass an einem Standort generell bis zu zehn Radio- bzw. Fernseh-Empfangseinrichtungen betrieben werden dürfen, ohne eine weitere (Zusatz )Gebühr auszulösen (§ 3 Abs. 2 RGG). Diese Zahl wird in Abs. 3 für einzelne Standorte erweitert. So darf beispielsweise gemäß § 3 Abs. 3 Z 5 RGG "am jeweiligen Standort eine unbeschränkte Anzahl von Radio- bzw. Fernseh-Empfangseinrichtungen betrieben werden in (…) Gästezimmern von gewerblichen Beherbergungsbetrieben".

2.3. Ein "Standort" wird in § 2 Abs. 2 RGG definiert als "die Wohnung oder eine sonstige Räumlichkeit bzw. ein geschlossener Verband von Räumlichkeiten mit einheitlichem Nutzungszweck, wo eine Rundfunkempfangseinrichtung betrieben wird". Ein Standort ist also entweder eine "Wohnung" oder "eine sonstige Räumlichkeit bzw. ein geschlossener Verband von Räumlichkeiten mit einheitlichem Nutzungszweck". Für mehrere Wohnungen und somit Standorte ist mehrfach Rundfunkgebühr zu entrichten (vgl. § 3 Abs. 1 sowie Abs. 3a RGG).

Der Begriff des Standortes ist dabei jedoch offensichtlich nicht zu eng zu verstehen. So ergibt sich beispielsweise aus § 3 Abs. 3 Z 5 RGG, dass das RGG bei einem Hotel von einem gemeinsamen Standort (arg: "am jeweiligen Standort") ausgeht, obwohl die Hotelgäste jeweils über ihre eigenen Aufenthaltsbereiche verfügen. Gemeinsame Klammer über diese eigenen Bereiche ist jedoch der Hotelbetrieb, der als solcher als Standort im Sinne des RGG angesehen wird. Dieses gesetzliche Beispiel zeigt, dass Untereinheiten nach dem RGG zulässig sind und noch nicht notwendiger Weise einen eigenen Standort begründen.

2.4. Entscheidend ist im vorliegenden Fall die Begriffsbestimmung von "Wohnung", wobei hierfür keine eigene Legaldefinition im RGG besteht. Eine Wohnung ist dabei die Zusammenfassung von Räumlichkeiten und Einrichtungen, die nach der Verkehrsauffassung zum Wohnen geeignet sind (vgl. schon zu § 26 BAO das hg. Erkenntnis vom , Zl. 125/68 = Slg 3901). Dass eine Wohnung regelmäßig nicht nur der dauernden Befriedigung des individuellen Wohnbedürfnisses einer einzelnen Person, sondern auch des Wohnbedürfnisses einer durch enge Bande zusammengefügten Gemeinschaft (Familie) dient, hat der Verwaltungsgerichtshof - wie die Beschwerde zu Recht aufzeigt - bereits in anderem Zusammenhang hervorgehoben (vgl das hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/16/0090, zu § 4 Abs. 1 GrEStG 1955). Ob ein Privatwohnhaus zwei "Wohnungen" beinhaltet oder als solches eine "Wohnung" bildet, ist jedoch letztlich eine Tatfrage und nach der Verkehrsauffassung zu beurteilen.

Dabei ist es ein erstes Indiz, ob die Liegenschaft eine gemeinsame oder eine getrennte Bezeichnung/Anschrift besitzt. Letztlich sind aber die tatsächlichen Umstände der Wohnnutzung maßgebend, wobei sich für den Verwaltungsgerichtshof folgendes Abgrenzungsmuster ergibt:

Wohnen mehrere Personen in einem gemeinsamen Wohnungsverband, gewähren einander wechselseitigen Zutritt zu ihren Räumlichkeiten und üben eine Form des Zusammenlebens (Wohngemeinschaft), so ist von einer gemeinsamen Wohnung und einem einheitlichen Standort im Sinne des RGG auszugehen. Die Annahme eines solchen Wohnungsverbandes wird dabei noch nicht dadurch ausgeschlossen, dass es für die Personen des Wohnungsverbandes durchaus getrennte Wohn- und Rückzugsbereiche in ihrer grundsätzlichen Verfügungshoheit gibt. Dies zeigen auch die Beispiele für eine einheitliche Zuordnung zu einem Standort in § 3 Abs 3a RGG (Gästezimmer von Privatzimmervermietern und von gewerblichen Beherbergungsbetrieben oder Heimen für Auszubildende und für ältere Menschen).

Liegen hingegen zwei getrennte und abgeschlossene Einheiten vor, ist von zwei Standorten im Sinne des RGG auszugehen. Eine solche Trennung manifestiert sich beispielsweise in getrennten Eingangsbereichen, getrennten Postfächern, versperrbaren und regelmäßig versperrten Eingangsportalen zu den jeweiligen Einheiten. Ein räumliches "Zusammenleben", das über ein Nachbarschaftsverhältnis hinausgeht, findet hier nicht statt. Sie erscheinen damit auch nach außen beispielsweise nicht als einheitliche Abgabenstelle im Sinne des § 2 Z 4 ZustellG.

2.5. Vor diesem Hintergrund ist die "Bewohnung getrennter Wohnbereiche" oder das Vorhandensein getrennter Infrastrukturen wie Küche und Bad auf zwei miteinander verbundenen Stockwerken allein noch kein Grund, von zwei Standorten im Sinne des RGG auszugehen.

2.6. Da die belangte Behörde sohin von einer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht ausgegangen ist, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

2.7. Hinsichtlich der Unzuständigkeitsrüge der Beschwerde (behauptete Zuständigkeit der Finanzlandesdirektion) ist lediglich auf § 10 AVOG 2010-DV bzw. auf die im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides in Kraft befindliche Vorgängerregelung (Aufgaben-Übertragungs-Verordnung, BGBl. II Nr. 166/2004) zu verweisen.

2.8. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
UAAAE-68012