TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 14.04.2016, Ra 2015/21/0190

VwGH vom 14.04.2016, Ra 2015/21/0190

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Revision des M A in W, vertreten durch Dr.in Julia Ecker, Rechtsanwältin in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom , W227 2112422- 1/10E, betreffend (insbesondere) Zurückweisung einer Beschwerde in einer Angelegenheit des Grundversorgungsgesetzes-Bund 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl),

I. den Beschluss gefasst:

Die Revision wird, soweit sie sich gegen Spruchpunkt A.III. des angefochtenen Beschlusses richtet (Abweisung des Antrags auf "Gewährung von Prozesskostenhilfe"), zurückgewiesen. II. zu Recht erkannt:

Spruch

1. Der angefochtene Beschluss wird in seinem Spruchpunkt A.II. (Zurückweisung des Antrags auf "Gewährung einer einstweiligen Anordnung nach Unionsrecht auf Gewährung von Grundversorgung") wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Revision, nämlich soweit damit Spruchpunkt A.I. des angefochtenen Beschlusses (Zurückweisung der erhobenen Beschwerde) bekämpft wird, als unbegründet abgewiesen.

3. Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein 17-jähriger syrischer Staatsangehöriger, erhob mit einem am (Freitag) um

19.15 Uhr dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) per Telefax übermittelten Schriftsatz eine auf das Grundversorgungsgesetz-Bund 2005 (GVG-B 2005) und auf die Richtlinie 2013/33/EU (Aufnahme-RL) gestützte Verhaltensbeschwerde gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG gegen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) "wegen rechtswidrigem Unterlassen der Berücksichtigung besonderer Bedürfnisse von schutzbedürftigen Personen und entsprechend adäquater Unterbringung gem. § 2 GVG-Bund iVm Art. 26 Aufnahmerichtlinie". Er beantragte primär, das BVwG möge feststellen, dass sich das BFA "in Vollziehung des GVG-Bund rechtswidrig verhalten hat" und den Revisionswerber "durch die (andauernde) mangelhafte Versorgung in seinem Recht auf Gewährung von Versorgung verletzt hat". In diesem Zusammenhang wurde im Rahmen der Begründung der Beschwerde die Feststellung begehrt, das BFA habe es unterlassen, dem Revisionswerber einen dem Wohl des Kindes entsprechenden Lebensstandard zu gewähren, ihn in einer adäquaten Unterkunft unterzubringen und ihm Freizeitbeschäftigungen zu ermöglichen sowie Rehabilitationsmaßnahmen, eine geeignete psychologische Betreuung und eine qualifizierte Beratung angedeihen zu lassen, wodurch er in näher genannten Rechten verletzt worden sei.

Diese Beschwerde war mit einem Antrag auf "Gewährung einer einstweiligen Anordnung nach Unionsrecht auf Gewährung von Grundversorgung unter Berücksichtigung besonderer Bedürfnisse des unbegleiteten minderjährigen Antragstellers" sowie mit dem Antrag auf "Gewährung von Prozesskostenhilfe" verbunden. Der erstangeführte Antrag war darauf gerichtet, das BVwG möge "mittels Beschluss verfügen", dass der Revisionswerber "vorläufig in einer speziellen für Minderjährige geeigneten Unterkunft iSd Art. 24 Abs. 2 lit. c und d Aufnahmerichtlinie untergebracht und dem Kindeswohl entsprechend versorgt und betreut wird".

2 In der Beschwerde, die als am (Montag) beim BVwG eingelangt gilt, brachte der Revisionswerber im Wesentlichen vor, er habe am einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Seither befinde er sich zwar in der Bundesbetreuungsstelle Traiskirchen, sei aber nicht in einem festen Quartier untergebracht, sondern müsse im Freien am Boden nächtigen, wobei ihm auch kein Zelt zur Verfügung stehe; er habe auch keinen Schlafsack, Decken oder dergleichen erhalten. Seine Versorgung beschränke sich auf drei Mahlzeiten pro Tag. Seit seiner Ankunft habe er erst einmal für drei Minuten duschen können. Außerdem seien ihm bisher kein pädagogisches Angebot oder eine psychologische Betreuung zuteil geworden.

3 Nach seiner mit beginnenden Unterbringung in der Betreuungsstelle Wien-Erdberg modifizierte der Revisionswerber diese Beschwerde. Er beantragte nunmehr insbesondere, das BVwG möge feststellen, dass sich das BFA in Vollziehung des GVG-B 2005 rechtswidrig verhalten habe und ihn durch die Nichtgewährung von "altersadäquater Versorgung" vom

9. bis in näher genannten Rechten verletzt habe. 4 Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom

wies das BVwG die Verhaltensbeschwerde gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG iVm § 9 Abs. 2 GVG-B 2005 als unzulässig zurück (Spruchpunkt A.I.). Den Antrag auf "Gewährung einer einstweiligen Anordnung" wies es gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG ebenfalls als unzulässig zurück (Spruchpunkt A.II.), dem Antrag auf "Gewährung von Prozesskostenhilfe" gab es gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG nicht Folge (Spruchpunkt A.III.). Unter Spruchpunkt B. sprach das BVwG schließlich aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Über die gegen diesen Beschluss erhobene Revision hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch das BVwG und Einleitung des Vorverfahrens - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - erwogen:

Zu Spruchpunkt I.

6 Gemäß § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG hat die Revision die Bezeichnung der Rechte, in denen der Revisionswerber verletzt zu sein behauptet (Revisionspunkte), zu enthalten. Nach Abs. 3 iVm Abs. 5 der genannten Bestimmung hat die Revision, wenn das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im bekämpften Beschluss ausgesprochen hat, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

7 In Bezug auf die Abweisung des Antrags auf "Gewährung von Prozesskostenhilfe" unter Spruchpunkt A.III. des angefochtenen Beschlusses macht der Revisionswerber geltend, er sei in seinem "Recht auf Beigabe eines Verfahrenshelfers" verletzt. Dabei verweist er auf das - die Zurückweisung eines Antrags auf unentgeltliche Beigabe eines Verfahrenshelfers zum Gegenstand habende - hg. Erkenntnis vom , Ro 2015/21/0032, dessen Erwägungen nach Auffassung des Revisionswerbers auch auf den vorliegenden Fall zuträfen.

8 Dem ist freilich zu entgegnen, dass der Revisionswerber weder in seiner ursprünglichen Beschwerde noch in der danach folgenden Modifizierung die Beigebung eines Verfahrenshelfers beantragt hatte. In dem - der Sache nach als Revisionspunkt iSd § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG geltend gemachten - "Recht auf Beigabe eines Verfahrenshelfers" konnte der Revisionswerber somit von vornherein nicht verletzt sein.

9 Der Antrag auf "Gewährung von Prozesskostenhilfe" erstreckte sich vielmehr ausdrücklich - und ausschließlich - auf die Eingabegebühr in Höhe von EUR 30,-- nach den Bestimmungen der BuLVwG-Eingabengebührenverordnung und auf die (mögliche) Verpflichtung zum Kostenersatz nach § 35 VwGVG. Soweit der Revisionswerber in der Revision dann noch am Rande auf diese Bestimmungen zurückkommt, bringt er vor, dass sie seitens des BVwG "aufgrund der unmittelbaren Anwendbarkeit und des Vorrangs des Unionsrechts" im gegenständlichen Verfahren nicht angewendet hätten werden dürfen.

10 Das war im Rahmen des angefochtenen Beschlusses aber ohnehin nicht der Fall, weil das BVwG mit diesem weder Gebühren vorgeschrieben noch den Revisionswerber zum Kostenersatz verpflichtet hat. Demzufolge gehen auch diese auf Spruchpunkt A.III. bezogenen Zulässigkeitsausführungen ins Leere.

11 Die Revision war daher in diesem Umfang gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG als unzulässig zurückzuweisen.

Zu Spruchpunkt II.

12 1. Die Zurückweisung des Antrags auf "Gewährung einer einstweiligen Anordnung" begründete das BVwG damit, dass der Revisionswerber bereits am in einer Betreuungsstelle untergebracht worden sei, weshalb schon am selben Tag, an dem die Beschwerde beim BVwG einlangte, der "darin begehrte Zustand hergestellt" worden sei.

13 Diesbezüglich weist der Revisionswerber allerdings im Ergebnis zutreffend darauf hin, dass dem BVwG gemäß den Ausführungen im hg. Beschluss vom , Fr 2015/21/0012, keine Zuständigkeit zukam, über den mit der Verhaltensbeschwerde verbundenen Antrag auf einstweilige Anordnung zu entscheiden. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird dazu des Näheren auf Punkt 3. der Begründung des genannten Beschlusses verwiesen.

14 Insoweit liegt daher ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, was nicht nur zur Zulässigkeit der Revision unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG führt, sondern in Bezug auf diesen Spruchteil auch ihre Berechtigung nach sich zieht.

Demnach war Spruchpunkt A.II. des angefochtenen Beschlusses gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufzuheben.

15 2. In Bezug auf die Bekämpfung von Spruchpunkt A.I. des angefochtenen Beschlusses wird in der Revision ins Treffen geführt, zur Frage der Zulässigkeit einer Verhaltensbeschwerde wegen unzureichender Gewährung der Grundversorgung gebe es bisher keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Damit wird zutreffend dargelegt, dass die Revision insoweit wegen Vorliegens einer grundsätzlichen Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

16 Das BVwG begründete die Zurückweisung der Verhaltensbeschwerde im Wesentlichen damit, dass es an einer - nach Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG von Verfassungs wegen erforderlichen - gesetzlichen Grundlage im GVG-B 2005 für die vom Revisionswerber eingebrachte Verhaltensbeschwerde fehle. Es könne sich zwar - aus dem Rechtsstaatsprinzip und "aus den Grundrechten" - ein verfassungsrechtliches und - aus Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) - ein unionsrechtliches Gebot ergeben, Rechtsschutz auch gegen typenfreies Verwaltungshandeln zu eröffnen. Diesem Gebot könne der Gesetzgeber aber auch durch andere Konstruktionen, etwa durch die Einrichtung eines Bescheidverfahrens, Rechnung tragen. Sei eine nach dem GVG-B 2005 anspruchsberechtigte Person der Auffassung, ihr werde die Grundversorgung zu Unrecht verweigert, könne sie somit in diesem Sinn beim BFA eine bescheidmäßige Erledigung beantragen. Gegen die Entscheidung des BFA, wie auch im Fall der Säumnis, könne dann beim BVwG ein Rechtsmittel erhoben werden. Damit stehe dem Revisionswerber (ausreichender) innerstaatlicher Rechtsschutz zur Verfügung.

17 Die gesetzliche Grundlage für die Betreuung (hilfsbedürftige) Asylwerber durch den Bund stellt das GVG-B 2005 dar, mit dem insbesondere die Aufnahme-RL (Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (Neufassung)), respektive die davor geltende Aufnahme-RL (Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten) umgesetzt werden soll. Die zentrale Regelung über die "Gewährung der Versorgung" findet sich - unter dieser Überschrift - im § 2 des genannten Gesetzes, der in der Fassung des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2015 - FrÄG 2015 (auszugsweise) Nachstehendes anordnet:

"§ 2. (1) Der Bund leistet Asylwerbern im Zulassungsverfahren Versorgung in einer Betreuungseinrichtung des Bundes (§ 1 Z 5), wobei im Rahmen der Aufnahme in die Grundversorgung etwaige besondere Bedürfnisse von schutzbedürftigen Personen - so weit als möglich - berücksichtigt werden. ...

(1a) Es besteht kein Anspruch auf Versorgung in einer bestimmten Betreuungseinrichtung des Bundes oder in einem bestimmten Bundesland. Bei Bedarf ist eine Verlegung von Asylwerbern und sonstigen Fremden nach Abs. 1, die bereits in einer Betreuungseinrichtung des Bundes versorgt werden, in eine andere Betreuungseinrichtung des Bundes zulässig. ...

(2) Asylwerbern (...) ist möglichst frühzeitig der Ort mitzuteilen, an welchem ihre Versorgung geleistet wird. Bei der Zuteilung ist auf bestehende familiäre Beziehungen, auf die besonderen Bedürfnisse von schutzbedürftigen Personen und auf ethnische Besonderheiten Bedacht zu nehmen.

(3) ...

(4) Die Versorgung von Asylwerbern (...), die

1. die Aufrechterhaltung der Ordnung durch grobe Verstöße gegen die Hausordnung der Betreuungseinrichtungen (§ 5) fortgesetzt oder nachhaltig gefährden oder

2. gemäß § 38a Sicherheitspolizeigesetz - SPG, BGBl. Nr. 566/1991, aus der Betreuungseinrichtung weggewiesen werden oder

3. innerhalb der Betreuungseinrichtung einen gefährlichen Angriff (§ 16 Abs. 2 und 3 SPG) gegen Leben, Gesundheit oder Freiheit begangen haben und aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie werden einen weiteren solchen begehen,

kann von der Behörde eingeschränkt, unter Auflagen gewährt oder entzogen werden. Diese Entscheidung darf jedoch nicht den Zugang zur medizinischen Notversorgung beschränken.

(5) Die Grundversorgung von Asylwerbern (...), die wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung verurteilt worden sind, die einen Ausschlussgrund gemäß § 6 AsylG 2005 darstellen kann, kann eingeschränkt, unter Auflagen gewährt oder entzogen werden. Abs. 4 letzter Satz gilt.

(6) Der Entscheidung, die Versorgung nach Abs. 4 oder 5 einzuschränken oder zu entziehen, hat eine Anhörung des Betroffenen, soweit dies ohne Aufschub möglich ist, voranzugehen. Die Anhörung des Betroffenen ist insbesondere nicht möglich, wenn er zwar zur Anhörung geladen wurde, jedoch zu dieser nicht erscheint oder wenn sein Aufenthalt unbekannt ist.

(7) ..."

18 Neben den in § 2 Abs. 4 und 5 GVG-B 2005 genannten Möglichkeiten der Einschränkung und des Entzugs von (bereits gewährten) Grundversorgungsleistungen gibt es auch noch Fälle des Ausschlusses von der Grundversorgung, die in § 3 Abs. 1 GVG-B 2005 aufgezählt sind. Diese Bestimmung lautet:

"§ 3. (1) Von der Versorgung gemäß § 2 können ausgeschlossen werden:

1. Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein;

2. Asylwerber (...), die trotz Aufforderung nicht an der Feststellung ihrer Identität oder ihrer Hilfsbedürftigkeit mitwirken;

3. Asylwerber, die einen weiteren Asylantrag innerhalb von sechs Monaten nach rechtskräftigem Abschluss ihres früheren Asylverfahrens eingebracht haben;

4. Asylwerber, die nicht an der Feststellung des für die Asylverfahrensführung notwendigen Sachverhalts mitwirken;

5. Fremde ohne Aufenthaltsrecht nach rechtskräftigem Abschluss ihres Asylverfahrens, sofern nicht die Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 1 Z 2 Grundversorgungsvereinbarung vorliegen und

6. Asylwerber (...), die ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln bestreiten können.

§ 2 Abs. 4 letzter Satz gilt. § 2 Abs. 6 gilt sinngemäß."

19 Demnach haben Asylwerber in dem über ihren Antrag auf internationalen Schutz geführten Zulassungsverfahren grundsätzlich Anspruch auf Grundversorgung. Der Umfang dieser Versorgung ergibt sich aus Art. 6 der zwischen dem Bund und den Ländern geschlossenen Grundversorgungsvereinbarung, BGBl. I Nr. 80/2004, und umfasst vor allem die Unterbringung in geeigneten Unterkünften unter Achtung der Menschenwürde und unter Beachtung der Familieneinheit, die Versorgung mit angemessener Verpflegung und die Gewährung von Sach- oder Geldleistungen zur Erlangung der notwendigen Bekleidung sowie die Gewährung eines monatlichen Taschengeldes für Personen in organisierten Unterkünften und für unbegleitete minderjährige Fremde; weiters die Sicherung der Kranken- und Pflegeversorgung sowie Information, Beratung und soziale Betreuung der Fremden durch geeignetes Personal unter Einbeziehung von Dolmetschern. Für unbegleitete minderjährige Fremde enthält Art. 7 der Grundversorgungsvereinbarung Sonderbestimmungen hinsichtlich darüber noch hinausgehender Leistungen. Das betrifft vor allem besondere Wohnformen und im Bedarfsfall die Gewährung von sozialpädagogischer und psychologischer Unterstützung sowie eine den Bedürfnissen angepasste Tagesstrukturierung.

Unter bestimmten in § 2 Abs. 4 und 5 GVG-B 2005 genannten Voraussetzungen können die Grundversorgungsleistungen nur unter Auflagen gewährt, eingeschränkt oder (ganz) entzogen werden. Bei Vorliegen der in § 3 Abs. 1 GVG-B 2005 näher genannten Bedingungen kann der Ausschluss von der Grundversorgung verfügt werden.

20 Zuständige Behörde ist das BFA. Das ergibt sich einerseits aus § 3 Abs. 1 Z 4 BFA-Einrichtungsgesetz, wonach dem Bundesamt die Vollziehung des GVG-B 2005 obliegt. Andererseits ergibt sich das auch aus § 3 Abs. 2 Z 7 BFA-VG, wonach dem Bundesamt die Führung von Verfahren nach dem GVG-B 2005, mit Ausnahme von Verwaltungsstrafverfahren, obliegt. Damit korrespondiert § 9 GVG-B 2005, dessen Abs. 1 bis 3b unter der Überschrift "Behörden" lauten:

"§ 9. (1) Behörde nach diesem Bundesgesetz ist das Bundesamt.

(2) Über Beschwerden gegen die Entscheidungen der Behörde entscheidet das Bundesverwaltungsgericht.

(3) Hat die Behörde eine Entscheidung gemäß § 13 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, getroffen, kann das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde über Antrag die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(3a) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

(3b) Gegen Erkenntnisse und Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichtes über Beschwerden gegen Bescheide der Behörde steht dem Bundesminister für Inneres das Recht zu, beim Verwaltungsgerichtshof nach Zustellung des Erkenntnisses oder des Beschlusses an das Bundesamt Revision zu erheben."

21 In der bis geltenden Fassung des Fremdenrechtspaktes 2005 lautete der schon damals mit "Behörden" überschriebene § 9 GVG-B 2005 in seinen Abs. 1 bis 3b wie folgt:

"§ 9. (1) Das Bundesasylamt ist Behörde erster Instanz.

(2) Über Berufungen gegen die Entscheidungen der Behörde erster Instanz entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern.

(3) Hat die Behörde erster Instanz eine Entscheidung gemäß § 64 Abs. 2 AVG getroffen, können die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern der Berufung über Antrag die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(3a) Die örtliche Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate richtet sich nach der Örtlichkeit, an der dem Betreuten zuletzt Grundversorgung im Sinne dieses Bundesgesetzes gewährt wurde. Wurde die Aufnahme in die Grundversorgung von Beginn an verweigert, ist für Berufungen der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel das Zulassungsverfahren nach den asylrechtlichen Vorschriften geführt wird oder wurde. Ansonsten richtet sich die Zuständigkeit nach dem Sitz der Behörde erster Instanz (Abs. 1). Die unabhängigen Verwaltungssenate entscheiden durch Einzelmitglied.

(3b) Der Bundesminister für Inneres kann Amtsbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit sowohl zugunsten als auch zum Nachteil des Fremden binnen sechs Wochen nach Zustellung an die Behörde erster Instanz erheben."

22 Zu dieser Bestimmung judizierte der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss vom , A 4/06 u.a., VfSlg. 17.985, dass eine nach dem GVG-B 2005 anspruchsberechtigte Person, die der Auffassung sei, ihr werde - ohne dass dem ein entsprechender Bescheid vorausgegangen ist - die Grundversorgung zu Unrecht verweigert, beim Bundesasylamt eine bescheidmäßige Erledigung beantragen könne. Dem stehe auch nicht entgegen, dass das GVG-B 2005 nur in bestimmten Fällen (Einschränkung und Entzug der Grundversorgung bzw. Ausschluss von der Grundversorgung) einen von Amts wegen ergehenden Bescheid vorsehe. Gegen die Entscheidung des Bundesasylamtes, wie auch im Falle der Säumnis, könne bei den unabhängigen Verwaltungssenaten in den Ländern gemäß § 9 GVG-B 2005 ein Rechtsmittel erhoben werden. Im Beschluss vom , B 2024/07, VfSlg. 18.447, brachte der Verfassungsgerichtshof dann noch zum Ausdruck, dass das GVG-B 2005, das die amtswegige Erlassung eines Bescheides bei Entziehung oder Einschränkung der Grundversorgungsleistungen vorsehe, im Verhältnis zu Art. 16 Abs. 5 der RL 2003/9/EG (" Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass materielle Vorteile im Rahmen der Aufnahmebedingungen nicht entzogen oder eingeschränkt werden, bevor eine abschlägige Entscheidung ergeht. "), dem nunmehr Art. 20 Abs. 6 der Aufnahme-RL inhaltlich entspricht, in dieser Beziehung gemeinschaftsrechtskonform sei.

23 Zu einem die von Anfang an verweigerte Grundversorgung nach dem Oö. Grundversorgungsgesetz 2006 betreffenden Fall sprach der Verfassungsgerichtshof sodann in seinem Erkenntnis vom , B 753/08 u.a., VfSlg. 18.525, aus, er verkenne nicht, dass bei der Verweigerung der Grundversorgung ein Antragsteller in eine seine Existenz bedrohende Situation kommen könne, doch sehe - in Bezug auf das gemäß der (damaligen) gesetzlichen Regelung eingeräumte Verlangen auf eine bescheidmäßige Feststellung durch die Landesregierung - § 73 AVG vor, dass über den Antrag "ohne unnötigen Aufschub" zu entscheiden sei. Eine Behörde, die - obwohl sie früher entscheiden könnte - die Entscheidungsfrist abwarte, handle daher rechtswidrig. Gerade in Fällen der Grundversorgung sei von einer Behörde zu erwarten, dass sie das Ermittlungsverfahren möglichst rasch abschließe und sofort einen Bescheid erlasse, um diese Rechtswidrigkeit zu vermeiden, die zu einer Amtshaftung führen würde. Aus dem Umstand, dass ein Devolutionsantrag erst nach Ablauf der (sechsmonatigen) Entscheidungsfrist gestellt werden könne, sei aber noch nicht die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Bestimmung abzuleiten, die keine von § 73 AVG abweichende kürzere Frist vorsehe.

24 Mit einem zum Kärntner Grundversorgungsgesetz (K-GrvG) ergangenen Beschluss vom , Zl. 2009/18/0060, hat der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde, die sich gegen die Zurückweisung einer - wegen der (nach Ansicht des Beschwerdeführers zu Unrecht erfolgten) Abmeldung der Krankenversicherung - an den unabhängigen Verwaltungssenat erhobenen Maßnahmenbeschwerde richtete, abgelehnt. Dazu ist vorauszuschicken, dass nach den (damals geltenden) Bestimmungen des K-GrvG - wie auch nach dem GVG-B 2005 - (insbesondere) über die Einschränkung oder Einstellung von Grundversorgungsleistungen mit schriftlichem Bescheid abzusprechen war. Daran anknüpfend begründete der Gerichtshof seine Entscheidung unter Bezugnahme auf die unter Rz 22 erwähnten Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofes damit, dass dem Beschwerdeführer die rechtliche Möglichkeit offen stehe, in Bezug auf die strittige Teilleistung der Grundversorgung einen Bescheid nach dem K-GrvG zu erwirken, sodass keine Lücke im Rechtsschutzsystem vorliege. Zum weiteren Beschwerdevorbringen, dass die Möglichkeit eines solchen Bescheides nach dem K-GrvG unter dem Blickwinkel des Art. 13 EMRK ("Recht auf wirksame Beschwerde") iVm Art. 3 EMRK ("Verbot der Folter") keinen effektiven Rechtsschutz biete, bemerkte der Verwaltungsgerichtshof dann noch Folgendes:

"Die Beschwerdebehauptung, dass die Erwirkung eines Bescheides nach § 9 K-GrvG für den Beschwerdeführer als hilfs- und schutzbedürftigen Asylwerber keinen zumutbaren Weg der Rechtsverfolgung darstelle, weil gemäß § 73 Abs. 1 AVG die erkennende Behörde sechs Monate Zeit für die Bescheiderlassung habe, verfängt bereits deshalb nicht, weil auch für die Erlassung eines Bescheides über eine gemäß § 67 Abs. 1 Z 2 AVG erhobene ‚Maßnahmenbeschwerde' die in § 73 Abs. 1 leg. cit. normierte Frist gilt. Abgesehen davon ordnet diese Gesetzesbestimmung an, dass (u.a.) über Anträge von Parteien - wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist - grundsätzlich ohne unnötigen Aufschub (und nur ‚spätestens' sechs Monate nach deren Einlangen) der Bescheid zu erlassen ist."

Daraus folgerte der Verwaltungsgerichtshof abschließend, der Beschwerdevorwurf, die Möglichkeit des Beschwerdeführers, einen Bescheid gemäß § 9 K-GrvG zu erwirken, biete - anders als eine "Maßnahmenbeschwerde" - keinen effektiven Rechtsschutz, sei nicht berechtigt.

25 Im Gefolge der dargestellten Judikatur führte der Verwaltungsgerichtshof sodann in seinem ebenfalls zum K-GrvG ergangenen Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0687, unter Punkt II.3.3. der Entscheidungsgründe aus:

"Zu einer Entziehung der Grundversorgung als angedrohte Maßnahme ist vorauszuschicken, dass selbst gegen deren Verwirklichung keine Maßnahmenbeschwerde zulässig wäre. Der Rechtsbehelf der Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt und Zwangsgewalt dient dem Zweck, eine Lücke im Rechtsschutzsystem zu schließen. Es sollten mit dieser Beschwerde aber nicht Zweigleisigkeiten für die Verfolgung ein und desselben Rechtes geschaffen werden. Was in einem Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann, kann daher nicht Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde sein, wobei die Zulässigkeit dieser Beschwerde insbesondere auch nicht von der (allenfalls längeren) Dauer des sonst zur Rechtsdurchsetzung zur Verfügung stehenden Verwaltungsverfahrens abhängt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/05/0072).

Bei faktischer Vorenthaltung der Grundversorgung (wobei dahingestellt bleiben kann, ob ein solcher Akt überhaupt als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anzusehen ist) stünde dem Betroffenen eine Klage nach Art. 137 B-VG beim Verfassungsgerichtshof offen, solange und insoweit die Entziehung der Grundversorgung noch nicht durch Bescheid verfügt worden ist (vgl. den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes zum O.ö. Grundversorgungsgesetz 2006 vom , B 2024/07). Darüber hinaus stünde dem Betroffenen die Möglichkeit offen, in Bezug auf strittige Leistungen der Grundversorgung einen Bescheid nach dem K-GrvG zu erwirken (vgl. den zum Grundversorgungsgesetz-Bund 2005 - GVG-B 2005 ergangenen Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom , A 4/06). Da sohin keine Lücke im Rechtsschutzsystem vorläge, die durch eine Beschwerde nach Art. 129a Abs. 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs. 1 Z 2 AVG geschlossen werden müsste, wäre eine Maßnahmenbeschwerde gegen die Entziehung der Grundversorgung unzulässig (vgl. die hg. Beschlüsse vom , Zl. 99/03/0123, und vom , Zl. 2009/18/0060)."

26 Der oben unter Rz 21 zitierte § 9 GVG-B 2005 in der bis geltenden Fassung des Fremdenrechtspaktes 2005 wurde mit Wirkung ab zunächst durch das FremdenbehördenneustrukturierungsG (FNG) dahin geändert, dass - neben der Bezugnahme auf das nunmehrige Bundesamt in Abs. 1 und neben dem wegen der nunmehr vorgesehenen Zuständigkeit des BVwG möglichen Entfall des Abs. 3a - in den Abs. 2, 3 und 3b jeweils "lediglich eine terminologische Anpassung aufgrund der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012" vorgenommen wurde (vgl. die ErlRV 1803 BlgNR 24. GP 80). So wurden im Abs. 2 das Wort " Berufungen " durch das Wort " Beschwerden " und die Wortfolge " entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern " durch die Wortfolge " entscheidet das Bundesverwaltungsgericht " sowie im Abs. 3 die Wortfolge " können die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern der Berufung " durch die Wortfolge " kann das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde " ersetzt. Abs. 3b betreffend die Amtsrevisionsbefugnis des Bundesministers für Inneres wurde im Hinblick auf mehrfach notwendige terminologische Änderungen neu formuliert. Mit dem FNG-AnpassungsG wurde sodann ebenfalls mit Wirksamkeit ab im § 9 Abs. 3 GVG-B 2005 nur das Zitat " § 64 Abs. 2 AVG " durch das Zitat " § 13 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, " ersetzt, was - wie schon zuvor - eine (weitere) Anpassung aufgrund der Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit darstellte (vgl. die ErlRV 2144 BlgNR 24. GP 34). Schließlich wurden noch mit dem am in Kraft getretenen FrÄG 2015 - so die diesbezüglichen ErlRV 582 BlgNR 25. GP 34 - durch den Entfall der Wendung " erster Instanz " "redaktionelle Anpassungen" vorgenommen und es wurde durch die Bedachtnahme im Abs. 3b auch auf " Beschlüsse " ein "redaktionelles Versehen" beseitigt.

27 Die soeben dargestellte Entwicklung zeigt deutlich, dass im § 9 GVG-B 2005 gegenüber der bis geltenden Rechtslage nur begriffliche Anpassungen im Hinblick auf die Einrichtung der Verwaltungsgerichte als Rechtsmittelinstanz vorgenommen wurden. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass hierdurch das bisher bestehende Rechtsschutzsystem - abgesehen von der Ersetzung des Bundesasylamtes durch das BFA auf Behördenebene und der unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern als Berufungsinstanz durch das BVwG als Beschwerdeinstanz - geändert, geschweige denn erweitert werden sollte.

28 Demzufolge kann dem Gesetzgeber auch nicht unterstellt werden, er hätte von der seit bestehenden verfassungsrechtlichen Ermächtigung des Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG insofern Gebrauch gemacht, als er einfachgesetzlich die Zuständigkeit des BVwG zur Entscheidung über Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens des BFA in Vollziehung des GVG-B 2005 vorgesehen habe. Demnach hat das BVwG (siehe Rz 16) am Maßstab der innerstaatlichen Normen und im Einklang mit der oben dargestellten, auf die aktuelle Rechtslage sinngemäß übertragbaren Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts die gegenständliche Verhaltensbeschwerde mangels gesetzlicher Grundlage zu Recht zurückgewiesen und den Revisionswerber zutreffend auf die Möglichkeit verwiesen, im Hinblick auf die von ihm geltend gemachte unzureichende Gewährung von Grundversorgung durch das Stellen eines entsprechenden Antrags einen Bescheid des BFA zu erwirken und diesen gegebenenfalls nach § 9 Abs. 2 GVG-B 2005 mit Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG beim BVwG anzufechten bzw. im Fall der Säumnis mit der Erlassung eines Bescheides eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG an das BVwG zu erheben.

29 Dass gegen diese Konstruktion des Rechtsschutzes keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, hat der Verfassungsgerichtshof aber schon in dem oben unter Rz 23 dargestellten Erkenntnis vom , B 753/08 u.a., VfSlg. 18.525, zum Ausdruck gebracht. Der Verwaltungsgerichtshof teilt die dort vertretene Auffassung, im Hinblick darauf, dass § 73 Abs. 1 erster Satz AVG (primär) vorsieht, über den Antrag sei "ohne unnötigen Aufschub" zu entscheiden, sei gerade in Fällen der Grundversorgung von einer Behörde zu erwarten, dass sie das Ermittlungsverfahren pflichtgemäß möglichst rasch abschließt und sofort einen Bescheid erlässt (vgl. in diesem Sinn schon den oben unter Rz 24 zitierten hg. Beschluss vom , Zl. 2009/18/0060). Im Einklang mit dem Verfassungsgerichtshof, der den vergleichbaren Fall einer gänzlichen Verweigerung der Grundversorgung zu beurteilen hatte, gilt daher auch für die vorliegende Konstellation, aus dem Umstand, dass eine Säumnisbeschwerde nach § 8 Abs. 1 VwGVG erst nach Ablauf der (längstmöglichen) Entscheidungsfrist von sechs Monaten gestellt werden kann, lassen sich keine verfassungsrechtlichen Bedenken ableiten.

30 Im Übrigen ist noch - wie sinngemäß ebenfalls schon in dem zuletzt erwähnten Beschluss vom , Zl. 2009/18/0060 - unter dem Gesichtspunkt der Effektivität des Rechtsschutzes darauf hinzuweisen, dass auch für die Erlassung einer Entscheidung über eine Verhaltensbeschwerde iSd Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG die in § 34 Abs. 1 erster Satz VwGG - diese Bestimmung entspricht inhaltlich dem § 73 Abs. 1 erster Satz AVG - normierte Frist gilt, wobei gemäß dessen zweitem Satz darüber hinaus die Entscheidungsfrist des Verwaltungsgerichtes erst mit der Vorlage der Beschwerde beginnt.

31 Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass auch das Stellen eines auf das Unionsrecht gestützten Antrags auf einstweilige Anordnung mit der Behauptung, die unzureichende Gewährung von Grundversorgung widerspreche der Aufnahme-RL, in Betracht käme. Dabei geht es darum, vorläufigen Rechtsschutz einzuräumen, um die Effektivität des in der Hauptsache erhobenen Rechtsbehelfs sicherzustellen. Für dringende Fälle, in denen die baldige Erlangung existenzsichernder Maßnahmen für erforderlich gehalten wird, ist daher ein Antrag auf einstweilige Anordnung geeignet, rasch Abhilfe zu erreichen. Davon ging auch der Revisionswerber aus und machte von dieser Möglichkeit folgerichtig auch im vorliegenden Fall - wenn auch in Verbindung mit der erhobenen Verhaltensbeschwerde - Gebrauch. Dass ein derartiger Antrag (verbunden mit dem Antrag in der Hauptsache) an das BFA zu richten ist, das darüber - selbstredend: unverzüglich - zu entscheiden hat, beeinträchtigt nicht die Effektivität des Rechtsschutzes, sondern ermöglicht im Gegenteil der zuständigen Behörde eine sofortige Reaktion - dies freilich unter der nachprüfenden Kontrolle des mit Beschwerde anrufbaren und ebenfalls zur unverzüglichen Entscheidung verpflichteten Verwaltungsgerichtes (vgl. sinngemäß Punkt 3.3. der Begründung des hg. Beschlusses vom , Fr 2015/21/0012).

32 Entgegen der Meinung in der Revision ergibt sich auch nicht aus dem Unionsrecht, namentlich aus Art. 26 der Aufnahme-RL in Verbindung mit Art. 47 GRC, dass ein effektiver Rechtsschutz in Angelegenheiten der Grundversorgung nur dann gegeben wäre, wenn die direkte Anrufbarkeit eines Gerichtes mit Verhaltensbeschwerde möglich ist.

33 So wird schon in der Präambel der Aufnahme-RL unter Punkt 35 postuliert, dass die RL im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen stehe, die insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt wurden, und dass die RL vor allem darauf abziele, (u.a.) die Anwendung des Art. 47 der Charta zu fördern. Dass entgegen dieser Absicht der mit "Rechtsbehelfe" übertitelte Art. 26 der Aufnahme-RL den Vorgaben des Art. 47 GRC nicht entspreche, wird auch in der Revision nicht behauptet. Der - nach Art. 31 Abs. 1 der Aufnahme-RL bis umzusetzende - Art. 26 ordnet in seinem ersten Absatz Folgendes an:

"Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass gegen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Gewährung, dem Entzug oder der Einschränkung von Vorteilen gemäß dieser Richtlinie oder gegen Entscheidungen gemäß Artikel 7, die Antragsteller individuell betreffen, ein Rechtsbehelf nach den im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Verfahren eingelegt werden kann. Zumindest in der letzten Instanz ist die Möglichkeit einer auf Sach- und Rechtsfragen gerichteten Überprüfung durch eine Justizbehörde vorzusehen."

In diesem Kontext ist im Übrigen auch noch auf die - nach Art. 31 Abs. 1 der Aufnahme-RL ebenfalls bis umzusetzenden - Abs. 5 und 6 des Art. 20 dieser RL betreffend die (v.a.) verfahrensrechtlichen Bestimmungen bei Einschränkung oder Entzug bereits gewährter Grundversorgungsleistungen Bedacht zu nehmen, die wie folgt lauten:

"(5) Entscheidungen über die Einschränkung oder den Entzug der im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen oder über Sanktionen nach den Absätzen 1, 2, 3 und 4 dieses Artikels werden jeweils für den Einzelfall, objektiv und unparteiisch getroffen und begründet. Die Entscheidungen sind aufgrund der besonderen Situation der betreffenden Personen, insbesondere im Hinblick auf die in Artikel 21 genannten Personen, unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips zu treffen. Die Mitgliedstaaten gewährleisten im Einklang mit Artikel 19 in jedem Fall Zugang zur medizinischen Versorgung und gewährleisten einen würdigen Lebensstandard für alle Antragsteller.

(6) Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass im Rahmen der Aufnahme gewährte materielle Leistungen nicht entzogen oder eingeschränkt werden, bevor eine Entscheidung nach Maßgabe von Absatz 5 ergeht."

34 In der Revision wird in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten, "bei richtlinienkonformer Interpretation im Lichte des Art. 26 Abs. 1 der Aufnahme-RL" müsse unter dem Begriff "Beschwerden gegen Entscheidungen" im § 9 Abs. 2 GVG-B 2005 auch eine Verhaltensbeschwerde gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG verstanden werden. Bei anderer Auslegung könne die gegenständliche Verhaltensbeschwerde aber hilfsweise auch unmittelbar auf Art. 26 der Aufnahme-RL gestützt werden, weil dann der nationale Gesetzgeber mit der Schaffung eines entsprechenden Rechtsbehelfs säumig wäre. Beides wird damit begründet, dass andernfalls kein effektiver Rechtsbehelf iSd Art. 47 GRC iVm Art. 26 der Aufnahme-RL zur Verfügung stünde, weil dem die "Umwegkonstruktion" (Beantragung eines Bescheides beim BFA) angesichts der sechsmonatigen Entscheidungsfrist nicht genüge.

35 Für diese Annahme lässt sich aber den unter Rz 33 zitierten unionsrechtlichen Bestimmungen, mit deren Inhalt sich die Revision auch nicht weiter auseinandersetzt, keine Grundlage entnehmen. Vielmehr entspricht die nach der oben dargelegten Judikatur (insbesondere) des Verfassungsgerichtshofes sich aus dem "einzelstaatlichen Recht" ergebende Rechtsschutzmöglichkeit nach dem GVG-B 2005 den Anforderungen der Aufnahme-RL, die dem nationalen Gesetzgeber insoweit einen sehr weiten Spielraum einräumt:

36 Einerseits wird von Art. 26 Abs. 1 der Aufnahme-RL nämlich erst in letzter Instanz die Überprüfung durch eine "Justizbehörde" mit voller Kognition verlangt, während nach innerstaatlichem Recht ein solches Gericht bereits als zweite Instanz vorgesehen ist. Der Aufnahme-RL lassen sich aber auch keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass es zur Verwirklichung eines effektiven Rechtsschutzes - wie im vorliegenden Fall, in dem der Revisionswerber bereits zum Zeitpunkt des Einlangens der Beschwerde beim BVwG am entsprechend seinem Begehren in einer adäquaten Betreuungseinrichtung untergebracht und damit "klaglos" gestellt war - noch überdies die Möglichkeit geben müsse, im Wege einer Verhaltensbeschwerde eine gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit eines bereits (längst) beendeten Verhaltens zu erwirken. Auch die Revision führt diesbezüglich keine Argumente ins Treffen. Im Übrigen ist es dem Fremden - wie noch ergänzend anzumerken ist - unbenommen, gegebenenfalls gestützt auf die Behauptung (in der Vergangenheit erfolgter) rechtswidriger Vorenthaltung von Grundversorgung im Wege der Amtshaftung bei den Zivilgerichten Schadenersatz zu begehren (vgl. dazu das - " Schneider ").

37 Andererseits ergibt sich aus der zitierten Bestimmung des Art. 26 Abs. 1 der Aufnahme-RL, dass es zulässig ist, in erster Instanz die Entscheidungszuständigkeit einer Administrativbehörde vorzusehen. Insoweit entspricht das GVG-B 2005 in seiner oben wiedergegebenen Auslegung durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, wonach auf Antrag vom BFA mit Bescheid darüber abzusprechen ist, wenn die Leistungen der Grundversorgung am Maßstab der Grundversorgungsvereinbarung bzw. der Aufnahme-RL (behauptetermaßen) unzureichend sind oder überhaupt verweigert werden, der genannten Bestimmung der Aufnahme-RL. In Bezug auf die Einschränkung oder den Entzug von Grundversorgungsleistungen ergibt sich die Bescheiderlassungspflicht - vor dem Hintergrund von Art. 20 Abs. 5 und 6 der Aufnahme-RL - im Übrigen schon aus § 2 Abs. 4 und 5 iVm Abs. 6 sowie aus § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 6 GVG-B 2005 (vgl. den oben unter Rz 22 zitierten Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom , A 4/06 u.a., VfSlg. 17.985; siehe dazu auch die unter derselben Rz wiedergegebene, zur RL 2003/9/EG vorgenommene Einschätzung des Verfassungsgerichtshofes im Beschluss vom , B 2024/07, VfSlg. 18.447, dass das GVG-B 2005 insoweit gemeinschaftsrechtskonform sei). Schließlich kann hinsichtlich der Überlegungen zur ausreichenden Effektivität des sich aus dem GVG-B 2005 ergebenden Rechtsschutzsystems im Verhältnis zu einer Verhaltensbeschwerde auf die Ausführungen unter Rz 29 bis 31 verwiesen werden, wobei noch ergänzend anzumerken ist, dass auch die Aufnahme-RL - außer bei der Erstbeurteilung nach Art. 22 Abs. 1, die "innerhalb angemessener Frist" vorzunehmen ist - keine Entscheidungsfristen vorgibt.

38 Demnach kann nicht - im Sinne der gefestigten Rechtsprechung des EuGH zum Effektivitätsgrundsatz (vgl. dazu etwa das Urteil vom , C-279/09 " DEB Deutsche Energiehandels- und Beratungsgesellschaft mbH ", Rz 28, mwN) - gesagt werden, dass die im GVG-B 2005 vorgesehenen "Verfahrensmodalitäten" einem Asylwerber die Verfolgung der ihm nach der Aufnahme-RL zustehenden Rechte "praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren".

39 Aus all diesen Gründen ist somit auch der Anregung in der Revision nicht näher zu treten, gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union zu der Frage einzuholen, ob Art. 26 der Aufnahme-RL "dahingehend ausgelegt werden kann, dass nach faktischer Nicht-Gewährung der zureichenden Grundversorgung ein antragsbedürftiges Verfahren zur Erlassung eines Bescheides binnen sechs Monaten ausreichend wäre, um Rechtsschutz zu gewähren". Vor allem trifft nämlich auch die in der Revision im unmittelbaren Anschluss an die Formulierung dieser Frage noch angeführte Begründung - "dies insbesondere vor dem Hintergrund der während dieser Zeit bestehenden Obdachlosigkeit" - fallbezogen überhaupt nicht zu.

40 Im Ergebnis erweist sich daher die mit Spruchpunkt A.I. des angefochtenen Beschlusses vorgenommene Zurückweisung der Verhaltensbeschwerde als zutreffend. Die Revision war daher insoweit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

41 3. Von der Durchführung der in der Revision beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

42 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am