VwGH vom 24.05.2013, 2012/02/0108

VwGH vom 24.05.2013, 2012/02/0108

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2012/02/0109 E

2012/02/0110 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Riedinger und die Hofräte Dr. Beck, Mag. Dr. Köller, Dr. N. Bachler sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des Ing. G. in W., vertreten durch Siemer-Siegl-Füreder Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Dominikanerbastei 10, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS- 07/S/57/8577/2011-27, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer unter dem im vorliegenden Beschwerdefall ausschließlich relevanten Spruchpunkt 1) (des Straferkenntnisses des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 21. Bezirk, vom ) für schuldig befunden, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der S.-GmbH zu verantworten, dass am auf der auswärtigen Arbeitsstelle in der L.-Straße 56

1) entgegen den Bestimmungen des § 72 Abs. 1 Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV), wonach Arbeitnehmern bei Arbeiten an absturzgefährlichen Stellen, wo durch sonstige Schutzmaßnahmen ein ausreichender Schutz nicht erreicht werden könne, Sicherheitsgürtel oder Sicherheitsgeschirre zur Verfügung zu stellen seien, vom tödlich verunfallten Ch. K. Arbeiten ohne persönliche Schutzausrüstung durchgeführt worden seien.

Er habe dadurch zu Spruchpunkt 1) § 130 Abs. 5 Z. 1 ASchG in Verbindung mit § 72 Abs. 1 AAV verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe in Höhe von EUR 4.200,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 4 Tage) verhängt wurde.

In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, die S.-GmbH habe am auf der näher genannten Arbeitsstelle Arbeiten an der Sendeanlage, nämlich den Austausch der Basisstation eines Handynetzbetreibers, von den Arbeitnehmern Ch. K. und K. G. durchführen lassen. Diese Arbeiten seien am Schaltkasten vorzunehmen gewesen. Ch. K. habe seine Arbeiten ohne persönliche Schutzausrüstung durchgeführt.

Der Arbeitnehmer Ch. K. habe den Bereich beim Schaltkasten (auf dem ersten Dach) verlassen und sei über eine Steighilfe zu dem Bereich des Handymastes (auf dem zweiten Dach) gelangt und von dort in einen ungesicherten und unbeleuchteten Lichthof gestürzt. Er habe sich dabei tödliche Verletzungen zugezogen. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die S.-GmbH am an diesem Ort eine Arbeitsstätte betrieben habe.

Unbestritten sei, dass der Arbeiter Ch. K. gemeinsam mit seinem Kollegen K. G. für die S.-GmbH tätig gewesen sei und beide am Arbeiten an dem Schaltkasten der Sendeanlage am Dach des Hauses L.-Straße 56 durchgeführt hätten. Unbestritten sei auch, dass im Bereich des zweiten Daches keine Sicherungsmaßnahmen zur Verhinderung des Abstürzens in den Lichthof (etwa durch das Tragen einer persönlichen Schutzausrüstung) sowie keine ausreichende Beleuchtung vorhanden gewesen seien und es in der Folge zu einem Arbeitsunfall gekommen sei, bei dem sich der Arbeitnehmer Ch. K. tödliche Verletzungen zugezogen habe. Unbestritten sei auch, dass die Arbeitnehmer auf dem Dach nicht nur zu dem Schaltkasten, sondern auch zur gesamten Sendeanlage und somit auch zum Handymasten (am zweiten Dach) Zugang gehabt hätten.

Bestritten werde hingegen, dass der gegenständliche Arbeitsunfall im Rahmen der (beruflichen) Tätigkeit des verunfallten Arbeitnehmers vorgefallen sei. Vielmehr sei Ch. K. eigenmächtig und ohne jegliche Notwendigkeit auf das zweite Dach gestiegen. Es sei nicht erforderlich gewesen, auf das zweite Dach zu steigen, weil die gegenständlichen Arbeiten ausschließlich auf dem ersten Dach durchzuführen gewesen seien.

Gemäß § 2 Abs. 3 letzter Satz ASchG seien auswärtige Arbeitsstellen im Sinne dieses Bundesgesetzes alle Orte außerhalb von Arbeitsstätten, an denen andere Arbeiten als Bauarbeiten durchgeführt würden.

In dem gegenständlichen Fall hätten die Arbeitnehmer den Arbeitsauftrag gehabt, die Basisstation in dem Schaltkasten einer Sendeanlage zu wechseln. Diesen Auftrag hätten die Arbeitnehmer bei diversen Sendeanlagen in Wien gehabt, wobei ihnen jeweils ein Wochenplan dafür vorgelegt worden sei, aus dem ersichtlich gewesen sei, an welchen Sendeanlagen sie diese Arbeiten durchzuführen hätten. Das erforderliche Kleinmaterial und Unterlagen hätten sie jeweils bei der S.-GmbH abgeholt. Anschließend hätten die Arbeitnehmer an den jeweiligen Sendeanlagen an dem jeweiligen Schaltkasten ausschließlich Montagearbeiten vorgenommen. Nach Beendigung dieser Arbeiten hätten die Arbeitnehmer die betreffende Arbeitsstelle verlassen.

Demnach liege bei der angelasteten Tatörtlichkeit keine Arbeitsstätte im Sinne des ASchG vor. Vielmehr sei bei den dargestellten Montagearbeiten von einer sogenannten auswärtigen Arbeitsstelle im Sinne des § 2 Abs. 3 letzter Satz ASchG auszugehen, weil dort Arbeiten an einer Örtlichkeit durchgeführt worden seien, die keine Arbeitsstätte dargestellt habe.

Dazu sei auch auf die Bestimmung des § 1 Z. 5 Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV) zu verweisen, wonach "Arbeitsstellen" alle Stellen in Räumen seien, die keine Betriebsräume seien, und alle Stellen im Freien, an denen Arbeiten ausgeführt würden. In der in der Verordnung angeführten beispielhaften Aufzählung werde ausdrücklich auf Montagearbeiten hingewiesen.

Zu dem Bereich innerhalb eines Betriebes habe der VwGH bereits festgehalten, dass es sich bei dem Begriff "Arbeitsstätte" um die Orte in den Gebäuden des Unternehmens und/oder Betriebes handle, die zur Nutzung für Arbeitsplätze vorgesehen seien, einschließlich jedes Ortes auf dem Gelände des Unternehmens und/oder Betriebes, zu dem Arbeitnehmer im Rahmen ihrer Arbeit Zugang hätten (vgl. Zl. 98/02/0234, sowie vom , Zl. 2007/02/0004).

Davon ausgehend ergebe sich für die gegenständliche auswärtige Arbeitsstelle, dass jene Bereiche, die zur Nutzung der unmittelbaren Arbeit vorgesehen seien und auch jene Bereiche, die den Arbeitnehmern auf dem Dach zugänglich seien, zu dem Bereich der auswärtigen Arbeitsstelle gehörten.

Der gegenständliche Bereich, der den Arbeitnehmern auf dem Dach des Hauses L.-Straße 56 zugänglich gewesen sei, habe aus zwei Ebenen bestanden, wobei sich auf der ersten Ebene (erstes Dach) der Schaltkasten befunden habe und auf der zweiten Ebene (zweites Dach) der Bereich des Handymastes mit der (ungesicherten) Absturzstelle zu dem Lichthof liege.

In dem konkreten Fall seien Arbeiten unmittelbar am Schaltkasten durchgeführt worden. Dieser Bereich gehöre jedenfalls zur auswärtigen Arbeitsstelle. Zusätzlich gehörten aber auch all jene Bereiche zu der auswärtigen Arbeitsstelle, die den Arbeitnehmern zugänglich seien, somit in diesem Fall jedenfalls auch der Bereich des Handymastes auf dem zweiten Dach.

Aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Zugangsdaten für die Arbeitnehmer zur Orientierung an der jeweiligen Arbeitsstelle sei ersichtlich, dass auch der Bereich des Handymastes für die Arbeitnehmer jeweils zugänglich sei. Das hätten auch die Zeugenaussagen von Ing. Sch. und K. G. ergeben. Der Zeuge K. G. habe insbesondere angegeben, dass er, nachdem er Schreie von seinem Kollegen vernommen habe, auf dem zweiten Dach im Bereich des Handymastes Nachschau gehalten und in der Folge den Unfall bemerkt habe. In diesem Zusammenhang sei auch anzumerken, dass die Entfernung zwischen dem Schaltkasten und dem Handymasten lediglich fünf bis sechs Meter betragen habe.

Auch wenn die Arbeitnehmer Ch. K. und K. G. ausschließlich den Arbeitsauftrag gehabt hätten, Arbeiten am Schaltkasten am ersten Dach durchzuführen, ändere dies nichts daran, dass auch der Bereich des Handymastes, der wie auch der Schaltkasten ein Teil der Sendeanlage sei, zu der auswärtigen Arbeitsstelle gehöre, weil den Arbeitnehmern dieser Bereich zugänglich gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid (nur hinsichtlich Spruchpunkt 1 des Straferkenntnisses des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 21. Bezirk, vom ) richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschiften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

In der Beschwerde wird u.a. eingewendet, wesentliche Voraussetzung des § 72 Abs. 1 AAV sei, dass Sicherheitsgürtel, Sicherheitsgeschirre einschließlich dazugehöriger Ausrüstung an der konkreten "absturzgefährlichen Stelle", an der von Arbeitnehmern Arbeiten durchzuführen seien, zur Verfügung stehen müssten. Jedenfalls keine solche zu sichernde absturzgefährliche Stelle liege vor, wenn an dieser Stelle keine Arbeiten von Arbeitnehmern durchzuführen seien. Begebe sich ein Arbeitnehmer eigenmächtig zu einer absturzgefährlichen Stelle, ohne dass dies für die Durchführung seiner Arbeit erforderlich wäre, komme die Anwendung der Strafbestimmung(en) nicht in Frage (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/19/0475).

Die belangte Behörde gehe im angefochtenen Bescheid davon aus, der tragische Unfall habe sich gegenständlich an einer "auswärtigen Arbeitsstelle" ereignet. Sie begründe dies unter anderem damit, dass "all jene Bereiche zu der auswärtigen Arbeitsstelle" gehörten, die den Arbeitnehmern zugänglich seien.

Diese Rechtsansicht sei völlig verfehlt und rechtswissenschaftlich nicht nachvollziehbar. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, Erkenntnis vom , Zl. 98/02/0234, sei nur ein solcher Ort als "auswärtige Arbeitsstelle" zu qualifizieren, an dem konkret Arbeiten "durchgeführt" würden. Insoweit sei die Rechtsansicht der belangten Behörde richtig, wonach jene Bereiche, die zur Nutzung der unmittelbaren Arbeit vorgesehen seien, als auswärtige Arbeitsstelle anzusehen seien. Gänzlich unverständlich weite die belangte Behörde den Bereich der Arbeitsstelle aber - ohne jegliche Rechtsgrundlage - auf jene Bereiche aus, "die den Arbeitnehmern (...) zugänglich sind".

Die belangte Behörde begründe diese Rechtsansicht damit, dass die Definition der Arbeitsstätte in § 19 ASchG, wonach auch Orte, "zu denen Arbeitnehmer im Rahmen ihrer Arbeit Zugang haben", vom Begriff der Arbeitsstätte umfasst seien, "durchaus auch für auswärtige Arbeitsstellen herangezogen werden" könne.

Diese Rechtsansicht sei aus mehrfachen Gründen verfehlt und unrichtig. Wie bereits erörtert, gelte als Arbeitsstelle nur jener konkrete Ort ("Ort und Stelle"), an dem Arbeiten durchgeführt würden. Diesen auch auf andere Bereiche (zu denen Arbeitnehmer Zugang hätten) auszuweiten, sei rechtswidrig. Folge man der Rechtsansicht der belangten Behörde, würde es zu einer verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit von Arbeitgebern führen, wenn ein Mitarbeiter an seinem Schreibtisch Arbeiten durchführe, plötzlich ein geschlossenes Fenster seines Zimmers öffne und dann durch seine eigene Unachtsamkeit hinausfalle und sich verletze. Dies sei selbstverständlich nicht "ratio legis" der von der belangten Behörde angewendeten Norm. Ganz in diesem Sinne habe der Verwaltungsgerichtshof auch ausgesprochen, dass eine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Arbeitgebers nicht besteht, wenn ein Arbeitnehmer - ohne Auftrag, dort Arbeiten auszuführen - einen ungesicherten Balkon betrete, um dort "eine Zigarette zu rauchen" (Hinweis auf das vorzitierte Erkenntnis vom , Zl. 90/19/0475).

Gegenständlich habe die belangte Behörde mehrmals ausdrücklich festgestellt und hervorgehoben, dass Arbeiten nur am Schaltkasten ("auf dem ersten", nicht absturzgefährlichen (!) "Dach") von den Arbeitnehmern durchzuführen gewesen seien und diese im Bereich der Absturzstelle ("auf dem zweiten Dach") keine Arbeiten, welcher Art auch immer, durchzuführen gehabt hätten. Es habe für die Arbeitnehmer daher keinerlei Gründe gegeben, das zweite Dach, also die Absturzstelle, im Rahmen ihrer Arbeit zu betreten.

Da die belangte Behörde gegenständlich den Bereich der absturzgefährlichen Arbeitsstelle i.S.d. § 72 Abs. 1 AAV aber rechtswidrig auch auf jene Bereiche ausgeweitet habe, zu denen die Arbeitnehmer "Zugang gehabt haben" bzw. die für diese "zugänglich war(en)", sei sie unrichtig von der Verwirklichung des Verwaltungsdelikts durch den Beschwerdeführer ausgegangen.

Die Arbeitnehmer hätten keinen Auftrag gehabt, im Bereich der zweiten Ebene des Daches, von wo aus der tragische Absturz passiert sei, irgendwelche Arbeiten durchzuführen. Diese seien lediglich auf der ersten Ebene des Daches, beim Schaltkasten, durchzuführen gewesen. Es werde in diesem Zusammenhang explizit hervorgehoben, dass diese Tatsache von der belangten Behörde einerseits festgestellt worden sei und auch im Einklang mit den Aussagen des weiteren Arbeitnehmers K. G. und der Zeugen Ing. R. Sch. und Dr. D. G. stehe. Die erste Ebene des Daches sei definitiv nicht absturzgefährlich gewesen. Sicherungsmaßnahmen seien sohin nicht erforderlich gewesen.

Gemäß § 1 Z. 5 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV), BGBl. Nr. 218/1983, sind Arbeitsstellen alle Stellen in Räumen, die keine Betriebsräume sind, und alle Stellen im Freien, an denen Arbeiten ausgeführt werden; hiezu gehören beispielsweise außerhalb des Standortes des Betriebes gelegene Arbeitsbereiche in einer Wohnung, Montage- und Baustellen auf dem Betriebsgelände oder außerhalb desselben im Freien, Führer- und Bedienungsstände von Betriebseinrichtungen und Betriebsmitteln sowie vorwiegend als Schutz gegen Witterungseinflüsse errichtete Räume, wie Verkaufsstände oder Kassenschalter.

§ 2 Abs. 3 ASchG lautet:

"Arbeitsstätten im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Arbeitsstätten in Gebäuden und Arbeitsstätten im Freien. Mehrere auf einem Betriebsgelände gelegene oder sonst im räumlichen Zusammenhang stehende Gebäude eines Arbeitgebers zählen zusammen als eine Arbeitsstätte. Baustellen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind zeitlich begrenzte oder ortsveränderliche Baustellen, an denen Hoch- und Tiefbauarbeiten durchgeführt werden. Dazu zählen insbesondere folgende Arbeiten: Aushub, Erdarbeiten, Bauarbeiten im engeren Sinne, Errichtung und Abbau von Fertigbauelementen, Einrichtung oder Ausstattung, Umbau, Renovierung, Reparatur, Abbauarbeiten, Abbrucharbeiten, Wartung, Instandhaltungs-, Maler- und Reinigungsarbeiten, Sanierung. Auswärtige Arbeitsstellen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind alle Orte außerhalb von Arbeitsstätten, an denen andere Arbeiten als Bauarbeiten durchgeführt werden, insbesondere auch die Stellen in Verkehrsmitteln, auf denen Arbeiten ausgeführt werden."

§ 72 Abs. 1 AAV lautet:

"Sofern bei Arbeiten an absturzgefährlichen Stellen durch Schutzmaßnahmen nach den §§ 18, 24 und 44 ein ausreichender Schutz nicht erreicht werden kann oder die Durchführung solcher Schutzmaßnahmen im Hinblick auf den Umfang der auszuführenden Arbeiten nicht gerechtfertigt ist, sind den Arbeitnehmern Sicherheitsgürtel oder Sicherheitsgeschirre einschließlich der dazugehörigen Ausrüstungen, wie Sicherheitsseile (Fangseile), Karabinerhaken, Falldämpfer, Seilkürzer oder Höhensicherungsgeräte, zur Verfügung zu stellen. Sicherheitsseile dürfen nur in Verbindung mit Sicherheitsgürteln oder Sicherheitsgeschirren verwendet werden."

Definitionsgemäß (vgl. § 2 Abs. 3 letzter Satz ASchG) sind auswärtige Arbeitsstellen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind alle Orte außerhalb von Arbeitsstätten, an denen andere Arbeiten als Bauarbeiten durchgeführt werden, insbesondere auch die Stellen in Verkehrsmitteln, auf denen Arbeiten ausgeführt werden.

Nach § 1 Z. 5 erster Satz AAV sind Arbeitsstellen alle Stellen in Räumen, die keine Betriebsräume sind, und alle Stellen im Freien, an denen Arbeiten ausgeführt werden.

Keine der beiden Definitionen sieht eine Einschränkung des vorzukehrenden Arbeitnehmerschutzes auf einen konkreten Arbeitsauftrag vor, weshalb schon aus diesem Grunde die Ausführungen des Beschwerdeführers - soweit sie sich auf das Fehlen eines entsprechenden Auftrages des Arbeitgebers zur Durchführung von Arbeiten an der Sendeanlage oder der Leitung zur Sendeanlage berufen - ins Leere gehen.

Da der Gesetzgeber auch in räumlicher Hinsicht keine Einschränkung vornimmt ("… alle Orte außerhalb von Arbeitsstätten, an denen andere Arbeiten als Bauarbeiten durchgeführt werden …"; vgl. § 2 Abs. 3 letzter Satz ASchG), ist aufgrund des Zweckes des Arbeitnehmerschutzes, nämlich für Sicherheit und Gesundheitsschutz "in Bezug auf alle Aspekte, die die Arbeit betreffen" (vgl. § 3 Abs. 1 erster Satz ASchG), der Auffassung der belangten Behörde zu folgen, dass unter den Begriff einer auswärtigen Arbeitsstelle auch jene Bereiche fallen, zu denen ein Arbeitnehmer im Rahmen seiner Tätigkeit Zugang hat.

Da unbestritten der Bereich des Senders, der ein Teil der gegenständlichen Anlage ist, für Arbeitnehmer der S.-GmbH zugänglich war, musste der Arbeitgeber - auch wenn er seinen Arbeitnehmern nur einen Auftrag zur Durchführung von Montagearbeiten am Schaltkasten der Basisstation erteilte - für hinreichende Vorkehrungen zum Schutz seiner Arbeitnehmer sorgen, um einen allfälligen Absturz von Arbeitnehmern an gefährlichen Bereichen dieser auswärtigen Arbeitsstelle zu verhindern.

Bemerkt sei auch, dass sich der Sachverhalt des vorliegenden Beschwerdefalles (Arbeiten in den Nachtstunden an einer den Arbeitnehmern unbekannten auswärtigen Arbeitsstelle) von jenem, der dem vom Beschwerdeführer zitierten hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/19/0475, zugrunde lag, wesentlich unterscheidet, weshalb auf die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen nicht näher einzugehen war. Überdies ist dieses Erkenntnis auch zu einer anderen Rechtslage ergangen.

In der Beschwerde wird ferner gerügt, nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes beschränke sich "das an den Arbeitgeber gerichtete Gebot des § 72 Abs. 1 AAV (…) darauf, den Arbeitnehmern Sicherheitsgürtel oder Sicherheitsgeschirre einschließlich der dazugehörigen Ausrüstung 'zur Verfügung zu stellen'. Eine Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Arbeitnehmer diese Schutzausrüstung benützen, ist aus dieser Norm im Hinblick auf ihren eindeutigen Wortlaut nicht zu erschließen" (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 92/18/0280).

Die belangte Behörde habe es nach ihren Feststellungen als erwiesen angenommen, dass "der Arbeitnehmer Ch. K. seine Arbeiten ohne persönliche Schutzausrüstung durchgeführt hat". Auch im Spruch des von der belangten Behörde bestätigten Straferkenntnisses werde nach Zitierung des § 72 Abs. 1 AAV die als erwiesen angenommene Tat damit umschrieben, dass "vom tödlich Verunfallten, Herrn Ch. K., Arbeiten ohne persönliche Schutzausrüstung durchgeführt wurden."

Ausgehend von dieser Feststellung komme § 72 Abs. 1 AAV als verletzte Verwaltungsvorschrift i.S.d. § 44a Z. 2 VStG nicht in Betracht. Die Schutzausrüstung sei - ungeachtet dessen, dass sie auf der ersten Ebene des Daches nicht erforderlich gewesen sei - zur Verfügung gestellt worden. Ch. K. habe sie bloß nicht getragen. Letzteres sei vom Wortlaut der Bestimmung aber nicht umfasst.

Wie der Beschwerdeführer in der Beschwerde selbst darlegt, ist nach § 72 Abs. 1 AAV wesentlich, dass bei Vorliegen der sonstigen in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen Sicherheitsgürtel, Sicherheitsgeschirre einschließlich der dazugehörigen Ausrüstungen bei "absturzgefährlichen Stellen" zur Verfügung stehen müssen. Entgegen den Beschwerdebehauptungen fehlt es jedoch aufgrund des festgestellten Sachverhaltes und nach der Aktenlage an Anhaltspunkten dafür, dass entsprechende Sicherheitsgürtel etc. bei der absturzgefährlichen Stelle tatsächlich zur Verfügung gestanden sind. Ferner liegt auch der gerügte Spruchfehler nicht vor, weil der Spruch dem Beschwerdeführer fehlende Schutzmaßnahmen an der absturzgefährlichen Stelle zur Last legt und nur zur Erklärung beifügt, dass der tödlich verunfallte Arbeitnehmer Ch. K. Arbeiten ohne persönliche Schutzausrüstung durchgeführt habe. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von jenem, der dem vom Beschwerdeführer zitierten hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/18/0280, zugrunde lag.

Es liegt auch kein wesentlicher Verfahrensmangel in der vom Beschwerdeführer gerügten Aktenwidrigkeit vor, wonach die belangte Behörde zu Unrecht davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer das Bestehen eines Kontrollsystems nicht einmal konkret behauptet habe. Auch wenn der Zeuge Ing. Sch. aussagte, er habe unmittelbar vor dem Beginn der Arbeiten ausdrücklich auf den eingeschränkten Auftrag hingewiesen sowie auch darauf, dass ein Betreten des (zweiten) Daches nicht erforderlich sei, wird damit nicht das Vorliegen eines wirksamen Kontrollsystems dargetan, weil es unter dem Gesichtspunkt des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG im Hinblick auf ein das Verschulden ausschließendes "wirksames Kontrollsystem" u. a. nicht ausreichend ist, Anordnungen (Weisungen) zu erteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/02/0220, m. w.N.). Auch die übrigen gerügten Verfahrensmängel vermögen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun, zumal es schon an einem wirksamen Kontrollsystem, das gerade für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften Platz zu greifen hat, fehlt (vgl. das vorzitierte hg. Erkenntnis vom , m.w.N.).

Ferner wird mit der allgemeinen Rüge, die Strafe sei zu hoch bemessen worden, kein Ermessensfehler bei der Strafbemessung aufgezeigt, Daran vermag auch das in der Beschwerde dargestellte Bemühen des Beschwerdeführers, "den verursachten Schaden gutzumachen oder weitere nachteilige Folgen zu verhindern" nichts zu ändern, zumal eine "Gutmachung des Schadens" angesichts des Todes des Arbeitnehmers Ch. K. nicht mehr möglich war und sich diese sonstigen Bemühungen offenbar auf die erst nach dem Arbeitsunfall gesetzten Veranlassungen betreffend die Absicherung des gegenständlichen Lichthofes beziehen. Auch der Beitrag des Beschwerdeführers, durch seine Aussage "zur Wahrheitsfindung" beizutragen, war nicht maßgeblich, zumal nicht zu erkennen ist, dass der Beschwerdeführer im Sinne des Strafmilderungsgrundes nach § 34 Abs. 1 Z. 17 StGB durch seine Aussage "wesentlich" zur Wahrheitsfindung beigetragen hat.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am