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VwGH 24.05.2013, 2012/02/0104

VwGH 24.05.2013, 2012/02/0104

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
VStG §51e;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
RS 1
Die Unterlassung einer nach § 51e VStG erforderlichen öffentlichen, mündlichen Verhandlung stellt einen "absoluten" Verfahrensmangel dar, der zur Aufhebung des UVS - Bescheides führt. Dies gilt auch, wenn Bf eine Amtspartei ist. Das VStG selbst differenziert nämlich in dieser Frage nicht zwischen Trägern subjektiver Rechte und Amtsparteien. Der Versuch der belBeh, in der Gegenschrift zu belegen, dass der Verfahrensmangel unwesentlich sei, ist unbeachtlich.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2009/07/0039 E RS 5

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Riedinger und die Hofräte Dr. Beck und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde der K in B, vertreten durch die Dr. Wolfgang Schimek Rechtsanwalt GmbH in 3300 Amstetten, Graben 42, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-WU-11-2028, betreffend Übertretungen des KFG 1967 und der StVO 1960 (weitere Parteien: 1. Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie und 2. Niederösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund und das Land Niederösterreich haben der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von je EUR 663,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom wurde die Beschwerdeführerin als verantwortliche Beauftragte der K.-GmbH je einer Übertretung des KFG 1967 und der StVO 1960 für schuldig befunden und über sie jeweils eine (EUR 500,-- nicht übersteigende) Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in der sie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragte.

Die belangte Behörde wies die Berufung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird u.a. eingewendet, die belangte Behörde habe den angefochtenen Bescheid ohne Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung erlassen und auch die gestellten Beweisanträge nicht durchgeführt. Eine Begründung für die Unterlassung der mündlichen Verhandlung habe die belangte Behörde nicht gegeben. Ebenso habe die belangte Behörde keine Begründung geliefert, warum die seitens der Beschwerdeführerin gestellten Beweisanträge nicht durchgeführt worden seien.

§ 51e VStG lautet auszugsweise:

"Öffentliche mündliche Verhandlung (Verhandlung)

§ 51e (1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat eine

öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung entfällt, wenn

1. der Antrag der Partei oder die Berufung zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist;

2. der Devolutionsantrag zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(3) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn

1. in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder

2.

sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder

3.

im angefochtenen Bescheid eine 500 EUR nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder

4. sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet

und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in der Berufung zu beantragen. Etwaigen Berufungsgegnern ist Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

(4) Der unabhängige Verwaltungssenat kann ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn er einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, und dem nicht Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entgegensteht.

(5) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

…"

Unbestritten ist, dass kein Anwendungsfall für den Entfall einer mündlichen Verhandlung nach § 51e Abs. 2, 4 oder 5 VStG vorliegt.

Im vorliegenden Beschwerdefall liegt das - kumulativ zu erfüllende - Tatbestandsmerkmal gemäß § 51e Abs. 3 VStG, dass "keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat", nicht vor.

Da der Beschwerdeführer in der Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis auch die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung beantragt hat, lagen die Voraussetzungen für das Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 51e Abs. 3 VStG nicht vor. Die belangte Behörde war daher im Beschwerdefall gemäß § 51e Abs. 1 VStG verpflichtet, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen, was die Beschwerdeführerin zu Recht rügt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/03/0208, m.w.N.).

Es ist daher auch im vorliegenden Beschwerdefall von einem "absoluten" Verfahrensmangel auszugehen, der gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften führt. In diesem Zusammenhang bleiben Versuche der belangten Behörde, in ihrer Gegenschrift zu belegen, dass der Verfahrensmangel unwesentlich sei, daher unbeachtlich (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/07/0039, m. w.N.).

Von der Durchführung der in der Beschwerde beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Hinsichtlich der Aufteilung der Auferlegung des Aufwandersatzes zwischen dem Bund und Land Niederösterreich im Verhältnis einer Übertretung des KFG 1967 zu einer Übertretung der StVO 1960 wird auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/18/0265, verwiesen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
VStG §51e;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Schlagworte
Verfahrensbestimmungen Berufungsbehörde
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2013:2012020104.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
KAAAE-67989