VwGH vom 24.05.2013, 2012/02/0103
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Riedinger und die Hofräte Dr. Beck und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des Ing. F. in W., vertreten durch Mag. Dr. Günter Harrich, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Margaretenstraße 91/10, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS- 07/S/57/13828/2011-3, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem in Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der F.-GmbH zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin in W., R.- Gasse XX, (das sei der Ort, von dem aus die erforderlichen Anordnungen bzw. Maßnahmen zu treffen gewesen wären) am in nachstehend angeführter Weise Arbeiten entgegen den Bestimmungen des § 87 Abs. 3 der Bauarbeiterschutzverordnung, wonach bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20 Grad und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden sein müssten, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhinderten, durchgeführt habe, indem der Arbeitnehmer J. F. (SV-Nr. xxx) auf der Baustelle in Wien 18, D.-Gasse 4, mit Arbeiten auf dem Dach (Dachneigung 21,8 Grad ) beschäftigt gewesen sei, ohne dass bei einer Absturzhöhe von ca. 15,00 m geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden gewesen seien, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern hätten können, und der Arbeitnehmer auch nicht mittels persönlicher Schutzausrüstung angeseilt gewesen sei.
Er habe dadurch eine Übertretung des § 87 Abs. 3 der Bauarbeiterschutzverordnung begangen, weshalb über ihn gemäß § 130 Abs. 5 Z. 1 ASchG eine Geldstrafe in Höhe von EUR 2.100.-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 2 Tage 18 Stunden) verhängt wurde.
In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, es werde in der Berufung bestritten, dass der Ort der Tathandlung genau im Sinne des § 44a VStG umschrieben worden sei, weil die ungesicherten Arbeiten nicht auf jenem Haus vorgenommen worden seien, auf dem der Dachboden ausgebaut worden sei, sondern vielmehr am Dach des Nebenhauses.
In der von dem Magistrat der Stadt Wien erlassenen Aufforderung zur Rechtfertigung vom - dies sei die einzige Verfolgungshandlung innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist - werde die Tathandlung wie folgt beschrieben:
"… indem der Arbeitnehmer J. F. (SV-Nr. xxx) auf der Baustelle in Wien 18, D.-Gasse 4, mit Arbeiten auf dem Dach (Dachneigung ca. 40 Grad ) beschäftigt war, ohne dass bei einer Absturzhöhe von ca. 15,00 m geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden waren, ...".
Diese Tatanlastung sei mit der Tatanlastung im Straferkenntnis ident.
Mit dem Anführen der Bezeichnung der Baustelle ("Baustelle in Wien 18, D.-Gasse 4") werde dargelegt, dass es sich um Arbeiten in Zusammenhang mit der gegenständlichen Baustelle gehandelt habe. Der Zeuge F. habe in seiner Einvernahme auch dargelegt, dass es sich bei den gegenständlichen Arbeiten um Reinigungsarbeiten sowie Ausbesserungsarbeiten gehandelt habe, die auf Grund der Arbeiten auf der angeführten Baustelle entstanden seien. Daher beziehe sich die gegenständliche Bezeichnung der Baustelle auch auf alle unmittelbar damit verbundenen Arbeiten.
Letztlich habe das Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten auch mitgeteilt, dass zum gegenständlichen Tatzeitpunkt nur eine Baustelle in der gesamten (kurzen) D.-Gasse bestanden habe.
Der Beschwerdeführer sei daher weder in seinen Verteidigungsrechten eingeschränkt, noch sei er der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt. Die Tatanlastung entspreche daher den Anforderungen des § 44a VStG.
Es sei unbestritten, dass J. F. ein Arbeitnehmer der F.-GmbH sei und dieser zum angeführten Tatzeitpunkt die Anweisung von dem Beschwerdeführer erhalten habe, auf dem Dach des Nachbarhauses (D.- Gasse 6) Verschmutzungen zu beseitigen und Ausbesserungen vorzunehmen, die durch die gegenständlichen Bauarbeiten verursacht worden seien.
Soweit der Beschwerdeführer ausführe, dass die Dachneigung nicht - wie im Straferkenntnis angelastet - 40 Grad, sondern weniger als 20 Grad betragen habe, widerspreche dies den von dem Beschwerdeführer vorgelegten Fotos. Auf Grund der von dem Beschwerdeführer vorgelegten Fotos, auf dem dieser mit Hilfe einer Wasserwaage und einem Maßstab einen rechten Winkel (90 Grad) gebildet habe, habe ein rechtwinkeliges Dreieck gebildet werden können, wobei die Seiten an dem rechten Winkel 100 cm und 40 cm betragen hätten. Die dritte Seite (in diesem Fall die Seite des Daches) sei 107,70 cm lang. Die Winkelberechnung auf Grund dieser Angaben habe für die Dachneigung rechnerisch 21,8 Grad ergeben.
Diese Angaben bestätige auch der von dem Arbeitsinspektorat vorgelegte Plan des Hauses D.-Gasse ONr. 6. Denn aus der Schnittansicht des Hauses, auf dem die Dachneigung ersichtlich sei, könne eine Dachneigung von 22 Grad gemessen werden.
Die belangte Behörde habe daher spruchgemäß die Wortfolge "(Dachneigung ca. 40 Grad )" durch die Wortfolge "(Dachneigung 21,8 Grad )" ersetzt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschiften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der Beschwerde wird u.a. eingewendet, der Beschwerdeführer habe wahrheitsgemäß vorgebracht, dass das Dach des Hauses Wien 18, D.-Gasse 4 als Flachdach ausgeführt sei und aufgrund der direkt darunter gelegenen, im gegenständlichen Zeitpunkt bereits fertiggestellten breiten Terrasse die Absturzhöhe von diesem Dach weniger als 3,00 m betrage.
Dieser Rechtfertigung sei weder seitens des Arbeitsinspektorates entgegengetreten, noch sei diese von der belangten Behörde in Zweifel gezogen worden. Das Straferkenntnis wäre daher von der belangten Behörde zu beheben und das gegen den Beschwerdeführer geführte Verwaltungsstrafverfahren einzustellen gewesen, weil der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen habe.
Den in der Begründung des angefochtenen Bescheides enthaltenen Ausführungen zum Ort der gegenständlichen Bauarbeiten sei entgegenzuhalten, dass Arbeiten "im Zusammenhang mit einer Baustelle" an unterschiedlichsten Orten, unter den unterschiedlichsten, für die Anwendung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen relevanten Umständen erfolgen könnten.
Dass "in Zusammenhang mit der Baustelle" stehende Arbeiten mit der Umschreibung der Tathandlung "auf der Baustelle in Wien 18, D.-Gasse 4, mit Arbeiten auf dem Dach" in einer den Erfordernissen des § 44a VStG entsprechenden Weise konkretisiert wären, habe die belangte Behörde in nahezu denkunmöglicher Weise angenommen.
Selbst wenn man die von der belangten Behörde in der Bescheidbegründung apodiktisch vertretene und nicht weiter begründete Rechtsansicht interpretieren wollte, dass sich der Tatvorwurf nur auf Arbeiten auf dem Dach beziehen sollten, lasse diese immer noch nicht erkennen, ob sie sich auf Arbeiten auf dem Dach des Hauses D.-Gasse 4 oder auf einem der angrenzenden Häuser, nämlich D.-Gasse 2 und 6, beziehe.
Bereits mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Gemäß § 44a Z. 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Sie bildet den den Deliktstatbestand erfüllenden Sachverhalt. Es bedarf daher im Bescheidspruch der Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens und damit für die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die dadurch verletzte Verwaltungsvorschrift erforderlich sind. Wesentlich für die Bezeichnung der Tat ist der Ausspruch über Zeit und Ort der Begehung (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/07/0041).
Unbestritten ist, dass das Haus in der D.-Gasse 4, so wie auch vom Beschwerdeführer ausgeführt, ein Flachdach (und kein Dach mit einer Neigung von mehr als 20 Grad ) besitzt. Ferner ergibt sich aus dem Akteninhalt sowie aus den von der belangten Behörde getroffenen Sachverhaltsfeststellungen, dass sich der Tatvorwurf auf eine Tätigkeit des Arbeitnehmers J. F. auf dem Dach des Hauses D.-Gasse 6 beziehen soll.
Durch die unverändert gelassenen Formulierung des Tatvorwurfes "… auf der Baustelle in Wien 18, D.-Gasse 4, mit Arbeiten auf dem Dach …" wird dem Beschwerdeführer jedoch nicht zur Last gelegt, dass die in Rede stehenden Arbeiten auf dem Dach des Hauses ONr. 6 stattgefunden hätten, zumal nur dieses Haus - im Gegensatz zum Haus D.-Gasse 4 - eine entsprechende Dachneigung aufweist. Damit wird jedoch im Widerspruch zu dem festgestellten Sachverhalt (und auch dem sonstigen Akteninhalt) dem Beschwerdeführer eine Tat zur Last gelegt, die so, wie sie in der spruchgemäß unverändert gebliebenen Tatumschreibung festgehalten wurde, nicht begangen wurde.
Die belangte Behörde hat somit den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war. Es erübrigt sich daher auch, auf das weitere Beschwerdevorbringen näher einzugehen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am