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VwGH vom 12.07.2012, 2012/02/0095

VwGH vom 12.07.2012, 2012/02/0095

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Beck und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des B. in W., vertreten durch Mag. Heinz Wolfbauer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stubenbastei 2/3/8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS- 03/P/50/470/2011-6, betreffend Übertretung der StVO 1960 (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe sich am um 13.00 Uhr an einem näher genannten Ort als Lenker eines dem Kennzeichen nach näher bestimmten PKWs geweigert, sich durch Organe der Straßenaufsicht zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem bei der Bundespolizeidirektion Wien tätigen Arzt bringen zu lassen, obwohl es habe vermutet werden können, dass er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe, weil er vor Eintreffen des Arztes die Polizeiinspektion verlassen habe. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 5 i.V.m. § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in Höhe von EUR 1.800,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 16 Tage) verhängt wurde.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird u.a. ausgeführt, der Beschwerdeführer sei an einem näher genannten Ort in Wien zu einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle angehalten worden, in deren Zuge ein Alkotest mit dem Alkovortestgerät gemacht worden sei, welcher 0,45 mg/l Alkoholgehalt der Atemluft ergeben habe. Dieser Alkovortest habe vom Beschwerdeführer ohne gesundheitliche Probleme durchgeführt werden können. Die Weiterfahrt mit dem Fahrzeug sei daraufhin untersagt und das Fahrzeug mit Einwilligung des Beschwerdeführers an einem näher genannten Ort versperrt abgestellt worden.

Der Beschwerdeführer sei in der Folge zum Alkotest mittels Alkomaten aufgefordert worden, welchem er auch zugestimmt habe und mit den Stkw in die Polizeiinspektion (PI) J. überstellt worden. Im Rahmen der Erläuterung hinsichtlich der Durchführung des Alkomattests habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er Bronchitis und eine Kreislaufschwäche habe und daher gesundheitlich nicht in der Lage sei, lange genug in den Alkomaten hineinzublasen, worauf vom Meldungsleger der Amtsarzt angefordert worden sei.

Der Beschwerdeführer sei danach über die weitere Vorgangsweise bezüglich der amtsärztlichen Untersuchung informiert worden, worauf er angegeben habe, dass er alles mit dem Amtsarzt persönlich ausmachen werde. Während der Beschwerdeführer dann auf einem Sessel gesessen sei und auf den Amtsarzt gewartet habe, sei er aufgestanden und habe angegeben, er habe einen "Blutdruckanfall"; er habe seinen Puls gemessen und mindestens 150 Bluthochdruck. Daraufhin habe der Meldungsleger den Rettungsdienst angefordert. Kurz darauf habe der Beschwerdeführer gemeint, dass er keine Rettung brauche, sondern viel mehr zu Fuß in das (nahe gelegene) Krankenhaus R. gehen werde. Daraufhin habe er die PI verlassen. Er sei dann bis 17.40 Uhr am nicht in die PI zurückgekehrt.

Es werde vom Beschwerdeführer nicht bestritten, dass er sich vor dem Eintreffen des Polizeiamtsarztes zum Zwecke der Blutabnahme zur Testung des Blutes auf dessen Alkoholgehalt aus der Polizeiinspektion J. entfernt habe. Dies stimme auch mit den Angaben des Meldungslegers überein, die nachvollziehbar und schlüssig gewesen seien.

Wenn sich der Beschwerdeführer auf eine Bewusstseinsstörung im Sinne des § 3 VStG berufe, so sei ihm entgegenzuhalten, dass zum einen der Meldungsleger im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung angegeben habe, dass der Beschwerdeführer während der gesamten Amtshandlung sehr ruhig und voll orientiert gewirkt habe. Er habe sicher verstanden, was um ihn vorgehe. Überdies sei für den Meldungsleger der Eindruck entstanden, dass der Beschwerdeführer die ganze Zeit überlegt habe. Diese Wahrnehmungen des Meldungslegers seien von den beiden einvernommenen Ärzten bestätigt worden, wobei OA Dr. L. angegeben habe, dass es zwar richtig sei, dass der Beschwerdeführer echauffiert bzw. sogar panisch gewirkt habe, sicherlich in einer Ausnahmesituation, aber durchaus zurechnungsfähig gewesen sei. Dies habe sich daraus ergeben, dass die Konsultation ganz normal abgelaufen sei. Der Beschwerdeführer sei sehr aufgeregt, besser gesagt außer sich, jedoch zurechnungsfähig gewesen.

Auch die Polizeiamtsärztin habe angegeben, dass bei dem gegebenen Krankheitsbild die Fähigkeit des Beschwerdeführers, einen Entschluss zu fassen und diesen umzusetzen, nämlich ins Spital zu gehen, nicht für eine Unzurechnungsfähigkeit spreche. Auch vom angeblichen möglichen Alkoholisierungsgrad sei eine Unzurechnungsfähigkeit nicht anzunehmen. Der Blutdruck sei nicht so ausgeprägt gewesen, dass der Beschwerdeführer nicht Herr seiner Sinne gewesen sei; es seien auch keine anderen Ausfälle etwa neurologischer Natur beschrieben worden.

Aus all diesen Aussagen gemeinsam mit den Festhaltungen in der Anzeige und den Angaben des Beschwerdeführers könne seitens der belangten Behörde der Argumentation des Beschwerdeführers nicht gefolgt werden, dass er sich in einem Zustand befunden habe, der gemäß § 3 Abs. 1 VStG ausgeschlossen habe, das Unerlaubte seiner Tat einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln.

Viel mehr gehe die belangte Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer durchaus in äußerst rationaler und nachvollziehbarer Weise gehandelt habe, indem er aufgrund seiner Symptome beschlossen habe, das Krankenhaus R. aufzusuchen, auch wenn dies für ihn die Gefahr geborgen habe, allenfalls wegen einer Verweigerung der Blutuntersuchung belangt zu werden. Auch die Fähigkeit des Beschwerdeführers, selbständig die Notfallsambulanz im Krankenhaus R. aufzusuchen und über seine Symptome in klarer Art und Weise beim Notfallsarzt Auskunft zu geben, spreche nicht für einen Zustand, der unter § 3 Abs. 1 VStG oder auch unter § 3 Abs. 2 VStG zu subsumieren wäre.

Der Beschwerdeführer habe den objektiven Tatbestand der ihm vorgeworfenen Verwaltungsübertretung erfüllt.

Der Beschwerdeführer mache das Vorliegen eines entschuldigenden Notstandes gemäß § 6 VStG geltend. Dem sei entgegenzuhalten, dass ein strafbefreiender Notstand nur dann gegeben sei, wenn eine Verwaltungsübertretung zur Abwendung einer den Beschuldigten unmittelbar drohenden Gefahr erfolge, die so groß sei, dass er sich unter unwiderstehlichem Zwang befinde, eher die in Betracht kommende Vorschrift zu übertreten, als das unmittelbar drohende Übel über sich ergehen zu lassen.

Dem gleichzuhalten wäre auch die irrtümliche Annahme eines Notstandes (Putativnotstand), die den Beschuldigten jedoch nur dann entschuldigen könne, wenn der Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Notstandes nicht auf Fahrlässigkeit beruhe, ihm also nicht vorwerfbar sei. Davon sei beim Beschwerdeführer jedoch nicht auszugehen. Die begangene Tat hätte nämlich das einzige Mittel sein müssen, um der schweren unmittelbaren Gefahr zu begegnen. Es wäre dem Berufungswerber unter den gegebenen Umständen jedoch durchaus zuzumuten, wenn nicht sogar zur Abwendung der unmittelbar drohenden Gefahr für seine Gesundheit und sein Leben hilfreicher gewesen, wenn er statt sich zu Fuß in das Krankenhaus R. zu begeben, das Eintreffen des ohnehin bereits von Polizeibeamten verständigten Rettungsdienstes abgewartet hätte.

Sein Aufsuchen der Notfallambulanz des Krankenhauses R. in einem für ihn besorgniserregenden Zustand, ohne die Möglichkeit zu nützen, eine andere Transportgelegenheit, insbesondere ein Rettungsfahrzeug, das als Einsatzfahrzeug nicht an die Beschränkung der Fahrgeschwindigkeit gebunden sei und auch uneingeschränkten Zugang zu Notfallseinrichtungen eines Krankenhauses habe, zu verwenden, könne keinen Notstand hinsichtlich der gegenständlichen Übertretung begründen. Es sei somit davon auszugehen, dass das Verlassen der Polizeiinspektion zu Fuß nicht das einzige Mittel gewesen sei, der schweren unmittelbaren Gefahr zu begegnen.

Es sei daher davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer die Verwaltungsübertretung auch in subjektiver Weise vorzuwerfen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 5 Abs. 5 StVO 1960 sind die Organe der Straßenaufsicht berechtigt, Personen, von denen vermutet werden kann, dass sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden, zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden, bei einer Bundespolizeibehörde tätigen, bei einer öffentlichen Krankenanstalt diensthabenden oder im Sinne des § 5a Abs. 4 ausgebildeten und von der Landesregierung hierzu ermächtigten Arzt zu bringen, sofern eine Untersuchung gemäß Abs. 2

1. keinen den gesetzlichen Grenzwert gemäß Abs. 1 erreichenden Alkoholgehalt ergeben hat oder

2. aus in der Person des Probanden gelegenen Gründen nicht möglich war.

Wer zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem Arzt gebracht wird, hat sich einer Untersuchung durch diesen zu unterziehen; die genannten Ärzte sind verpflichtet, die Untersuchung durchzuführen.

Nach § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 1.600 Euro bis 5.900 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen, oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht.

Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer trotz entsprechender Aufforderung durch Organe der Straßenaufsicht, sich zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem bei der Bundespolizeidirektion Wien tätigen Arzt bringen zu lassen, vor Eintreffen des Arztes die Polizeiinspektion verlassen hat und somit objektiv eine Übertretung des § 5 Abs. 5 i. V.m. § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 begangen hat.

Bestritten wird hingegen, dass die Tat dem Beschwerdeführer im Hinblick auf §§ 3 und 6 VStG auch subjektiv zur Last gelegt werden kann.

In der Beschwerde wird u.a. eingewendet, in der Berufungsverhandlung vom vor der belangten Behörde habe der Beschwerdeführer die Einholung des Gutachtens eines gerichtlich beeideten Sachverständigen zum Beweis dafür beantragt, dass der kurze Fußweg des Beschwerdeführers von der Polizeiinspektion J. in die Notaufnahme des Krankenhauses R. sowohl ex ante wie auch ex post betrachtet medizinisch vertretbar gewesen sei. Dieser ordnungsgemäße Beweisantrag sei von der belangten Behörde wegen Entscheidungsreife abgewiesen worden, was sich bei näherer Betrachtung als nicht rechtens erweise.

Die belangte Behörde habe ihre Ansicht, dass kein entschuldigender Notstand im Sinne § 6 VStG zu Gute komme, ausschließlich auf den polizeiamtsärztlichen Befund und das Gutachten von Dr. B. vom gestützt, wobei diesem Befund ausschließlich die Angaben des Beschwerdeführers, der intervenierenden Polizeibeamten und die vom Beschwerdeführer beigebrachten Unterlagen aus der Krankenanstalt R. zu Grunde gelegt worden seien, nicht aber auch die Angaben des Zeugen OA Dr. L., der den Beschwerdeführer in der Notfallambulanz des Krankenhauses R. behandelt habe.

Dieser Zeuge - ein ausgebildeter Notfallmediziner - habe in der Berufungsverhandlung unter Wahrheitspflicht angegeben, dass nicht mit Sicherheit gesagt werden könne, ob es in einem solchen Fall wie dem vorliegenden sinnvoller gewesen wäre, sich mit der Rettung ins Spital bringen zu lassen. Es müsse einbezogen werden, dass der Beschwerdeführer mit dem System der Krankenanstalt R. vertraut gewesen sei, sodass aufgrund der besonderen örtlichen Situation (konkret der Nähe der PI J. zum Krankenhaus R.) es sicher eine nachvollziehbare und richtige Entscheidung gewesen sei, zu Fuß zu gehen.

Es möge zwar sein, dass die Amtsärztin Dr. B. in der Berufungsverhandlung vom ihren polizeiamtsärztlichen Befund und ihr Gutachten vom vollumfänglich bestätigt habe, wobei sie ihre gutachterliche Meinung dahingehend eingeschränkt habe, dass sie es eine mutige - aber nicht die falsche - Entscheidung des Beschwerdeführers genannt habe, zu Fuß die Krankenanstalt R. aufzusuchen.

Infolge der im Grunde diametral gegensätzlichen Ansichten des Notfallmediziners OA Dr. L. und der Amtsärztin Dr. B. wäre die Behörde verhalten gewesen, dem Beweisantrag des Beschwerdeführers Folge zu geben, und es sei durch dessen Abweisung die umfassende Erörterung der Sache bzw. Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes verhindert worden.

Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:

Es gehört nach der ständigen hg. Rechtsprechung zum Wesen des Notstands, dass die Gefahr zumutbarerweise nicht in anderer Art als durch Begehung der objektiv strafbaren Handlung zu beheben ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/02/0076, m. w.N.).

Auf die Frage, ob das Weggehen des Beschwerdeführers von der Polizeiinspektion "vertretbar" gewesen sei, kam es im Lichte der vorzitierten hg. Judikatur bei der Beurteilung des Vorliegens eine entschuldigenden Notstandes nicht an, weshalb es dem Beschwerdeführer mit seiner Rüge betreffend die unterlassene Einholung eines ergänzenden medizinischen Gutachtens zur Frage, ob der kurze Fußweg des Beschwerdeführers von der Polizeiinspektion J. in die Notaufnahme des Krankenhauses R. medizinisch vertretbar gewesen sei, nicht gelingt, die Wesentlichkeit des Verfahrensmangels darzulegen. Auch aufgrund des Ergebnisses des von der belangten Behörde ergänzten Ermittlungsverfahrens fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass es dem Beschwerdeführer unzumutbar gewesen wäre, das Eintreffen des bereits verständigten Rettungsdienstes abzuwarten.

In der Beschwerde wird ferner gerügt, die belangte Behörde verneine eine allfällige Unzurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers zufolge seiner psychischen wie auch physischen Gesamtsituation und es sei dem Beschwerdeführer nicht gelungen, seine Unzurechnungsfähigkeit glaubhaft zu machen.

Die Amtsärztin Dr. B. meine zur Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers lediglich, dass sie aus den Unterlagen der Krankenanstalt R. nichts dazu gefunden habe, wobei übersehen werde, dass nicht allein die medizinischen Unterlagen dafür herangezogen werden dürften bzw. aussagekräftig seien, sondern die Amtsärztin - oder ein anderer Sachverständiger - den Beschwerdeführer zu seiner damaligen psychischen und physischen Situation hätte befragen müssen, allenfalls auch die Polizeibeamten und den Arzt der Krankenanstalt R.

Dieses Gutachten dürfe sich auch nicht ausschließlich auf die medizinischen Unterlagen aus dem Krankenhaus R. stützen, sondern es hätte dafür richtigerweise der Beschwerdeführer sachverständigenseits befragt werden müssen, jedenfalls auch der ihn behandelnde Notfallmediziner OA Dr. L.

Der Beschwerdeführer übersieht mit diesem Vorbringen, dass der OA Dr. L. im Zuge der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde u.a. Folgendes aussagte: "Wenn der Bw (Berufungswerber) so aufgeregt gewesen wäre, dass er nicht mehr orientiert war, dann hätte ich das sicher bemerkt. … Der Bw war sicherlich in einer Ausnahmesituation, aber er war zurechnungsfähig." Die belangte Behörde stützte sich entgegen den Beschwerdebehauptungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides bezüglich der Frage der Zurechnungsfähigkeit nicht nur auf die medizinische Beurteilung durch die genannte Amtsärztin, sondern auch auf die Aussage des Zeugen OA Dr. L., sodass es nicht als rechtswidrig erkannt werden kann, wenn die belangte Behörde kein ergänzendes medizinisches Sachverständigengutachten einholte. Weshalb es ferner zusätzlich zu der in der mündlichen Verhandlung gebotenen Möglichkeit, zu allen das Berufungsverfahren betreffenden Punkten Stellung zu nehmen, noch einer ergänzenden Befragung des Beschwerdeführers zur allfälligen Unzurechnungsfähigkeit im Zeitpunkt des Verlassens der Polizeiinspektion bedurft hätte, vermag der Beschwerdeführer nicht einsichtig darzulegen.

In der Beschwerde wird ferner vorgebracht, es werde in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgeführt, dass das rechtmäßige Verhalten - im vorliegenden Fall also der Verbleib in der Polizeiinspektion J. - dem Beschwerdeführer objektiv möglich, vor allem aber subjektiv zumutbar sei, was jedoch gegenständlich nicht der Fall gewesen sei.

Versetze man sich in die Lage des Beschwerdeführers, der seine akut auftretenden Beschwerden - völlig richtig, dies sei polizeiamtsärztlich bestätigt - als Symptome eines (möglichen) Herzinfarktes gedeutet habe, sei es ihm jedenfalls subjektiv nicht zumutbar gewesen, in der Polizeiinspektion J. auf das zeitlich unbestimmte Eintreffen des Rettungsdienstes zu warten.

Es sei wohl amtsbekannt, dass Rettungsfahrzeuge manchmal früher, oft aber auch erst mit erheblicher Verspätung einträfen, wobei gerade in Fällen eines Herzinfarktes oder eines Schlaganfalles, auch nichts anderes bzw. mehr gemacht werde, als den Patienten in ein Krankenhaus zu bringen. Hinzu komme, dass es sich dabei nicht immer bzw. nicht unbedingt um das nächstgelegene Krankenhaus handle, womit wertvolle Zeit verstreiche, bis der Patient notfallmedizinisch ambulant behandelt werden könne.

Überdies stelle sich die Frage bzw. werde dies von den einschreitenden Polizeibeamten nicht einmal behauptet, dass man versucht habe, den Beschwerdeführer abzuhalten, die Notaufnahme des Krankenhauses R. aufzusuchen, sondern sich - beispielsweise - hinzulegen oder sonst zur Ruhe zu kommen.

Die geradezu gleichgültige Reaktion der damals intervenierenden Polizeibeamten zeige nur, dass man den Beschwerdeführer mit seinen Beschwerden nicht ernst genommen habe bzw. offenbar davon ausgegangen sei, dass er simuliere, was aber nachweislich nicht der Fall gewesen sei.

Dem Beschwerdeführer komme entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde sehr wohl entschuldigender Notstand im Sinne § 3 VStG zu Gute, jedenfalls aber liege eine Putativnotstandsituation vor, weshalb dem Beschwerdeführer keine rechtswidrige Verweigerung seiner Atemluft auf Alkoholgehalt vorgeworfen werden könne.

Auch die irrtümliche Annahme eines Notstandes (Putativnotstand) kann entschuldigen, und zwar dann, wenn der Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Notstandes nicht auf Fahrlässigkeit beruhte, dem Beschuldigten also nicht vorwerfbar wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/03/0264).

Im Beschwerdefall kann nicht davon gesprochen werden, dass der Beschwerdeführer der von ihm befürchteten Gefahr für Leben und Gesundheit nur durch Begehung des ihm angelasteten Deliktes hätte begegnen können, zumal es an Anhaltspunkten dafür fehlte, dass der Beschwerdeführer - trotz bereits erfolgter Verständigung des Rettungsdienstes durch einen Polizeibeamten - noch längere Zeit keiner medizinischen Untersuchung und Behandlung zugeführt werde. Überdies führte die als Zeugin befragte medizinische Amtssachverständige Dr. B. vor der belangten Behörde aus, es sei nach ihrem Dafürhalten das Aufsuchen des Spitals zu Fuß auch unter den gegebenen Umständen sicher nicht die einzige Möglichkeit gewesen, der subjektiven Notsituation gerecht zu werden; ganz im Gegenteil sei sie der Meinung, dass es gefährlich gewesen sei. Zu warten würde sie nicht als für gefährlich halten. Einsatzzeit sei mit Notarzt ca. 10 Minuten und ohne Notarzt 5 Minuten, also hätten sofort Maßnahmen ergriffen werden können. Diesen Ausführungen ist der Beschwerdeführer, der selbst Mediziner ist, lediglich durch allgemeines Bestreiten - wie dem Verhandlungsprotokoll zu entnehmen ist -, jedoch ohne nähere Angaben, weshalb diese Ausführungen unzutreffend sein sollten, entgegengetreten.

Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde unter diesen Umständen auch vom Fehlen eines Putativnotstandes ausgegangen ist.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
OAAAE-67966