VwGH vom 16.12.2015, Ra 2015/21/0119
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Revision des L S in Z, vertreten durch Dr. Gerhard Mory, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19/5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. G301 1420225-2/2E, betreffend Versagung von Aufenthaltstiteln gemäß § 55 und § 57 AsylG 2005, Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Festsetzung einer Ausreisefrist und Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl),
1. den Beschluss gefasst:
Die Revision wird, soweit sie die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 bekämpft, als unzulässig zurückgewiesen.
2. zu Recht erkannt:
Spruch
Im Übrigen wird das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Revisionswerber ist kubanischer Staatsangehöriger. Er reiste auf dem Luftweg via München am in das Bundesgebiet ein, wobei er sich im Besitz eines gültigen Reisepasses und eines von der österreichischen Botschaft Havanna ausgestellten, bis gültigen Visums befand.
Am stellte der Revisionswerber einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesasylamt wies diesen Antrag vollinhaltlich ab und wies den Revisionswerber aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Kuba aus. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom in den Punkten Asyl und subsidiärer Schutz als unbegründet ab. Im Übrigen verwies es gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zurück.
Mit Bescheid vom sprach das BFA hierauf aus, dass dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt werde; gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG werde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Republik Kuba zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde außerdem die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.
Der Revisionswerber erhob Beschwerde. In dieser verwies er u. a. auf Feststellungen im angefochtenen Bescheid, wonach gemäß der kubanischen Gesetzeslage für das nicht bewilligte Verlassen des Landes Gefängnisstrafen im Ausmaß von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vorgesehen seien. Der Revisionswerber habe seine Heimat zwar legal verlassen, sei allerdings vor Ablauf des Visums nicht zurückgekehrt und sei in der Folge jahrelang abwesend gewesen. Eine unabhängige Beobachtung von Rückkehrern - so heißt es in der Beschwerde weiter unter Bezugnahme auf die Feststellungen des angefochtenen Bescheides - werde von der Regierung verhindert. Es gebe allerdings Berichte über Schikanen und Bestrafungen. Nach Überschreiten einer 24-monatigen Frist würden die Betroffenen als Emigranten und Abtrünnige betrachtet. Im Falle von Asylantragstellungen erfolge eine Eintragung auf einer "schwarzen Liste", was mit Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder Sozialleistungen verbunden sein könnte. Damit sei die Rückkehr des Revisionswerbers - so die Beschwerde in diesem Zusammenhang zusammenfassend - "durch mehrere Hürden problematisch", es werde mit Problemen bei der Einreise, so sie überhaupt gestattet werde, und allenfalls mit der Verhängung einer Haftstrafe, dies unter den dortigen Haftbedingungen (dazu heißt es im Bescheid des BFA etwa, dass die Gefängnisse überfüllt seien und die unhygienischen und ungesunden Haftbedingungen zu extensiver Unterernährung und Krankheit führten), zu rechnen sein.
Über dieses Vorbringen hinaus wurde in der Beschwerde insbesondere auch noch geltend gemacht, dass der Revisionswerber im Hinblick auf einen Oberschenkelmehrfragmentbruch rechts demnächst eine Operation "zur Entfernung von eingesetzten Hilfsmitteln" zu erwarten habe (darauf hatte der Revisionswerber schon in der dem vorgenannten Erkenntnis des BVwG vom vorangehenden mündlichen Verhandlung hingewiesen). Damit sei er nach wie vor auf eine Behandlung in Österreich angewiesen, zumal er davon ausgehe, dass eine solche in Kuba nicht möglich sei. Gemäß der beigelegten Krankengeschichte des Bezirkskrankenhauses St. Johann in Tirol wurde diesbezüglich per für den ein Operationstermin (erkennbar zur Entfernung des eingesetzten Marknagels) reserviert und der Revisionswerber für den zu präoperativen Untersuchungen wiederbestellt. Als "Befund" ist dann abschließend Folgendes festgehalten:
"Pat. erlitt vor etwa fünf Jahren einen Mehrfragmentbruch des Oberschenkels rechts, in zweizeitiger Weise wird der Nagel auf Grund verzögerter Bruchheilung dynamisiert. Nun zeigt sich im aktuellen Röntgen der Bruch in kompletter Heilung. Auf Grund des langen Zeitraumes wird ein präoperatives erneutes Ambulanzprozedere für den terminisiert, dann Blutabnahme und AA, OP-Aufklärung."
Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom wies das BVwG die Beschwerde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 iVm Abs. 9 und § 55 FPG sowie §§ 55 und 57 AsylG 2005 als unbegründet ab. Weiters sprach es aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
Das BVwG stellte fest, dass sich der Revisionswerber bei einem Fahrradunfall in Österreich am rechten Oberschenkel verletzt habe. Der Oberschenkelbruch sei mittlerweile komplett verheilt, der Revisionswerber leide auch sonst an keinen chronischen Krankheiten, Behinderungen oder sonstigen Gebrechen. Er sei Vater zweier Kinder, die bei der Kindesmutter - seiner "Lebensgefährtin" - in Havanna lebten. In Österreich habe er abgesehen von seiner in Salzburg lebenden und mit einem Österreicher verheirateten Schwester keine Familienangehörigen oder Verwandten. Er verfüge abgesehen von vereinzelten Bekanntschaften mit Österreichern und Mitbewohnern in seiner Asylwerberunterkunft in Zirl über keine nennenswerten privaten, beruflichen oder sonstigen sozialen Bindungen in Österreich. Der Revisionswerber sei - so das BVwG weiter - strafrechtlich unbescholten und habe bislang hauptsächlich von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung gelebt. Im Flüchtlingsheim Zirl habe er als Reinigungskraft gearbeitet und außerdem habe er für diverse Gemeinden gemeinnützige Arbeiten verrichtet. Er verfüge nur über geringe Deutschkenntnisse und es hätten auch sonst keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer fortgeschrittenen Integration in Österreich in sprachlicher, beruflicher oder gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden können. Es seien schließlich keine Umstände ersichtlich, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Kuba gemäß § 46 FPG unzulässig wäre.
In rechtlicher Hinsicht resümierte das BVwG, das BFA sei nach Maßgabe einer Interessenabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des Revisionswerbers im Bundesgebiet sein persönliches Interesse am Verbleib in Österreich überwiege. Auch sonst seien keine Anhaltspunkte hervorgekommen bzw. in der Beschwerde vorgebracht worden, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre. Erkennbar in diesem Zusammenhang hielt das BVwG auch noch fest, dass die in der Beschwerde getroffenen Ausführungen zur aktuellen Situation des Revisionswerbers in Österreich nur Umstände beträfen, die seit der rechtskräftigen Entscheidung im vorangegangenen Verfahren vom "praktisch keinerlei Änderung erfahren haben und schon von daher keiner neuerlichen inhaltlichen Prüfung zu unterziehen waren". Die geltend gemachten Umstände begründeten keine maßgeblichen Sachverhaltsänderungen, die eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich machten.
Das BFA sei daher auch zu Recht davon ausgegangen, dass ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen nicht zu erteilen sei. Umstände, die zur Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 führen könnten, lägen nicht vor. Schließlich seien auch keine konkreten Anhaltspunkte hervorgekommen, dass eine Abschiebung des Revisionswerbers nach Kuba unzulässig wäre. Insoweit in der Beschwerde auf mögliche Probleme bei einer Rückkehr nach Kuba Bezug genommen werde, sei auf die bereits im Erkenntnis vom getroffenen Feststellungen und Erwägungen hinzuweisen, wonach keine Gründe vorlägen, die einer Rückkehr des Revisionswerbers nach Kuba entgegenstünden.
Über die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - erwogen:
1. Das BVwG sprach aus, dass eine Revision gegen sein Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Diese - den Verwaltungsgerichtshof nicht bindende (§ 34 Abs. 1a VwGG) - Beurteilung ist nur insoweit zutreffend, als es um die Entscheidung nach § 57 AsylG 2005 geht. Diesbezüglich wird zwar in der Revision erkennbar der Standpunkt vertreten, es hätte eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" nach § 57 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 erteilt werden müssen, weil feststehe, dass eine Abschiebung des Revisionswerbers aus tatsächlichen, von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich sei, sodass er einen Rechtsanspruch auf Duldung habe. Dass der Revisionswerber aber - und das wäre Tatbestandsvoraussetzung für die Erteilung des angesprochenen Aufenthaltstitels gewesen - im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG (in der hier noch maßgeblichen Fassung vor dem FrÄG 2015) bereits seit mindestens einem Jahr geduldet gewesen sei, wird nicht dargelegt. Insoweit zeigt die Revision daher keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf, weshalb sie, soweit die Entscheidung nach § 57 AsylG 2005 bekämpft wird, gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG als unzulässig zurückzuweisen war.
2. Im Übrigen erweist sich die Revision aber als zulässig und berechtigt.
2.1. Einleitend ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der gegenständlichen Entscheidung eine Zurückverweisung nach § 75 Abs. 20 AsylG 2005 zu Grunde liegt. Das BVwG war daher in seinem ersten Erkenntnis vom davon ausgegangen, dass (damals) eine Rückkehrentscheidung gegen den Revisionswerber nicht auf Dauer unzulässig sei. Gemäß § 75 Abs. 20 zweiter Satz AsylG 2005 waren allerdings "die Abwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Nichtvorliegens der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung für das Bundesamt nicht bindend". Die im nunmehr bekämpften Erkenntnis vertretene Ansicht, Umstände betreffend die aktuelle Situation des Revisionswerbers in Österreich, die sich seit der rechtskräftigen Entscheidung im vorangegangenen Verfahren per nicht geändert hätten, seien keiner neuerlichen inhaltlichen Prüfung zu unterziehen bzw. machten keine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich, ist daher verfehlt. Die in diesem Zusammenhang wiedergegebene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, auf die sich das BVwG stützt (Erkenntnis vom , Zl. 2011/22/0286, sowie Beschluss vom , Ra 2015/21/0033 und 0034), erging zu § 44b Abs. 1 Z 1 NAG (idF des FrÄG 2011) bzw. zu § 58 Abs. 10 AsylG 2005 und ist auf Konstellationen nach § 75 Abs. 20 AsylG 2005 nicht übertragbar.
2.2. Von dieser Verkennung der Rechtslage abgesehen ist dem BVwG aber noch anzulasten, dass es sich nicht ausreichend mit der noch erforderlichen Nachbehandlung der Oberschenkelverletzung des Revisionswerbers auseinandergesetzt hat. Dazu hat der Revisionswerber in seiner Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom der Sache nach vorgebracht, dass es noch der Entfernung des seinerzeit eingesetzten Marknagels bedürfe, was in Kuba nicht möglich sei. Der beigelegten Krankengeschichte lässt sich überdies entnehmen, dass die erforderliche Operation - mit Vorbereitungen ab August 2015 - im September 2015 stattfinden solle.
Auf dieses Vorbringen, dem schon im Hinblick auf die Thematisierung der Verletzung und der erforderlichen Nachbehandlung in der der ersten Entscheidung des BVwG vom vorangehenden mündlichen Verhandlung nicht das Neuerungsverbot des § 20 Abs. 1 BFA-VG entgegen stand (außerdem hat sich der konkrete Operationstermin offenkundig erst am und damit nach Erlassung des beim BVwG angefochtenen Bescheides des BFA vom ergeben), wäre näher einzugehen gewesen. Die Beurteilung des BVwG, der Oberschenkelbruch des Revisionswerbers sei mittlerweile komplett verheilt, greift demgegenüber in Anbetracht der behauptetermaßen noch notwendigen Operation zur Entfernung des Marknagels zu kurz. Träfe es zu, dass diese Entfernung in Kuba - möglicherweise auch im Hinblick auf die spezifische Situation des Revisionswerbers (dazu noch unten Punkt 2.3.) - "nicht möglich sei", so hätte das in die Abwägung nach § 9 BFA-VG miteinbezogen werden müssen (vgl. in diesem Sinn etwa das hg. Erkenntnis vom , Ra 2014/18/0146 bis 0152, Punkt II.4.3. der Entscheidungsgründe; siehe auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , E 332/2015, Punkte III.3.2. und 3.3. der Entscheidungsgründe). Da nicht ausgeschlossen ist, dass gegebenenfalls die Erlassung einer Rückkehrentscheidung wegen einer drohenden Verletzung des durch Art. 8 EMRK geschützten Privatlebens des Revisionswerbers im Hinblick auf die noch in Österreich erforderliche Verletzungsnachbehandlung für vorübergehend unzulässig zu erklären gewesen wäre (vgl. auch dazu das eben genannte Erkenntnis vom , auf das im Übrigen des Näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird; wie im Fall des genannten Erkenntnisses ist auch hier nicht ersichtlich, dass es öffentliche Interessen erforderten, den Aufenthalt des Revisionswerbers in Österreich unter Außerachtlassen seiner gegenteiligen privaten Interessen unverzüglich zu beenden), ist der dargestellte Verfahrensfehler relevant.
2.3. Soweit der Revisionswerber in seiner Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom auch auf von ihm zu erwartende "Probleme" bei einer Rückkehr nach Kuba Bezug genommen hat, hielt ihm das BVwG entgegen, dass bereits mit dem ersten Erkenntnis vom zum Ausdruck gebracht worden sei, dass keine Gründe vorlägen, die einer Rückkehr nach Kuba entgegenstehen würden.
Dem widerspricht der Revisionswerber mit Bezug auf § 52 Abs. 9 FPG dergestalt, dass bei der nach dieser Bestimmung vorzunehmenden Feststellung, "dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist", keine Bindung an den aus Anlass des Verfahrens auf internationalen Schutz bereits erfolgten Abspruch nach §§ 3 und 8 AsylG 2005 bestehe. Im Rahmen des besagten § 52 Abs. 9 FPG wäre daher die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Kuba im Grunde des § 50 FPG im Hinblick auf die - wenngleich bereits im ersten Erkenntnis vom behandelte - Situation von Rückkehrern nach Kuba (neu) zu beurteilen gewesen.
Diese Auffassung trifft nicht zu.
Die §§ 50 und 51 Abs. 1 und 2 FPG sowie § 52 Abs. 9 FPG (§ 50 und § 52 Abs. 9 FPG idF des Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetzes-FNG, die vom FNG nicht berührten Absätze 1 und 2 des § 51 FPG in der hier noch maßgeblichen Fassung des FrÄG 2011 (Abs. 1) bzw. des FrÄG 2009 (Abs. 2)) lauten:
"Verbot der Abschiebung
§ 50. (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oderinnerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).
(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht."
"Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat
§ 51. (1) Während eines Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbots, worüber der Fremde zu verständigen ist, ist auf Antrag des Fremden festzustellen, ob die Abschiebung in einen von ihm bezeichneten Staat, der nicht sein Herkunftsstaat ist, gemäß § 50 unzulässig ist.
(2) Bezieht sich ein Antrag gemäß Abs. 1 auf den Herkunftsstaat des Fremden, gilt dieser Antrag als Antrag auf internationalen Schutz. Diesfalls ist gemäß den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 vorzugehen."
"Rückkehrentscheidung
§ 52. (1)…(8)
(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei."
Auszugehen ist davon, dass das FPG einen eigenständigen Antrag eines Fremden, der darauf gerichtet ist festzustellen, dass eine Abschiebung in seinen Herkunftsstaat gemäß § 50 FPG unzulässig sei, nicht kennt. (Auch dem AsylG 2005 ist ein solcher Antrag fremd.) Stellt ein Fremder dennoch einen derartigen Antrag, so gilt er gemäß § 51 Abs. 2 FPG als Antrag auf internationalen Schutz und es ist gemäß den Bestimmungen des AsylG 2005 vorzugehen.
Diese Anordnung entstammt dem mit in Kraft getretenen FrÄG 2009. Die ErläutRV (330 BlgNR 24. GP 30 f) führen dazu aus:
"Abs. 2 bestimmt konsequenterweise, dass ein Antrag nach Abs. 1, der sich auf den Herkunftsstaat (§ 2 Abs. 1 Z 17 AsylG 2005) des Fremden bezieht, einen Antrag auf internationalen Schutz darstellt und demgemäß nach den asylrechtlichen Bestimmungen zu behandeln ist. Dies ergibt sich klar aus der dem AsylG 2005 zugrunde liegenden Systematik, dass ein Fremder keinen 'Asylantrag' im engen Sinn des Flüchtlingsbegriffs der GFK stellt, sondern einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag ist gemäß den Bestimmungen des AsylG 2005 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (§ 3 AsylG 2005) als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 AsylG 2005) zu prüfen. Der Prüfungsmaßstab im Hinblick auf den subsidiären Schutz entspricht dabei jenem des Refoulementverbots im FPG. Prüfungen nach dem AsylG 2005 beziehen sich aber immer nur auf den Herkunftsstaat (§§ 3 und 8 AsylG 2005), weshalb für alle anderen Staaten das FPG anwendbar bleibt. Abs. 2 gilt natürlich auch für Fremde, die bereits ein abgeschlossenes Asylverfahren durchlaufen haben und nun einen Antrag gemäß Abs. 1 iVm Abs. 2 stellen. Diese Anträge sind entsprechend den asylrechtlichen Bestimmungen als Folgeanträge zu behandeln."
Indem dargelegt wird, dass der Prüfungsmaßstab im Hinblick auf den subsidiären Schutz jenem des Refoulementverbots im FPG entspreche, wird auf § 50 Abs. 1 FPG verwiesen. Die Frage der Gewährung subsidiären Schutzes ist daher, was im Übrigen schon auf Grund des Wortlauts des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nicht in Zweifel gezogen werden kann, nach Maßgabe der genannten Bestimmung des FPG zu beantworten. Erkennbar eben deshalb ist nach den Vorstellungen des Gesetzgebers aber auch ein gesonderter Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Grunde des § 50 FPG nicht möglich; einem Fremden ist es verwehrt, eine derartige Feststellung zu begehren, weil über das Thema dieser Feststellung ohnehin - und ausschließlich - im Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz abzusprechen ist. Der sonst in Bezug auf andere Staaten vorgesehene Feststellungsantrag (§ 51 Abs. 1 FPG) geht insoweit im Antrag auf internationalen Schutz gleichsam "auf". Anders gewendet: Der Gesetzgeber sieht unter dem Blickwinkel des erforderlichen Rechtsschutzes neben der Entscheidung über Asyl und über subsidiären Schutz im Regelfall (eine Ausnahme stellt die hier nicht näher zu behandelnde Konstellation nach § 8 Abs. 3a AsylG 2005 dar) keinen Bedarf an einer gesonderten Feststellung über die Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat. Wenn sie auch im Rahmen eines Verfahrens auf internationalen Schutz im Zusammenhang mit einer Rückkehrentscheidung dennoch von Amts wegen vorgesehen ist, so kann ihr demnach nur die Funktion zukommen, den Zielstaat der Abschiebung festzulegen, so wie es bis durch die Erlassung der zielstaatsbezogenen asylrechtlichen Ausweisung der Fall war. Dafür spricht auch die Einschränkung im letzten Halbsatz des § 52 Abs. 9 FPG ("..., es sei denn, ..."). In diesem Sinn ist die besagte amtswegige Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG, soweit sie sich auf den Herkunftsstaat bezieht, nur die Konsequenz der Nichtgewährung von Asyl und von subsidiärem Schutz, was bei unveränderter Sachlage aber ebenso dann gelten muss, wenn - wie im vorliegenden Übergangsfall - die amtswegige Feststellung nicht unter einem mit dem Abspruch nach §§ 3 und 8 AsylG 2005 ergeht. Ein inhaltliches "Auseinanderfallen" der genannten Entscheidungen (insbesondere nach § 8 AsylG 2005) einerseits und der Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG andererseits ist - jedenfalls auf Basis des nationalen Rechts - auch in dieser Konstellation ausgeschlossen, was es dann aber weiter verunmöglicht, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und von subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (so im Ergebnis schon die hg. Beschlüsse vom , Ra 2015/21/0005, und vom , Ra 2015/21/0059 - 0062).
Gleichwohl können die Verhältnisse im Herkunftsstaat für den Fall der Rückkehr des Revisionswerbers nicht gänzlich ausgeblendet werden. Es ist lediglich davon auszugehen, dass sie keine asylrelevante Verfolgung begründen und dass sie nicht zur Unzulässigkeit seiner Abschiebung im Grunde des § 50 FPG führen können. Unter dieser Schwelle kommt ihnen hingegen unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens Bedeutung zu, sodass etwa die in der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA unter Berufung auf dessen Feststellungen angesprochenen "Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder bei Sozialleistungen" in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen gewesen wären (vgl. in diesem Sinn zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom , Ra 2015/21/0101, Punkte 4.1. und 4.2. der Entscheidungsgründe).
(Auch) Letzteres hat das BVwG verkannt, weshalb das angefochtene Erkenntnis, soweit eine Rückkehrentscheidung erlassen und demzufolge ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 nicht erteilt wurde samt den auf die Erlassung der Rückkehrentscheidung aufbauenden Absprüchen nach § 52 Abs. 9 und § 55 FPG letztlich wegen der prävalierenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war (zum Umfang der Aufhebung vgl. etwa Punkt IV.6. iVm Punkt II.3. des hg. Erkenntnisses vom , Ra 2014/20/0121, und abermals das hg. Erkenntnis vom , Ra 2014/18/0146).
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am