VwGH vom 24.05.2013, 2012/02/0072
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Riedinger und die Hofräte Dr. Beck und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des Dipl. Ing. L. in E., vertreten durch Dr. Erwin Höller und Dr. Reinhold Lingner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Lederergasse 27, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-281371/20/Kl/BRe, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit nach § 9 Abs. 1 VStG verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher der B.-GmbH als Arbeitgeber die nachstehend angeführte, vom Arbeitsinspektorat V. am bei der Unfallerhebung festgestellte Verwaltungsübertretung wegen Nichteinhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften zu verantworten:
Es sei festgestellt worden, dass am (Tatzeit) auf einer näher genannten Baustelle der Arbeitnehmer R. H. von der B.-GmbH als Arbeitgeberin beschäftigt worden sei und eine Künette betreten habe, obwohl keine Sicherungsmaßnahmen nach § 48 Abs. 2 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) durchgeführt worden seien. Die Künette sei ca. 1,60 m tief, die Böschungsneigungen hätten mehr als 60 Grad betragen und das anstehende Material habe aus schwachbindigem Boden bestanden.
Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 48 Abs. 7 i. V.m. § 48 Abs. 2 BauV i.V.m. §§ 118 Abs. 3 und 130 Abs. 5 Z. 1 ASchG begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in Höhe von EUR 2.000.-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 96 Stunden) verhängt wurde.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird u.a. ausgeführt, es sei erwiesen, dass der Arbeitnehmer R. H. am in einer Künette mit zirka 1,60 m Tiefe bei einer Böschungsneigung von mehr als 60 Grad Arbeiten durchgeführt habe, also für Arbeiten die Künette auch in diesem Bereich betreten habe, ohne dass die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen, wie eine erforderliche Abböschung von höchstens 45 Grad bei den vorhandenen Bodenverhältnissen (schwachbindiger Boden) durchgeführt gewesen seien. Es sei daher der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung einwandfrei erfüllt. Dies sei auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten worden. Der Beschwerdeführer als handelsrechtlicher Geschäftsführer der B.-GmbH habe die Verwaltungsübertretung gemäß § 9 Abs. 1 VStG strafrechtlich zu verantworten.
Es reiche das Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich des umfangreichen Schulungs- und Sicherheitssystems der B.-GmbH nicht aus. Wenngleich auch ein sehr durchdachtes Sicherheitsmanagement im Unternehmen herrsche und auch ein großes Augenmerk auf Schulungen sowohl bei Arbeitsantritt als auch bei Antritt auf der jeweiligen Baustelle und bei Evaluierung der Baustelle herrsche, so sei doch entgegen zu halten, dass entgegen dem vorgebrachten und erwiesenen Sicherheitskonzept und den Schulungen der zuständige Polier C. K. eine rechtswidrige Anordnung getroffen habe, nämlich zum Verbinden der Rohre die Künette auch ohne die nach dem Gesetz erforderliche Sicherung zu betreten, und daher keine Vorsorge getroffen worden sei, die habe gewährleisten können, dass derartige Anordnungen und Schritte nicht gesetzt würden. Gerade dazu habe der Verwaltungsgerichtshof darauf hingewiesen, dass die Erteilung von entsprechenden Weisungen und stichprobenartigen Überprüfungen für ein wirksames Kontrollsystem nicht ausreichend seien, weil gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmerschutzvorschriften verstießen, das entsprechende vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem Platz zu greifen habe.
Dass der für Drainagearbeiten zuständige Polier eigenmächtig entgegen den Schulungen und Anweisungen eine die Arbeitnehmerschutzvorschriften missachtende Anweisung an den verunfallten Arbeitnehmer erteilt und der verunfallte Arbeitnehmer zum Tatzeitpunkt dann dieses eigenmächtige Verhalten umgesetzt habe, beweise gerade, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der Judikatur vorhanden gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschiften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der Beschwerde wird u.a. ausgeführt, die belangte Behörde versuche, dem Beschwerdeführer als "verschuldensbegründend" vorzuhalten, er habe keine konkreten Maßnahmen angeführt, was konkret angeordnet oder unternommen worden sei, um solche rechtswidrigen Weisungen und Vorgangsweisen hintanzuhalten.
Der Beschwerdeführer habe ein ganzes Maßnahmenpaket vorgebracht und unter Beweis gestellt, welches die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften im Bereich Arbeitssicherheit gewährleisten solle.
Dies beginne beim arbeitsrechtlichen Aspekt (Dienstvertrag, Setzung arbeitsrechtlicher Konsequenzen im Fall eines Verstoßes), gehe weiter über organisatorische Aspekte (Erstellung von Betriebsanweisungen im Bereich Arbeitssicherheit, Baustellenevaluierung, Präventivmaßnahmen, Nachbearbeitung von festgestellten Fehlern) über Schulungsaspekte (Erstschulung, laufende Baustellenschulungen) bis hin zu Kontrollmaßnahmen (ständige Baustellenkontrollen intern und extern, weiters auch durch Arbeitsinspektorat mit sofortiger Behebung von Mängeln und Erteilung von Weisungen).
Die belangte Behörde habe im Ergebnis den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weil sie entgegen den Verfahrensergebnissen die vom Beschwerdeführer tatsächlich konkret getroffenen Maßnahmen bei der Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes nicht berücksichtigt und somit dem Beschwerdeführer zu Unrecht vorgeworfen habe, er habe es unterlassen, "wirksame Maßnahmen" im Rahmen des Kontrollsystems vorzukehren, um die Verletzung von Schutzbestimmungen aus dem Bereich Arbeitnehmerschutz hintanzuhalten. Im Übrigen werde auch nicht einmal andeutungsweise dargetan, welche weiteren Maßnahmen der Beschwerdeführer gegenständlich hätte tätigen können bzw. müssen.
Dem ist grundsätzlich entgegenzuhalten, dass es nicht Aufgabe der Behörde ist, dem Beschwerdeführer Anleitungen dahingehend zu geben, wie ein funktionierendes Kontrollsystem aussehen müsste, sondern nur zu überprüfen, ob das behauptete Kontrollsystem ausreichend gestaltet ist, um mangelndes Verschulden darzutun (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/02/0243, m. w.N.).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es für die Darstellung eines wirksamen Kontrollsystems erforderlich, unter anderem aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in dieses Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, das heißt sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchie-Ebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom . Zl. 2010/02/0263, m.w.N.).
Das entsprechende Kontrollsystem hat aber auch für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften Platz zu greifen. Es kann daher kein Vertrauen darauf geben, dass die eingewiesenen, laufend geschulten und ordnungsgemäß ausgerüsteten Arbeitnehmer die Arbeitnehmerschutzvorschriften einhalten (vgl. das vorzitierte hg. Erkenntnis vom , m.w.N.).
Die belangte Behörde hat den umfassenden arbeitnehmerschutzrechtlichen Maßnahmen der B.-GmbH. in einer nicht als unschlüssig zu erkennenden Beweiswürdigung Glauben geschenkt, jedoch dennoch dem Beschwerdeführer eine Mangelhaftigkeit des Kontrollsystems zur Last gelegt, weil der zuständige Polier C. P. trotz des vorgebrachten und als erwiesen angenommenen Sicherheitskonzeptes und der Schulungen eine rechtwidrige Anordnung traf, nämlich zum Verbinden der Rohre die Künette auch ohne die nach dem Gesetz erforderliche Sicherung zu betreten. Es wurde daher keine (ausreichende) Vorsorge getroffen, die hätte gewährleisten können, dass derlei Anordnungen und Schritte nicht gesetzt werden.
Darüber hinaus reichen stichprobenartige Überprüfungen der Baustelle und die Erteilung von Weisungen für das geforderte Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems zur Hintanhaltung von Verstößen gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht aus (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/02/0242, m.w.N.). In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird u.a. auch festgestellt, dass zum Tatzeitpunkt der Polier nicht an der Unfallstelle anwesend war. Es fehlt auch an Anhaltspunkten dafür, dass Vorsorge getroffen wurde, dass eine geschulte Aufsichtsperson auf der Baustelle anwesend war.
Entgegen den umfangreichen Beschwerdeausführungen zum erforderlichen Ausmaß der Kontrolltätigkeit sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch aufgrund des vorliegenden Beschwerdefalles nicht veranlasst, von seiner bisherigen diesbezüglichen Judikatur abzugehen. Der Beschwerdeführer räumt in diesem Zusammenhang u.a. selbst ein, dass z.B. der zuständige Bauleiter lediglich zweimal pro Woche auf der Baustelle gewesen ist, um Kontrolltätigkeiten durchzuführen und Sicherheitsfrage zu erörtern. Auch wenn noch zusätzliche Kontrollen durch Sicherheitsfachkräfte und auch externe Kontrollen und Ähnliches in der B.-GmbH durchgeführt werden, vermag dies nichts an der rechtlich nicht zu beanstandenden Beurteilung der belangten Behörde zu ändern, dass im konkreten Fall auch nur stichprobenartige Überprüfungen stattfanden.
In der Beschwerde wird schließlich eingewendet, festgestellte gravierende Mängel - wie gegenständlich die Vorgangsweise des Poliers C. K. - würden aufgrund einer Weisung des Beschwerdeführers bei der Personalabteilung gemeldet. So habe der Polier C. K. als Zeuge angegeben, dass er wegen seiner rechtswidrigen Vorgangsweise seitens der Personalabteilung verwarnt und ihm bei einem weiteren derartigen Vorkommnis die Kündigung angedroht worden sei. Es sei in diesem Zusammenhang vom Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, dass weitergehende Maßnahmen aus arbeitsrechtlicher Sicht gar nicht möglich seien.
Nach der hg. Rechtsprechung reicht aber auch eine Verwarnung für den ersten festgestellten Verstoß für das geforderte Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems zur Hintanhaltung von Verstößen gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht aus (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/02/0228).
Es begegnet daher unter diesen Umständen keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde zu Recht zu dem Schluss gekommen ist, dass dem Beschwerdeführer ein Entlastungsbeweis im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG nicht gelungen ist.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am