VwGH vom 12.11.2015, Ra 2015/21/0103
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Revision der Landespolizeidirektion Oberösterreich gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom , Zl. LVwG-780019/29/Gf/Mu, betreffend Beschwerde gemäß § 88 SPG (mitbeteiligte Partei: N Q in F, vertreten durch Dr. Roland Gabl u.a., Rechtsanwälte in 4020 Linz, Museumstraße 31a,), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Die Mitbeteiligte ist bolivianische Staatsangehörige und mit einem deutschen Staatsangehörigen verheiratet. Im Hinblick darauf wurde ihr in der Bundesrepublik Deutschland am ein bis gültiger Aufenthaltstitel, nämlich eine mit dem Vermerk "Erwerbstätigkeit gestattet" versehene Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 deutsches Aufenthaltsgesetz, erteilt.
Die Mitbeteiligte reiste am im Besitz ihres gültigen Reisepasses nach Österreich ein und mietete in einem "Laufhaus" in Linz ein Zimmer, um hier für eine Woche die Prostitution auszuüben. Dort wurde sie am im Zuge einer fremdenpolizeilichen Kontrolle von Organen der Landespolizeidirektion Oberösterreich (LPD) gemäß § 39 Abs. 1 Z 1 FPG festgenommen und einige Stunden später gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 FPG nach Deutschland zurückgeschoben.
Mit Erkenntnis vom wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) die von der Mitbeteiligten gegen die erwähnten Maßnahmen erhobene, auf § 88 Abs. 1 SPG gestützte Beschwerde unter Kostenzuspruch an den Bund gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet ab. Dagegen erhob die Mitbeteiligte eine außerordentliche Revision.
Infolgedessen hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Ra 2014/21/0058 (im Folgenden: "Vorerkenntnis"), die Entscheidung des LVwG vom wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes auf. Das wurde wie folgt begründet:
"Im vorliegenden Fall ist von dem mit 'Voraussetzung für den rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet' überschriebenen § 31 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 68/2013 auszugehen. Nach dem in der gegenständlichen Konstellation relevanten Abs. 1 Z 3 dieser Bestimmung halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, 'wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind bis zu drei Monaten (Artikel 21 SDÜ gilt), sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen'.
In der Beschwerde an das LVwG bestritt die Revisionswerberin den ihr unterstellten unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet mit der Begründung, die von ihr ausgeübte kurzfristige Tätigkeit als Prostituierte sei nicht 'unerlaubt' im Sinne der genannten Bestimmung des FPG gewesen; diesbezüglich bezog sie sich vor allem auf verschiedene unionsrechtliche Rechtsgrundlagen. Demgegenüber machte die LPD in ihrer Gegenschrift geltend, der in Deutschland ausgestellte Aufenthaltstitel habe die Revisionswerberin zu keiner 'wie immer gearteten' Erwerbstätigkeit in Österreich berechtigt, und zwar auch nicht zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit, sodass ihr Aufenthalt nicht rechtmäßig gewesen sei.
Darauf ist das LVwG in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses nicht näher eingegangen. Es bezog sich nämlich nur auf § 3 Abs. 1 des Oö. Sexualdienstleistungsgesetzes (Oö. SDLG). Danach darf eine Sexualdienstleistung nicht von Personen angebahnt oder ausgeübt werden, die kein gültiges Gesundheitsbuch besitzen (Z 3) oder bei denen keine Untersuchung gemäß der Oö. Tuberkulose-Reihenuntersuchungsverordnung durchgeführt wurde (Z 4). Die Revisionswerberin verfüge - so das LVwG - weder über ein Gesundheitsbuch noch sei an ihr die erforderliche Tuberkuloseuntersuchung durchgeführt worden. Dementsprechende Nachweise seien von ihr nicht vorgelegt worden und auch dem Akt der LPD nicht zu entnehmen. Vielmehr ergebe sich (u.a.) aus der in der Verhandlung vor dem LVwG abgegebenen Zeugenaussage eines einschreitenden Sicherheitsorgans, dass die Revisionswerberin bei der Kontrolle 'allerdings die hierfür erforderlichen Papiere nicht hatte'. Damit sei der Revisionswerberin schon aus diesem Grund die Anbahnung und Ausübung der Prostitution - und zwar 'einerlei', ob sie tatsächlich selbständig oder in Form eines arbeitsrechtlichen Verhältnisses erfolgt sei - untersagt gewesen. Davon ausgehend - so das LVwG zusammenfassend - erweise sich die Annahme der einschreitenden Sicherheitsorgane, der Aufenthalt der Revisionswerberin sei ungeachtet ihrer gültigen deutschen 'Niederlassungsbewilligung' unrechtmäßig (gewesen), als zutreffend. Die bekämpften Maßnahmen seien daher 'schon von vornherein' nicht rechtswidrig gewesen.
Dem wird in der Revision entgegen gehalten, das LVwG habe gegen das Überraschungsverbot des § 45 Abs. 3 AVG verstoßen, weil es im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung festgestellt habe, die Revisionswerberin habe weder über ein Gesundheitsbuch verfügt noch sei die erforderliche Tuberkuloseuntersuchung durchgeführt worden. Derartiges sei von der belangten LPD auch gar nicht behauptet worden. Diese Fragen seien vielmehr im gesamten Verfahren nicht erörtert worden. Strittig sei 'stets und ausschließlich' die Frage gewesen, ob es sich gegenständlich um eine erlaubte Tätigkeit im Sinne der Bestimmungen des FPG handle. Die Frage, ob die Revisionswerberin über die notwendigen Nachweise für die Ausübung der Prostitution nach dem Oö. SDLG verfüge, sei erstmals im angefochtenen Erkenntnis aufgeworfen worden. Demnach habe das LVwG in seine rechtliche Würdigung - wie in der Revision noch näher dargetan wird: überdies nicht zutreffende - Sachverhaltselemente einbezogen, die der Revisionswerberin bis dahin nicht vorgehalten worden seien. Dadurch habe das LVwG gegen die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - in diesem Zusammenhang wird auf das Erkenntnis vom , Zl. 2002/18/0053, verwiesen - verstoßen.
Damit wird im Ergebnis zutreffend geltend gemacht, dass die Revision unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG entgegen dem - den Verwaltungsgerichtshof nicht bindenden (§ 34 Abs. 1a VwGG) - Ausspruch des LVwG zulässig ist; sie ist auch berechtigt.
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist im Verwaltungsverfahren das sogenannte 'Überraschungsverbot' zu beachten. Darunter ist das Verbot zu verstehen, dass die Behörde in ihre rechtliche Würdigung Sachverhaltselemente einbezieht, die der Partei nicht bekannt waren (vgl. zuletzt das Erkenntnis vom , Ro 2014/03/0066, u.a. mit dem Hinweis auf das auch in der Revision ins Treffen geführte Erkenntnis vom , Zl. 2002/18/0053). Im erstgenannten Erkenntnis (Punkt IV.A.4.2.2. der Entscheidungsgründe) wurde überdies schon klargestellt, dass die zum 'Überraschungsverbot' entwickelten Grundsätze auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten maßgeblich sind, weil von den Verwaltungsgerichten auf dem Boden des § 17 VwGVG sowohl das Amtswegigkeitsprinzip des § 39 Abs. 2 AVG als auch der Grundsatz der Einräumung von Parteiengehör im Sinne des § 45 Abs. 3 AVG zu beachten seien.
Gegen diese Grundsätze hat das LVwG aber verstoßen, indem es die Abweisung der Maßnahmenbeschwerde ausschließlich auf Umstände - angebliches Fehlen der nach dem Oö. SDLG für die Ausübung der Prostitution erforderlichen medizinischen Untersuchungen - stützte, die im Verfahren von den Parteien gar nicht geltend gemacht worden waren und zu denen vom LVwG auch kein Parteiengehör eingeräumt worden war. Im Übrigen hätte diese Begründung des LVwG seine abweisende Entscheidung auch deshalb nicht tragen können, weil der letzte Halbsatz des § 31 Abs. 1 Z 3 FPG nach seinem Telos (vgl. dazu die ErlRV 330 BlgNR 24. GP 29) darauf abstellt, ob der Fremde während seines Aufenthalts in Österreich einer Erwerbstätigkeit nachgeht, die nicht von dem ihm erteilten Aufenthaltstitel eines anderen Schengen-Staates umfasst ist. Nur unter dieser Voraussetzung ist der Aufenthalt eines Fremden, der Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels ist, unter dem Gesichtspunkt des letzten Halbsatzes des § 31 Abs. 1 Z 3 FPG als unrechtmäßig zu qualifizieren; also nicht schon dann, wenn bestimmte Rahmenbedingungen für die Aufnahme einer grundsätzlich erlaubten Erwerbstätigkeit (fallbezogen nach dem Oö. SDLG oder wie das LVwG bei der Aktenvorlage noch ergänzend ins Treffen führte: nach der GewO) fehlen.
Da die Abweisung der von der Revisionswerberin erhobenen Maßnahmenbeschwerde vom LVwG nur mit einer nach dem Gesagten nicht tragfähigen Begründung vorgenommen wurde, war das angefochtene Erkenntnis wegen der prävalierenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben."
Ohne weitere Ermittlungen erging sodann von Seiten des LVwG das nunmehr mit Amtsrevision der LPD angefochtene Erkenntnis vom mit folgendem Spruch in der Hauptsache:
"In Bindung an die vom Verwaltungsgerichtshof in dessen Erkenntnis vom . Zl. Ra 2014/21/0058, geäußerte Rechtsansicht wird der Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 3 B-VG i. V.m. § 28 VwGVG stattgegeben und festgestellt, dass die am von Exekutivorganen der Landespolizeidirektion Oberösterreich durchgeführte Festnahme und anschließende Zurückschiebung der Beschwerdeführerin nach Deutschland rechtswidrig war."
Im Übrigen erfolgte noch ein Kostenzuspruch an die Mitbeteiligte und abschließend wurde die ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.
In der Begründung führte das LVwG nach zusammengefasster Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges "unter Bindung" an die vom Verwaltungsgerichtshof im Vorerkenntnis "geäußerte Rechtsmeinung" dann aus, die Mitbeteiligte habe "allseits unbestritten" über einen deutschen Aufenthaltstitel verfügt, der ihr dort eine Erwerbstätigkeit als Prostituierte gestatte. Davon ausgehend sei ihr diese Art der Erwerbstätigkeit dem Grunde nach auch während ihres Aufenthalts in Österreich gestattet gewesen, sodass sich dieser "im Lichte des § 31 Abs. 1 Z 3 FPG" auch nicht als rechtswidrig erweise. Darauf, ob die Mitbeteiligte im Zuge der Ausübung dieses Gewerbes auch sämtliche hierfür maßgeblichen Ordnungsvorschriften (insbesondere jene des Oö. SDLG) beachtet habe, komme es hingegen aus fremdenpolizeilicher Sicht nicht an. Demnach hätte die Mitbeteiligte am "Vorfallstag" weder zum Zweck ihrer Vorführung vor die Behörde festgenommen noch nach Deutschland zurückgeschoben werden dürfen. Daher sei der Maßnahmenbeschwerde stattzugeben und festzustellen gewesen, dass die am von Organen der LPD durchgeführte Festnahme und die anschließende Zurückschiebung rechtswidrig gewesen seien.
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Amtsrevision der LPD, die dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 30a Abs. 7 letzter Satz VwGG unter Anschluss der Akten vorgelegt wurde und zu der die Mitbeteiligte im Rahmen des Vorverfahrens eine Revisionsbeantwortung erstattete.
Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die Revision ist (wie sich aus dem Weiteren ergibt) entgegen dem - den Verwaltungsgerichtshof nicht bindenden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG) - Ausspruch des LVwG zulässig; sie ist im Ergebnis auch berechtigt.
Die von der Mitbeteiligten mit der gemäß § 88 Abs. 1 SPG (idF des VwGAnpG-Inneres) erhobenen Beschwerde an das LVwG bekämpften Maßnahmen von Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt waren einerseits die auf § 39 Abs. 1 Z 1 iVm § 120 Abs. 1a FPG (idF des FNG) gegründete Festnahme und Anhaltung der Mitbeteiligten sowie andererseits deren gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 FPG (idF des FNG-AnpassungsG) vorgenommene Zurückschiebung in die Bundesrepublik Deutschland. Diese Bestimmungen lauten:
"Festnahme und Anhaltung
§ 39. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, einen Fremden zum Zwecke einer für die Sicherung des Verfahrens unerlässlichen Vorführung vor die Landespolizeidirektion festzunehmen und bis zu 24 Stunden anzuhalten, wenn
1. sie ihn bei Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 120 auf frischer Tat betreten oder
..."
"Rechtswidrige Einreise und rechtswidriger Aufenthalt
§ 120. (1) ...
(1a) Wer als Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 500 Euro bis zu 2.500 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen. Wer wegen einer solchen Tat bereits einmal rechtskräftig bestraft wurde, ist mit Geldstrafe von 2.500 Euro bis zu 7.500 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltes; bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist."
"Zurückschiebung
§ 45. (1) Fremde können von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag der Landespolizeidirektion zur Rückkehr in einen Mitgliedstaat verhalten werden (Zurückschiebung), wenn sie
...
3. innerhalb von sieben Tagen, nachdem ihr visumfreier oder visumpflichtiger Aufenthalt im Bundesgebiet nicht mehr rechtmäßig ist, betreten werden, oder
..."
Vor diesem Hintergrund hängt die Rechtmäßigkeit der gegen die Mitbeteiligte gesetzten Maßnahmen in erster Linie davon ab, ob sie sich am nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Zur Beurteilung dieser Frage ist - wie schon im Vorerkenntnis dargelegt - auf die (fallbezogen allein in Betracht kommende) Z 3 des § 31 Abs. 1 FPG abzustellen. Diese Bestimmung geht auf die Stammfassung des § 31 FPG zurück, dessen Z 3 wie folgt lautete:
"Voraussetzung für den rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet
§ 31. Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,
...
3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind;"
Zu dieser Bestimmung hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0436, bemerkt, dass der allgemein gehaltene Wortlaut - anders als noch nach der davor geltenden Rechtslage nach dem FrG 1997 - keinerlei Einschränkung dahin enthalte, dass die Rechtmäßigkeit des inländischen Aufenthalts im Fall von Erwerbstätigkeit eine entsprechende Bewilligung verlange. Das zog die Anfügung eines Halbsatzes mit dem FrÄG 2009 nach sich, sodass - nunmehr schon § 31 Abs. 1 Z 3 FPG - sodann ab lautete:
"§ 31. (1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,
...
3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;"
Dazu führten die ErläutRV 330 BlgNR 24. GP 29 aus:
"Die Ergänzung in Z 3 soll klarstellen, dass ein Aufenthalt von Fremden, die über einen Aufenthaltstitel eines anderen Schengen-Staates verfügen, in Österreich nur dann rechtmäßig ist, wenn sie während ihres Aufenthalts in Österreich keiner nicht von diesem Aufenthaltstitel umfassten Erwerbstätigkeit, also einer in diesem Sinne unerlaubten Erwerbstätigkeit, nachgehen."
Unter Bezugnahme auf die in diesen Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebrachte Absicht, stellte der Verwaltungsgerichtshof schon im Vorerkenntnis klar, dass es entsprechend dem letzten Halbsatz des § 31 Abs. 1 Z 3 FPG nach seinem Telos darauf ankommt, ob der Fremde während seines Aufenthalts in Österreich einer Erwerbstätigkeit nachgeht, die von dem ihm erteilten Aufenthaltstitel eines anderen Schengen-Staates umfasst ist. Zur Beurteilung dieser Frage kommt es freilich nicht darauf an, ob die in Rede stehende Erwerbstätigkeit in jenem Staat, der den Aufenthaltstitel erteilt hatte, erlaubt wäre, sondern ob deren Ausübung am Maßstab des Unionsrechts und des nationalen Rechts in Österreich erlaubt ist (vgl. der Sache nach schon das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/21/0019, wo darauf abgestellt wurde, dass der Fremde nach den Feststellungen der belangten Behörde in einem bestimmten Zeitraum einer nach österreichischem Recht unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen war). Eine andere Auffassung lässt sich - entgegen der Meinung des LVwG - dem Vorerkenntnis nicht entnehmen. Die Annahme des LVwG, aus diesem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes ergebe sich, dass die Erwerbstätigkeit der Mitbeteiligten als Prostituierte dem Grunde nach auch während ihres Aufenthalts in Österreich erlaubt gewesen sei, weil sie über einen deutschen Aufenthaltstitel verfügte, der ihr dort diese Art der Erwerbstätigkeit gestattet habe, und das LVwG sei an eine solche Rechtsauffassung gebunden, trifft nicht zu. Davon ausgehend hätte das LVwG im fortgesetzten Verfahren prüfen müssen, ob die kurzfristige Erwerbstätigkeit der Mitbeteiligten in Österreich auf Basis der hierfür maßgeblichen Normen erlaubt war oder nicht.
In diesem Zusammenhang wäre vom LVwG auch darauf einzugehen gewesen, dass § 31 Abs. 1 Z 3 FPG mit dem FNG-AnpassungsG neuerlich geändert wurde, und zwar nach den ErläutRV 2144 BlgNR 24. GP 23 "in Reaktion auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vom , GZ.: 2011/18/0554", sodass diese Bestimmung in der seit geltenden Fassung nunmehr lautet:
"§ 31. (1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,
...
3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind bis zu drei Monaten (Artikel 21 SDÜ gilt), sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;"
Der angesprochene Art. 21 Abs. 1 SDÜ (Schengener Durchführungsübereinkommen), dessen "Geltung" nunmehr im Zusammenhang mit § 31 Abs. 1 Z 3 FPG ausdrücklich angeordnet wurde und der somit bei der Auslegung dieser Bestimmung einzubeziehen ist (vgl. idS schon zur Rechtslage nach dem FrG 1997 das Erkenntnis vom , Zl. 2000/18/0238, und daran anschließend etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2005/18/0093), lautet aktuell wie folgt:
"Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, können sich aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu drei Monate in einem Zeitraum von sechs Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen, sofern sie die in Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a, c und e der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 … (Schengener Grenzkodex) aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen und nicht auf der nationalen Ausschreibungsliste des betroffenen Mitgliedstaats stehen."
Schon der klare Wortlaut der zitierten Bestimmung (arg:
" frei … bewegen ") lässt erkennen, dass danach der von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellte Aufenthaltstitel nur zum vorübergehenden Aufenthalt (drei Monate in einem Zeitraum von sechs Monaten) berechtigt, jedoch aufgrund des SDÜ - anders als die Mitbeteiligte in ihrer Beschwerde meinte - keine Erlaubnis zu einer Erwerbstätigkeit eingeräumt wird. (Vgl. in diesem Sinn auch Szymanski in Schrefler-König/Szymanski, Kommentar zum FPG, Anm. 3 zu § 31, wonach mit einem Aufenthaltstitel eines anderen Vertragsstaates zwar ein Kurzaufenthalt von 90 Tagen im Halbjahr möglich sei, jedoch keine Erwerbstätigkeit; das gemäß Art. 21 SDÜ gegebene Aufenthalts- und Bewegungsrecht innerhalb der Vertragsstaaten solle auf private oder touristische Zwecke eingeschränkt sein.)
Auch aus anderen unionsrechtlichen Rechtsgrundlagen, auf die sich die Mitbeteiligte im Verfahren vor dem LVwG berufen hatte, ist für sie nichts zu gewinnen. Auf die ins Treffen geführte Freizügigkeitsrichtlinie 2004/38/EG kann sie sich schon deshalb nicht stützen, weil dies ein Begleiten durch ihren österreichischen Ehemann vorausgesetzt hätte (vgl. dazu das schon erwähnte Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0436, in dem auf die Maßgeblichkeit eines gemeinsamen Aufenthaltes des EWR-Bürgers und seines Angehörigen im Aufnahmemitgliedstaat für die Begründung von sich aus dieser Richtlinie ergebenden Berechtigungen verwiesen wurde; siehe daran anschließend unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/21/0239). Auch auf die Richtlinie 2003/109/EG betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen kann sich die Mitbeteiligte nicht wirksam berufen, weil ihr die gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 deutsches Aufenthaltsgesetz erteilte, mit drei Jahren befristete Aufenthaltserlaubnis diese Rechtsstellung nicht vermittelt (vgl. demgegenüber § 9a deutsches Aufenthaltsgesetz).
Dass die Ausübung der Prostitution als unselbständige Erwerbstätigkeit einer - der Mitbeteiligten unstrittig nicht erteilten - Bewilligung nach dem AuslBG bedurft hätte, wurde von ihr nicht in Frage gestellt. Vielmehr hat die Mitbeteiligte offenbar gerade deshalb ins Treffen geführt, es habe sich um eine vorübergehende selbständige Tätigkeit gehandelt. Dazu hat das LVwG keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen (vgl. zur Abgrenzung von selbständiger und unselbständiger Erwerbstätigkeit im Falle von Prostitution etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/09/0041). Folgt man der Auffassung der revisionsführenden LPD kam es darauf aber nicht an, weil danach auch die vorübergehende Ausübung der selbständigen Prostitution unerlaubt gewesen sei. Das trifft im Ergebnis zu.
In der hier maßgeblichen Fassung des FNG-AnpassungsG lautete § 24 FPG, dem mit dem FrÄG 2015 ein hier ebenfalls wiedergegebener neuer Abs. 3 angefügt wurde, wie folgt:
"Sonderbestimmungen zur Erteilung von Visa zu Erwerbszwecken
§ 24. (1) Die Aufnahme
1. einer bloß vorübergehenden selbständigen Erwerbstätigkeit (§ 2 Abs. 4 Z 16);
2. einer bloß vorübergehenden unselbständigen Tätigkeit (§ 2 Abs. 4 Z 17) oder
3. einer Tätigkeit, zu deren Ausübung eine Beschäftigungsbewilligung nach § 5 AuslBG Voraussetzung ist,
im Bundesgebiet ist nur nach Erteilung eines Visums möglich. In diesem Fall ist dem Fremden, abhängig von der beabsichtigten Tätigkeitsdauer, ein Visum C oder ein Visum D zu erteilen, wenn im Fall der Anwendbarkeit des Ausländerbeschäftigungsgesetzes eine arbeitsmarktbehördliche Bewilligung oder Bescheinigung vorliegt und kein Visumversagungsgrund gegeben ist.
(2) Abs. 1 findet auf Fremde, die zur visumfreien Einreise berechtigt sind, zur Aufnahme einer Tätigkeit gemäß Abs. 1 Z 3 keine Anwendung.
(3) Abs. 1 findet auf Fremde während des Aufenthaltes zur Erbringung einer vorübergehenden Arbeitsleistung gemäß § 18 Abs. 12 AuslBG keine Anwendung, wenn sie die Voraussetzungen des Art. 21 SDÜ und die des § 18 Abs. 12 AuslBG erfüllen."
Die in der - im vorliegenden Fall maßgeblichen - Z 1 des § 24 Abs. 1 FPG angesprochene Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 4 Z 16 FPG sowie jene des § 2 Abs. 4 Z 9 FPG lauten:
"§ 2 ...
(4) Im Sinn dieses Bundesgesetzes ist
...
9. Drittstaat: jeder Staat, außer ein Mitgliedstaat des EWR-Abkommens oder der Schweiz;
...
16. eine bloß vorübergehende selbständige Erwerbstätigkeit:
eine solche, die innerhalb von zwölf Monaten nicht länger als sechs Monate ausgeübt wird, bei der ein Wohnsitz im Drittstaat aufrecht erhalten wird, der weiterhin den Mittelpunkt der Lebensinteressen bildet, und bei der es sich um keinen Fall der Pflichtversicherung des § 2 des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes (GSVG), BGBl. Nr. 560/1978, handelt;"
Für die vorliegende Konstellation ist allerdings zunächst auch noch § 32 NAG (in der unveränderten, seit geltenden Stammfassung) in Betracht zu ziehen; diese Bestimmung lautet:
"Selbständige Erwerbstätigkeit
§ 32. Mit Ausnahme der Fälle des § 2 Abs. 1 Z 7 bedarf die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit - unbeschadet zusätzlicher Berechtigungen nach anderen Bundes- oder Landesgesetzen - der Ausstellung eines Aufenthaltstitels mit entsprechendem Zweckumfang."
Die angesprochene Bestimmung des § 2 Abs. 1 Z 7 NAG bezieht sich auf eine "bloß vorübergehende selbständige Erwerbstätigkeit" und sie definiert diesen Begriff inhaltsgleich wie der oben wiedergegebene § 2 Abs. 4 Z 16 FPG. Diesbezüglich argumentierte die Mitbeteiligte in der Beschwerde, ihre Erwerbstätigkeit werde davon nicht erfasst, weil sie den Wohnsitz und Lebensmittelpunkt nicht - wie in dieser Bestimmung normiert - in einem Drittstaat aufrecht erhalten habe, sondern in einem Mitgliedstaat des EWR-Abkommens. Daher sei § 24 Abs. 1 Z 1 FPG betreffend die Visumspflicht bei Ausübung einer vorübergehenden selbständigen Erwerbstätigkeit auf sie nicht anzuwenden.
Das scheint nunmehr auch die LPD in der Amtsrevision so zu sehen. Diese Auslegung hätte allerdings dann die - von der LPD offenbar angestrebte - Konsequenz, dass Drittstaatsangehörige, die während ihrer vorübergehenden selbständigen Erwerbstätigkeit den Wohnsitz und Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen nicht in einem Drittstaat, sondern in einem Mitgliedstaat des EWR-Abkommens (oder in der Schweiz) aufrecht erhalten, von der Ausnahmeregelung des § 32 NAG nicht erfasst wären und sie daher für diese Art der Tätigkeit in Österreich (sogar) einen Aufenthaltstitel mit entsprechendem Zweckumfang benötigten. Das führte aber zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung im Sinne einer Schlechterstellung der Angehörigen der genannten Personengruppe. Es gilt daher auch für sie, dass sie für die Ausübung einer vorübergehenden selbständigen Erwerbstätigkeit (nur) ein Visum und keinen Aufenthaltstitel benötigen. Vor diesem Hintergrund wurde schon im bereits erwähnten Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0436, der damals in der Amtsbeschwerde der Bundesministerin für Inneres vorgenommenen Interpretation, die Rechtmäßigkeit des inländischen Aufenthaltes verlange im Fall von Erwerbstätigkeit eine "Bewilligung nach § 24 FPG", auch ausdrücklich nicht entgegen getreten. Im Übrigen lässt sich aus § 24 Abs. 2 FPG und aus dem mit dem FrÄG 2015 angefügten Abs. 3 ableiten, dass von dessen Abs. 1 grundsätzlich auch Sachverhalte erfasst sein können, die nicht nur - wie die Mitbeteiligte in der Beschwerde meinte - das Überschreiten der Schengen-Außengrenzen, sondern auch Wanderungsbewegungen innerhalb der Binnengrenzen betreffen können.
Es lässt sich aber auch nicht - wie der Sache nach in der Beschwerde - damit argumentieren, dass die Erteilung eines Visums als Voraussetzung für die Aufnahme einer vorübergehenden selbständigen Erwerbstätigkeit wegen des ohnehin gegebenen Besitzes eines Aufenthaltstitels eines anderen Mitgliedstaates sinnlos wäre. Vielmehr liegt der Zweck offenbar darin, bereits vor der Einreise bei der Visumserteilung prüfen zu können, ob tatsächlich eine selbständige und keine (etwa mangels Vorliegens einer nach dem AuslBG erforderlichen Bewilligung) unerlaubte unselbständige Tätigkeit beabsichtigt ist (vgl. zu einem solchen Fall etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0515). Außerdem ist die vorübergehende Erwerbstätigkeit auf längere Zeit ausgelegt als die nach Art. 21 SDÜ höchstens erlaubte Aufenthaltsdauer von "drei Monaten in einem Zeitraum von sechs Monaten" (vgl. oben § 2 Abs. 4 Z 16 FPG: "innerhalb von zwölf Monaten nicht länger als sechs Monate" und § 20 Abs. 2 FPG, wonach ein Visum D zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet "von mehr als drei Monaten, längstens jedoch sechs Monaten" berechtigt).
Da die Mitbeteiligte nicht über ein Visum verfügte, war ihre in Österreich ausgeübte Erwerbstätigkeit somit unerlaubt iSd § 31 Abs. 1 Z 3 FPG. Die von der LPD gegen sie ergriffenen Maßnahmen waren daher unter diesem Gesichtspunkt nicht rechtswidrig. Die vom LVwG - infolge Unterlassung der gebotenen Auseinandersetzung mit der maßgeblichen Rechtslage - im angefochtenen Erkenntnis vertretene gegenteilige Auffassung erweist sich daher als Fehlbeurteilung, weshalb diese Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am