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VwGH vom 10.09.2010, 2009/17/0143

VwGH vom 10.09.2010, 2009/17/0143

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2009/17/0145

2009/17/0144

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerden der Finanzmarktaufsichtsbehörde in 1090 Wien, Otto Wagner Platz 5, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenats Wien 1.) vom , Zl. UVS- 06/FM/47/4131/2008-11, zur Zl. 2009/17/0143, 2.) vom , Zl. UVS-06/FM/47/4140/2008-6, zur Zl. 2009/17/0144, und 3.) vom , Zl. UVS-06/FM/47/4139/2008-6, zur Zl. 2009/17/0145, jeweils betreffend Übertretung des Kapitalmarktgesetzes (mitbeteiligte Parteien: ad 1. KM in W, ad 2. GW in O, ad 3. JW in W, alle vertreten durch Kraft Winternitz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Heinrichsgasse 4, weitere Partei: Bundesminister für Finanzen), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat den mitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1.1. Mit drei Bescheiden vom erkannte die Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA; in der Folge: die beschwerdeführende Partei) die Mitbeteiligten in ihrer Funktion als Vorstände und somit zur Vertretung nach außen Befugte der MS Finanz AG jeweils der Übertretung des § 4 Abs. 3 in Verbindung mit § 16 Z 3 Kapitalmarktgesetz (KMG) für schuldig und verhängte über sie Geldstrafen in der Höhe von EUR 20.000,--. In der Tatumschreibung dieser Straferkenntnisse warf die beschwerdeführende Partei den Mitbeteiligten vor, die MS Finanz AG habe in einer Werbeunterlage mit dem Datum , welche jedenfalls im Zeitraum 31. Jänner bis auch auf der homepage der MS Finanz AG abrufbar gewesen sei, für Wertpapiere der MEL geworben.

In dieser Werbeunterlage sei darauf hingewiesen worden, dass ein dem KMG und dem Börsegesetz entsprechender Prospekt ordnungsgemäß veröffentlicht worden sei und bei der M Bank AG (Anm.: dies ist die 100%-Eigentümerin der MS Finanz AG) aufliege bzw. als download unter einer näher angegebenen internet-Adresse zur Verfügung stünde.

Die Wertpapiere notierten seit an der Wiener Börse. Im Jänner 2007 sei im Rahmen einer Kapitalerhöhung ein Prospekt gemäß § 10 Abs. 2 KMG veröffentlicht worden. In der Zeit von bis sei ein prospektpflichtiges öffentliches Angebot von Wertpapieren vorgelegen. Die Werbung mit der Werbeunterlage mit dem Datum sei im Zusammenhang mit diesem öffentlichen Angebot der Wertpapiere der MEL erfolgt.

In dieser Werbeunterlage habe sich unter der Überschrift "Anlegervorteile" der Hinweis "Geeignet für Mündelgeldveranlagung" gefunden. Weiters habe die Unterlage den Hinweis "Die Aktien sind nahezu zur Gänze im Streubesitz" enthalten. Mit diesen Aussagen seien irreführende Angaben gemacht worden.

1.2. Auf Grund der Berufung der mitbeteiligten Parteien behob die belangte Behörde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die bei ihr bekämpften Strafbescheide und stellte die Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG ein. Begründend führte die belangte Behörde in allen drei Bescheiden im Wesentlichen übereinstimmend aus, dass sich das von der beschwerdeführenden Partei der Bestrafung zu Grunde gelegte "Termsheet" nur auf die bereits auf dem Sekundärmarkt befindlichen Wertpapiere der MEL bezogen habe und somit ein Zusammenhang mit einem Angebot im Sinne des § 4 KMG nicht gegeben gewesen sei.

Die belangte Behörde sah es als erwiesen an, dass die Wertpapiere (Zertifikate) der MEL seit an der Wiener Börse notierten und im Jänner 2007 im Rahmen einer Kapitalerhöhung ein Prospekt gemäß § 10 Abs. 2 KMG veröffentlicht worden sei. Vor der Kapitalerhöhung hätten bereits 225 Millionen Zertifikate "an der Wiener Börse notiert". Der jeweilige Berufungswerber sei in einem näher genannten Zeitraum, der jeweils auch den Tatzeitraum einschließt, Vorstand der MS Finanz AG, einem konzessionierten Wertpapierdienstleistungsunternehmen gemäß dem WAG, gewesen. Für die Einhaltung der Bestimmungen des KMG sei im Tatzeitraum keine Person zum verantwortlichen Beauftragten bestellt gewesen. Aufgabe der MS Finanz AG sei der Vertrieb von "M-Produkten" gewesen (wobei nicht näher erläutert wird, was unter solchen "M-Produkten" zu verstehen wäre; der Begriff "M" ist sowohl im Firmenwortlaut der Bank, in deren Eigentum sich die MS Finanz AG befindet, als auch in deren eigenem Firmenwortlaut und schließlich in jenem der MEL enthalten). Der Vertrieb sei zum Großteil über Vertriebspartner, der Rest über freie Berater und direkt angestellte Mitarbeiter der MS Finanz AG erfolgt.

Es stehe fest, dass in dem für die Kapitalerhöhung maßgeblichen Prospekt der MEL, welcher im Amtsblatt der Wiener Zeitung am veröffentlicht worden sei, die "offer period" vom bis angegeben worden sei. Die Frist zur Zeichnung der angebotenen Wertpapiere habe am geendet. Der Bezugsrechtehandel habe vom 1. bis 5. Februar stattgefunden. Der letzte Ordertag für Kunden sei somit der gewesen. Die Handelsaufnahme der im Zuge der Kapitalerhöhung ausgegebenen Wertpapiere sei am erfolgt. Es stehe also fest, dass ab dem 5. Februar keine Wertpapiere, welche im Zuge der gegenständlichen Kapitalerhöhung emittiert worden seien, mehr gezeichnet hätten werden können.

Nach Feststellungen zum Bezugspreis im Rahmen der Kapitalerhöhung und der Anzahl der Zertifikate, die im Zuge der Kapitalerhöhung begeben wurden, wird festgestellt, dass die der Tatanlastung durch die beschwerdeführende Partei zu Grunde liegende Werbeunterlage (auch als Termsheet und in der Folge im angefochtenen Bescheid als "Datenblatt" bezeichnet) mit datiert sei und am 7. Februar um ca. 16.00 Uhr auf der Homepage der MS Finanz AG online gestellt worden sei. Ab diesem Zeitpunkt sei das Datenblatt von jedermann auf dieser Homepage abrufbar gewesen (das Datenblatt wird sodann in Kopie im Bescheid wiedergegeben).

Derartige Datenblätter seien seit dem Jahr 2002 regelmäßig auf der Homepage der MS Finanz AG abrufbar gewesen. Diese Datenblätter seien ein Mal monatlich im Nachhinein mit Stichtag Monatsultimo laufend aktualisiert worden, wobei die Daten von der MEL der MS Finanz AG zur Verfügung gestellt worden seien. Nach interner Abklärung des Inhalts zwischen der MEL und der MS Finanz AG sei das aktualisierte Datenblatt der Firma I, die die homepage betreut habe, übermittelt worden, um es online zu stellen. Das gegenständliche, mit datierte Datenblatt sei mit e-mail vom 7. Februar von einem Mitarbeiter der MS Finanz AG an Herrn H, dem Inhaber des Unternehmens I, übermittelt worden. Dieser habe seinerseits mit e-mail vom 7. Februar, 16.00 Uhr, der MS Finanz AG mitgeteilt, dass das Datenblatt online gestellt worden sei.

1.3. Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Amtsbeschwerden der FMA, in denen sich diese gegen die Auffassung der belangten Behörde wendet, es sei kein Zusammenhang mit einem Angebot vorgelegen.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

Die mitbeteiligten Parteien haben eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. § 4 und § 16 des Bundesgesetzes über das öffentliche Anbieten von Wertpapieren und anderen Kapitalveranlagungen und über die Aufhebung des Wertpapier-Emissionsgesetzes (Kapitalmarktgesetz - KMG), BGBl. Nr. 625/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 78/2005, lauten (§ 16 Abs. 1 auszugsweise):

"§ 4. (1) Jede Art von Werbung, die sich auf ein öffentliches Angebot von Wertpapieren oder Veranlagungen oder auf eine Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt bezieht, muss die Grundsätze der Abs. 2 bis 5 beachten. Die Abs. 2 bis 4 gelten nur für die Fälle, in denen der Emittent, der Anbieter oder die die Zulassung zum Handel beantragende Person der Prospektpflicht unterliegt.

(2) In allen Werbeanzeigen ist darauf hinzuweisen, dass ein Prospekt samt allfälligen ändernden oder ergänzenden Angaben veröffentlicht wurde oder zur Veröffentlichung ansteht und wo die Anleger ihn erhalten können.

(3) Werbeanzeigen müssen als solche klar erkennbar sein. Die darin enthaltenen Angaben dürfen nicht unrichtig oder irreführend sein. Diese Angaben dürfen darüber hinaus nicht im Widerspruch zu den Angaben stehen, die der Prospekt und die allfälligen ändernden oder ergänzenden Angaben enthalten, falls die Genannten bereits veröffentlicht sind, oder zu den Angaben, die im Prospekt enthalten sein müssen, falls dieser erst zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht wird.

(4) Auf jeden Fall müssen alle mündlich oder schriftlich verbreiteten Informationen über das öffentliche Angebot oder die Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt, selbst wenn sie nicht zu Werbezwecken dienen, mit den im Prospekt und in den allfälligen ändernden oder ergänzenden Angaben enthaltenen Angaben übereinstimmen.

(5) Besteht keine Prospektpflicht gemäß diesem Bundesgesetz, so sind wesentliche Informationen des Emittenten oder des Anbieters, die sich an qualifizierte Anleger oder besondere Anlegergruppen richten, einschließlich Informationen, die im Verlauf von Veranstaltungen betreffend Angebote von Wertpapieren mitgeteilt werden, allen qualifizierten Anlegern bzw. allen besonderen Anlegergruppen, an die sich das Angebot ausschließlich richtet, mitzuteilen. Muss ein Prospekt veröffentlicht werden, so sind solche Informationen in den Prospekt oder in einen Nachtrag (ändernde oder ergänzende Angaben) zum Prospekt gemäß § 6 Abs. 1 aufzunehmen.

(6) Die FMA kann kontrollieren, ob bei der Werbung für ein öffentliches Angebot von Wertpapieren oder eine Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt die Grundsätze der Abs. 2 bis 5 beachtet werden. Sie übt diese Tätigkeit insbesondere bei begründetem Verdacht eines Verstoßes gegen die Bestimmungen gemäß Abs. 1 bis 5 aus.

§ 16. Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der FMA mit Geldstrafe bis zu 50 000 Euro zu bestrafen, wer im Zusammenhang mit einem öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder Veranlagungen, das nach diesem Bundesgesetz prospektpflichtig ist,

...

3. entgegen der Vorschrift des § 4 wirbt oder

..."

Art. 15 der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG lautet:

"Artikel 15

Werbung

(1) Jede Art von Werbung, die sich auf ein öffentliches Angebot von Wertpapieren oder auf eine Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt bezieht, muss die Grundsätze der Absätze 2 bis 5 beachten. Die Absätze 2 bis 4 gelten nur für die Fälle, in denen der Emittent, der Anbieter oder die die Zulassung zum Handel beantragende Person der Prospektpflicht unterliegt.

(2) In allen Werbeanzeigen ist darauf hinzuweisen, dass ein Prospekt veröffentlicht wurde bzw. zur Veröffentlichung ansteht und wo die Anleger ihn erhalten können.

(3) Werbeanzeigen müssen als solche klar erkennbar sein. Die darin enthaltenen Angaben dürfen nicht unrichtig oder irreführend sein. Diese Angaben dürfen darüber hinaus nicht im Widerspruch zu den Angaben stehen, die der Prospekt enthält, falls dieser bereits veröffentlicht ist, oder zu den Angaben, die im Prospekt enthalten sein müssen, falls dieser erst zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht wird.

(4) Auf jeden Fall müssen alle mündlich oder schriftlich verbreiteten Informationen über das öffentliche Angebot oder die Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt, selbst wenn sie nicht zu Werbezwecken dienen, mit den im Prospekt enthaltenen Angaben übereinstimmen.

(5) Besteht keine Prospektpflicht gemäß dieser Richtlinie, so sind wesentliche Informationen des Emittenten oder des Anbieters, die sich an qualifizierte Anleger oder besondere Anlegergruppen richten, einschließlich Informationen, die im Verlauf von Veranstaltungen betreffend Angebote von Wertpapieren mitgeteilt werden, allen qualifizierten Anlegern bzw. allen besonderen Anlegergruppen, an die sich das Angebot ausschließlich richtet, mitzuteilen. Muss ein Prospekt veröffentlicht werden, so sind solche Informationen in den Prospekt oder in einen Nachtrag zum Prospekt gemäß Artikel 16 Absatz 1 aufzunehmen.

(6) Die zuständige Behörde des Herkunftsmitgliedstaats ist befugt zu kontrollieren, ob bei der Werbung für ein öffentliches Angebot von Wertpapieren oder eine Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt die Grundsätze der Absätze 2 bis 5 beachtet werden.

(7) Um den technischen Entwicklungen auf den Finanzmärkten Rechnung zu tragen und die einheitliche Anwendung dieser Richtlinie sicherzustellen, erlässt die Kommission nach dem in Artikel 24 Absatz 2 genannten Verfahren Durchführungsmaßnahmen zur Verbreitung von Werbeanzeigen, in denen die Absicht des öffentlichen Angebots von Wertpapieren bzw. der Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt angekündigt wird, insbesondere bevor der Prospekt dem Publikum zur Verfügung gestellt oder bevor die Zeichnung eröffnet wird, sowie Durchführungsmaßnahmen zu Absatz 4. Die ersten Durchführungsmaßnahmen werden von der Kommission bis zum erlassen."

2.2. Die Bestrafung der mitbeteiligten Parteien in erster Instanz erfolgte gemäß § 16 Z 3 KMG wegen irreführender Angaben in einer Werbung gemäß § 4 Abs. 1 KMG.

Die Aufhebung der mit Berufung bekämpften Bescheide durch die belangte Behörde wurde mit der Unanwendbarkeit des § 4 KMG bzw. des § 16 Abs. 3 KMG begründet. Zwar ging die belangte Behörde davon aus, dass "Werbung" vorliege, verneinte jedoch, dass sie sich auf ein öffentliches Angebot von Wertpapieren bezogen habe. Ein wesentliches Tatbestandsmerkmal liege somit nicht vor.

Die beschwerdeführende Partei wendet sich insbesondere gegen die Rechtsauffassung der belangten Behörde, die in Rede stehende Werbeunterlage habe keinen Bezug zu einem öffentlichen Angebot im Sinne des § 4 KMG aufgewiesen. Sie stützt diese Auffassung auf den (in der gedruckten Fassung der Unterlage in Kleindruck am unteren Ende des Prospekts enthaltenen) Hinweis auf die Veröffentlichung eines Prospekts nach KMG und Börsegesetz. Damit sei der Konnex zu dem in der Zeit vom bis laufenden öffentlichen Angebot auf Erwerb von Wertpapieren der MEL gegeben.

Zu prüfen ist daher, ob die belangte Behörde zu Recht davon ausgehen konnte, die Werbeunterlage der MS Finanz AG, in der nach Beurteilung der beschwerdeführenden Partei irreführende Angaben enthalten waren, habe sich nicht "auf ein öffentliches Angebot von Wertpapieren" im Sinne der genannten Bestimmungen bezogen.

2.3. Der von der beschwerdeführenden Partei bezogene Hinweis lautet vollständig:

"Ein dem Kapitalmarkt- und Börsegesetz entsprechender Prospekt wurde ordnungsgemäß veröffentlicht und liegt bei der M Bank AG, (Adresse), während der üblichen Geschäftszeiten auf bzw. steht als Download unter (internet-Adresse) zur Verfügung. Die Veröffentlichung gem. § 10 Abs. 2 Kapitalmarktgesetz im Amtsblatt der Wiener Zeitung erfolgte im Jänner 2007. Im Zusammenhang mit dem Angebot von Wertpapieren der Gesellschaft sind lediglich die Angaben im Kapitalmarktprospekt verbindlich. Die Angaben dieses Term Sheets sind unverbindlich.

Wertentwicklungen der Vergangenheit sind keine Garantie für zukünftige Gewinne."

2.4. Aus dem systematischen Zusammenhang zwischen § 4 Abs. 1 KMG und den folgenden Absätzen des § 4, der im Hinblick auf die wörtliche Übernahme des Richtlinientextes genau Art. 15 der Prospekt-Richtlinie 2003/71/EG entspricht (nach Abs. 1 hat die dort genannte Werbung die Grundsätze der folgenden Absätze zu beachten), ist zunächst zu schließen, dass sich diese folgenden Absätze (und damit auch Abs. 2) nicht auf jegliche Werbung (des oder für den Emittenten) bezieht, sondern nur auf "Werbung, die sich auf ein öffentliches Angebot von Wertpapieren oder Veranlagungen" im Sinne des Abs. 1 bezieht. § 16 Z 3 KMG stellt damit übereinstimmend nur Handlungen "im Zusammenhang mit einem öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder Veranlagungen, das nach diesem Bundesgesetz prospektpflichtig ist" unter Strafsanktion.

Werbung, die nur allgemein den Emittenten betrifft, ist nicht als Werbung im Sinn von § 4 Abs. 1 KMG anzusehen ( Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht, Bd I, § 10 Rz 70, Zib/Russ/Lorenz, Kapitalmarktgesetz,§ 4 Rz 8). Kalss/Oppitz/Zollner führen a.a.O. aus, dass sich "das Ziel der Werbung" auf die Verkaufsförderung der Wertpapiere oder Veranlagungen beziehen müsse (vgl. auch Art. 2 Z 9 lit. b in Verbindung mit Art. 1 Z 6 der Prospekt-Verordnung (EG) Nr. 809/2004 in der Fassung der Berichtigung Amtsblatt Nr. L 215 vom 16/06/2004 S. 0003 - 0103). Nach dem CESR advice on level two implementing measures for the prospectus directive, CESR/03-399, Rz 65 (70), müsse die Werbung unmittelbar vom Emittenten, Anbieter oder dem die Emission begleitenden Finanzdienstleister vorgenommen werden. Auch Zib/Russ/Lorenz, a.a.O., § 4 Rz 8, grenzen Informationen, die sich zwar auf ein öffentliches Angebot beziehen, aber nicht auf die Verkaufsförderung der Wertpapiere oder Veranlagungen abzielen, von der unter § 4 KMG fallenden Werbung ab. Sie verweisen dazu auf Rz 65 des oben zitierten "Advice" des CESR und Art. 2 Z 9 lit. b in Verbindung mit Art. 1 Z 6 der Prospekt-Verordnung (EG) Nr. 809/2004 (wobei darauf hinzuweisen ist, dass der Wortlaut der genannten Artikel in der Fassung der Berichtigung der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die in Prospekten enthaltenen Informationen sowie das Format, die Aufnahme von Informationen mittels Verweis und die Veröffentlichung solcher Prospekte und die Verbreitung von Werbung (ABl. L 149 vom ), Amtsblatt Nr. L 215 vom 16/06/2004 S. 0003 - 0103, leicht von dem bei Zib/Russ/Lorenz , a.a.O., 317f, wieder gegebenen abweicht; dies dürfte jedoch sowohl im Falle der Ersetzung des Wortes "Art" durch "Methoden" in Art. 1 Z 6 als auch des Wortes "besonders" durch "spezifisch" in Art. 2 Z 9 der Verordnung inhaltlich keine Änderung mit sich bringen; Art. 1 Z 6 beschreibt in der berichtigten Fassung besser den Inhalt des Art. 34 der Verordnung, der die "Kanäle" aufzählt, über die die Werbeanzeigen "an das Publikum weitergegeben werden" können).

2.5. Es ist daher primär zu klären, wie Werbeaussagen gestaltet sein müssen und in welchem Zusammenhang Werbeaussagen eines Unternehmens mit öffentlichen Angeboten stehen müssen, um den Tatbestand des § 4 Abs. 1 KMG, sich "auf ein öffentliches Angebot zu beziehen", zu erfüllen, bzw. wie eine Werbung im Sinne des § 4 Abs. 1 KMG von einer "allgemeinen Werbung" des (oder für den) Emittenten abzugrenzen ist. Soferne die belangte Behörde zutreffend diesen Zusammenhang verneinen konnte, erübrigt es sich, der von Kalss/Oppitz/Zollner, a.a.O., und Zib/Russ/Lorenz, a.a.O., vertretenen Differenzierung zwischen "Informationen, die sich auf ein öffentliches Angebot beziehen" und "Werbung, die sich auf ein öffentliches Angebot bezieht" bzw. "Werbung, die der Verkaufsförderung dient" und einer solchen, die nicht der Verkaufsförderung dient, näher nachzugehen.

2.6. Im Hinblick auf die zeitliche Lagerung des Sachverhalts ist festzuhalten, dass sich § 4 KMG nur auf ein aktuelles Angebot, nicht auf ein "bereits beendetes" ( Zib/Russ/Lorenz, a.a.O., § 4 Rz 9) beziehen kann. Die beschwerdeführende Partei hat in der Beschwerde darauf hingewiesen, dass zwischen dem Ende des Bezugsrechtehandels und dem Zeitraum, in dem auf Grund des öffentlichen Angebots, welches prospektpflichtig ist, Wertpapiere gezeichnet werden können, zu unterscheiden sei. Tatsächlich habe das öffentliche Angebot erst am geendet. Der Sache nach wendet sich die beschwerdeführende Partei damit gegen die Schlussfolgerung der belangten Behörde, die aus dem Ende des Bezugsrechtehandels geschlossen hatte, dass nach dem keine Wertpapiere mehr gezeichnet werden hätten können (das in Rede stehende Term sheet wurde erst am 7. Februar um ca. 16.00 Uhr online gestellt). Dieser Auffassung der Beschwerdeführerin sind die mitbeteiligten Parteien unter Hinweis auf die Beweisergebnisse aus der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde und mit detaillierten Angaben zum Ablauf der Ereignisse am und Hinweisen auf die diesbezüglichen Beilagen im Akt der belangten Behörde entgegen getreten. Da mit Ablauf des alle Bezugsrechte ausgeübt worden seien, hätte es zu diesem Zeitpunkt keine jungen Aktien mehr gegeben, die erworben hätten werden können.

Die Frage, ob tatsächlich in einem mängelfreien Verfahren festgestellt wurde, dass am bzw. nach dem keine Zeichnung mehr möglich war (oder ob das Verfahren insoweit ergänzungsbedürftig wäre), kann im Beschwerdefall jedoch auf sich beruhen.

Auch wenn man nämlich davon ausgeht, dass die zeitliche Lagerung der Veröffentlichung des term sheets und des Laufes der Zeichnungsfrist für das öffentliche Angebot die Anwendung des § 4 KMG für sich allein noch nicht ausschloss, konnte die belangte Behörde auf Grund der folgenden Überlegungen zutreffend davon ausgehen, dass keine Werbung, die sich auf ein öffentliches Angebot von Wertpapieren bezog, vorlag:

2.7. Der beschwerdeführenden Partei ist einzuräumen, dass ein Hinweis auf einen veröffentlichten Prospekt von Gesetzes wegen (§ 4 Abs. 2 KMG) an sich nur in einer Werbung nach § 4 Abs. 1 KMG erforderlich ist. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ein solcher Hinweis nur in einer Werbung, die unter § 4 Abs. 1 KMG fällt, enthalten sein darf bzw. dass ein solcher Hinweis schon bedeute, dass mit der (Werbe )Unterlage, in der er enthalten ist, Werbung für das öffentliche Angebot, auf welches sich der genannte Prospekt bezieht, gemacht wird. Aus dem bloßen Vorhandensein eines solchen Hinweises ist nicht zwingend auf eine Werbung, die sich auf ein öffentliches Angebot bezieht, zu schließen. Der Hinweis könnte auch aus - wie der Beschwerdefall zeigt nicht unbegründeter - advokatorischer Vorsicht im Hinblick auf mögliche unterschiedliche Auslegungen der Vorschriften des Kapitalmarktgesetzes aufgenommen werden, ohne dass damit eine bindende Auffassung dokumentiert würde, dass der Herausgeber der Werbung von der Anwendbarkeit des § 4 KMG ausgehe.

Darüber hinaus ist der beschwerdeführenden Partei zuzugestehen, dass § 4 Abs. 1 KMG keineswegs so verstanden werden muss, dass er nur zur Anwendung kommt, wenn sich eine Werbeanzeige ausdrücklich auf ein bestimmtes öffentliches Angebot bezieht. Der "Bezug" auf das öffentliche Angebot muss aber erkennbar sein.

Ein solcher indirekter, aber für den Leser erkennbarer Zusammenhang wird aber nicht bereits durch den engen zeitlichen Konnex zu dem Angebot allein hergestellt. Wenngleich die Werbung im Sinne des Abs. 1 auch schon vor dem Angebot erfolgen kann (vgl. Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht, Bd I, § 10 Rz 71, und Zib/Russ/Lorenz, Kapitalmarktgesetz,§ 1 Rz 19 und - mit Hinweis auf die Entstehungsgeschichte - § 4 Rz 5), ist nicht jegliche (in zeitlicher Nähe vor einem öffentlichen Angebot oder während dessen Laufes erfolgende) Werbung des Emittenten als "Werbung, die sich auf ein öffentliches Anbot bezieht" zu qualifizieren. So unterscheiden etwa Kalss/Oppitz/Zollner, a.a.O., § 10 Rz 70, wie schon erwähnt, Werbungen, "die nur allgemein den Emittenten betreffen" von einer Werbung gemäß § 4 KMG. Dies gilt grundsätzlich auch für ein Informationsblatt wie es hier in Rede steht. Der Bezug zu dem öffentlichen Angebot muss sich vielmehr aus dem Inhalt ergeben, der daher zumindest in der einen oder anderen Weise auf ein bestimmtes Angebot Bezug nehmen muss. Dies kann durchaus auch bei "rein informativ" oder "berichtend" gehaltenen Texten, in denen konkret ein Angebot erwähnt wird, der Fall sein. Dies aber nur dann, wenn erkennbar ist, um welches Angebot es sich handelt, sodass für den Konsumenten der Eindruck entstehen muss, die Angaben bezögen sich auf den Gegenstand des Angebots.

Im vorliegenden Fall enthält jedoch der Text der Unterlage keine solchen Inhalte, die in der Öffentlichkeit den Eindruck eines Bezugs zum Angebot erwecken könnten. Nach dem von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt handelte es sich vielmehr um ein in regelmäßigen Abständen veröffentlichtes Informationspapier, welches die Entwicklung bereits auf dem Markt befindlicher Wertpapiere (der MEL) darstellte. Es wurde am online gestellt. Den hauptsächlichen Ansatzpunkt für die Bejahung eines Bezugs zu dem (aktuellen) Anbot der MS Finanz AG sieht die beschwerdeführende Partei in dem am Blattende enthaltenen Hinweis auf die Veröffentlichung eines Prospekts. Wohl bezieht sich dieser Hinweis tatsächlich auf den im Jänner 2007 aufgelegten Prospekt und es wird auch explizit das "Angebot von Wertpapieren der Gesellschaft" erwähnt, doch erfolgt dies nur im Zuge der Aussage: "Im Zusammenhang mit dem Angebot von Wertpapieren der Gesellschaft sind lediglich die Angaben im Kapitalmarktprospekt verbindlich". Will man dem von der beschwerdeführenden Partei für ihre Auffassung herangezogenen Zusatz zur Werbeunterlage eine rechtliche Bedeutung beimessen, so muss der gesamte Text des Zusatzes in die Betrachtung einbezogen werden. Daraus ergibt sich aber im Gegenteil, dass die Anleger hinsichtlich des (nicht näher genannten) öffentlichen Angebots auf den Prospekt verwiesen werden. Ob diese Vorgangsweise bzw. der Inhalt des Term sheets insgesamt etwa aus lauterkeitsrechtlicher Sicht (vgl. das ) oder im Hinblick auf andere öffentlich-rechtliche Vorschriften unbedenklich ist, ist im vorliegenden Fall, in dem es um die Subsumtion unter die Strafbestimmung des § 16 Z 3 KMG geht, nicht zu beurteilen. Will man jedoch, wie die beschwerdeführende Partei dies tut, aus dem kleingedruckten Zusatz zu einem Informationsblatt, in dem ein öffentliches Angebot erwähnt wird, die Eigenschaft des gesamten Blattes als Werbung in Bezug auf ein öffentliches Angebot ableiten, so ist die Aussage des diesbezüglichen Hinweises entscheidend: dieser lässt nicht erkennen, um welches Angebot es konkret geht, insbesondere welche Papiere zu welchen Konditionen zur Zeichnung anstehen. Es ist auch nicht so, dass der Hinweis auf den Prospekt unter Nennung eines bestimmten Angebots etwa prominent in der Unterlage erschiene. Es besteht insofern umso weniger Anlass, auf einen Erklärungswert zu schließen, bei dem die Kunden das term sheet mit einem bestimmten öffentlichen Angebot in Verbindung bringen würden.

Die mitbeteiligten Parteien haben in ihrer Gegenschrift auch zutreffend auf den Umstand hingewiesen, dass es sich um eine regelmäßig in gleicher Form erfolgte Information über die MEL gehandelt habe, sodass auch insofern keinerlei Anhaltspunkt gegeben ist, es handle sich um eine im Zusammenhang mit dem öffentlichen Angebot aufgelegte Information, die als Werbung in Bezug auf ein öffentliches Angebot aufgefasst werden könnte.

2.8. Unter diesen Umständen kann der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie den nach § 4 Abs. 1 KMG in Verbindung mit § 16 Z 3 KMG geforderten Bezug zu einem öffentlichen Angebot nicht als gegeben erachtete.

Daraus folgt, dass die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde hinsichtlich der Nichterfüllung des Straftatbestandes nach § 4 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Z 3 KMG nicht gesetzwidrig war. Die belangte Behörde konnte zutreffend die bei ihr bekämpften Strafbescheide aufheben und die Verwaltungsstrafverfahren einstellen. Dass dies (in Ermangelung der Erfüllung eines Verwaltungsstraftatbestandes) formal gemäß § 45 Abs. 2 Z 1 VStG erfolgen hätte müssen (und nicht nach Z 2), begründet mangels weiterer Rechtswirkungen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, die zu seiner Aufhebung führen müsste.

2.9. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, ohne dass auf die Frage einzugehen war, ob die Werbeunterlage irreführende Aussagen enthielt.

2.10. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die eigens angesprochene Umsatzsteuer, soweit damit der in der genannten Verordnung festgesetzte Pauschalsatz überstiegen wird, weil neben dem pauschalierten Aufwandersatz ein Kostenersatz aus dem Titel der Umsatzsteuer nicht zusteht.

Wien, am