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VwGH vom 23.11.2010, 2009/17/0135

VwGH vom 23.11.2010, 2009/17/0135

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde der a GmbH in B, vertreten durch Dr. Alexander Matt, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Belruptstraße 8, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom , Zl. IIIa-241.074, betreffend Kriegsopferabgabe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Dornbirn vom wurde der Beschwerdeführerin für die am 24. und in Dornbirn stattgefundenen "David Copperfield Shows" Kriegsopferabgabe in Höhe von insgesamt EUR 21.985,-- vorgeschrieben.

Begründend führte der Bürgermeister aus, die Beschwerdeführerin habe die Veranstaltungen weder angezeigt noch eine Abgabenerklärung vorgelegt oder die Abgabe entrichtet. Sie habe erst nach Aufforderung zur Abgabe der Abgabenerklärung "unter Protest" Unterlagen übermittelt, auf deren Grundlage die Abgabenbehörde die Höhe der Abgabe ermittelt habe. Die Beschwerdeführerin vertrete die Auffassung, dass die genannten Veranstaltungen überwiegenden künstlerischen Charakter hätten und daher gemäß § 1 Abs. 2 Kriegsopferabgabegesetz befreit seien. Diese Auffassung werde von der Abgabenbehörde nicht geteilt. Art, Inhalt und Programmablauf würden auf der Detailseite der Internet-Homepage der Tourneeveranstalterin (www.rockandmore.com) als "Abend voll großer Illusion" beschrieben, ein "Ereignis, welches die Geister und Herzen der Zuschauer in ein Fest der Wunscherfüllung entführt", bei dem die Besucher "erleben, wie sich die Grenzen zwischen Magie und Realität verwischen", eine interaktive Show, in der "der charismatische Entertainer seine Zuschauer auf eine Erlebnisreise in das Reich der Illusion und Fantasie" führe. Bei Veranstaltungen dieser Art stehe die Unterhaltung und das Vergnügen der Besucher im Vordergrund und nicht Kunst oder Kultur. Künstlerische Fähigkeiten des Hauptdarstellers David Copperfield mögen vorhanden sein, führten aber nicht automatisch dazu, dass von ihm gestaltete Veranstaltungen überwiegend künstlerischer oder kultureller Gehalt zukomme. In den Erläuternden Bemerkungen zu § 1 Abs. 2 lit. a Kriegsopferabgabegesetz sei u.a. festgehalten, dass Unterhaltungs- und Vergnügungsveranstaltungen nicht von der Abgabe befreit seien. Die Veranstaltung "David Copperfield - An Intimate Evening of Grand Illusions" unterliege somit der Kriegsopferabgabepflicht.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, David Copperfield sei in der Liste der bestbezahlten Unterhaltungskünstler der Welt auf Platz 13. Dieser zaubere nicht wirklich, sondern sei ein Zauberkünstler und Illusionist. Sein Können und seine Darbietungen würden "weltweit einhellig als Kunst eingestuft". Wenn sogar Zirkusveranstaltungen, bei denen Zauberer für Kinder Kaninchen aus einem Hut holten, von der Kriegsopferabgabe befreit seien, müsse umso mehr einem Weltstar wie David Copperfield zugebilligt werden, dass seine Darbietungen überwiegend künstlerischen Gehalt aufwiesen. Kunst sei ein Kulturprodukt, eine Hervorbringung von Menschen, das Ergebnis eines kreativen Prozesses. Der Kunstbegriff ändere sich mit der Geschichte. Seit der Aufklärung verstehe man unter Kunst jedenfalls auch Ausdrucksformen der schönen Künste, darunter die darstellende Kunst. Nichts anderes übe David Copperfield aus. Er spiele dem Publikum etwas vor, schaffe Illusion. Zeitgenössische Kunst zeichne sich durch Thematisierung herkömmlicher Einteilungen, deren "Infragestellung, Überwindung, Erweiterung, interdisziplinäre Integration und Ironisierung" aus. Fotographie und Performance stünden heute als Kunstgattungen neben Malerei und Theater.

Die Darbietungen des David Copperfield seien Kunst bzw. wiesen überwiegend kulturellen und künstlerischen Gehalt auf. Sie seien aber auch Zirkusveranstaltungen im Sinne des Kriegsopferabgabegesetzes, sodass eindeutig eine Ausnahme von der Kriegsopferabgabe vorliege.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der gesetzlichen Grundlagen aus, es sei zu prüfen, ob die Veranstaltungen der Beschwerdeführerin überwiegend kulturellen oder künstlerischen Gehalt gehabt hätten. Die Beschwerdeführerin habe hinsichtlich des Programmablaufes auf die Detailbeschreibung auf der Homepage der Tourneeveranstalterin verwiesen. Darauf fänden sich folgende Formulierungen:

"In 'Grand Illusion' ist es Copperfields Ziel, Träume (und vielleicht auch ein paar Albträume) herzunehmen ...


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-
'Grand Illusion' handelt von echten Menschen, die
davon träumen, mit einem verloren geglaubten geliebten Menschen wiedervereint zu werden, und der Erfüllung dieses Traumes unmittelbar vor 3.000 - 4.000 Menschen, die dieses Ereignis real miterleben.
-
In der Lotterie zu gewinnen und endlich jene
bestimmte Sache zu besitzen, von der man immer geträumt hat. Wir nennen es einen 'intimen' Abend voller großer Illusionen, weil es eine interaktive Show ist. In einem der Teile lernen die Zuschauer zB die Lottozahlen des jeweiligen Abends vorauszusagen.

- Reunion: ... Mit Copperfield auf dem Arm eines Krans

stehend, über den Köpfen der Zuschauer hängend, verschwindet die

Person auf unglaubliche Weise - nur, um wenige Augenblicke später -

am selbst gewählten Ort ihrer Träume wieder zu erscheinen.

- Killer: Hier zeigt Copperfield Magie in einem


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hautnahen Kontakt mit einem tödlichen schwarzen Skorpion aus Afrika. Er zeigt seine unglaubliche Fingerfertigkeit.
-
Squeeze Box: Der 1,83 m große 'König der Magie' wird zu einem mundgerechten Stück zusammengepresst. Er könnte so leicht in einen Prada-Schuhkarton passen.

- The Lottery: Copperfield verrät sein Geheimnis zur

Voraussage der Lottozahlen.

- Man versus Steel: David ist durch die Chinesische

Mauer gegangen. Diesmal führt er das Ganze ein wenig langsamer vor.

- Thirteen: 13 völlig zufällig ausgewählte Zuseher

werden weggezaubert ... Ihre Ängste werden jedoch zerstreut, wenn

alle 13 Zuseher plötzlich wieder auftauchen.


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..."
Diese Formulierungen, die Art der Veranstaltung, der Inhalt und der Programmablauf zeigten auf, dass bei der Veranstaltung die Unterhaltung und das Vergnügen der Besucher und nicht die Kunst oder die Kultur oder die künstlerischen Fähigkeiten des Hauptdarstellers im Vordergrund stünden und somit der kulturelle oder künstlerische Gehalt der Veranstaltungen nicht überwiege. Wie die Erstbehörde zutreffend ausgeführt habe, mögen künstlerische Fähigkeiten des Hauptdarstellers David Copperfield vorhanden sein, diese führten aber nicht automatisch dazu, dass den von ihm gestalteten Veranstaltungen überwiegend künstlerischer oder kultureller Gehalt zukomme.
Die Zahl der Zirkusbesucher sei auf Grund der großen Konkurrenz des Fernsehens beachtlich zurückgegangen. Es sei daher nicht abwegig, gerade der Förderung des kulturell wertvollen Zirkus, der fast ausschließlich in Form von Familienunternehmen geführt werde, besonderes Augenmerk zuzuwenden. Kulturell wertvoll sei der Zirkus deshalb, weil bei Zirkusveranstaltungen in ihrer Gesamtheit gesehen der Künstler dem Zuschauer seine Kunst wesentlich unverfälschter zeige (also Kunst im Sinne von "können") als dies bei Veranstaltungen der Fall sei, bei denen die technischen Effekte, insbesondere in Form von optischen Täuschungen bei weitem überwiegen würden.
Beim Zirkus würden auch die natürlichen Fähigkeiten des Menschen oder der Tiere (Trapez, Balancieren auf dem Seil, Einradfahren, Tierdressur) überwiegen. Bei den Veranstaltungen der Beschwerdeführerin würden hingegen die technischen Effekte in Form von optischen Täuschungen (z.B. Verwendung von optisch nicht erkennbaren Seilen, um die Zuschauer darüber hinwegzutäuschen, dass David Copperfield die Schwerkraft überwinden und tatsächlich fliegen könne) überwiegen.
Die Beschwerdeführerin erhob zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof. Mit seinem Beschluss vom , B 1135/07-4, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
In ihrer ergänzten Beschwerde stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, der Verwaltungsgerichtshof wolle - nach Einsichtnahme in die beigefügte DVD und die unter "youtube" abrufbaren Videos - den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufheben.


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Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Kriegsopferabgabe ist näher geregelt im Gesetz über die Einhebung einer Kriegsopferabgabe im Lande Vorarlberg, LGBl. Nr. 40/1989 (Neukundmachung). Dessen § 1 lautet:

"§ 1

Gegenstand der Abgabe

(1) Für die in Vorarlberg stattfindenden gesellschaftlichen

Veranstaltungen ... ist eine Abgabe zu entrichten, sofern nicht

gemäß Abs. 2 eine Befreiung gewährt ist.

(2) Der Abgabe unterliegen nicht:

a) Veranstaltungen mit überwiegend kulturellem oder

künstlerischem Gehalt,

b) Sportveranstaltungen,

c) Zirkusveranstaltungen,

d) die öffentliche Veranstaltung von Lichtspielen,

e) Tanzveranstaltungen mit lebender Musik,

f) Rundfunkübertragungen in öffentlichen Lokalen,

g) Veranstaltungen von Vereinen für ihre eigenen

ausübenden Mitglieder."


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Strittig ist ausschließlich die Frage, ob die Beschwerdeführerin mit den Veranstaltungen "David Copperfield - An Intimate Evening of Grand Illusions" der Vorarlberger Kriegsopferabgabe unterliegt. Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, dass diese Veranstaltung als Zirkusveranstaltung iSd lit. c leg. cit. anzusehen sei und daher jedenfalls nicht der genannten Abgabe unterliege.
Die Verwendung des Begriffes "Zirkusveranstaltungen" in § 1 Abs. 2 lit. c Kriegsopferabgabegesetz legt nahe, dass es sich dabei nicht um beliebige Auftritte von Artisten (worunter auch Zauberkünstler verstanden werden könnten) sondern nur um solche handelt, welche im Rahmen eines Zirkus stattfinden. Bei einem Zirkus handelt es sich typischerweise um ein Unternehmen, das regelmäßig in einer Manege bei einer Veranstaltung eine Vielzahl unterschiedlicher Darbietungen von Artisten bzw. dressierten Tieren präsentiert. Dass es dem Gesetzgeber auf die Organisationsform Zirkus ankommt, ergibt sich aus den Materialien zur Novelle LGBl. Nr. 33/1989 (Bericht des Rechtsausschusses zu einem Selbstständigen Antrag der Abg. Gehrer, Dr. Mader und Mitunterzeichner betreffend die Erlassung eines Gesetzes über eine Änderung des Kriegsopferabgabegesetzes, Beilage 30/1989;
6.
Sitzung des XXIV. Vorarlberger Landtages im Jahre 1989), in welchen Varietes, bei denen ebenfalls u. a. artistische Darbietungen - jedoch in einem anderen Rahmen - gezeigt werden, ausdrücklich vom Anwendungsbereich der Steuerbefreiung ausgenommen werden.
Dass die Darbietungen des David Copperfield im Rahmen einer Zirkusveranstaltung im oben genannten Sinne gezeigt worden seien, ergibt sich weder aus den Behauptungen der Beschwerdeführerin noch aus den vorgelegten Verwaltungsakten. Der belangten Behörde kann somit nicht entgegengetreten werden, wenn sie bei der gegenständlichen Veranstaltung nicht die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs. 2 lit. c Kriegsopferabgabegesetz zur Anwendung gebracht hat.
Nach Auffassung der Beschwerdeführerin hat es sich bei der Veranstaltung "David Copperfield - An Intimate Evening of Grand Illusions" auch um eine Veranstaltung von überwiegendem kulturellen oder künstlerischen Gehalt gehandelt, weil der dort aufgetretene David Copperfield Künstler sei. Damit behauptet sie aber, dass dieser mit seiner Zauberei eine künstlerische Tätigkeit ausübe.
Wie der Gerichtshof bereits wiederholt ausgeführt hat, liegt eine künstlerische Tätigkeit nur dann vor, wenn eine persönliche, eigenschöpferische Tätigkeit in einem (anerkannten) Kunstzweig bzw. einem (umfassenden, anerkannten) Kunstfach entfaltet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/14/0109, mwN).
Ein Mitwirkender an Unterhaltungsdarbietungen ("Unterhaltungskünstler"), wie z. B. ein Illusionist und Zauberkünstler, wirkt selbst dann, wenn die präsentierten Illusionen eigenschöpferisch, nicht erlernbar und überwiegend einzigartig in der Welt (von höchster Qualität) sind, grundsätzlich nicht in einem Kunstfach bzw. Kunstzweig (vgl. das zum EStG 1988 ergangene, aber auch für die hier anzuwendende Rechtslage maßgebliche hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/15/0090).
Es ist auch im vorliegenden Beschwerdefall nichts hervorgekommen, was zu einer von dieser Judikatur abweichenden Beurteilung führen würde.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008, insbesondere deren § 3 Abs. 2.
Wien, am