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VwGH vom 22.04.2009, 2007/15/0091

VwGH vom 22.04.2009, 2007/15/0091

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des J P in E, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , RV/0631-W/05 und RV/1329-W/06, betreffend Wiederaufnahme (Umsatzsteuer 2001) sowie Umsatzsteuer 2001, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist seit Dezember 1994 als Ingenieurkonsulent tätig.

In seiner am eingereichten Umsatzsteuererklärung 2001 erklärte er Umsätze von 31.400 S aus einer Vermietungstätigkeit und machte Vorsteuern von 194.849,27 S (das sind ca. 18,6% der gesamten auf die Errichtung des von der Vermietung betroffenen Einfamilienhauses entfallenden Umsatzsteuer) geltend. Das Finanzamt erließ einen erklärungsgemäßen Umsatzsteuerbescheid mit Ausfertigungsdatum .

Über Vorhalt legte der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers dem Finanzamt mit Schreiben vom Ablichtungen des Einreichplanes des vom Beschwerdeführer errichteten Einfamilienhauses vor und führte aus, die "betriebliche Nutzung" (Vermietung für Labor- und Bürozwecke) erfasse eine Fläche von 91,3 m2, was einem Anteil von 18,6 % der Gesamtnutzfläche des Hauses entspreche. Es wurde auch eine Auflistung der ca. 300 Rechnungen aus den Jahren 1994 bis 2001, aus denen sich die gesamten Herstellungsaufwendungen für das Einfamilienhaus von brutto 6.183.317,03 S ergeben, vorgelegt.

Mit Bescheiden vom verfügte das Finanzamt gemäß § 303 Abs. 4 BAO die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 2001 und setzte die Umsatzsteuer 2001 neu fest. Dabei schied es aus den geltend gemachten Vorsteuern jene aus, die sich aus Rechnungen ergaben, welche schon vor dem Jahr 2001 (nämlich in den Jahren 1994 bis 2000) ausgestellt worden waren. Die Berechung stellte es wie folgt dar:

"Herstellungsaufwendungen 2001 lt. Aufst. brutto S 116.326,95

= netto S 96.939,12,

Vorsteuern S 19.387,82,

davon 18,6 % = S 3.606,13

Vorsteuern für Herstellung bisher S 191.682,83,

neu S 3.606,13,

Diff S 188.076,70"

Gegen den Wiederaufnahmebescheid und gegen den Umsatzsteuerbescheid brachte der Beschwerdeführer Berufung ein. Die Wiederaufnahme hinsichtlich Umsatzsteuer 2001 sei rechtswidrig, weil nicht zugleich die Wiederaufnahme für die Jahre 1994 bis 2000 verfügt worden sei. Der Beschwerdeführer begehrte, die Umsatzsteuer 2001 wiederum so festzusetzen, wie dies der am eingereichten Umsatzsteuererklärung entspricht, oder die Umsatzsteuer für die Jahre 1994 bis 2001 neu festzusetzen und somit die zunächst für 2001 geltend gemachten Vorsteuern verteilt auf die Jahre 1994 bis 2001 anzuerkennen.

Mit der Berufung legte der Beschwerdeführer berichtigte Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1994 bis 2001 vor.

In der abweisenden Berufungsvorentscheidung wird u.a. darauf verwiesen, dass das in den Jahren 1994 bis 2001 errichtete Einfamilienhaus ab dem Jahr 2001 im Ausmaß von 18,6 % der Gesamtfläche vermietet worden sei. Vorsteuern aus der Errichtung von Gebäuden, die für die Vermietung vorgesehen seien, seien dann anzuerkennen, wenn die Absicht der künftigen Vermietung entweder in bindenden Vereinbarungen ihren Niederschlag gefunden habe oder aus sonstigen, über die Absichtserklärung hinausgehenden Umständen mit ziemlicher Sicherheit feststehe. Im gegenständlichen Fall sei diese Absicht jedenfalls nicht festgestanden, daher komme ein Vorsteuerabzug für die Jahre 1994 bis 2000 nicht in Betracht.

Im Vorlageantrag verwies der Beschwerdeführer darauf, dass schon im Einreichplan für die Errichtung des Gebäudes die Widmung für Büro und Labor aufschienen. Der Beschwerdeführer habe nicht die Vorsteuern für den gesamten Herstellungsaufwand des Gebäudes geltend gemacht, sondern nur jene Vorsteuern, die auf die Errichtung des Büros und des Labors entfielen. Das Finanzamt habe jene Vorsteuern, die nicht das Jahr 2001 beträfen, ausgeschieden. Die amtswegige Wiederaufnahme zwecks Aberkennung von Vorsteuern sei unzulässig, wenn die Wiederaufnahme für das Jahr, in welchem der Vorsteuerabzug zustehe, unterbleibe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.

Aus den vom Beschwerdeführer mit Eingabe vom vorgelegten Unterlagen habe das Finanzamt erstmals davon Kenntnis erlangt, dass in den im Jahr 2001 mit dem Betrag von 194.849,27 S geltend gemachten Vorsteuern zum Großteil Vorsteuern enthalten seien, die aus Rechnungen der Jahre 1994 bis 2000 stammten. Es bestünden daher keine Zweifel, dass ein tauglicher Wiederaufnahmegrund vorliege.

Von zentraler Bedeutung für die Ermessensübung sei die Berücksichtigung des Zweckes der Ermessen einräumenden Norm. Zweck des § 303 BAO sei ein insgesamt rechtmäßiges Ergebnis. Bei der Ermessensübung sei dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit der Vorrang vor jenem der Rechtsbeständigkeit zu geben. Die Rechtmäßigkeit der Verfügung der Wiederaufnahme eines Verfahrens könne unter Umständen davon abhängen, ob auch ein anderes Verfahren wiederaufgenommen werde. Die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes vom , B 70/87, und vom , B 181/89, seien aber auf den streitgegenständlichen Fall nicht anwendbar. In den von den Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes betroffenen Fällen habe die Abgabenbehörde nämlich zunächst akzeptiert, dass der Steuerpflichtige Vorsteuern für ein bestimmtes Jahr geltend mache; in der Folge habe sie für dieses Jahr die Wiederaufnahme verfügt und die Auffassung vertreten, dass der fragliche Vorsteuerbetrag in einem anderen Jahr hätte geltend gemacht werden müssen. Gleichzeitig habe die Behörde aber eine Wiederaufnahme für das andere Jahr unterlassen.

Im gegenständlichen Fall habe hingegen das Finanzamt völlig zu Recht im Umsatzsteuerbescheid 2001 ausschließlich jene Vorsteuern berücksichtigt, die auch tatsächlich das Jahr 2001 beträfen. Es liege kein Ermessensfehler vor.

Der Anspruch auf Vorsteuerabzug entstehe mit dem Ablauf des Voranmeldungszeitraumes, in dem sämtliche Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Z. 1 UStG 1994 erfüllt seien (Unternehmereigenschaft, Ausführung der Leistung für das Unternehmen, Erhalt einer Rechnung mit gesondertem Steuerausweis). Der Vorsteuerabzug müsse in dem Veranlagungszeitraum geltend gemacht werden, in welchem die Voraussetzungen insgesamt erfüllt seien.

Der Vorsteuerabzug aufgrund einer Rechnung für Leistungen sei nur in dem Veranlagungszeitraum möglich, in dem sowohl die Umsätze an den Unternehmer ausgeführt als auch die entsprechenden Umsatzsteuerbeträge an ihn in Rechnung gestellt seien.

Aus der Aufstellung der Herstellungsmaßnahmen für das in den Jahren 1994 bis 2001 errichtete Einfamilienhaus gehe hervor, dass das Ausstellungsdatum der Rechnungen über die einzelnen Leistungen im Zeitraum vom bis liege. Vorsteuerbeträge mit Rechnungen aus den Jahren vor 2001 fielen nicht in das streitgegenständliche Veranlagungsjahr.

Die in das Jahr 2001 fallenden Rechnungen umfassten Herstellungsmaßnahmen im Umfang von 116.326,95 S; darin seien 19.387,82 S an Vorsteuern enthalten, die auch vom Finanzamt - anteilsmäßig mit 18,6 % - anerkannt worden seien.

Berufungsgegenstand sei ausschließlich das Jahr 2001, weshalb keine Aussagen für die Zeiträume 1994 bis 2000 zu treffen seien.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom , B 1385/06, abgelehnt. In der Begründung führt der Verfassungsgerichtshof aus, soweit die Beschwerde insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als unter Berufung auf die Erkenntnisse vom , B 70/87, VfSlg. 11.635, und vom , B 181/89, VfSlg. 12.484, eine gleichheitswidrige Anwendung der Bestimmung des § 303 Abs. 4 BAO behauptet werde, lasse ihr Vorbringen angesichts der im vorliegenden Fall gegebenen unterschiedlichen Sachlage die behauptete Rechtsverletzung als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.

Mit Beschluss vom hat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Wiederaufnahme des Verfahrens:

In der Beschwerdeergänzung an den Verwaltungsgerichtshof - wie auch in der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof - führt der Beschwerdeführer aus, es gehe im gegenständlichen Fall um Vorsteuerbeträge, die "gesetzlich verfehlt" für das Jahr 2001 geltend gemacht worden seien, die jedoch in den Jahren 1994 bis 2001 zu berücksichtigen gewesen wären. Es liege eine dem Gesetz nicht entsprechende Ermessensübung vor, weil die Wiederaufnahme bloß hinsichtlich Umsatzsteuer 2001 verfügt worden sei, nicht aber hinsichtlich der Vorjahre. Der Beschwerdeführer verweist in diesem Zusammenhang wiederum auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom , B 70/87, und vom , B 181/89.

Im gegenständlichen Fall ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer in der Umsatzsteuererklärung 2001 Beträge als Vorsteuern geltend gemacht hat, die in diesem Jahr nicht hätten geltend gemacht werden dürfen. Das Finanzamt hat zunächst einen der Umsatzsteuererklärung 2001 entsprechenden Umsatzsteuerbescheid 2001 erlassen. Das Finanzamt hat nämlich erst nachträglich davon Kenntnis erlangt, dass für einen Teil der vom Beschwerdeführer in Abzug gebrachten Umsatzsteuer im Veranlagungsjahr 2001 kein Anspruch auf Berücksichtigung als Vorsteuer besteht. Das Finanzamt hat deshalb das Verfahren betreffend Umsatzsteuer 2001 wieder aufgenommen und einen geänderten Umsatzsteuerbescheid erlassen.

Wenn das Finanzamt und im Rahmen der Berufungsentscheidung die belangte Behörde bei der Ermessensübung im Wesentlichen darauf Bedacht genommen haben, dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit zum Durchbruch zu verhelfen, sind damit die vom Gesetz gesetzten Grenzen der Ermessensübung ohne Zweifel nicht überschritten worden.

Im Gegensatz zu dem den Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes vom , B 70/87, und vom , B 181/89, zu Grunde liegenden Fall hat der Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall mit der Umsatzsteuererklärung 2001 die Geltendmachung von Vorsteuern, deren Geltendmachung in den Vorjahren aus in seiner Ingerenz liegenden Gründen unterblieben ist, nachgeholt. Gesetzt den Fall, für die in den Jahren 1994 bis 2000 anfallenden Umsatzsteuern hat für jene Jahre die Berechtigung zum Vorsteuerabzug bestanden, wäre es dem Beschwerdeführer unbenommen gewesen, sie für jene Jahre geltend zu machen. Auch der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Ablehnungbeschluss darauf verwiesen, dass die im vorliegenden Fall gegebene Sachlage sich von jener der zitierten Erkenntnisse unterscheide.

Im Übrigen verweist der angefochtene Bescheid zutreffend darauf, dass das Berufungsverfahren ausschließlich das Veranlagungsjahr 2001 betrifft. Im angefochtenen Bescheid hatte die belangte Behörde über eine allfällige die Vorjahre betreffende Wiederaufnahme nicht abzusprechen.

2. Umsatzsteuer

Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe im Verwaltungsverfahren und insbesondere in der Berufung den Vorsteuerabzug für alle Rechnungen im Gesamtumfang begehrt. Die belangte Behörde habe jedoch Vorsteuern (soweit sie zudem in das Jahr 2001 fallen) nur in dem auf den "betrieblichen Anteil" des Gebäudes entfallenden Ausmaß von 18,6% zuerkannt. Aus dem , Seeling, ÖStZB 2004/43, ergebe sich, dass ein Gebäude insgesamt dem Unternehmensbereich zugeordnet werden könne, unabhängig davon, wie groß das Ausmaß der unternehmerischen Nutzung sei.

Mit diesem Vorbringen setzt sich der Beschwerdeführer in Widerspruch zu seinen im Verwaltungsverfahren abgegebenen Erklärungen. Er hat in der Umsatzsteuererklärung 2001 Vorsteuern nur hinsichtlich des "betrieblichen Anteiles" des Gebäudes geltend gemacht. Im Vorlageantrag hat er ausdrücklich betont, dass er nicht die Vorsteuern für die gesamten Herstellungskosten geltend mache, sondern nur jene Vorsteuern, welche auf die "Errichtung des Büros und des Labors entfielen".

Wenn auch der Beschwerdeführer während der Gebäudeerrichtung der Jahre 1994 bis 2000 Vorsteuern aus den Errichtungskosten überhaupt nicht geltend gemacht hat, ist er nicht in seinen Rechten verletzt worden, wenn die belangte Behörde aus den dargestellten, das Veranlagungsjahr 2001 betreffenden Umständen geschlossen hat, der Beschwerdeführer habe sich nicht dazu entschieden, das Gebäude zur Gänze vom Unternehmensbereich fern zu halten, und wenn die belangte Behörde der Erklärung des Beschwerdeführers folgend angenommen hat, er habe eine Zuordnung zum Unternehmensbereich im "betrieblich genutzten" Ausmaß von 18,6% vorgenommen, und sodann - dem Begehren des Beschwerdeführers folgend - in diesem Ausmaß den Vorsteuerabzug für das Jahr 2001 gewährt hat (vgl. EuGH Seeling, Rn 40).

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am