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VwGH vom 31.01.2005, 2004/10/0218

VwGH vom 31.01.2005, 2004/10/0218

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde der W Gesellschaft m.b.H. in P, vertreten durch Dr. Egon Sattler und Dr. Reinhard Schanda, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Stallburggasse 4, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU5-BE-220/002-2004, betreffend Abweisung eines Devolutionsantrages, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am beantragte die beschwerdeführende Partei bei der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach die Erteilung der naturschutzbehördlichen Bewilligung für eine Windkraftanlage.

Am beantragte die beschwerdeführende Partei den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung auf die niederösterreichische Landesregierung, weil der Bescheid bis zu diesem Zeitpunkt nicht erlassen worden war.

Diesen Antrag wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid ab. Begründend wurde dargelegt, der Stellungnahme der Bezirkshauptmannschaft zufolge sei der Antrag der Beschwerdeführerin am eingelangt. Am selben Tag sei von der Beschwerdeführerin in Aussicht gestellt worden, die Bestätigungen, dass das Vorhaben nicht dem örtlichen Raumordnungsprogramm widerspreche und die Eigentümer der betroffenen Liegenschaften dem Vorhaben zustimmten, nachzureichen. Mit Schreiben (offenbar: der Bezirkshauptmannschaft) vom sei das NÖ Gebietsbauamt Korneuburg um Erstellung eines Gutachtens im Sinne des § 7 NÖ NSchG ersucht worden. Am habe die Beschwerdeführerin eine Bestätigung der Gemeinde und eine Kopie eines Dienstbarkeitsvertrages vorgelegt. Von der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom vorgelegte Unterlagen seien dem Amtssachverständigen mit Schreiben vom nachgereicht worden. Am habe die Beschwerdeführerin die Vorlage einer ornithologischen Kurzstudie in Aussicht gestellt. Der Amtssachverständige des NÖ Gebietsbauamtes Korneuburg habe mit Gutachten vom die Auswirkungen des Vorhabens auf das Landschaftsbild und den Erholungswert der Landschaft beurteilt. Es sei festgestellt worden, dass die Windkraftanlage das Landschaftsbild wesentlich negativ beeinträchtige und dieses Beeinträchtigung auch durch Vorschreibung von Auflagen nicht beseitigt oder minimiert werden könne. Das Gutachten sei den Parteien mit Schreiben vom zur Stellungnahme übermittelt worden. Mit Schreiben (offenbar: der Bezirkshauptmannschaft) vom sei der Amtssachverständige um Ergänzung seines Gutachtens unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beschwerdeführerin in deren Schreiben vom ersucht worden. Am sei bei der Bezirkshauptmannschaft die Stellungnahme des Amtssachverständigen vom eingelangt. Wie sich aus dieser Stellungnahme der Bezirkshauptmannschaft und aus dem Verwaltungsakt ergebe, seien die zeitlichen Voraussetzungen für die Säumnis der Unterbehörde zwar gegeben, aber die Verzögerung sei nicht auf überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. U.a. vertritt die Beschwerde die Auffassung, die Verzögerungen bei der Erstattung des Gutachtens des NÖ Gebietsbauamtes seien der Behörde zuzurechnen. Es sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen das NÖ Gebietsbauamt für die Erstellung des aus viereinhalb Seiten bestehenden Gutachtens mehr als sieben Monate benötigt habe. Als Zeitaufwand für die Erstellung des Gutachtens seien insgesamt 11 halbe Stunden verzeichnet worden. Für das Ergänzungsgutachten habe das NÖ Gebietsbauamt Korneuburg mehr als vier Monate benötigt; an Zeitaufwand seien 15 halbe Stunden verzeichnet worden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 73 Abs. 1 AVG sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber 6 Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.

Wird der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen, so geht gemäß § 73 Abs. 2 AVG auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde (...) über (Devolutionsantrag). Der Devolutionsantrag ist bei der Oberbehörde (...) einzubringen. Er ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides den zeitlichen Ablauf des Verwaltungsverfahrens dargestellt und sodann die Auffassung vertreten, dass die Verzögerung nicht auf überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen sei.

Nach der Rechtslage vor der AVG-Novelle 1998 setzte der Übergang der Entscheidungspflicht ein "ausschließliches Verschulden" der Behörde an der Verzögerung voraus. Der Verwaltungsgerichtshof vertrat in ständiger Rechtsprechung zu § 73 Abs. 2 AVG in der Fassung vor der AVG-Novelle 1998 die Auffassung, dass die Verzögerung der Entscheidung dann ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist, wenn sie weder durch das Verschulden der Partei noch durch unüberwindliche Hindernisse verursacht wurde (vgl. zuletzt z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 99/07/0161 m.w.N.).

Nach § 73 Abs. 2 AVG in der Fassung der AVG-Novelle 1998, BGBl. I Nr. 158/1998, genügt ein "überwiegendes Verschulden" der Behörde an der Verzögerung; es ist somit - gegebenenfalls - das Verschulden der Partei an der Verzögerung gegen jenes der Behörde abzuwägen (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2002/10/0153).

Der Begriff des Verschuldens der Behörde nach § 73 Abs. 2 AVG ist nicht im Sinne eines Verschuldens von Organwaltern, sondern insofern "objektiv" zu verstehen, als ein solches "Verschulden" dann anzunehmen ist, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde nicht durch schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse an der Entscheidung gehindert war (vgl. z. B. das Erkenntnis vom , Zl. 92/07/0053).

Im angefochtenen Bescheid werden Umstände, in denen ein Verschulden der Beschwerdeführerin an der Verzögerung gesehen werden könnte, nicht konkret dargelegt. Der angefochtene Bescheid geht auch nicht von einem Verschulden der Beschwerdeführerin aus. Daraus folgt, dass die Abweisung des Devolutionsantrages nur dann dem Gesetz entspräche, wenn die Behörde erster Instanz an der Verzögerung keinerlei Verschulden träfe. Dies wäre dann der Fall, wenn der Entscheidung der Behörde erster Instanz bis zur Einbringung des Devolutionsantrages "unüberwindliche Hindernisse" entgegen gestanden wären (vgl. auch hiezu das bereits erwähnte Erkenntnis vom ).

Der Begründung des angefochtenen Bescheides kann nicht entnommen werden, dass einer Entscheidung der Behörde erster Instanz unüberwindliche Hindernisse entgegen gestanden wären, die - trotz zweckentsprechender und zügiger Verfahrensführung - eine Entscheidung vor dem Einlangen des Devolutionsantrages unmöglich gemacht hätten. Mit Recht hebt die Beschwerde hervor, dass die Erstattung von Befund und Gutachten und dessen Ergänzung einen Zeitraum von insgesamt etwa 11 Monaten in Anspruch nahm. Der Begründung des angefochtenen Bescheides kann nicht konkret entnommen werden, dass dies - und die insbesondere darauf zurückzuführende Überschreitung der Entscheidungsfrist des § 73 Abs. 1 AVG - bei zweckentsprechender und zügiger Führung des Verfahrens unvermeidbar gewesen wäre (vgl. hiezu z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 92/07/0078) und solcherart der Entscheidung innerhalb der gesetzlichen Entscheidungsfrist unüberwindliche Hindernisse entgegen gestanden wären.

Der angefochtene Bescheid ist daher rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften; er war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am