VwGH vom 23.04.2013, 2012/02/0006
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Riedinger und die Hofräte Dr. Beck und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde der "R." KG in W., vertreten durch Dr. Reinhard Bruzek, Dr. Heinz Ager und Dr. Hubertus Bruzek, Rechtsanwälte in 5061 Elsbethen, Gemeindeweg 12, gegen den Bescheid der Allgemeinen Berufungskommission der Landeshauptstadt Salzburg vom , Zl. MD/00/36343/2011/003, betreffend Ausnahmebewilligung nach § 45 Abs. 2 StVO 1960 (weitere Partei: Salzburger Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat der Landeshauptstadt Salzburg Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom wurde unter Spruchpunkt II der Antrag der beschwerdeführenden Partei um straßenpolizeiliche Ausnahmebewilligung von den Bestimmungen der Fußgängerzone (§ 53 Abs. 1 Z. 9a StVO 1960) am Residenzplatz und Alter Markt im eigenen Wirkungsbereich der Stadt Salzburg abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Berufung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde die Berufung hinsichtlich des Spruchteiles II (eigener Wirkungsbereich der Stadt Salzburg) abgewiesen.
In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, es sei unbestritten, dass die Textilware der beschwerdeführenden Partei hochwertig und sensibel sei. Klar sei aber auch, dass sie mit anderen gleichwertigen Waren konkurriere, und als Gebrauchsgegenstand, dessen Bestimmung es sei, am menschlichen Körper getragen zu werden, bestimmte Gebrauchsanforderungen (Empfindlichkeit etc.) erfüllen müsse.
Alle Mitkonkurrenten der Beschwerdeführerin müssten sich an dieselben Beschränkungen halten. Das bedeute, dass alle Mitbewerber nur während der Ladezeiten einfahren und ihre Waren ausladen könnten. Dass es dabei größere und kleinere Unternehmer gebe und aus der Größe eventuelle logistische Vorteile erwachsen könnten, erfahre in der StVO 1960 nur insoweit Berücksichtigung als es Umstände betreffe, die nicht alle Mitbewerber im wirtschaftlichen Konkurrenzkampf in gleicher Weise beträfen. Die Beschwerdeführerin bringe dazu vor, dass es ihr wirtschaftlich unzumutbar sei, die bestehenden Ladezeiten zu nutzen, weil sie u. a. weiteres Personal anstellen müsste, das die Wirtschaftlichkeit ihres Unternehmens gefährden würde. Dieses Problem betreffe jedoch alle Mitbewerber in gleicher Weise. Auch die anderen müssten ausreichend Personal beschäftigen oder den Geschäftsbetrieb in der Zeit der Ladetätigkeit ruhen lassen, um während der Ladezeiten entladen zu können. Dass sich die Ladezeiten für die Beschwerdeführerin auf die Abendzeiten verschöben und die regulären Ladezeiten nicht genutzt würden, sei nicht zielführend, weil Sinn und Zweck der Ladezeiten sei, dass in einer vom Tourismus geprägten Altstadtfußgängerzone jeglicher nicht unbedingt notwendiger Verkehr durch Kraftfahrzeuge ausgeschlossen werde. Im Übrigen verfüge kein Textilbetrieb in der Fußgängerzone über eine solche Ausnahmebewilligung. Auch die Verkaufsstände am Mozartplatz könnten nicht als vergleichbare Beispiele herangezogen werden, weil auf Grund fehlender Lagermöglichkeiten Nachlieferungen erforderlich seien, größere Gewichte befördert werden müssten und es sich um verderbliche Waren handle.
Schon die Behörde 1. Instanz habe sich mit den relevanten Tatsachen, Beweisen und den Rechtsausführungen der Beschwerdeführerin ausführlich auseinandergesetzt. Dabei habe sie auch die örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten geprüft. Sie habe mögliche Alternativen dargelegt und ihre Entscheidung ausführlich begründet, indem sie z.B. die Belieferung während der gestatteten Ladezeit, Montag bis Samstag, von 6.00 bis 11.00 Uhr, der Benutzung der Ladezonen am Rudolfskai oder in der Griesgasse, auf welche den ganzen Tag über zugefahren werden könnten, aufgezeigt habe. Das Ergebnis sei dabei, dass mehrere Möglichkeiten bestünden, den Betrieb auch ohne Ausnahmegenehmigung wirtschaftlich, zeiteffizient und sparsam zu führen.
Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung derselben mit Beschluss vom , B 1013/11, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abtrat.
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren machte die beschwerdeführende Partei in Bezug auf den angefochtenen Bescheid Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
In der Beschwerde wird u.a. eingewendet, bei zahlreichen Feststellungen der Behörde handle es sich mehr oder weniger um bloße Annahmen (die Ware der beschwerdeführenden Partei könne auch längere Zeit ohne Beeinträchtigung im Kfz gelagert werden, sie könne überdies auch witterungsfest verpackt werden, die Ware sei gleichwertig mit derjenigen der Mitkonkurrenten in Salzburg und ein Aufbügeln sei auch bei Änderung des Arbeitsschemas der beschwerdeführenden Partei und längerer Lagerung nicht erforderlich). Die beschwerdeführende Partei habe diesen Annahmen entschieden widersprochen und diesen Standpunkt detailliert begründet. Trage die Behörde diesem Standpunkt nicht Rechnung, so hätte sie dennoch diese Einwände durch Aufnahme der angebotenen Beweise überprüfen müssen (allenfalls sogar durch Beiziehung eines Amtssachverständigen von Amts wegen, der mit einer entsprechenden Befundaufnahme zu beauftragen gewesen sei).
Bei korrekter Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes hätte überprüft werden müssen, ob die Ware der beschwerdeführenden Partei gleichwertig mit derjenigen konkurrierender Textilbetriebe in Salzburg sei, ob sie auch noch nach längerer Lagerung ohne neuerliches Aufbügeln verkäuflich sei und welchen Arbeits- und Kostenaufwand eine witterungsfeste Verpackung in einem hermetisch abgeschlossenen Container erfordere. Da lediglich die beschwerdeführende Partei über das erforderliche Fachwissen und die entsprechenden Erfahrungen verfüge, handle es sich bei den obigen Fragen nicht um Tatsachen, die bei der Behörde offenkundig seien. Die Behörde wäre daher verpflichtet gewesen, die angebotenen Beweise aufzunehmen und die Beweisergebnisse bei der Sachverhaltsfeststellung zu berücksichtigen. Tatsächlich seien jedoch alle Beweisanbote der beschwerdeführenden Partei stillschweigend übergangen worden.
Bei korrekter Anwendung des § 45 Abs. 2 StVO 1960 hätte die Behörde die beantragte Ausnahmebewilligung erteilen müssen. Ein dagegen sprechendes öffentliches Interesse liege nicht vor und habe auch nicht dargelegt werden können, weil das Verkehrsaufkommen durch die Ausnahmebewilligung nicht erhöht werde und es auch bisher zu keinerlei Beeinträchtigungen gekommen sei. Die Erteilung einer Ausnahmebewilligung sei auf Grund eines gravierenden wirtschaftlichen Interesses der beschwerdeführenden Partei gerechtfertigt, weil eine Änderung des Arbeitsschemas, wie bereits dargelegt worden sei, zu einem erheblichen Arbeits-, Zeit- und Kostenaufwand führen würde, welcher ökonomisch mit dem Betrieb einer Filiale nicht vereinbar sei. Die Tatsache, dass der Gesellschafter und die Prokuristin der beschwerdeführenden Partei weit über das pensionsfähige Alter hinaus tätig seien und persönlich ca. 30 x jährlich die geschilderten Arbeiten für die bzw. in der Salzburger Filiale durchführten, zeige gerade, dass ein weiterer Personaleinsatz oder Kostenaufwand wirtschaftlich nicht vertretbar wäre (abgesehen davon, dass ihre Anwesenheit im Atelier in Wien soweit wie möglich erforderlich sei). Das wirtschaftliche Interesse der beschwerdeführenden Partei sei daher derart gravierend, dass eine Ausnahmebewilligung nach § 45 Abs. 2 StVO 1960 gerechtfertigt sei.
Nach Ansicht der Behörde wäre es der beschwerdeführenden Partei ohne weiteres auch möglich, ihre Aufgaben auf andere Weise zu erfüllen. Der Gesellschafter und die Prokuristin könnten ca. 30 x jährlich nach einem Arbeitstag um ca. 2 Uhr früh aufstehen, insgesamt 6 Stunden auf der Autobahn verbringen und nach einem erneuten Arbeitstag am Abend zurückkehren. Andernfalls könnten sie das Kfz in der Ladezone in Salzburg abstellen und von dort aus ca. 100 in Transporthüllen verpackte Wäschestücke samt weiterem Dekorationsmaterial händisch über eine Strecke von 95 bis 120 m zur Filiale tragen, trotz ihres Alters von 68 bzw. 70 Jahren und dies auch bei Regen oder bei Schnee und Eis. Gerade derartige Begleitumstände bei der Geschäftsausübung seien jedoch als "besondere Erschwernisse" i.S.d. § 45 Abs. 2 StVO 1960 zu qualifizieren, die jedenfalls die Erteilung der begehrten Ausnahmebewilligung rechtfertigten.
§ 45 Abs. 2 StVO 1960 lautet:
"(2) In anderen als in Abs. 1 bezeichneten Fällen kann die Behörde Ausnahmen von Geboten oder Verboten, die für die Benützung der Straßen gelten, auf Antrag bewilligen, wenn ein erhebliches persönliches (wie z.B. auch wegen einer schweren Körperbehinderung) oder wirtschaftliches Interesse des Antragstellers eine solche Ausnahme erfordert, oder wenn sich die ihm gesetzlich oder sonst obliegenden Aufgaben anders nicht oder nur mit besonderen Erschwernissen durchführen ließen und weder eine wesentliche Beeinträchtigung von Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs, noch wesentliche schädliche Einwirkungen auf die Bevölkerung oder die Umwelt durch Lärm, Geruch oder Schadstoffe zu erwarten sind."
Nach der ständigen hg. Rechtsprechung ist bei der Prüfung der erforderlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach § 45 Abs. 2 StVO 1960 ein strenger Maßstab anzulegen und eine solche daher nur bei Vorliegen von gravierenden, die antragstellende Partei außergewöhnlich hart treffenden Gründen zu erteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2010/02/0299, 0300, m.w.N.).
Wie sich schon aus der Überschrift des § 45 StVO 1960 ("Ausnahmen in Einzelfällen") ergibt, und auch die Wortfolge "wirtschaftliches Interesse DES ANTRAGSTELLERS" indiziert, kommen als derartige wirtschaftliche Interessen nur Umstände in Betracht, die den Antragsteller in besonderer Weise betreffen. Ein wirtschaftliches Interesse kann daher insbesondere nicht durch Umstände begründet werden, die alle Mitbewerber des Antragstellers im wirtschaftlichen Konkurrenzkampf in gleicher Weise betreffen und damit eine wirtschaftliche Benachteiligung des Antragstellers gegenüber seinen Konkurrenten nicht bewirken (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/02/0078).
Die belangte Behörde wies in der Begründung des angefochtenen Bescheides bereits darauf hin, dass sich auch die Mitbewerber der beschwerdeführenden Partei an dieselben zeitlichen Beschränkungen für die Anlieferung der Ware in die gegenständliche Fußgängerzone halten müssten. Überdies verwies die belangte Behörde auf das Erfordernis, in der vom Tourismus geprägten Altstadtfußgängerzone jeglichen nicht unbedingt notwendigen Verkehr auszuschließen. Entgegen der Auffassung der beschwerdeführenden Partei kann dem Gesetz nicht entnommen werden, dass als (vergleichbare) Mitbewerber nur jene Unternehmen anzusehen seien, die eine ident hochwertige Textilware - wie die beschwerdeführende Partei - verkauften.
Da die gegenständliche Beschränkung der Ladezeit somit alle Mitbewerber der beschwerdeführenden Partei im wirtschaftlichen Konkurrenzkampf in gleicher Weise betrifft, vermag die Beschwerde schon aus diesem Grund im Lichte der vorzitierten hg. Judikatur kein erhebliches wirtschaftliches Interesse im Sinne des § 45 Abs. 2 StVO 1960 darzulegen.
Im Übrigen vermag die Beschwerdeführerin auch mit den allgemein gehaltenen Beschwerdeausführungen zu den wirtschaftlichen Nachteilen, die im Falle einer Zufahrt zu ihrem Geschäftslokal während der zulässigen Ladezeiten am Vormittag bzw. zu den in der Nähe des Geschäftslokales liegenden Ladezonen auftreten würden, nicht das Vorliegen von gravierenden, die Interessen der beschwerdeführenden Partei außergewöhnlich hart treffenden Gründen darzulegen.
Allein mit dem Hinweis auf das fortgeschrittene Alter des Gesellschafters und der Prokuristin der beschwerdeführenden Partei, die die entsprechenden Fahrten von Wien nach Salzburg durchführen, wird auch kein erhebliches persönliches Interesse im Sinne des § 45 Abs. 2 StVO 1960 dargelegt, zumal nach der hg. Judikatur der im Gesetz angeführte Fall einer schweren Körperbehinderung ein Maß für das Gewicht darstellt, das ein persönliches Interesse haben muss, um "erheblich" im Sinne des § 45 Abs. 2 StVO 1960 zu sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/02/0176, m.w.N.). Dass die beschwerdeführende Partei von sich aus initiativ (vgl. hiezu gleichfalls das vorzitierte hg. Erkenntnis vom ) dargelegt hätte, dass allfällige Einschränkungen durch das Alter des Gesellschafters bzw. der Prokuristin einer "schweren Körperbehinderung" gleichkommt, ist im Zuge des durchgeführten Verwaltungsverfahrens nicht hervorgekommen.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
HAAAE-67870