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VwGH vom 23.04.2007, 2004/10/0200

VwGH vom 23.04.2007, 2004/10/0200

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner sowie den Senatspräsidenten Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Köhler und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft mbH in Graz, vertreten durch Dr. Robert Wiesler, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Sporgasse 27, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. FA11A-32-928/04-2, betreffend Rückersatz von Spitalskosten, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei ist Rechtsträger der Steiermärkischen Krankenanstalten. Mit Schreiben vom 25. Juni, 7. Juli, 16. Juli und beantragte sie beim Magistrat der Stadt Graz, Sozialamt, unter Hinweis auf das Steiermärkische Sozialhilfegesetz 1998 den Rückersatz von Kosten in der Höhe von EUR 45,70, EUR 13,60, EUR 18,40 und EUR 527,90, die sie für Ambulanz- und Laborleistungen für die Patientin Nurhan A am 17. Juni, 11. Juli und aufgewendet habe. Am beantragte sie den Rückersatz von Kosten in der Höhe von EUR 1.690,50 für die stationäre Behandlung der Patientin in der Zeit von 30. Juni bis . Begründend wurde jeweils darauf verwiesen, dass die Patientin "laut Magistrat Graz laufend befürsorgt" sei.

Mit Bescheid vom wies der Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz den Antrag auf Spitalskostenrückersatz ab. Begründend wurde nach Hinweis auf die §§ 4, 7 und 10 iVm § 31 Abs. 1 des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 29/1998, (SHG), dargelegt, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass die Patientin das Krankenhaus wegen Kinderwunsches mit der Diagnose pluriglande Insuffizienz zur ambulanten Untersuchung und stationären Behandlung aufgesucht habe. Dies gehe eindeutig aus der im Rahmen des Ermittlungsverfahrens angeforderten Krankengeschichte hervor. Die Patientin habe zur Zeit der Behandlung in Graz gewohnt, sie sei im Besitz einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz gewesen und sei keiner Beschäftigung nachgegangen. Sie werde bereits seit aus Mitteln der Sozialhilfe unterstützt. Aus den vom Krankenhaus übermittelten Unterlagen gehe eindeutig hervor, dass es sich im gegenständlichen Fall nicht um Untersuchungen anlässlich einer akuten Notlage gehandelt habe, sondern um die Abklärung der Kinderlosigkeit der Patientin. Der Antrag sei abzuweisen, weil die Antragstellerin die Hilfsbedürftigkeit nicht durch schlüssiges Vorbringen glaubhaft gemacht habe und keine Krankenhilfe für die bevorstehenden ambulanten und stationären Untersuchungen beantragt worden sei. Eine akute Notsituation oder medizinische Notwendigkeit seien nicht vorgelegen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde vorgebracht, die Hilfsbedürftigkeit der Patientin sei durch schlüssiges Vorbringen glaubhaft gemacht worden und es habe auch die Behörde unbestritten festgestellt, dass die Patientin zum Zeitpunkt der Spitalsleistungen im Bezug von Sozialhilfe gestanden sei. Aus der beigeschlossenen medizinischen Stellungnahme gehe hervor, dass die Patientin bereits in der Zeit zwischen und vier Mal in der Endokrinologischen Ambulanz der Frauenklinik wegen primärer Amenorrhoe (Ausbleiben der monatlichen Regelblutung, schwerste Form der Zyklusstörung) ambulant behandelt worden sei. Die Abklärung der Amenorrhoe sei obligatorisch, weil gelegentlich auch lebensbedrohliche Erkrankungen wie maligne Tumore ursächlich sein könnten. Im Rahmen der Abklärung sei neben der pluriglandulären Insuffizienz (Morbus Addison, Ovarialinsuffizienz) eine Hämatometra bekannt geworden, weshalb auch die stationäre Aufnahme der Patientin erfolgt sei. Bereits seit September 2002, also neun Monate vor der stationären Aufnahme, sei auf Grund der stark erhöhten Gonadotropine bekannt (gewesen), dass eine Ovarialinsuffizienz mit vorzeitiger Menopause bestehe, die Frau definitiv als steril gelte und deshalb mit Sicherheit kein operativer Eingriff wegen Sterilität durchzuführen gewesen sei. Der Umstand, dass in der Krankengeschichte unter der Rubrik "derzeitige Beschwerden" vom aufnehmenden Arzt "Kinderwunsch" angegeben worden sei, sei auf ein Kommunikationsproblem zurückzuführen, denn Frau A spreche kein Wort Deutsch. Als 32- jährige türkische Frau habe sie "selbstverständlich" einen Kinderwunsch, dies aber sei für die Behandlung von keiner Relevanz. Ihre Sterilität sei definitiv und nicht behandelbar. Aus dieser medizinischen Stellungnahme gehe eindeutig hervor, dass die Behandlung der Patientin medizinisch unbedingt notwendig gewesen sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Begründend wurde dargelegt, es werde nicht bestritten, dass die Behandlung der Patientin medizinisch unbedingt notwendig gewesen sei. Es habe sich jedoch nicht um eine Akutbehandlung, sondern um die Behandlung eines chronischen Leidens gehandelt. Nach der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Stellungnahme sei die Patientin bereits seit in Behandlung. Es wäre daher zumutbar gewesen, rechtzeitig einen Antrag an die Sozialhilfebehörde zu stellen. Der stationären Aufnahme am sei eine ambulante Behandlung mit Blutabnahme, Laboruntersuchung usw. am vorangegangen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte ein Antrag gestellt werden müssen. Es fehle daher an der Voraussetzung des Rückersatzes im Sinne des § 31 Abs. 1 lit. b SHG.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 31 Abs. 1 des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 29/1998 (SHG), hat der Sozialhilfeträger demjenigen, der einem Hilfsbedürftigen Hilfe geleistet hat, Rückersatz zu leisten, wenn:


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a)
eine Gefährdung des Lebensbedarfes (§ 7) gegeben war;
b)
die Hilfe des Sozialhilfeträgers nicht rechtzeitig gewährt werden konnte;
c) der Dritte nicht selbst die Kosten der Hilfe zu tragen hatte.
Der Rückersatzanspruch setzt nach § 31 Abs. 1 lit. b SHG voraus, dass die Hilfegewährung durch den Dritten so dringend erfolgen musste, dass der zuständige Sozialhilfeträger nicht (vor Hilfegewährung) verständigt werden konnte. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Dringlichkeit der Gewährung der Hilfe eine vorherige Benachrichtigung nicht zuließ (vgl. Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht, 542). Den Dritten - auch Krankenanstalten, die medizinische Hilfe leisten - trifft bei sonstigem Verlust des Rückersatzanspruches die Pflicht zur Verständigung des Sozialhilfeträgers vor Gewährung der Hilfe, es sei denn, der Rechtsträger der Krankenanstalt wusste nichts von der Notlage der Person, der Krankenhilfe gewährt werden muss, oder die Verständigung des Sozialhilfeträgers vor Gewährung der Hilfeleistung war wegen deren Dringlichkeit nicht möglich (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom , Zl. 2000/11/0119, vom , Zl. 88/11/0005, und vom , Slg. 12.014/A).
Der angefochtene Bescheid ist somit rechtmäßig, wenn die belangte Behörde zu Recht davon ausgehen konnte, es sei in Ansehung der gegenüber der Patientin erbrachten Spitalsleistungen unter medizinischen Gesichtspunkten eine solche Dringlichkeit, dass der Sozialhilfeträger vor Erbringung der Leistungen nicht hätte verständigt werden können, nicht vorgelegen.
Insoweit macht die Beschwerde gegen die Auffassung der belangten Behörde geltend, es sei schlichtweg unrichtig, dass es sich um keine Akutbehandlung gehandelt habe. Tatsächlich seien die Behandlungen nicht etwa bloß wegen der Abklärung der Kinderlosigkeit der Patientin erfolgt, sondern wegen primärer Amenorrhoe (Ausbleiben der monatlichen Regelblutung; schwerste Form der Zyklusstörung). Eine Untersuchung der Amenorrhoe sei obligatorisch und daher dringend notwendig, weil Ursachen hiefür auch lebensbedrohliche Erkrankungen wie maligne (bösartige) Tumore sein könnten. Es bedürfe keiner weiteren Ausführung, dass die Abklärung eines derartigen Risikos (bösartiger Tumor) angesichts der damit verbundenen möglichen Folgen dringend notwendig sei. Im Übrigen sei auf Grund der stark erhöhten Gonadotropine bereits seit September 2002, also neun Monate vor der stationären Aufnahme, bekannt gewesen, dass eine Ovarialinsuffizienz mit vorzeitiger Menopause bestehe, die Patientin also definitiv als steril gelte, und deshalb mit Sicherheit kein operativer Eingriff wegen Sterilität durchzuführen gewesen sei. Der Umstand, dass in der Krankengeschichte unter der Rubrik "derzeitige Beschwerden" vom aufnehmenden Arzt "Kinderwunsch" angegeben sei, sei lediglich auf ein Kommunikationsproblem zurückzuführen, weil die Patientin kein Wort Deutsch spreche. Als 32-jährige türkische Frau habe sie seinerzeit "selbstverständlich" einen Kinderwunsch gehabt, was aber für die Behandlung, die auf Grund der Gefahr eines bösartigen Tumors erfolgt und dringend notwendig gewesen sei, von keinerlei Relevanz sei. Angesichts der bestehenden Erkrankung und der möglichen Lebensgefahr (möglicher bösartiger Tumor) sei jedenfalls eine unmittelbare Behandlung erforderlich und ein Zuwarten bis zu einer allfälligen Antragstellung weder möglich noch zumutbar gewesen. Im Übrigen käme es nach § 31 Abs. 2 lit. b SHG nicht darauf an, ob die rechtzeitige Antragstellung an die Sozialhilfebehörde zumutbar gewesen wäre, sondern ausschließlich darauf, ob die Hilfe des Sozialhilfeträgers rechtzeitig hätte gewährt werden können.
Damit zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Im erwähnten Zusammenhang weist sie zum einen darauf hin, es sei "die Behandlung wegen primärer Amenorrhoe (Ausbleiben der Regelblutung; schwerste Form der Zyklusstörung) erfolgt"; deren Untersuchung sei "obligatorisch und dringend notwendig". Zum anderen wird (jedoch) vorgebracht, dass "auf Grund der stark erhöhten Gonadotropine bereits seit September 2002, also neun Monate vor der stationären Aufnahme, bekannt (war), dass eine Ovarialinsuffizienz mit vorzeitiger Menopause besteht". Selbst die Darlegungen der Beschwerde sprechen somit nicht für, sondern gegen die behauptete Dringlichkeit der hier in Rede stehenden, in der Zeit von 17. Juni bis erfolgten medizinischen Behandlung, zumal bereits in der Berufung ausdrücklich darauf hingewiesen worden war, dass " Frau A. bereits ab wegen primärer Amenorrhoe behandelt worden war".
Dem ist hinzuzufügen, dass die beschwerdeführende Partei einen vom datierten medizinischen Befund, in dem von der "Abklärung der primären Amenorrhoe" die Rede ist, und einen Arztbrief (vom ) vorgelegt hat, in dem unter "Anamnese: Blutungen seit der Jugend nur unter Medikamenten, bisher keine spontane Blutung" festgehalten ist.
Auf den in der Berufung angedeuteten Umstand, dass der während des stationären Aufenthaltes der Patientin vom 30. Juni bis erfolgte chirurgische Eingriff mit der Diagnose "Hämatometra" in Zusammenhang stehen könnte, kommt die Beschwerde gar nicht zurück. Es genügt daher der Hinweis, dass selbst insoweit eine aus der Dringlichkeit des Eingriffes resultierende Unmöglichkeit der vorherigen Verständigung des Sozialhilfeträgers nicht ersichtlich wäre, weil bereits im Arztbrief vom davon die Rede ist, dass "Hämatometra seit kurzem bekannt" und der entsprechende Eingriff (Hysteroskopie und Laparoskopie) für den ins Auge gefasst sei. Auch insoweit ist somit nicht ersichtlich, dass eine medizinische Notsituation vorgelegen wäre, die sofortiges Handeln ohne Möglichkeit der Verständigung des Sozialhilfeträgers erforderlich gemacht hätte.
Eine der belangten Behörde bei der Beurteilung der "Dringlichkeit" der Hilfegewährung unterlaufene Rechtswidrigkeit zeigt die beschwerdeführende Partei somit nicht auf. Sie behauptet auch nicht, dass das Unterbleiben der Verständigung des Sozialhilfeträgers vor der Gewährung der Hilfe für den Rückersatzanspruch unschädlich wäre, weil ihr die Hilfsbedürftigkeit der Patientin im Zeitpunkt der Hilfegewährung unbekannt gewesen wäre. Der Beschwerde gelingt es somit nicht, eine bei der Beurteilung der Anspruchsvoraussetzung nach § 31 Abs. 1 lit. b) SHG unterlaufene Rechtswidrigkeit aufzuzeigen; es erübrigt sich daher, auf jene Beschwerdegründe einzugehen, die sich auf Fragen der medizinischen Notwendigkeit der Behandlung und der schlüssigen Darlegung der Hilfsbedürftigkeit beziehen.
Die geltend gemachte Rechtswidrigkeit liegt somit nicht vor; die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am

Fundstelle(n):
OAAAE-67846