VwGH vom 28.04.2011, 2007/15/0064

VwGH vom 28.04.2011, 2007/15/0064

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2009/13/0171 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde der Abwasser- und Aufschließungsgenossenschaft S registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung in G, vertreten durch die Arnold Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , Zl. RV/0162-G/05, betreffend Umsatzsteuer für 2000, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine im Jahr 2000 gegründete Genossenschaft, die nach Punkt 2 ihrer Satzung die wirtschaftliche Förderung ihrer Mitglieder durch die Entwässerung und Aufschließung der in ihrem Tätigkeitsgebiet liegenden Grundstücke der Mitglieder bezweckt, indem sie Grundflächen erwirbt und darauf Anlagen zur Stromversorgung, Wasserversorgung, Energieversorgung, Telefonversorgung, Schmutzwasserbeseitigung, Oberflächenentwässerung und allenfalls zur Ermöglichung eines Anschlusses an Telekabel, errichtet. Weiters indem sie Grundflächen befestigt und bepflanzt und darauf Straßenbeleuchtungsanlagen, allenfalls eine zentrale Müllsammelstelle errichtet. Mitglieder können nach Punkt 6 der Satzung grundsätzlich nur Eigentümer jener Grundstücke werden, die in das Tätigkeitsgebiet der Beschwerdeführerin fallen, sowie Personen, deren Aufnahme im Interesse der Beschwerdeführerin gelegen ist. Nach Punkt 13 der Satzung hat jedes Mitglied pro erworbener Bauparzelle im Bereich des Tätigkeitsgebietes der Beschwerdeführerin 100 Anteile zu je 160 EUR zu erwerben, um deren Anlagen in Anspruch nehmen zu dürfen, wobei der Vorstand die Inanspruchnahme der Dienste der Beschwerdeführerin von der Zeichnung einer höheren Anzahl von Geschäftsanteilen pro erworbener Bauparzelle abhängig machen kann. Im Falle des Ausscheidens eines Mitgliedes sieht Punkt 10 der Satzung vor, dass die Geschäftsanteile erst ein Jahr nach Wirksamwerden des Ausscheidens ausbezahlt werden.

Im Rahmen einer abgabenbehördlichen Prüfung stellte der Prüfer fest, dass die Beschwerdeführerin in den Jahren 2000 und 2001 die in ihrem Tätigkeitsgebiet gelegenen Grundstücke aufgeschlossen hat. Die Kosten dafür hätten sich im Jahr 2000 auf 373.720,30 S (netto) und im Jahr 2001 auf 7.396.792,47 S (netto) belaufen. Das Bauvorhaben sei mit 1.027.270,46 S subventioniert, der Rest durch Ausgabe von 3.802 Geschäftsanteilen aufgebracht worden, deren Höhe offensichtlich "aufgrund der voraussichtlichen Aufschließungskosten ermittelt" worden sei. Eigentümer von im Tätigkeitsgebiet der Beschwerdeführerin gelegenen Grundstücken hätten 3.800 Geschäftsanteile übernommen, zwei Funktionäre der Beschwerdeführerin je einen Geschäftsanteil. Die Einzahlung der Geschäftsanteile sei in den Jahren 2000 und 2001 nach dem Kapitalbedarf der Beschwerdeführerin erfolgt.

Im Oktober 2001 seien die ersten Einrichtungen (Abwasserkanal, Regenwasserkanal, Gasleitung, Straßenbeleuchtung und Transformator) fertiggestellt worden. Ab diesem Zeitpunkt seien Benutzungsentgelte von 5,16 EUR zuzüglich 20% Umsatzsteuer pro Geschäftsanteil und Jahr an die Eigentümer der Bauparzellen verrechnet worden.

Der Prüfer vertrat die Ansicht, die Eigentümer der im Tätigkeitsbereich der Beschwerdeführerin gelegenen Grundstücke hätten ihre Geschäftsanteile nur auf Grund konkreter Gegenleistungen (Aufschließung ihrer Grundstücke) erworben, weshalb die diesbezüglich vereinnahmten Beträge steuerpflichtiges Entgelt darstellten, das - ebenso wie die laufend eingehobenen Benutzungsentgelte - dem Normalsteuersatz unterliege.

Die Vorschreibung der Beiträge sei 2000 erfolgt. Die Bemessungsgrundlage für den Leistungsaustausch im Jahr 2000 betrage 6.971.885,33 S und ermittle sich wie folgt: "3800 Anteile x 160 EUR x 13,7603 : 1,2 = ATS 6.971.885,33".

Das Finanzamt folgte dem Prüfer und erließ - nach Wiederaufnahme des Verfahrens - einen entsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheid 2000.

Die Beschwerdeführerin berief gegen den angeführten Bescheid und brachte vor, Zweck der Genossenschaft sei gemäß Punkt 2 der Satzung die Förderung der Wirtschaft der Mitglieder mittels gemeinsamen Geschäftsbetriebs. "Es steht also der gemeinsame Geschäftsbetrieb im Mittelpunkt und nicht die Einzelinteressen eines jeden Mitglieds". Zu diesem Zweck habe die Beschwerdeführerin auch Grundstücke angekauft. Der Bau diverser Anlagen auf Genossenschaftsgrund, die Förderungsabwicklung, die Instandhaltung, der Betrieb und die Versicherung der Anlagen stellten das gemeinschaftliche Interesse in den Vordergrund. Die Trennung der Aufgaben der Genossenschaft und der jeweiligen Grundeigentümer sei in der Satzung genau definiert. Zudem könnten gemäß Punkt 6 der Satzung nicht nur Grundeigentümer Mitglied der Beschwerdeführerin werden.

Dass die Genossenschaft ihren Kapitalbedarf rein mit Eigenkapital (Geschäftsanteilen) decke, dürfe nicht zu einer steuerlichen Benachteiligung führen. Die Aufteilung nach den Bauparzellen entspreche dem genossenschaftlichen Gleichbehandlungsrecht der Mitglieder. "Es handelt sich hier nicht um die Problematik echte und unechte Mitgliedsbeiträge sondern um einen Leistungsaustausch von Genossenschaftsanteilen. Die Zeichnung von Geschäftsanteilen anlässlich der Gründung ist aber gemäß § 6 Abs. 1 Z. 8 lit. g UStG unecht steuerbefreit."

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab und führte begründend aus, die Beschwerdeführerin bezwecke die Aufschließung von Baugrundstücken und sei zur Erreichung dieses Zweckes berechtigt, die erforderlichen Anlagen zu errichten und zu betreiben und Gesellschaftsbeteiligungen einzugehen. Dass sie darüber hinaus eine Tätigkeit entfalte, die den Genossenschaftern in ihrer Gesamtheit zugutekomme, sei weder der Satzung noch den Ausführungen der Beschwerdeführerin zu entnehmen. Die Tätigkeit der Genossenschaft stelle sich als Summe von Einzelleistungen gegenüber den jeweiligen Grundstückseigentümern (Genossenschaftsmitgliedern) dar. In Punkt 2 der Satzung würde beispielsweise die Versorgung der Mitglieder mit Strom, Wasser, Energie und Telefon angeführt.

Die Verpflichtung der Genossenschafter, pauschale Beiträge für das Erreichen des Genossenschaftszweckes zu leisten, stehe einem Leistungsaustausch nicht entgegen. Einerseits sei es im Wirtschaftsleben nicht unüblich, bereits für die Leistungsbereitschaft des Unternehmers Entgelte zu entrichten. Andererseits stelle das Eigentum an den Baugrundstücken einen Maßstab dar, der - wenn auch vereinfachend - den individuellen Nutzen des einzelnen Genossenschafters berücksichtige. Dazu komme, dass im Zeitpunkt der Anlagenerrichtung das Ausmaß der späteren individuellen Nutzung der einzelnen Einrichtungen noch nicht bekannt gewesen sei.

Für die Frage des Vorliegens eines Leistungsaustausches sei nicht relevant, ob die Leistungen der Personenvereinigung an ihre Mitglieder auf besonderen schuldrechtlichen Beziehungen beruhten oder im Gesellschaftsvertrag geregelt seien. Der Annahme eines Leistungsaustausches stehe auch nicht entgegen, dass der einzelne Genossenschafter keinen Einfluss auf die Verwendung seines Betrages habe, weil die Einflussnahme des Leistungsempfängers auf die Entgeltverwendung durch den Unternehmer im Wirtschaftsleben nicht üblich sei. Entscheidend für das Vorliegen eines Leistungsaustausches sei die vom Unternehmer ausgeführte Leistung (gegenständlich die Errichtung der Anlagen, den Anschluss an das Versorgungsnetz und weitere Infrastruktur im Tätigkeitsgebiet der Beschwerdeführerin zu schaffen), für die der Abnehmer (gegenständlich das Genossenschaftsmitglied) ein Entgelt zu entrichten habe. Welcher Vertragspartner die Bedingungen des Leistungsaustausches bestimme, sei für die Beurteilung des Leistungsaustausches nicht relevant. Dass zwei Genossenschaftsanteile von Genossenschaftern erworben worden seien, die über kein Grundstück im Tätigkeitsgebiet der Beschwerdeführerin verfügten, hindere die Annahme eines Leistungsaustausches ebenfalls nicht, weil es auf die tatsächliche Nutzung der mit der Mitgliedschaft verbundenen Vorteile nicht ankomme (Hinweis auf das C- 174/00, Kennemer Golf Country Club). Darüber hinaus seien diese zwei Anteile nicht in die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer einbezogen worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 unterliegen nur entgeltliche Leistungen der Umsatzsteuer. Die Umsatzsteuerpflicht setzt einen Leistungsaustausch zwischen bestimmten Personen, also eine wechselseitige Abhängigkeit zwischen Leistung und Gegenleistung voraus. Erhebt eine Vereinigung Mitgliedsbeiträge und verwendet sie diese nur zur Erfüllung einer satzungsmäßigen Gemeinschaftsaufgabe, deren Erfüllung zwar der Gesamtheit der Mitglieder zugutekommt, aber sich nicht als eine besondere Einzelleistung gegenüber einem einzelnen Mitglied darstellt, dann fehlt die wechselseitige Abhängigkeit und bilden die Mitgliedsbeiträge kein umsatzsteuerpflichtiges Entgelt.

Von den eben genannten Beiträgen sind die so genannten unechten Mitgliedsbeiträge zu unterscheiden. Es sind dies - unabhängig von ihrer Bezeichnung - solche Leistungen eines Mitglieds, denen eine konkrete Leistung der Personenvereinigung an den Beitragszahler gegenüber steht. Die Leistungen der Vereinigung, die für unechte Mitgliedsbeiträge erbracht werden, sind Leistungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 1 UStG (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2000/13/0051, VwSlg. 7707/F, mwN, sowie das , Kennemer Golf Country Club Rn40).

Die belangte Behörde stellt im angefochtenen Bescheid fest, dass der Zweck der beschwerdeführenden Genossenschaft darin bestehe, die in ihrem Tätigkeitsbereich gelegenen Grundstücke ihrer Mitglieder aufzuschließen, und sie zur Erreichung dieses Zweckes berechtigt sei, die erforderlichen Anlagen zu errichten und zu betreiben und Gesellschaftsbeteiligungen einzugehen. Dass die Genossenschaft darüber hinaus eine Tätigkeit entfalte, die einem übergeordneten Gemeinschaftsinteresse ihrer Mitglieder zugutekomme, sei weder der Satzung noch den Ausführungen in der Berufung zu entnehmen. Solcherart stelle sich die Tätigkeit der Beschwerdeführerin als Summe von Einzelleistungen gegenüber ihren Mitgliedern dar (Versorgung mit Strom, Wasser, Energie Telefon etc.), weshalb die streitgegenständlichen Beiträge der Umsatzsteuer unterlägen.

Die von der belangten Behörde vorgenommene Würdigung des vorliegenden Sachverhaltes stößt auf keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Bedenken, weil dieser in seinen entscheidungswesentlichen Punkten jenen gleicht, über die mit den hg. Erkenntnissen vom , 98/14/0033, VwSlg 7332/F und vom , 2000/13/0051, VwSlg 7707/F, auf die im angefochtenen Bescheid hingewiesen wird, entschieden wurde. Da wie dort besteht der satzungsgemäße Zweck von Genossenschaften/Vereinen darin, Leistungen an die Mitglieder zu erbringen, die in deren individuellen Interesse liegen, wobei die für die Erreichung dieses Zweckes erforderlichen Mittel (ganz oder teilweise) durch Beiträge der Mitglieder aufgebracht werden.

Soweit die Beschwerde rügt, die Begründung des angefochtenen Bescheides folge dem hg. Erkenntnis vom , 2000/13/0051, obwohl der Sachverhalt nicht ident sei, und vermeint, im Streitfall liege das übergeordnete Gemeinschaftsinteresse schon allein darin, "dass nur die - mit entsprechendem Eigenkapital ausgestattete - Genossenschaft in den Genuss von Förderungsmitteln kommt" und der Betrieb der jeweiligen Einrichtungen und Anlagen nicht einzeln, "sondern nur im Rahmen eines übergeordneten Gemeinschaftsinteresses erfolgen kann", zeigt sie keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Dies deswegen, weil die Beweggründe für die Errichtung der Genossenschaft und die daraus allenfalls resultierenden Vorteile die wechselseitige Abhängigkeit zwischen den streitgegenständlichen Beiträgen, die - von der Beschwerde unwidersprochen - für die Erschließung der im Tätigkeitsgebiet der Genossenschaft gelegenen Grundstücke ihrer Mitglieder verwendet wurden, und den Leistungen, die gegenüber den einzelnen Mitgliedern durch die Erschließung der Grundstücke erbracht wurden, nicht aufheben können.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom , 2000/13/0051, ausgesprochen hat, ist es nicht von Relevanz, ob die Leistungen einer Personenvereinigung an ihre Mitglieder auf besonderen schuldrechtlichen Beziehungen beruhen oder im Gesellschaftsvertrag geregelt sind. Das muss in gleicher Weise für den Titel gelten, unter dem die für die Erbringung besagter Leistungen erforderlichen Mittel eingehoben werden. Folglich ist es auch nicht von Relevanz, ob die für die Leistungserbringung erforderlichen Mittel in Form von jährlichen Mitgliedsbeiträgen, Baukostenzuschüssen oder - wie im vorliegenden Fall - durch die Ausgabe von Genossenschaftsanteilen aufgebracht werden. Entscheidend ist, dass die Gegenleistung für die der Genossenschaft zur Verfügung gestellten Mittel in (konsumfähigen) Leistungen an die Grundstückeigentümer besteht und dem Erwerb der Genossenschaftsanteile durch die Grundstückseigentümer aus der Sicht des Beschwerdefalles keine wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Damit gehen auch die in der Beschwerde angestellten Überlegungen, wonach - auf das Wesentliche zusammengefasst - zwischen Genossenschaftsanteilen und Mitgliedsbeiträgen zu unterscheiden sei und die Zeichnung von Geschäftsanteilen nichts mit Mitgliedsbeiträgen zu tun habe, ins Leere.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG Abstand genommen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Die Durchführung der mündlichen Verhandlung war auch nicht unter dem Aspekt des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, erforderlich, weil die vorliegende Abgabensache nicht "civil rights" betrifft.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am