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VwGH vom 17.12.2013, 2012/01/0104

VwGH vom 17.12.2013, 2012/01/0104

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde der B in P, vertreten durch Dr. Johannes Hochleitner, Rechtsanwalt in 4320 Perg, Linzer Straße 14, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MD-VD- 1063/11, betreffend Antrag auf Nachbeurkundung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid vom wies der Landehauptmann von Wien den Antrag der Beschwerdeführerin auf Nachbeurkundung ihrer Geburt gemäß § 2 Abs. 2 Personenstandsgesetz (PStG) ab.

Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges und der maßgeblichen Rechtslage - soweit für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wesentlich - aus, nach dem unbestritten gebliebenen Akteninhalt stehe fest, dass sich der in Rede stehende Personenstandsfall, nämlich die Geburt der Beschwerdeführerin, im Ausland ereignet habe. Ein solcher, nicht in Österreich eingetretener Personenstandsfall sei nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung des § 2 PStG nur dann in ein inländisches Personenstandsbuch einzutragen, wenn die Eintragung einer Person aus dem in dieser Bestimmung genannten Personenkreis beantragt werde. Da die Beschwerdeführerin russische Staatsangehörige sei, sei von vornherein auszuschließen, dass sie österreichische Staatsbürgerin oder staatenlos sei bzw. ihre Staatsangehörigkeit ungeklärt sei. Ihr sei auch niemals der Flüchtlingsstatus nach der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, und des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (im Folgenden: FlKonv), zuerkannt worden. Im Hinblick auf die Aberkennung ihres Status als subsidiär Schutzberechtigte könne kein Zweifel daran bestehen, dass sie nicht die in § 2 Abs. 2 Z. 3 PStG genannten Voraussetzungen erfülle. Da die Beschwerdeführerin keiner der begünstigten Personengruppen angehöre, sei die Eintragung in ein inländisches Personenstandsbuch von der Erstbehörde zu Recht verweigert worden.

Zum Berufungsvorbringen, wonach die Nachbeurkundung und Ausstellung der Geburtsurkunde gemäß § 9 Internationales Privatrechts-Gesetz (IPRG) geboten sei, sei auszuführen, dass § 9 Abs. 3 IPRG vorsehe, dass sich das Personalstatut bei Flüchtlingen und Personen, deren Beziehungen zum Heimatstaat aus vergleichbar schwerwiegenden Gründen abgebrochen seien, nach dem Wohnsitz bzw. gewöhnlichem Aufenthalt richte. Die Beurteilung des Tatbestandsmerkmals der zur FlKonv gleichwertigen Gründe sei zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorzunehmen, sodass selbst früher bestanden habende schwerwiegende Gründe weiterhin fortbestehen müssten (Verweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/21/0018). In der Begründung des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes vom , mit welchem der Beschwerdeführerin der Status einer subsidiär Schutzberechtigten aberkannt worden sei, sei klargestellt worden, dass die Beschwerdeführerin bei der Rückkehr in die Russische Föderation keiner der in § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 umschriebenen Gefahren ausgesetzt wäre und keine extreme Gefährdungslage bestünde. Die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte dauerhafte Unzulässigkeit der Ausweisung sei überdies nicht "mit einer gefährlichen Rückkehr" begründet worden, sondern allein mit der bereits erfolgten guten Integration im Inland vor dem Hintergrund von Art. 8 EMRK. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin selbst keine eigenen Fluchtgründe und keine Gründe für die Gewährung subsidiären Schutzes glaubhaft machen habe können, sondern sich der "vorübergehende Schutz" lediglich von ihrem Ehemann abgeleitet habe. Zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung lägen daher keine schwerwiegenden Gründe, die einen Fortbestand des Abbruches ihrer Beziehungen zum Heimatstaat rechtfertigten, vor.

Gegen diese Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 189/12-3, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abtrat.

Über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes ergänzte die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde mit Schriftsatz vom . Darin wird beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Personenstandsgesetzes, BGBl. Nr. 60/1983 in der Fassung BGBl. I Nr. 135/2009 (PStG), lauten:

" Örtlichkeitsgrundsatz

§ 2. (1) Jeder im Inland eingetretene Personenstandsfall (Geburt, Eheschließung, Begründung einer eingetragenen Partnerschaft, Tod) ist in die Personenstandsbücher einzutragen (Örtlichkeitsgrundsatz).

(2) Ein im Ausland eingetretener Personenstandsfall ist auf Antrag einer Person, die ein rechtliches Interesse daran glaubhaft macht, in ein inländisches Personenstandsbuch einzutragen, wenn der Personenstandsfall betrifft


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
einen österreichischen Staatsbürger;
2.
einen Staatenlosen oder eine Person ungeklärter Staatsangehörigkeit, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben;
3.
einen Flüchtling im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, und des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, wenn er seinen Wohnsitz, mangels eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat.

(3) …

Örtliche Zuständigkeit

§ 4. (1) …

(2) Die in § 2 und 3 angeführten Personenstandsfälle sind von der Gemeinde Wien einzutragen.

(3) …"

2. Die Beschwerde macht im Wesentlichen geltend, die Beschwerdeführerin sei russische Staatsangehörige tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit und muslimischen Glaubens. Ihre Geburtsurkunde sei in Verstoß geraten. Die Beschwerdeführerin sei mit ihrem Ehegatten und ihren fünf Kindern legal im Bundesgebiet aufhältig und verfüge über eine unbeschränkte Niederlassungsbewilligung. Zuvor hätte sie über den Status einer subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 8 Asylgesetz 2005 verfügt. Es sei daher offenkundig, dass sie die Beziehungen zu ihrem Heimatstaat aus vergleichbar schwerwiegenden Gründen im Sinne des § 9 Abs. 3 IPRG abgebrochen habe, andernfalls ihr wohl nicht rechtskräftig subsidiärer Schutz zuerkannt worden wäre. Die Einheit der österreichischen Rechtsordnung verbiete es, einerseits (mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom ) auszusprechen, dass eine Ausweisung der Beschwerdeführerin aus dem österreichischem Bundesgebiet in die Russische Föderation gemäß § 10 Abs. 5 Asylgesetz 2005 auf Dauer unzulässig sei, andererseits ihr "gleichzeitig aufzubürden, von ihrer tschetschenischen Heimat eine neue ausgestellte Geburtsurkunde beizuschaffen". Das Konsulat der Russischen Föderation in Salzburg, das für diese Angelegenheiten grundsätzlich zuständig wäre, habe sich mehrfach für Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe für unzuständig erklärt; dieses habe sogar damit gedroht, die Polizei zur restlichen, in Tschetschenien verbliebenen Familie zu schicken. Dem Ehegatten der Beschwerdeführerin sei Ende Jänner 2011 zweimal fernmündlich der Rat erteilt worden, in die Russische Föderation zu fahren, was der Beschwerdeführerin bzw. deren Ehegatten aber weder finanziell noch praktisch ("kein gültiger Reisepass") möglich sei. Seitens des Konsulates in Salzburg sei zuletzt im Februar 2011 mitgeteilt worden, dass für Tschetschenen keine Dokumente ausgestellt würden. Vor diesem Hintergrund könne der Beschwerdeführerin als ehemaliger subsidiär Schutzberechtigter und fünffachen Mutter wohl nicht zugemutet werden, zur Erlangung ihrer Geburtsurkunde in ihre tschetschenische Heimat zurückzukehren und dadurch ihr Leben zu gefährden.

3. Mit diesem Vorbringen wird keine zur Aufhebung führende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt:

3.1. Was zunächst das zuletzt wiedergegebene Beschwerdevorbringen zum Konsulat der Russischen Föderation in Salzburg und zu einer Gefährdung der Beschwerdeführerin bei Rückkehr in die Russischen Föderation anbelangt, so ist darauf hinzuweisen, dass Derartiges im Verwaltungsverfahren nicht behauptet wurde. Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen unterliegt demnach dem im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltenden Neuerungsverbot und ist daher unbeachtlich.

3.2. Gemäß § 2 Abs. 2 PStG ist ein im Ausland eingetretener Personenstandsfall auf Antrag einer Person, die ein rechtliches Interesse daran glaubhaft macht, in ein inländisches Personenstandsbuch einzutragen, wenn der Personenstandsfall betrifft einen österreichischen Staatsbürger (Z. 1), einen Staatenlosen oder eine Person ungeklärter Staatsangehörigkeit, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben (Z. 2) oder einen Flüchtling im Sinne der FlKonv, wenn er seinen Wohnsitz, mangels eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat (Z. 3).

Schon nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 PStG kann zunächst nicht zweifelhaft sein, dass diese Bestimmung die Eintragung eines im Ausland eingetretenen Personenstandsfalles in ein inländisches Personenstandsbuch nur dann ermöglicht, wenn der Personenstandsfall eine der in den Z. 1 bis 3 leg. cit. genannten Personen - aktuell - betrifft; dass der Betreffende in der Vergangenheit einer dieser Personengruppen zuzurechnen war, genügt nicht.

Die Beschwerde nimmt den Standpunkt ein, § 2 Abs. 2 Z. 3 PStG sei dahin auszulegen, dass dieser Bestimmung nicht nur Flüchtlinge gemäß FlKonv, sondern im Sinne des § 9 Abs. 3 IPRG auch Personen zu unterstellen seien, deren Beziehungen zur ihrem Heimatstaat aus vergleichbar schwerwiegenden Gründen abgebrochen sind. Selbst unter Zugrundelegung dieser Annahme - deren Richtigkeit im Beschwerdefall keiner abschließenden Beurteilung bedarf - kann der Beschwerde aber insoweit kein Erfolg beschieden sein. § 9 Abs. 3 IPRG stellt nämlich in seiner zweiten Fallkonstellation darauf ab, dass "die Beziehungen einer Person zu ihrem Heimatstaat aus Gründen abbrechen, die zwar nicht der Flüchtlingskonvention entsprechen, diesen aber an Gewicht gleichkommen" (so die Materialien zur Regierungsvorlage, 784 BlgNR 14. GP, S. 22).

Derartige schwerwiegende Gründe für den Abbruch der Beziehungen zum Heimatstaat liegen nach den - von der Beschwerde nicht konkret bekämpften - Feststellungen der belangten Behörde aber nicht vor. Diesen Feststellungen zufolge ist die Beschwerdeführerin bei der Rückkehr in die Russische Föderation keiner der in § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 umschriebenen Gefahren ausgesetzt und es besteht auch keine extreme Gefährdungslage. Entgegen der Beschwerdeansicht kann weder aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführerin in der Vergangenheit der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden war, noch aus dem Umstand, dass eine Ausweisung der Beschwerdeführerin aus dem österreichischem Bundesgebiet in die Russische Föderation aus Gründen des Art. 8 EMRK auf Dauer für unzulässig erklärt wurde, abgeleitet werden, dass die Beziehungen zum Heimatsstaat im Entscheidungszeitpunkt der belangten Behörde aus vergleichbar schwerwiegenden Gründen wie denjenigen von Flüchtlingen nach der FlKonv abgebrochen sind. Selbst unter Zugrundelegung der von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Auslegung des § 2 Abs. 2 Z. 3 PStG könnte der Beschwerde somit kein Erfolg beschieden sein.

4. Da sich die Beschwerde demnach als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am